Als Adolf Ignaz Mautner Smirice verließ, befand sich Europa bereits im Umbruch. Für noch lange Zeit würde Friede herrschen, die Künste erlebten neue Blüte, das Industriezeitalter hatte längst begonnen. Je stärker jedoch die Industrialisierung fortschritt, desto brennender wurden die sozialen Probleme, da selbst der Staat vom aufkommenden Elend überrascht wurde und nur langsam vermochte die Auswirkungen der industriellen Revolution zu begreifen. Die traditionelle Versorgung innerhalb der Großfamilie geriet ins Wanken, immer mehr Menschen strömten in die Stadt, das Überangebot an Arbeitskräften führte wiederum zu einem furchtbaren Mangel an Wohnungen, die Mietpreise stiegen ins Gigantische. Hunderttausende Arbeiter in Europa sind dankbar, wenn sie als „Bettgeher“ einen Schlafplatz finden. Den meisten Männern der ersten Unternehmergeneration war soziales Denken völlig fremd, meist schon brutal wurde die Notlage der Menschen ausgenützt, Schutzbestimmungen für arbeitende Menschen gibt es so gut wie keine.
So wuchs auch Wien innerhalb nur weniger Jahrzehnte zu einer Millionenstadt an – nicht zuletzt darin lag ja der Grund für den plötzlich gesteigerten Bierabsatz dieses Jahrhunderts. Doch das soziale Elend machte letztlich auch vor den Brauern nicht Halt, die davor zu den eher privilegierten Gruppen unter den Handwerkern gehörten. Im Jahre 1871 gab es in Wien und Umgebung 22 Brauereien, in denen rund 4000 Brauergehilfen beschäftigt waren. Diese große Zahl erklärt sich dadurch, dass die maschinellen Einrichtungen noch äußerst primitiv waren und ungelernte Hilfsarbeiter nicht beschäftigt wurden. Alle Arbeiten, mit Ausnahme der Kutscher und Maschinenbedienung, wurden von Brauern und Bindern geleistet.
Im Fassbindergewerbe wurde durchschnittlich 15 Stunden täglich gearbeitet – eine Arbeitszeit, die nur durch kurze Essenspausen unterbrochen war. Kost und Quartier war Aufgabe des Meisters, Essensqualität Aufgabe der Meisterin. Im Schlafraum standen die Betten in drei bis vier Etagen und es wimmelte nur so vor Ungeziefer. Dies war auch der Grund, warum die Gehilfen es in den Sommermonaten vorzogen unter freiem Himmel zu schlafen. Ihr Wochenlohn betrug zwischen 2 Gulden 50 Kreuzer bis 7 Gulden für die bestqualifizierten Arbeiter. Infolge der langen Arbeitszeit und der Wohnung beim Meister waren die Gehilfen von der Außenwelt abgeschnitten. Die meisten fühlten sich in den Verhältnissen wohl, und hatten keine Ambition selbst auch nur das geringste am Althergebrachten zu ändern. Schließlich gab der Brauerstreik 1871 Anstoß zu einer intensiven Bewegung der Fassbinder, woraufhin sie im Juni die Arbeit niederlegten und folgende Forderungen stellten: Einführung der Akkordarbeitszeit, Verkürzung der Arbeitszeit auf 11 Stunden täglich mit drei Pausen. Lohnforderungen wurden keine gestellt, denn man erhoffte sich bessere Verdienstmöglichkeiten durch Akkordarbeit, die gerne bewilligt wurde, da sie dem Meister reichlich Gewinn brachte – die Gesellen spornten sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Es blieb weiterhin bei 13 – 14 Stunden Arbeit, den verwanzten Betten und der kargen Kost. Da jedoch jeder die Möglichkeit sah im Akkord (unter unmenschlicher Plackerei), wenn er fähig war die meisten Fässer herzustellen, einige Gulden mehr zu verdienen, dachte niemand mehr an weitere Verbesserung. Körperlich schwächere Arbeiter wurden nun nur noch umso mehr missachtet, die Meister schürten Hochmut einerseits und Neid andererseits, ein System der sozialen Uneinigkeit entstand. Durch die Hochkonjunktur wurden viele Bindergehilfen in Brauereien, Spiritusfabriken und Weinhandlungen beschäftigt und waren Gegenstand des Spottes und der Verachtung für die dortigen Werkstattgehilfen. Man nannte sie einfach nur Hausknechte. Auf all diese Umstände ist es zurückzuführen, dass die Fassbindergehilfen keine Organisation hatten, nicht einmal den Versuch starteten sich gegen ihre Unterdrücker zu wehren, und gezwungen waren unter miserablen Verhältnissen zu leben und zu arbeiten. Mit der Entwicklung neuer Produktionsweisen und der Rückständigkeit der Meister wurde die Konkurrenz mit der Zeit immer spürbarer, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit waren die Folge.
Was die Brauer betraf, so war die Arbeitszeit mit 365 Tagen im Jahr unbegrenzt, Sonn- und Feiertagsruhe waren gänzlich unbekannte Begriffe. Dafür gab es Freibier im Überfluss, was zur Folge hatte, dass so mancher Arbeiter aus dem Alkohol-Dusel nicht mehr herausfand. Die mit Ungeziefer, Mäusen und Ratten bevölkerten Schlafräume hatten Betten in zwei bis drei Etagen geschlichtet (sogenannte Himmelbetten), sodass es bei dem vielen Biergenuss nicht selten vorkam, dass der in der unteren Etage Schlafende in der Nacht plötzlich einen „Regen“ verspürte. Von der schweren, lang andauernden Arbeit todmüde und vom vielen Biertrinken berauscht, fielen sie irgendwann, meistens in Kleidern und Stiefel auf die Liegestatt, um schon nach wenigen Stunden vom Vize brutal geweckt zu werden. Schimpfworte und Schläge waren an der Tagesordnung, denn das System sah vor, dass der nicht der Fähigste zum Vorderburschen bestimmt wurde, sondern der körperlich Stärkste. Aufgrund der daraus resultierenden inkompetenten Führung mussten sich alle mehr als notwendig plagen, sanitäre Missstände und der permanente Alkoholkonsum leisteten das Übrige, sodass junge kräftige Männer in nur kurzer Zeit dahingerafft wurden. Krankenversicherung gab es keine, die Brauherren zahlten an das Spital der Barmherzigen Brüder eine Pauschale; 80 – 100 Mann lagen dort jahrein, jahraus und wurden zur ewigen Ruhe getragen. Die Verhältnisse erlaubten es keinem zu heiraten, es war beinahe unmöglich eine Familie zu gründen. Diesem Umstand ist es auch zuzuschreiben, dass viele Geschlechtskrank wurden und sich auf diese Art den Todeskeim holten. Nichts desto trotz waren die Brauer, im Gegensatz zu den Fassbindern, von einem starken Zunftgeist durchdrungen, der seinesgleichen suchte.
Eine bemerkenswerte Einrichtung war das Vazierandentum, nichts Vergleichbares findet man in einer anderen Industrie. Jede Brauerei hatte eine Anzahl Brauer, die nur Bier und Schlafstelle, jedoch keinen Lohn bekamen. Wollte sich nun ein mit Lohn angestellter Brauer für einige Stunden freimachen, so war er gezwungen auf einen der Vazierenden zurückzugreifen und ihn selbst dafür zu bezahlen.
Nicht zu beneiden waren damals auch die Bierkutscher. Nicht nur mussten sie den voll beladenen Wagen souverän lenken, sondern auch mit den schweren Fässern beim Auf- und Abladen herumhantieren. Besonders zur Winterzeit, wenn sie bei eisiger Kälte weite Strecken auf holpriger Straße zurücklegen mussten, war ihr einziger Schutz die sogenannten „Bierkutscherstiefel“, klobige Fußwärmer aus geflochtenen Strohmatten.
Abschaffung des Begriffes „Knecht“
Schon die Benennung der Arbeiter in den Brauereien deutete auf eine menschenunwürdige Lage und Behandlung hin. Adolf Ignaz, der sowohl stets ein offenes Auge und einen zur Hilfe geneigten Sinn für die mannigfachen sozialen Missstände seiner Zeit, als auch Dankbarkeit für geleistete Dienste hatte war es, der ihre Bezeichnungen für schändlich empfand und eine eigene Nomenklatur ausarbeitete. Diese unterbreitete er der politischen Behörde, die sie annahm und definitiv einführte. Braubursche, Braugeselle, Brauführer, Obermälzer, Biersieder und wie sie alle heißen verdanken ihm alleine ihre Benennung. Bis zur Einführung seiner Nomenklatur hießen sie alle ausnahmslos „Knechte“, kurze Zeit darauf wird die Bezeichnung in allen österreichischen Brauereien für immer abgeschafft.
Krankenpflege und Altenversorgung
Zur Popularität, die er auf diese Weise schon bald nach seinem Eintreffen in Wien erlangt hatte, trug nicht zuletzt auch die unablässige Sorge um das Wohlergehen seiner Arbeiter bei. Von Beginn an wurden Einrichtungen für die Krankenpflege und Altenversorgung, für Quartier und Verpflegung ins Leben gerufen. Anfangs natürlich in bescheidenem Maße, mit der Zeit und den wachsenden finanziellen Ressourcen jedoch in einer umfangreichen und allen Erfordernissen entsprechenden Dimension. In Krankenständen wurde bis zu drei Monaten der Krankheitsdauer der volle Lohn nebst Arztkosten und Arzneimittel bezahlt. Arbeiter mit geschwächter Gesundheit wurden mit vollen Bezügen zur Erholung in Bäder oder aufs Land geschickt. Witwen und Waisen erhielten im Bedarfsfall ausreichend Unterstützungsgelder – eine obligatorische Lebensversicherung war Teil davon.
