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Beate Hemmerlein

Emy Bertele v. Grenadenberg und Colin Everard

8. März 2025/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Beate Hemmerlein

Emy Everard, geb. Bertele v. Grenadenberg

Colin Everard

Emy Bertele von Grenadenberg (*Wien 6.3.1932, † Wien 18.12.2023) wurde als das zweite von sieben Kindern der Marceline Mautner v. Markhof und des Hans Bertele v. Grenadenberg geboren. Gemeinsam mit den Eltern und ihren Geschwistern Otto, Marceline „Marcy“ (verehel. McMichael), Hans, Elisabeth „Lisl“ (verehel. Naqvi), Ursula „Ucki“ (verehel. de Allendesalazar) und Ulrich „Uly“ übersiedelte sie 1947 nach England. Am 27.9.1958 heiratete sie den Engländer Colin Everard (*London 14.11.1930) in Nairobi, den sie zuvor im Zug nach Tirol kennengelernt hatte. Ihrer Ehe entsprangen vier Töchter. Nach dem Ableben der Eltern zogen Sie in die „Corti-Wohnung“ im dritten Stock des Franziskanerplatzes, die Wohnung, die einst das Zuhause von Gertrude und Egon Conte Corti gewesen war.

ERINNERUNGEN VON UCKI AN IHRE SCHWESTER EMY, Madrid, 7. März 2025

Ich lernte meine Schwester Emy erst Mitte August 1947 in England kennen, als ich bereits fünfeinhalb Jahre alt war – und sie sechzehn. Bereits vierzehn Tage davor war sie mit unserem Vater dorthin gereist, um ihm bei den letzten Vorbereitungen für die Übersiedlung der ganzen Familie aus Österreich zu helfen (außer dem jüngsten Bruder Uly, der noch in Gaaden bleiben sollte). Sie war das Zweitälteste der Kinder und schon damals ein äußerst verantwortungsvolles Mädchen. Gemeinsam mit Baba (wie wir unseren Vater nannten), stand sie also abends am Bahnhof in London, um uns alle abzuholen. Schwester Liesl und ich hätten dort netterweise gleich für die ersten Wochen von einer Pflegefamilie übernommen werden sollen, um zu Beginn die Last einer vielköpfigen Familie für Mutti etwas zu erleichtern. Liesl nahm die bevorstehende Trennung ohne Murren hin, ich aber brach angesichts einer solchen in Tränen aus und sträubte mich mit Händen und Füssen dagegen. Hatte ich ja meine Eltern und Geschwister erst vor kurzem kennengelernt (ich war die ersten Jahre meines Lebens in Gaaden, bei der lieben Omi, gut aufgehoben gewesen).

So kamen wir nachts in unserem neuen Haus in Purley an. Und damit begann mein Zusammenleben mit Emy, der ich als ihr “Zimmerkind” zugeteilt wurde. Ihr war es gegeben, auf mich aufzupassen und mich zu leiten. Sie war meine „Zimmerfrau“, so hieß es. Wir teilten das hübsche, helle Zimmer im obersten Stock, das Richtung Garten schaute, auf einen großen Zierkirschenbaum, der im Frühling, vollkommen mit weißen Blüten bedeckt, immer so herrlich blühte. Wir hatten die beste Aussicht. Emy betreute mich ab diesem Zeitpunkt mehrere Jahre lang riesig liebevoll und das schmiedete ein Band der immerwährenden Liebe – und Dankbarkeit meinerseits – zwischen uns.

Der Arbeitsaufwand für Mutti war immer enorm, aber Emy stand ihr bei allem großartig bei, was auch wirklich eine ganz bewundernswerte Leistung war. Zirka drei Wochen nach unserer Ankunft begann im September die Schule. Wir vier Mädel gingen alle in dieselbe Klosterschule, St Annes. Emy und Marci in die Grammar School, Liesl und ich in die Primary School. Emy stieg gleich in der dritthöchsten Klasse ein und schloss bereits nach zwei Jahren ihr Studium mit Auszeichnung ab. Danach ging´s mit einem Stipendium am Kings College/London weiter, wo sie ihr Studium mit Zoologie begann, um sich danach auf Entomologie – Insektenkunde – zu spezialisieren (davon noch später).