Unterkunft und Obdach
War der Begriff „Dienstwohnung“ in jenen Zeiten noch nicht geprägt, so erbaute Adolf Ignaz bereits ein Arbeiterzinshaus für zwölf Familien, jeweils mit Zimmer, Küche und Kabinett, und stellte es seinen Leuten zum Maximalbeitrag von 60 Gulden/Monat – je nach Einkommenslage bis hin zur Zinsfreiheit – zur Verfügung. Auch gehen die Gründung eines Arbeiter-Asyls und eines Invalidenbaues auf das Konto seines visionären sozialen Engagements.
Gewinnbeteiligung
Vor allem im Kontext der Zeit und der herrschenden Umstände war die Gewährung einer prozentuellen Gewinnbeteiligung nicht nur ein sozialer, sondern gleichfalls revolutionärer Akt.
Wie sehr Adolf Ignaz in späteren Tagen um das Wohl seiner Arbeiter besorgt gewesen ist, ist allbekannt. Weniger bekannt dürfte jedoch sein, dass er dies schon zu einer Zeit getan hatte, als er noch in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte. Dennoch trug er auch damals schon in allererster Linie für seine Arbeiter Sorge, indem er, als er die Brauerei in Smirice nur als Pächter betrieb, für alle länger bei ihm Beschäftigten Einlagen für deren Alter in die allgemeine Versorgungsanstalt machte. Ebenfalls charakteristisch für ihn ist, dass er noch in seinen letzten Lebensjahren eifrigst Nachforschungen anstellte, um in Erfahrung zu bringen, ob nicht etwa irgendeiner seiner ehemals in Böhmen Bediensteten der Hilfe bedürftig sei. Ihm war es einfach eine Herzensangelegenheit Unterstützung zu gewähren, er wollte dabei auch überraschen und Freude bereiten. Ganze Tage verbrachte er damit, ihm nahestehenden oder auch nur entfernt mit ihm in Berührung gekommenen Personen Kleidungsstücke und sonstige Gegenstände zu senden, in denen er auch größere Geldbeträge versteckte.
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Den Adel im Herzen
High Life – der Society Almanach 1912
/in Allgemein /von Beate Hemmerlein„High Life“ war der Name des ab 1905 jährlich publizierten Almanachs, der einen Querschnitt durch die österreichische Gesellschaft der Jahrhundertwende, inkl. Hofstaat, Kaiserhaus, Diplomatie und Klerus darstellte. Er enthielt das jeweils aktuellste Adressverzeichnis und war in Wien und die Kronländer gegliedert. In den Sektionen „Wiener Gesellschaft“, „Herzogtum Steiermark“, „Erzherzogtum Österreich unter der Enns / ober der Enns“ und „Tirol und Vorarlberg“ finden sich Mitglieder der Großfamilie Mautner Markhof.
Manfred I. Mautner Markhof by Helmut Qualtinger
/in Manfred I. Mautner Markhof /von Beate HemmerleinDer große österreichische Kabarettist Helmut Qualtinger parodierte 1959 in seinen Kabarettprogrammen gerne den zu dieser Zeit in der Öffentlichkeit ungeheuer präsenten Manfred I. Mautner Markhof. Zum Anlass nahm er auch die Tatsache, dass dieser nicht nur junge Künstler wie Arnulf Rainer, Friedensreich Hundertwasser und Ernst Fuchs förderte, sondern auch vielfacher Präsident diversester Institutionen war. Industriellenvereinigung, Österreichisch Olympische Komitee, Automobil-, Motorrad- und Touring-Club, Männergesangs- und Trabrennverein und die Konzerthausgesellschaft – um nur einige zu nennen.
So befragte in z. B. Carl Merz den, in entsprechender Barttracht des mehrfachen „Präsidenten“ auftretenden Helmut Qualtinger, über seine Rolle als Kunstmäzen:
Helmut Qualtinger (links) als Manfred I. Mautner Markhof, 1959. ©IMAGNO/Barbara Pflaum
Auch Qualtingers Travnicek eröffnet seine „Ballsaison“ mit einer Pointe über MMMs politisches Wirken:
Helmut Qualtinger (links) als Travnicek, Gerhard Bronner (rechts).
Manfred I. Mautner Markhof und John F. Kennedy
/in Manfred I. Mautner Markhof /von Beate HemmerleinUnvergesslicher Backenbart
Anlässlich des großen Gipfeltreffens zwischen dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy und dem sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow, das am 3. und 4. Juni 1961 in Wien stattfand, gab Bundespräsident Adolf Schärf für beide Staatsgäste am Samstagabend ein großes Dinner im Schloss Schönbrunn. Kennedy saß den ganzen Abend mit Blick auf ein Gemälde von Kaiser Franz Joseph I. Als Manfred I. Mautner Markhof, als Teil der österreichischen Wirtschaftsdelegation, JFK verabschiedet, bedankt sich dieser herzlich bei MMM für den netten Abend und seine Gastfreundschaft im besonders schönen Rahmen .
UFA Wochenschau 254 vom 6. Juni 1961
Manfred I. von Markhof, Franz Joseph I. von Österreich
Manfred I. und die “Karl Schranz-Affaire”
/in Manfred I. Mautner Markhof /von Beate HemmerleinAm 8. Februar 1972 gegen halb zwölf setzt die DC9 „Niederösterreich“ der AUA mit dem Skiläufer Karl Schranz in Wien-Schwechat auf. Als „Schranz zum ersten Mal die auf ihn wartende Menge erblickt, leuchten seine Augen. Er setzt sich gerade, richtet die Krawatte“, schreibt Alfred Kölbel in der AZ. „Und da blitzt auf seinem schwarzen Olympiasakko ein silbriger Stern – das Markenzeichen seiner Skier – auf.“ Er kommt aus Sapporo, und 200.000 Österreicher jubeln ihm zu. Wenige Tage zuvor hatte ihn das IOC auf Betreiben von Präsident Avery Brundage (1887-1975) mit 28:14 Stimmen von der Teilnahme an den Spielen ausgeschlossen. Schranz hatte gegen den Amateurparagraphen verstoßen, der Sportlern verbot, aus ihrer Tätigkeit Gewinn zu ziehen. Brundage hatte am Morgen der entscheidenden IOC-Sitzung japanische Zeitungen erhalten, in denen Schranz für Kaffee warb. Seither gilt der Tiroler als Opfer eines verbohrten Idealisten. Der Ausschluss von Schranz wurde von den führenden österreichischen Populisten, Hans Dichand (Neue Kronen Zeitung) und Gerhard Bacher (ORF), als schreiendes Unrecht qualifiziert und zu einer Hetzkampagne gegen das IOC benützt. Schranz sei der Willkür eines greisen Vorgestrigen zum Opfer gefallen, und das lasse sich „Österreich“ nicht gefallen. Schließlich seien auch alle anderen Skiläufer quasi Profis. Von den Staatsamateuren des Ostens gar nicht zu reden! Unterrichtsminister Fred Sinowatz forderte das ÖOC auf, die gesamte Mannschaft von den Spielen abzuziehen. Das ÖOC und der ÖSV weigerten sich. Die Volksseele kochte. Manfred Mautner Markhof, als Mitglied des IOC, hatte noch vor dem offiziellen Ausschluss Brundage in einem Brief seiner Akzeptanz versichert, da er eine günstige Atmosphäre schaffen wollte. Diese sogenannte „Schanddepesche“ führte dazu, dass Mautner Markhofs Enkel in der Schule verprügelt und sein Senf boykottiert wurde. Schwechater Bier wurde als „Judas-Bier“ verunglimpft. ÖSV-Präsident Karl Heinz Klee musste seine Tochter aus der Schule nehmen, weil ihre Sicherheit infrage stand. Schranz wurde in Sinowatz‘ Dienstauto zu den aufgeputschten Massen auf den Ballhausplatz chauffiert. Dort nahm ihn ein vom gesunden Volksempfinden unangenehm berührter Bundeskanzler Bruno Kreisky in Empfang. Schranz trat dreimal auf den Balkon, viele der unten Jubelnden sollen den rechten Arm erhoben haben. Kreisky soll von der medial ausgelösten Hysterie so geschreckt gewesen sein, dass er 1974 das ORF-Gesetz änderte. Die Novellierung kostete Bacher den Job.
Theodor Heinrich Mautner Markhof schreibt in seinen Lebenserinnerungen
Mein Großerpapa war sogenannter Multifunktionär. Er war Präsident der Wiener Industriellen Vereinigung, des ÖAMTC, vom Konzerthaus, hoher Funktionär der Kammer und vieler anderer Vereine, wie auch dem Musikverein. Als Mitglied des ÖOC (Österreichisch Olympisches Comité), ich glaube er war auch dessen Präsident, hat er die ganze Familie und selbst mich in eine eigenartige Lage versetzt. Der in den 1970er Jahren sehr berühmte österreichische Schifahrer Karl Schranz verstieß 1972 anscheinend gegen irgendwelche Regeln des Comités. Die olympischen Spiele waren eine reine Amateurveranstaltung und scheinbar hatte Herr Schranz sich doch von irgendjemandem sponsern lassen und Geld angenommen. Deshalb wurde er von den Winterspielen in Sapporo ausgeschlossen, leider erst vor Ort. Das führte zu einer nationalen Katastrophe, denn das Fernsehen, der ORF, heizte die Stimmung in Richtung angeblicher Ungerechtigkeit so richtig auf. Da präsentierte der damalige Weltpräsident des IOC, Herr Brundage, den Journalisten ein Telegramm meines Großvaters mit folgendem Inhalt: „Ich gratuliere Dir, dass Du an der olympischen Idee festhältst.“ Nun hatten die Österreicher auch noch einen weiteren „Schuldigen“ gefunden, der dafür verantwortlich gemacht werden konnte, dass ihr Idol so verunglimpft wurde. So begann eine Medienhetze gegen meinen Großvater, besser gesagt gegen alles, was den Namen Mautner Markhof trug. Unser Telefon zuhause lief heiß, fremde Menschen beschimpften uns auf das Übelste. Auch bekamen wir Bombendrohungen etc. In der Schule, ich war damals in der 5. Schulstufe Hegelgasse, es waren die Schüler meiner Klasse zwar sehr nett, alle anderen Schulkinder dafür weniger. Als ich glaubte für meinen Großvater Partei ergreifen und mich gegen die Anschuldigungen wehren zu müssen, durfte ich dafür jede Menge Prügel einstecken. Auch heute noch, so darf ich sagen, bin ich davon überzeugt, dass er in diesem Punkt recht hatte und Herr Schranz im Unrecht, war. Die Volksseele jedoch war durch den ORF dermaßen aufgeputscht, dass man Karl Schranz in Wien, er musste ja Olympia vorzeitig verlassen, wie einen Staatsgast empfing. Er landete in Schwechat und wurde in offener Limousine zum Ballhausplatz gebracht, der damalige Bundeskanzler, Bruno Kreisky, spielte das Theater mit. Zu dieser Zeit führte der Weg vom Flughafen noch über die Simmeringer Hauptstraße und den Rennweg in Richtung Innenstadt. Menschenmassen, die Herrn Schranz wild zujubelten, säumten den Weg. Am Ballhausplatz waren so viele erschienen, wie davor nur zu Hitlers legendärem Auftritt. Dies alles hatte eigenartige Konsequenzen. Erste Konsequenz war, dass die Österreicher den Kauf unserer Produkte verweigerten. Diese Situation beruhigte sich erst, als die Medien aufhörten uns, bzw. meinen Großvater, zu beschimpfen. Erst schleppend nach einem, dann etwas zügiger nach zwei weiteren Monaten, begann sich der Umsatz wieder zu erholen und resultierte schließlich paradoxer Weise in einem der besten Wirtschaftsjahre unserer Familiengeschichte. Die Lehre, die ich aus dieser Story gezogen habe ist, dass auch Negativwerbung Werbung bedeutet. Sofern man den betreffenden Zeitraum durchstehen kann, ist es sogar möglich mit ihrer Hilfe zu verdienen. Als zweite Konsequenz kam uns zugute, dass dem Bundeskanzler diese Hetze, und der damit verbundene Menschenauflauf, dann scheinbar doch auch zu viel wurden. Da er selbst jüdischer Abstammung war und das dritte Reich miterlebt hatte, war ihm noch in guter Erinnerung geblieben, dass eine sich verselbständigende Medienmacht auch Gefahr bedeutete. So setzte er den damaligen ORF Intendanten nach einiger Zeit ab und änderte das ORF Gesetzt, um dies in Zukunft zu verhindern. Dritte Konsequenz – ich glaube den Medien überhaupt nichts mehr, denn Medien verbreiten Meinungen, jedoch nicht die Wahrheit im Sinne objektiver Tatsachen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Viktor Mautner Markhof – vom Brauexperten zum Historiker und Schriftsteller
/in Familienchronik /von Beate HemmerleinZuerst einer klassischen „Mautner Markhof-Karriere“ folgend (als Vorstand in der Brau-Union für Finanzen, Controlling und Materialwirtschaft verantwortlich), hat es Viktor dann ab dem Jahr 2010 in eine gänzlich andere Richtung verschlagen. Da er immer wieder gefragt wird, wie er eigentlich zum Schriftsteller, respektive Romancier wurde, lassen wir ihn – um dieses Geheimnis ein für alle Mal zu lüften – einfach selbst zu Wort kommen:
„Immer werde ich gefragt, wie ich zum Schriftsteller wurde. Im Sinne eines klassischen Poeten, Dichters oder Verfassers schöngeistiger Literatur – eigentlich nie. Genau genommen trifft der allgemeine Begriff Autor, so denke ich, wesentlich besser zu.
So zähle ich bereits zu meinem frühen Autoren-Dasein die pubertären Gedichte meiner Jugendzeit, wohingegen sich über die wenig erfolgreichen Schulaufsätze besser für immer der Mantel des Schweigens breite. Danach folgte studienbedingt so manch´ unvermeidbare Seminararbeit, sowie eine in Französisch verfasste Diplomarbeit. In Folge verlangte es meine Tätigkeit als Manager, meiner Fantasie so manches Schriftstück zu entlocken, darunter zahlreiche Geschäftsberichte und Strategiepapiere.
Schließlich ist es meiner Ehefrau zu verdanken, dass ich es bis zum Roman geschafft habe. Ihre Erlebnisse im Zuge der Vorbereitungen einer Ausstellung über Georg Mendel waren so spannend, dass wir es für Wert befanden sie niederzuschreiben. Kurzerhand erfand ich zwei Protagonisten, Miloš und Janda, kreierte Rollen, aus denen keine Rückschlüsse auf die tatsächlich handelnden Personen gezogen werden konnten, und bettete sie in eine Geschichte, die der Realität und einem Kriminalroman ziemlich nahekam, rund um Mendels Originalmanuskript ein.
Das Schreiben hatte Spaß gemacht und die beiden Protagonisten waren mir so ans Herz gewachsen, dass ich sie noch mit zwei weiteren – allerdings dieses Mal frei erfundenen – Kriminalfällen, zuerst mit einer gestohlenen Bibel und danach mit einer Leiche auf einem Spielplatz, versorgte. Die Handlungen aller drei Krimis spielen in Brünn, also in jener Stadt, die mein langjähriger Lebensmittelpunkt war und in jenem Land, aus dem meine Familie ursprünglich stammte. Zahlreiche spannende Erfahrungen aus dem täglichen Leben nach der samtenen Revolution in Tschechien konnte ich so auch literarisch verarbeiten.
Jeder, der die Stadt Brünn besucht, stößt beim Erkunden der Sehenswürdigkeiten früher oder später auf ihre Belagerung durch die Schweden während des Dreißigjährigen Krieges. Was also lag näher, als dieses Thema für ein nächstes Buch auszuwählen, diesmal jedoch nicht als Krimi, sondern als historischer Roman. Die Nachforschungen für einen solchen Roman sind wesentlich aufwändiger als ich dachte, dafür umso interessanter. Auch wenn ich über keine Ausbildung als Historiker verfüge, so bin ich immer meinem Anspruch gefolgt, das historische Umfeld mit seinen handelnden Personen, den Ereignissen, der Ausstattung oder der Lebensweise so genau wie möglich abzubilden. An jenen Stellen, an denen dies nicht zur Gänze gelungen ist, stand die Freiheit der Romangestaltung im Vordergrund.
Die Faszination der Recherchen ließ mich nicht locker und so folgte auf den ersten historischen Roman sogleich der zweite. Diesmal ein steirischer Ritter im dreizehnten Jahrhundert, der um sein Lehen kämpft.
Da bekanntlich alle guten Dinge drei sind, arbeite ich zurzeit an meinem dritten historischen Roman. …Vielleicht werde ich irgendwann doch noch zum Schriftsteller…“
Alle Werke von Viktor Mautner Markhof sind im Verlagshaus Hernals erschienen
Editha Freifrau Sunstenau von Schützenthal und Carl Ferdinands Töchter
/in Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinNachdem seine Ehefrau und Mutter seiner ersten sieben Kinder, Johanna Kleinoscheg, 1872 nur 26jährig verstorben war, heiratete Carl Ferdinand 1874, nunmehr als Ritter Mautner von Markhof, die ebenfalls adelige Editha Freifrau Sunstenau von Schützenthal (1846 – 1918), eine bekannte Philanthropin und Förderin der Mädchen- und Frauenbildung in Österreich. Sie war als Tochter von Friedrich, einem k. u. k. Oberstleutnant und Ritter des Maria-Theresien-Ordens, für die Führung eines so großen Haushalts bestens geeignet. Editha war eine engagierte Stiefmutter und schenkte Carl Ferdinand darüber hinaus noch drei weitere Töchter.
Mit ihrem Einzug veränderte sich das Leben im bislang eher bürgerlichen Haushalt grundlegend. Hauslehrer hatte es davor schon gegeben, nun aber kamen auch adelige Gouvernanten hinzu, die sich im Sinne der Mutter auch um eine künstlerische Ausbildung der Mädchen kümmerten. Für eine standesgemäße Residenz eignete sich eine Wohnung in der Brauerei St. Marx nur wenig und so übersiedelte man einige Jahre nach der Hochzeit, zu Beginn der 1890er Jahre in ein neues Haus auf die Landstraßer Hauptstraße. Prominente Gästen waren an der Tagesordnung, unter ihnen der Archäologe Otto Benndorf, der Begründer des Österreichischen Archäologischen Instituts, der ab 1896 die Ausgrabungen in Ephesos erst mit Carl Ferdinands finanzieller Unterstützung beginnen konnte – was man auch heute noch einer Tafel bei den Ausgrabungsstätten entnehmen kann. Auch der Bildhauer Carl Kundmann, der die Grabreliefs auf dem Familiengrab am Zentralfriedhof und eine Büste von Carl Ferdinand anfertigte, die im Kinderspital aufgestellt wurde, war ein regelmäßiger Besucher. Die Frauenrechtlerin Marianne Hainisch, Mutter des späteren Bundespräsidenten, zählte zu Edithas Freundinnen.
Zugleich erwarb Carl Ferdinand auch das angrenzende Grundstück, auf dem sich die kleine Sommerresidenz des Hausarztes von Kaiser Karl VI. befunden hatte. Dort ließ er das heute noch bestehende Palais ähnliche Gebäude bauen. Das für seine künstlerisch begabte Tochter Dorothea (Engelhart) im Garten errichtete Atelier wurde jedoch 1951 abgerissen. Nach seinem Tod übernahmen dann junge Künstler das Kommando und das Haus Nr. 138 wurde eine Begegnungsstätte der Sezessionisten.
Editha formte den Haushalt völlig um und unter ihrer Fittiche wurden die Töchter bestens auf eine damals standesgemäße Ehe vorbereitet. So ermöglichte sie den fünf älteren Töchtern weitere Ehen mit Adeligen, meist nicht sehr vermögenden Offizieren, es waren wohl kaum Liebesheiraten. Eine Ausnahme war Elisabeth, die Karl Dittl von Wehrberg heiratete, der Gutsherr in Göding war und 1938 auch als Aufsichtsratsvorsitzender im Verwaltungsrat der Vereinigten Brauereien fungierte. Auch Edithas jüngste Stieftöchter Dorothea wehrte sich vehement gegen eine arrangierte Ehe und soll bei ihrer Verlobungsfeier lauthals verkündet haben, dass sie nicht bereit sei, den vorgesehenen, schwer verschuldeten jungen Offizier zum Mann zu nehmen – was für diesen angeblich der Grund für seinen Selbstmord wurde. Sehr zum Schrecken ihres Vaters hatte sie sich in den Maler Josef Engelhart verliebt, der auf dem Nachbargrundstück Steingasse 13–15 ein Atelier besaß und so dem jungen, ebenfalls kunstbesessenen Mädchen „über den Zaun“ nähergekommen war. Für diese war der extravakante Künstler natürlich eine interessante und exotische Abwechslung. Carl Ferdinand versuchte ihr diese Verbindung mit allen Mitteln auszureden und schickte sie zur künstlerischen Ausbildung nach München. Doch die Beiden arrangierten geheime Treffen und Engelhart war dermaßen in Dorothea verliebt, dass er seinem Tagebuch anvertraute: Sollte Doris nicht meine Frau werden können, dann würde ich auch die Kunst wegwerfen, weil ich auch an ihr keine Freude mehr haben könnte. Knapp vor seinem Tod stimmte Carl Ferdinand schließlich doch noch schweren Herzens dieser Heirat zu. Das junge Paar führte dann eine sogenannte Künstlerehe, in der es im Gegensatz zu denen der meisten ihrer Schwestern nicht sehr vornehm zuging. Ihre Tochter Josefine schreibt in der Familienchronik: Da sich mein Vater hauptsächlich im Atelier aufhielt, entstand ein Eigenleben – ja man könnte sagen, daß sowohl der Künstler als auch die Familie eine Art Eigendynamik entwickelte, die zu einer Entfremdung führen musste. Mein Vater war nie ein Familienvater, sondern immer nur Künstler. Im Laufe der Ehe verschlechterte sich auch Engelharts Verhältnis zu seiner Schwiegermutter zusehends, da diese der Meinung war, dass er ihre Tochter zu sehr unterdrückte. Er hätte ihr sogar das Malen untersagt, was in den Augen einer engagierten Frauenrechtlerin natürlich völlig inakzeptabel war. Man erzählt sich, dass Engelhart den Drachen über seinem Haus in der Steingasse 15 Editha „gewidmet“ haben soll. Der Sohn der beiden, Michel, wurde später ein bekannter Architekt und Professor an der Technischen Hochschule, der sich nach 1945 beim Wiederaufbau des Zuschauerraums im Burgtheater, des Tiergartens Schönbrunn und des Palais Schwarzenberg auszeichnete. Engelhart selbst wurde vor allem durch seine zahlreichen Bilder von Wiener Typen bekannt, er war aber auch ein erfolgreicher Bildhauer und entwarf gemeinsam mit Jože Plečnik anlässlich des 60. Geburtstags von Karl Lueger den Karl-Borromäus-Brunnen vor dem Bezirksamt Landstraße und das Waldmüllerdenkmal im Rathauspark. In seinem Atelier trafen sich bei ausschweifenden Festen die „jungen Wilden“ der Wiener Secession, unter anderem Kolo Moser, der auch den Kachelschmuck an der Fassade entworfen hatte.
Carl Ferdinand starb nur ein paar Monate nach der Hochzeit von Dorothea. Seine Witwe Editha war als Frauenrechtlerin nach wie vor gegen arrangierte Ehen und konnte ab diesem Zeitpunkt für die anderen noch unverheirateten Mädchen von diesem Prinzip abweichen. Nicht nur ermöglichte sie den jüngeren Töchtern Verbindungen mit bürgerlichen Wissenschaftlern und Künstlern, sie förderte dies sogar. Ihre älteste Tochter Hertha war nicht nur eine gute Pianistin und begeisterte Bergsteigerin, sondern beschäftigte sich unter dem Einfluss von Marianne Hainisch sehr im Sinne ihrer Mutter eingehend mit Frauenfragen. 1906 wurde sie in den Vorstand des Wiener Frauenklubs kooptiert, arbeitete während des Ersten Weltkriegs aktiv als Betreuerin der Säuglingsfürsorge und war jahrzehntelang im Bund österreichischer Frauenvereine tätig. 1898 heiratete sie den Physiker und Universitätsprofessor Gustav Jäger und zog mit ihm ab 1902 in die Villa Landstraße 142. Aus dieser Ehe ging der bekannte Experte für Genealogie und Heraldik Hanns Jäger-Sunstenau hervor.
Die beiden jüngsten Töchter Ditha und Magda waren ebenfalls kunstbegeistert und lernten beim Besuch der Kunstgewerbeschule Koloman Moser, der dort als Professor tätig war, kennen. Editha und Koloman verliebten sich sofort ineinander. Moser schrieb eine Reihe an Liebesbriefen, in denen neben der respektvollen Verliebtheit auch sein Zögern zur Sprache kam, als wesentlich älterer (15 Jahre) Mann und „armer Künstler“ der „höheren Tochter“ aus wohlhabendem Haus Avancen zu machen. Es gab keinen Widerstand der Mutter, vielmehr begleitete sie das junge Paar 1904 bei einer Reise durch Norditalien und beauftragte den bereits sehr bekannten Jugendstilkünstler mit der Neugestaltung ihres Speisezimmers. Sie beauftragte auch Karl Moll mit der Planung einer Villa am Semmering, die mit einem eigenartigen alpinen Stil zu den schönsten Luxusvillen dieser Region zählt und dem jungen Paar als Sommersitz diente. Kolo Moser gehörte der Keimzelle der Wiener Sezession an, war auch an der Gestaltung des Sezessionsgebäudes beteiligt und gründete 1903 mit Josef Hoffmann die Wiener Werkstätte. Ditha ließ sich von Kolo Moser inspirieren, entwarf Kalender, Grußkarten und Tarockkarten, u. a. eine Sonderedition, mit der sie 1906 an die Goldene Hochzeit ihres Großvaters Adolf Ignaz erinnerte. Sie und Koloman verkehrten mit der gesamten Kunstprominenz dieser Jahre und waren auch oft in den berühmten Salon der Alma Mahler geladen. Moser starb 1918 an einem bösartigen Kiefertumor, Ditha heiratete m 23. Februar 1919 in zweiter Ehe den Kaffeehausbesitzer Adolf Hauska, der wiederum 1929 verstarb.
Magda war gemeinsam mit ihrer Mutter Mitbegründerin des „Neuen Wiener Frauenclubs“, verfasste Gedichte und sammelte Kunstwerke, darunter auch von Klimt, welcher sie 1904 skizzierte. 1913 heiratete sie den Innviertler Bauern und Lehrer Alois Grasmayr, der ebenfalls eine künstlerische Ader hatte und dessen Haus auf dem Salzburger Mönchsberg in der Zwischenkriegszeit zum gesellschaftlichen Zentrum für Künstler und Schriftsteller um Stefan Zweig wurde. Mit Hilfe von Magdas Mitgift erwarben sie noch rechtzeitig vor der Inflation 1922 die Hotels Bristol und Stein sowie das bekannte Sternbräu und wurden so zu wohlhabenden Hoteliers.
Kaiser Franz Joseph I. dankt Adolf Ignaz Mautner für die Bewahrung des sozialen Friedens während der Revolution 1848
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinIn den Jahren 1846 – 1847 wird Adolf Ignaz Vorsteher der Brauereiinnung und benutzte diese Stelle, um wesentliche Verbesserungen der materiellen Lage der Arbeiter auf dem Wege friedlicher Vereinbarungen zu bewirken.
Es war dann das Jahr 1848, in dem auch Wien, wie weite Teile Europas, durch eine Revolution erschüttert wird. Die Proteste gegen das Regime des österreichischen Staatskanzlers Metternich nehmen ein derartiges Ausmaß an, dass Kaiser Ferdinand I nach Olmütz flüchtet. Die Revolution 1848 fordert liberale Grundrechte, Pressefreiheit, Gewaltentrennung und vor allem eine volksnahe Verfassung. Die Arbeiterschaft Wiens protestiert gegen die asozialen Zustände der Gründerzeit. Sie verlangen Brot, höhere Löhne und nicht mehr als zehn Stunden Arbeit pro Tag. Schlecht bezahlt, gedemütigt und ohne Hoffnung auf Besserung ist die Verbitterung über die Zustände stärker als der Verstand. Unorganisiert und ohne zukunftsweisende Ideologie werden Maschinen zerstört und Fabriken angezündet, wobei die Täter nicht realisieren, dass die Vernichtung des Arbeitsplatzes keinen Wohlstand bringen kann.
Auch die Brauerei St. Marx ist betroffen. „Eine Horde Aufständischer dringt in das Brauhaus St. Marx ein; ein Rädelsführer verlangt in frecher Weise die sofortige Ausfolgung eines größeren Quantums Bier. Als Antwort versetzt ihm Urgroßvater (Adolf Ignaz) eine schallende Ohrfeige und bemerkt, er wisse schon, was er zu tun habe. Der Effekt war verblüffend, die kritische Situation war gemeistert; besonnene Elemente gaben dem Brauherrn recht, dass er sich keine Frechheit habe gefallen lassen, und die Leute warten ruhig auf das Freibier, welches ihnen dann ausgeschenkt wird.“ 1 Neben dem die innere Stadt umspannenden Festungsgürtel bestand ein äußerer Linienwall, welcher Verzehrungssteuerzwecken diente, der von den aufständischen Arbeitern verteidigt wurde. Daher schreiten Feldzeugmeister Windisch-Graetz und Banus Jellačić zur Belagerung der Stadt, der Holzhof der Brauerei wird durch eine Rakete in Brand geschossen. „Da gesellt sich Urgroßvater unter die Arbeiter und macht ihnen klar, dass es unnütz sei, sich für eine verlorene Sache zu opfern, und sie sehen vom Widerstand ab. Die Vorstadt Landstraße ist vor Zerstörung gerettet. Die einzelnen Kroaten werden im Brauhaus bewirtet.“ 1
So gerne er bereitwillig mit offener Hand zu geben vermochte, so unerschütterlich konnte er sein, wenn man etwas widerrechtlich von ihm zu ertrotzen versuchte. „Eine zügellose Herde, die von Etablissement zu Etablissement wanderte und jedes durch Einschüchterung mehr oder minder brandschatzte, erschien auch in St. Marx, und der Wortführer der Bande wandte sich sofort an Adolf Ignaz mit der Forderung, er möge ein paar Eimer zum Besten geben. Adolf Ignaz antwortete ruhig „Nicht einen Eimer werdet ihr von mir bekommen!“ Und dabei blieb es, denn wenn auch der Pöbel, der damals nicht gewohnt war Widerstand zu finden und weniger noch solchen zu dulden, nicht übel Lust zeigte, sich das Verweigerte durch Gewalt zu verschaffen, so hielt er es schließlich doch angesichts der ruhigen aber ebenso kraftvollen als zielbewussten Haltung von Adolf Ignaz und seiner ihm unbedingt ergebenen Leute für angemessener, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen.“ 2
Dramatische Szenen bleiben nicht erspart. Als nach der Stürmung des Zeughauses die bewaffneten Arbeiter und Proletarier anmarschieren um Fabriken, so auch St. Marx, zu plündern und zerstören, greifen die Arbeiter der Brauerei zu Holzprügel, eisernen Stäben und sonstigen tauglichen Werkzeugen und es marschierten dreißig bis vierzig Mann den herannahenden Aufständischen entgegen. Da diese befürchteten, dass hinter den zwar schlecht bewaffneten Männern jedoch noch eine größere Anzahl verborgen sei, beschlossen sie abzuziehen, ohne das Gelände zu behelligen. Von nun an wurde eine regelmäßige Bewachung des Etablissements organisiert, nicht nur zum Schutz des wertvollen Materials, sondern auch der größeren Vorräte an Holz und sonstigen brennbaren Gegenständen, die bei der stets vorhandenen Feuergefahr sich hätten verderblich auswirken können.
Adolf Ignaz konnte es in den gefahrvollen Tagen der Revolution sogar wagen, in seinem Haus die strengste Disziplin nicht nur zu verlangen, sondern auch in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. So wurde sein Name im Verlauf der Revolutionszeit zum Synonym für Hort und Zuflucht für Bedrängte. „Unter seiner eigenen Arbeiterschaft aber hat Urgroßpapa in diesen kritischen Tagen strenge Zucht und Ordnung aufrechterhalten, sodass seine Brauerei eine Zufluchtsstätte für ängstliche Gemüter wurde.“ 1 Unter den Fabrikrealitäten waren ausgedehnte Wohnräume vorhanden, in denen Pfründner untergebracht waren. Ebenso waren zahlreiche Ansässige und die Beamten der Finanzexpositur in den Schutz von Adolf Ignaz geflüchtet, der ihnen bereitwillig Obdach gewährte. All dies komplizierte umso mehr die Sorge für die Sicherheit des Ganzen. Freiwillige Männer der Arbeiterschaft bewachten täglich seine Privatwohnung, um das Eindringen von Unbefugten zu verhindern. Wohl geschah es, dass eine oder andere Mal, dass kleinere bewaffnete Haufen St. Marx stürmen wollten, doch wurden sie gewöhnlich durch die Spende einiger Eimer Bier wieder zum gemütlichen Abzug bewogen. Wie sehr ihn seine Leute liebten und verehrten geht auch aus dem Umstand hervor, dass ihn dieselben, als er sich durch die Beschießung durch die Truppen Jellačićs des Öfteren im Hof den feindlichen Projektilen aussetzte, auch gegen seinen Willen, fast mit Gewalt, in Sicherheit brachten.
Es saßen im Innungslokal die Brauherren ziemlich ratlos, während aus der engen Gasse herauf der Lärm und das Toben, der sich heraufdrängenden Gesellen ertönte, die sich durch Schreien und Drohen gegenseitig in immer größere Erbitterung hineinhetzten. Als Deputation drang schließlich eine Anzahl stämmiger Gesellen ein. Der Innungsvorsteher, ein alter schwächlicher Mann, schickte sich nun an sie mit einer Rede zu empfangen, doch aus der Mitte der Gesellen dröhnte es ihm entgegen: „Du sei still, du hast dein Brauhaus mit dem Schweiße der Vazierenden gebaut!“ Erschrocken und eingeschüchtert ließ sich der alte Herr in den Stuhl sinken und bat Adolf Ignaz an seiner Stelle mit den Eindringlingen zu verhandeln. Dieser trat vor und erklärte in kurzen Worten, dass die Meister wohl zur Konzession geneigt seien, eine Verhandlung aber nur dann möglich wäre, wenn Forderungen und Wünsche genau formuliert und Punkt für Punkt von beiden Seiten durchberaten werden können. Da trat ein stämmiger Geselle vor und schrie: „Wenn die Meister unsere Forderungen nicht gewähren wollen, so werden wir mit den Maßscheitern kommen!“ Doch kaum hatte dieser die Worte ausgesprochen, als ihm Adolf Ignaz – die Gefahr, in welcher er sich angesichts der aufgeregten Menge stürzte, nicht achtend – eine Ohrfeige versetzt, worauf dieser in der ersten Überraschung zurücktaumelte. Anstatt die Menge gegen sich zu erbittern, ertönte ein allgemeines: „Bravo! Er hat recht, das ist nicht die Art etwas durchzusetzen.“ Der Hetzer wurde sodann vor die Tür gesetzt und Adolf Ignaz zum Vermittler der Parteien erwählt. Tatsächlich leitete er von da an alle Verhandlungen, die er auch größtenteils zu einem befriedigenden Abschluss bringen konnte.
Nicht nur, dass er innerhalb seiner Berufsgenossen manche Gegensätze zu mildern und auszugleichen wusste, sein Einfluss wirkte auch weit über den Kreis der ihm direkt Schutzbefohlenen hinaus. Als eine große Anzahl bewaffneter Arbeiter durch die Landstraße zog, um zu plündern und zu rauben, sandte er eine Schutzwache von sechs seiner Arbeiter zum Haus des Bürgermeisters Czapka, welches infolgedessen verschont blieb.
Während der letzten Tage der Revolutionszeit hatte ein Bataillon der Mobilgarde St. Marx besetzt, mit der Absicht sich gegen die vorrückenden kaiserlichen Truppen zu verteidigen. Der Kommandant und die Offiziere dieses Bataillons waren schon daran gewohnt, in den meisten Fragen der bewährten Einsicht und Klugheit von Adolf Ignaz zu folgen, sodass es ihm auch hier gelang sie davon zu überzeugen die Waffen niederzulegen und so unnützes Blutvergießen zu verhindern. Er hatte im Vorfeld nicht nur dafür gesorgt, dass den hereinströmenden Truppen in St. Marx kein sinnloser Widerstand geleistet wurde, sondern er ordnete auch alles zum Empfang derselben an, indem er auf Tischen Zigarren für die Offiziere in Bereitschaft stellte und, die Taschen mit Zwanzigern für die Soldaten gefüllt, den Truppen entgegenschritt.
Dies alles blieb auch von Seite der höheren Befehlshaber her nicht unbemerkt, sodass bald nach der Einnahme von Wien seine Majestät persönlich durch Besichtigung der Brauerei St. Marx Zeugnis für ihre Anerkennung gab. „Großvater hatte fleißig in der Bürgergarde exerziert und auch im zivilen Leben in und um St. Marx Ruhe und Ordnung aufrechterhalten. Eine hohe Auszeichnung wurde ihm damals zuteil. Der jugendliche Kaiser Franz Joseph wünschte den Mann, der in Revolutionszeiten so trefflich Ruhe und Ordnung zu wahren wusste, näher kennenzulernen, begab sich nach St. Marx und ließ sich von meinem Großvater herumführen. Stets blieb er meinem Ahnen wohlgesinnt, bestellte ihn zum Pächter der kaiserlichen Besitzungen in Göding und erhob ihn in den Ritterstand mit dem Prädikate „Markhof“.“ 3
1 Gustav Piffl, „Lebenserinnerungen“ / 2 Maria Waechter, “Fleiß und Wille“ / 3 Theodor I. Mautner Markhof „So war´s“
Stadtplan Wien 1835
Landstraße Hauptstraße/Rennweg 1835. Rechts unten das Bürgerspital und die Marcus Linie
Detailaufnahme Bürgerspital mit Marcus Linie, 1835
Freitod von Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof
/in Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinDer Freitod Carl Ferdinands erregte naturgemäß größtes Aufsehen und wurde – damals nicht anders als heute – in verschiedenen Medien auf unterschiedliche Art und Weise kommentiert.
Bericht aus dem Wiener Salonblatt vom 6. September 1896
… Nun ist auch der älteste Sohn dieses seltenen Paares, Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof, heimgegangen zu den geliebten Eltern. Es hat sein Ableben in allen Kreisen der Bevölkerung, nicht unter den Industriellen allein, sondern auch in der Gesellschaft und Kunstwelt, schmerzlich berührt. Man wußte es ja sofort in jenen Kreisen, die ihn kannten, daß Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof ein Opfer seines Berufes, seiner angestrengten Tätigkeit geworden ist. Am 16. April 1834 in Smiric in Böhmen geboren, trat er bereits im Alter von 15 Jahren in das Geschäft seines Vaters, in die St. Marder Brauerei, welche Adolf Ignaz Mautner im Jahre 1840 gegründet hatte, ein. Carl Ferdinand ist so recht die Seele des großartigen, ausgedehnten Unternehmens geworden. Er ließ es sich nicht nehmen, alles in seiner Hand zu vereinigen, die komplizierten Fäden des weitverzweigten Geschäftes selbst zu spinnen und, obwohl im tüchtige Beamte und in letzter Zeit auch sein Sohn Victor zur Seite standen, der technische, finanzielle und kommerzielle Leiter des Welthauses zu sein und zu bleiben. Diese aufregende Tätigkeit konnte so lange ohne Schaden für die Gesundheit fortgesetzt werden, als Herr von Mautner noch jung war. Aber vor zwei Jahren bereits stellte sich eine mit quälender Schlaflosigkeit verbundene Nervosität ein, welche seine Angehörigen zwang, ihn zu einer längeren Erholungsreise nach Italien zu veranlassen. In der Tat kehrte Herr von Mautner gekräftigt aus dem Süden heim; aber eine rastlose Natur, wie er war, stürzte er sich, ohne sich zu schonen, abermals Hals über Kopf in die Geschäfte seines Hauses. So konnte er nicht Wunder nehmen, daß das Leiden von Neuem und stärker auftrat und daß die Schlaflosigkeit schließlich unerträglich zu werden begann. Das Mittel, welches die Ärzte dem Kranken zur Beruhigung empfohlen hatte, war ein Trional, ein Gift, das in kleinen Dosen genommen, Erleichterung verschafft, in größeren jedoch sehr verhängnisvoll werden und selbst eine akute Gehirnhautentzündung nach sich ziehen kann. Am Abende vor der Katastrophe hatte nun Carl Ferdinand von Mautner, um Schlaf ringend, in der Tat sieben Gramm Trional, also eine sehr bedeutende Dosis, eingenommen. Daß diese Unvorsichtigkeit die mittelbare Ursache der entsetzlichen Katastrophe gewesen, geht auch daraus hervor, daß der Unglückliche sich am Abend vorher in guter Laune mti seinem Sohn Victor unterhalten hat und keinerlei auf die Tat Bezug habende schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen hat. Kommerzialrat von Mautner ist ein gefälliger, liebenswürdiger, kunstsinniger und wohltätiger Mann gewesen. Von seinem Kunstsinne gibt seine Gemäldegalerie, von seinem Wohltätigkeitssinne der von ihm gestiftete und erbaute Isolier-Pavillon für ansteckende Krankheiten im Kronprinz Rudolf-Spitals, dieser eminenten Gründung der Eltern des Verstorbenen, nun beredtes Zeugnis. Man wird sich lange noch seines schlichten Wesens, seines geraden und offenen Charakters und seines ausgeprägten Familiensinnes erinnern. Denn Herrn von Mautners einzige Passion war es, dem Wohle seiner Kinder zu leben und sich ihnen zu widmen. Er war zwar ein trefflicher Jäger und ausgezeichneter Schachspieler, aber am liebsten weilte er unter seinen Kindern. Frühzeitig schon, am 28. Juni 1872, hatte Herr von Mautner seine erste Gattin, Johanna, geb. Kleinoschegg, aus Graz verloren. Sie hatte ihm sieben Kinder geschenkt: Harriet, Gemahlin des Kämmerers und Majors Ernst Freiherrn von Haynau, den einzigen Sohn Victor, welcher kürzlich 31 Jahre alt geworden ist, Gertrude, Gemahlin des Obersten Gera von Szilvinyi, Cornelia, verwitwete Schürer von Waldheim, Elsa, vermählt mit Herrn Karl Ritter Dittl von Wehrburg, Christine, Gemahlin des Regierungsrates Dr. Leopold Freiherrn von Wieser, und Doris, welche sich erst vor ungefähr neun Monaten mit dem talentvollen Maler Josef Engelhart vermählt hat. Am 15. August 1874 verheiratete sich Carl Ferdinand Mautner von Markhof zum zweiten Male mit Freiin Edith Sunstenau von Schützenthal, welcher Ehe weitere Töchter, Hertha, Magdalena und Edith, entsprossen sind. Der Verstorbene war ein Bruder der Herren Dr. Ludwig Ritter Mautner von Markhof in Wien und Georg Ritter Mautner von Markhof in Floridsdorf, der Frau Theresia von Reininghaus, der verwitweten Frau Dr. Marie Willner, der verwitweten Frau Emilie Reininghaus, der verwitweten Freifrau Eleonora von Wächter, der verwitweten Hofrätin Coelestine von Oppolzer und der Frau Sektionschef Johanna Mittag von Lenkheym. Wie beliebt der Besitzer der St. Marxer Brauerei gewesen ist, das zeigte die große Teilnahme aller Kreise der Wiener Gesellschaft am Leichenbegräbnisse, zu einer Zeit, wo die Gesellschaft doch noch größtenteils von Wien abwesend. Es hatten sich Donnerstag in der Kirche zu Maria Geburt auf der Landstraße außer sämtlichen Familienmitgliedern eingefunden, um Herrn von Mautner die letzte Ehre zu erweisen: Freiherr von Merkl, Hofrat Heinrich, Herrenhausmitglied Dr. Millanich, die Professoren Chrobak, Frisch und Bohrmann, Generalkonsul von Biedermann, Gustav Freiherr von Springer, der Vorstand der Künstlergenossenschaft Baurat Deiniger mit mehreren Mitgliedern der Genossenschaft, Bezirksleiter Polizeirat Blog, Architekt Rumpelmayer, Kommerzialrat Stiasny, Hofschauspieler Reimers, zahlreiche Großindustrielle, das Gremium der Wiener Hoteliers, Mitglieder der Genossenschaft der Gastwirte mit dem Obmann Valentin Weiland, Vertreter der Gemeinde, das Kuratorium des Kronprinz Rudolf-Kinderspitals, Deputationen der Städte Göding und Smiric und des Marktes Radon, deren Ehrenbürger Ritter von Mautner war. Nach der Einsegnung wurde der Sarg zur Beerdigung in der Familiengruft auf den Hietzinger Friedhof gebracht.
Bericht aus der Böhmische Bierbrauer vom Wiener Salonblatt vom 15. September 1896
Selbstmord eines Brauereibesitzers.
Größtes Aufsehen erregte in Wien der am 1. September d. J. erfolgte Selbstmord des Besitzers der St. Marxer Brauerei Herrn Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof; er hatte sich mit dem Revolver in die rechte Schläfe geschossen. In einem zurückgelassenen Schreiben bezeichnete er als Motiv die Kränkung darüber, daß er in antiliberalen Blättern bei der Besprechung von Gefälligkeitsübertretungen in seinem Brauhause wiederholt in einer Weise verdächtigt worden sei, als ob er selbst in die Sache verwickelt gewesen sei. Die erwähnte gehässigen und auf Unwahrheit beruhenden Angriffe haben ihm das Leben verleidet. Ritter von Mautner, geboren am 16. April 1834 zu Smiritz in Böhmen, war der älteste Sohn des im Jahre 1889 zu Wien verstorbenen Großindustriellen Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof und der 1887 verstorbenen Julie Marcelline von Mautner, geb. Kadisch. Er war Chef der protokollierten Firma Adolf Ignaz Mautner Söhne, k. k. Kommerzialrat, Ritter des Franz Josefs Ordens und Ehrenbürger von Smiritz. Er war in erster Ehe mit Johanna Kleinoschegg aus Graz, in zweiter Ehe mit Edith Freiin von Sunstenau vermählt und hinterließ 10 Kinder; einen Sohn und neun Töchter. Vor zwei Monaten war in den Blättern von Gefällsübertretungen im Marxer Brauhause die Rede; es wurden damals mehrere Bedienstete verhaftet, aber wieder freigelassen. Es ist nicht bekannt, ob die Untersuchung noch fortdauert, oder ob diesselben kein greifbares Resultat ergeben hat. Seit etwa einem Jahr vollzog sich im Wesen Mautners eine tiefgehende Veränderung. Er verlor seine gewohnte, liebenswürdige, wohlwollende Art und wurde täglich gereizter und leidenschaftlicher. Ein nervöses Leiden, das ihn schon vor Jahren einmal befallen, und von welchem er wiederhergestellt worden war, hatte ihn neuerdings ergriffen und wollte nicht weichen. Schmerzliche Ausbrüche gereizter Leidenschaft und dann wieder Stimmungen tiefster Melancholie lösten einander ab. Da kam noch, um seine Zerrüttung zu vollenden, die bekannte Gefällsaffäre.
Dem Andenken von Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof.
Adolf Ignaz Mautner von Markhof – ein Gründerzeitbaron als Pionier sozialer Reformen
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinAls Adolf Ignaz Mautner Smirice verließ, befand sich Europa bereits im Umbruch. Für noch lange Zeit würde Friede herrschen, die Künste erlebten neue Blüte, das Industriezeitalter hatte längst begonnen. Je stärker jedoch die Industrialisierung fortschritt, desto brennender wurden die sozialen Probleme, da selbst der Staat vom aufkommenden Elend überrascht wurde und nur langsam vermochte die Auswirkungen der industriellen Revolution zu begreifen. Die traditionelle Versorgung innerhalb der Großfamilie geriet ins Wanken, immer mehr Menschen strömten in die Stadt, das Überangebot an Arbeitskräften führte wiederum zu einem furchtbaren Mangel an Wohnungen, die Mietpreise stiegen ins Gigantische. Hunderttausende Arbeiter in Europa sind dankbar, wenn sie als „Bettgeher“ einen Schlafplatz finden. Den meisten Männern der ersten Unternehmergeneration war soziales Denken völlig fremd, meist schon brutal wurde die Notlage der Menschen ausgenützt, Schutzbestimmungen für arbeitende Menschen gibt es so gut wie keine.
So wuchs auch Wien innerhalb nur weniger Jahrzehnte zu einer Millionenstadt an – nicht zuletzt darin lag ja der Grund für den plötzlich gesteigerten Bierabsatz dieses Jahrhunderts. Doch das soziale Elend machte letztlich auch vor den Brauern nicht Halt, die davor zu den eher privilegierten Gruppen unter den Handwerkern gehörten. Im Jahre 1871 gab es in Wien und Umgebung 22 Brauereien, in denen rund 4000 Brauergehilfen beschäftigt waren. Diese große Zahl erklärt sich dadurch, dass die maschinellen Einrichtungen noch äußerst primitiv waren und ungelernte Hilfsarbeiter nicht beschäftigt wurden. Alle Arbeiten, mit Ausnahme der Kutscher und Maschinenbedienung, wurden von Brauern und Bindern geleistet.
Im Fassbindergewerbe wurde durchschnittlich 15 Stunden täglich gearbeitet – eine Arbeitszeit, die nur durch kurze Essenspausen unterbrochen war. Kost und Quartier war Aufgabe des Meisters, Essensqualität Aufgabe der Meisterin. Im Schlafraum standen die Betten in drei bis vier Etagen und es wimmelte nur so vor Ungeziefer. Dies war auch der Grund, warum die Gehilfen es in den Sommermonaten vorzogen unter freiem Himmel zu schlafen. Ihr Wochenlohn betrug zwischen 2 Gulden 50 Kreuzer bis 7 Gulden für die bestqualifizierten Arbeiter. Infolge der langen Arbeitszeit und der Wohnung beim Meister waren die Gehilfen von der Außenwelt abgeschnitten. Die meisten fühlten sich in den Verhältnissen wohl, und hatten keine Ambition selbst auch nur das geringste am Althergebrachten zu ändern. Schließlich gab der Brauerstreik 1871 Anstoß zu einer intensiven Bewegung der Fassbinder, woraufhin sie im Juni die Arbeit niederlegten und folgende Forderungen stellten: Einführung der Akkordarbeitszeit, Verkürzung der Arbeitszeit auf 11 Stunden täglich mit drei Pausen. Lohnforderungen wurden keine gestellt, denn man erhoffte sich bessere Verdienstmöglichkeiten durch Akkordarbeit, die gerne bewilligt wurde, da sie dem Meister reichlich Gewinn brachte – die Gesellen spornten sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Es blieb weiterhin bei 13 – 14 Stunden Arbeit, den verwanzten Betten und der kargen Kost. Da jedoch jeder die Möglichkeit sah im Akkord (unter unmenschlicher Plackerei), wenn er fähig war die meisten Fässer herzustellen, einige Gulden mehr zu verdienen, dachte niemand mehr an weitere Verbesserung. Körperlich schwächere Arbeiter wurden nun nur noch umso mehr missachtet, die Meister schürten Hochmut einerseits und Neid andererseits, ein System der sozialen Uneinigkeit entstand. Durch die Hochkonjunktur wurden viele Bindergehilfen in Brauereien, Spiritusfabriken und Weinhandlungen beschäftigt und waren Gegenstand des Spottes und der Verachtung für die dortigen Werkstattgehilfen. Man nannte sie einfach nur Hausknechte. Auf all diese Umstände ist es zurückzuführen, dass die Fassbindergehilfen keine Organisation hatten, nicht einmal den Versuch starteten sich gegen ihre Unterdrücker zu wehren, und gezwungen waren unter miserablen Verhältnissen zu leben und zu arbeiten. Mit der Entwicklung neuer Produktionsweisen und der Rückständigkeit der Meister wurde die Konkurrenz mit der Zeit immer spürbarer, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit waren die Folge.
Was die Brauer betraf, so war die Arbeitszeit mit 365 Tagen im Jahr unbegrenzt, Sonn- und Feiertagsruhe waren gänzlich unbekannte Begriffe. Dafür gab es Freibier im Überfluss, was zur Folge hatte, dass so mancher Arbeiter aus dem Alkohol-Dusel nicht mehr herausfand. Die mit Ungeziefer, Mäusen und Ratten bevölkerten Schlafräume hatten Betten in zwei bis drei Etagen geschlichtet (sogenannte Himmelbetten), sodass es bei dem vielen Biergenuss nicht selten vorkam, dass der in der unteren Etage Schlafende in der Nacht plötzlich einen „Regen“ verspürte. Von der schweren, lang andauernden Arbeit todmüde und vom vielen Biertrinken berauscht, fielen sie irgendwann, meistens in Kleidern und Stiefel auf die Liegestatt, um schon nach wenigen Stunden vom Vize brutal geweckt zu werden. Schimpfworte und Schläge waren an der Tagesordnung, denn das System sah vor, dass der nicht der Fähigste zum Vorderburschen bestimmt wurde, sondern der körperlich Stärkste. Aufgrund der daraus resultierenden inkompetenten Führung mussten sich alle mehr als notwendig plagen, sanitäre Missstände und der permanente Alkoholkonsum leisteten das Übrige, sodass junge kräftige Männer in nur kurzer Zeit dahingerafft wurden. Krankenversicherung gab es keine, die Brauherren zahlten an das Spital der Barmherzigen Brüder eine Pauschale; 80 – 100 Mann lagen dort jahrein, jahraus und wurden zur ewigen Ruhe getragen. Die Verhältnisse erlaubten es keinem zu heiraten, es war beinahe unmöglich eine Familie zu gründen. Diesem Umstand ist es auch zuzuschreiben, dass viele Geschlechtskrank wurden und sich auf diese Art den Todeskeim holten. Nichts desto trotz waren die Brauer, im Gegensatz zu den Fassbindern, von einem starken Zunftgeist durchdrungen, der seinesgleichen suchte.
Eine bemerkenswerte Einrichtung war das Vazierandentum, nichts Vergleichbares findet man in einer anderen Industrie. Jede Brauerei hatte eine Anzahl Brauer, die nur Bier und Schlafstelle, jedoch keinen Lohn bekamen. Wollte sich nun ein mit Lohn angestellter Brauer für einige Stunden freimachen, so war er gezwungen auf einen der Vazierenden zurückzugreifen und ihn selbst dafür zu bezahlen.
Nicht zu beneiden waren damals auch die Bierkutscher. Nicht nur mussten sie den voll beladenen Wagen souverän lenken, sondern auch mit den schweren Fässern beim Auf- und Abladen herumhantieren. Besonders zur Winterzeit, wenn sie bei eisiger Kälte weite Strecken auf holpriger Straße zurücklegen mussten, war ihr einziger Schutz die sogenannten „Bierkutscherstiefel“, klobige Fußwärmer aus geflochtenen Strohmatten.
Abschaffung des Begriffes „Knecht“
Kundmachung der Wiener Bierbrauer-Innung, 1847
Schon die Benennung der Arbeiter in den Brauereien deutete auf eine menschenunwürdige Lage und Behandlung hin. Adolf Ignaz, der sowohl stets ein offenes Auge und einen zur Hilfe geneigten Sinn für die mannigfachen sozialen Missstände seiner Zeit, als auch Dankbarkeit für geleistete Dienste hatte war es, der ihre Bezeichnungen für schändlich empfand und eine eigene Nomenklatur ausarbeitete. Diese unterbreitete er der politischen Behörde, die sie annahm und definitiv einführte. Braubursche, Braugeselle, Brauführer, Obermälzer, Biersieder und wie sie alle heißen verdanken ihm alleine ihre Benennung. Bis zur Einführung seiner Nomenklatur hießen sie alle ausnahmslos „Knechte“, kurze Zeit darauf wird die Bezeichnung in allen österreichischen Brauereien für immer abgeschafft.
Krankenpflege und Altenversorgung
Zur Popularität, die er auf diese Weise schon bald nach seinem Eintreffen in Wien erlangt hatte, trug nicht zuletzt auch die unablässige Sorge um das Wohlergehen seiner Arbeiter bei. Von Beginn an wurden Einrichtungen für die Krankenpflege und Altenversorgung, für Quartier und Verpflegung ins Leben gerufen. Anfangs natürlich in bescheidenem Maße, mit der Zeit und den wachsenden finanziellen Ressourcen jedoch in einer umfangreichen und allen Erfordernissen entsprechenden Dimension. In Krankenständen wurde bis zu drei Monaten der Krankheitsdauer der volle Lohn nebst Arztkosten und Arzneimittel bezahlt. Arbeiter mit geschwächter Gesundheit wurden mit vollen Bezügen zur Erholung in Bäder oder aufs Land geschickt. Witwen und Waisen erhielten im Bedarfsfall ausreichend Unterstützungsgelder – eine obligatorische Lebensversicherung war Teil davon.
Unterkunft und Obdach
War der Begriff „Dienstwohnung“ in jenen Zeiten noch nicht geprägt, so erbaute Adolf Ignaz bereits ein Arbeiterzinshaus für zwölf Familien, jeweils mit Zimmer, Küche und Kabinett, und stellte es seinen Leuten zum Maximalbeitrag von 60 Gulden/Monat – je nach Einkommenslage bis hin zur Zinsfreiheit – zur Verfügung. Auch gehen die Gründung eines Arbeiter-Asyls und eines Invalidenbaues auf das Konto seines visionären sozialen Engagements.
Gewinnbeteiligung
Vor allem im Kontext der Zeit und der herrschenden Umstände war die Gewährung einer prozentuellen Gewinnbeteiligung nicht nur ein sozialer, sondern gleichfalls revolutionärer Akt.
Wie sehr Adolf Ignaz in späteren Tagen um das Wohl seiner Arbeiter besorgt gewesen ist, ist allbekannt. Weniger bekannt dürfte jedoch sein, dass er dies schon zu einer Zeit getan hatte, als er noch in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte. Dennoch trug er auch damals schon in allererster Linie für seine Arbeiter Sorge, indem er, als er die Brauerei in Smirice nur als Pächter betrieb, für alle länger bei ihm Beschäftigten Einlagen für deren Alter in die allgemeine Versorgungsanstalt machte. Ebenfalls charakteristisch für ihn ist, dass er noch in seinen letzten Lebensjahren eifrigst Nachforschungen anstellte, um in Erfahrung zu bringen, ob nicht etwa irgendeiner seiner ehemals in Böhmen Bediensteten der Hilfe bedürftig sei. Ihm war es einfach eine Herzensangelegenheit Unterstützung zu gewähren, er wollte dabei auch überraschen und Freude bereiten. Ganze Tage verbrachte er damit, ihm nahestehenden oder auch nur entfernt mit ihm in Berührung gekommenen Personen Kleidungsstücke und sonstige Gegenstände zu senden, in denen er auch größere Geldbeträge versteckte.
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Den Adel im Herzen
Schloss Rodaun, Sommersitz der Familie Mautner Markhof
/in Carl Ferdinand Ritter Mautner von Markhof /von Beate Hemmerlein1881 erwarb Carl Ferdinand Mautner von Markhof das dreigeschossige Schloss Rodaun, das am 2. März 1405 als „Vest Rodaun“ erstmals urkundlich erwähnt wurde, als Gebäude vermutlich bereits im 12. Jahrhundert bestanden hatte. Es befindet sich an der Willergasse 53 bis 57, im Wiener Stadtteil Rodaun. 1898 wurde das Schloss von der Familie Mautner Markhof um 158.000 Gulden an den 1807 gegründeten röm.-kath. Orden Sta. Christiana (Schwestern der heiligen Kindheit Jesu und Mariä) verkauft, der sich auf Erziehung und Krankenpflege spezialisiert hatte. Der Orden eröffnete im Schloss ein Mädchenpensionat, dessen Schule seit 1902 das Öffentlichkeitsrecht besitzt. Im Nachbarort Kalksburg hatten die Jesuiten bereits seit 1856 mit dem Kollegium Kalksburg ein Knabeninternat betrieben. Im Zweiten Weltkrieg war im Schloss Rodaun eine Panzerkaserne untergebracht. Nach Kriegsende wurde der Schulbetrieb wieder aufgenommen und das Schulzentrum Schloss Rodaun umfasst heute eine Volksschule, eine Kooperative Mittelschule, eine Fachschule mit Aufbaulehrgang und ein Tagesinternat.
Bericht aus der Extrapost, Montagszeitung vom 18. Juli 1897
Der geplante Verkauf des Schloßes Rodaun.
Wie wir hörten, haben die Erben des im vorigen Jahre unter so tragischen Umständen aus dem Leben geschiedenen Besitzers der St. Marxer Brauerei den Beschluß gefaßt, das an sie übergegangene Schloß Radon zu verkaufen. Dieses große, prachtvoll gelegene, Rodaun und dessen Umgebung dominierende Gebäude, an welches sich ausgedehnte Parkanlagen anschließen, gehörte vor Zeiten den regierenden Fürsten Liechtenstein und wurde in stark vernachlässigtem Zustande – es war schließlich nur noch als Magazin benützt worden – von Herrn A. I. v. Mautner um einen sehr billigen Preis, wie es heißt um weniger als 100.000 fl., erworben. Von Seite des Herrn v. Mauten sind indessen bedeutende Summen im Rodauner Schloß investiert worden, so daß der für den großen und wertvollen Besitz geforderte Preis von 180.000 fl. noch immer mäßig ist. Auf Basis desselben unterhandeln, wie wir hören, die Jesuiten über den Ankauf des Rodauner Schloßes. Die Väter der Gesellschaft Jesu sind bekanntlich in dem unmittelbar an Rodaun angrenzenden Kalksburg sesshaft. Sie haben sich daselbst mehr und mehr ausgebreitet, so daß ihnen schon zwei Drittel von Kalksburg gehören. Nunmehr scheint es, daß sie auch Rodaun in den Bereich ihrer segensreichen Wirksamkeit einzubeziehen Willens sind. Vielleicht ist es in der Absicht der Bürger Loyola´s gelegen, die zwei Abteilungen, welche sie in ihrem Kalksburger Konvikt geschaffen haben, und von denen die eine für die Aufnahme von Söhnen aus den höheren, die andere für Sprößlinge aus den niedrigeren Ständen bestimmt ist, völlig zu separieren. Oder sollten sich die Jesuiten etwa mit dem Gedanken tragen, in Rodaun eine Anstalt zur Heranbildung von Lehrern, welche im Geiste des Ebenhoch´schen Schulantrages ihres Amtes walten könnten, zu errichten?