Im England der Nachkriegsjahre herrschte strenge Rationierung, teilweise bis 1955. Fleisch aßen wir nur einmal in der Woche, am Sonntag. Aus Wien wurden Mutti Paprika geschickt und sie machte öfters ein Kartoffelgulasch und fügte zur Geschmacksverbesserung Speckrindel dazu. Emy machte gerne Guglhupf, immer nur mit einem Ei. Und da es bei uns zu Hause oft etwas zu feiern gab (außer den kirchlichen Festtagen auch die Geburts- und Namenstage einer Großfamilie) zauberte sie trotz der spärlich vorhandenen Zutaten, wie durch ein wahres Wunder, immer irgendwelche Mehlspeisen hervor.

Nach eineinhalb Jahren wurde dann auch der kleine Uly, von einer jungen Steirerin, die als Haushaltshilfe und Kindermädchen dienen sollte, nach England gebracht. Aber sie taugte zu keinem der beiden und verlies uns bald wieder. So blieb die Arbeit für Emy weiterhin groß. Auch im Garten hatte sie ein stattliches Blumenbeet zu betreuen.

Phantastisch beherrschte sie auch die Kunst des Nähens. An nur einem Nachmittag konnte sie ein Kleid für Liesl oder mich fertigen. Etwas, das ich, als ich später selbst zu nähen begann und bei Singer einen Kurs besuchte, nie begreifen konnte. Gut erinnere ich mich an ein hell türkisgrünes Taffetakleid mit Rüschen, das sie für mich anlässlich einer Kinderparty nähte und viele weitere Alltagskleider.

Als Emys Studium am Kings College begann, reiste sie jeden Morgen mit dem Zug nach London und kam am späten Nachmittag zurück. Von einem Teil ihrer ersten Stipendiumsgelder kaufte sie mir einmal ein silbernes Kettenarmband, das ich bis heute besonders schätze und das nun mit lauter kleinen Charms behangen ist.

Als unser ältester Bruder Otto heiratete und auszog, übernahm Emy sein schönes Zimmer mit Zugang auf die große Terrasse, die auf die Rückseite unseres Gartens blickte. Wie alle Zimmer dieses Hauses, welches aus der Viktorianischen Zeit stammte, hatte jedes Zimmer seinen eigenen Kamin. Da die später eingebaute Zentralheizung nicht funktionierte, wurde sonntags im Wohnzimmer der Kamin geheizt. In Küche und Speisezimmer waren Dauerbrenner mit Koks. Für Emys kleinen Kamin holte ich Kohle aus dem Keller, machte Spandeln, schleppte alles hinauf, heizte an und blieb dann auch schön bei der Wärme sitzen, da es oben im Zimmer, das ich nun mit Liesl teilte, kalt und feucht war. In Emys Zimmer war auch ihr Plattenspieler, auf dem ich gerne ihr Schallplatten hörte.

Sehr intensiv widmete sie sich dem Studium der Entomologie. Sie nahm gerne an Studienausflügen teil, war gesellig und schloss nette neue Freundschaften unter den Studenten und sonst wo. In einem Jahr hatte sie mit dem Studium der gefürchteten Wüsten-Riesenheuschrecken (locusts, desert locusts) begonnen, die vor allem in Afrika so verheerende Schäden anrichten. So viel ich mich erinnere, kam Emy einmal am Ende eines der Sommer Trimester, mit einer sehr großen, eher flachen Kartonschachtel nach Hause. Drinnen saß ein einsamer Riesenheuschrecke. Allerdings farblich nicht braun-beige wie das Wüsteninsekt, sondern einfarbiges grün wie das einer unreifen Zitrone. Wir staunten alle. Emy brachte die Schachtel im dunklen Gästezimmer, das gegenüber von meinem Zimmer lag, unter. So fiel es mir zu, das Insekt zu füttern. Da ich bereits zweimal täglich mit der Sichel Gras für unsere Hasen schnitt, bekam der Heuschreck auch etwas davon ab. Sehr lange überlebte er, glaube ich, nicht unter meiner Obhut, an die genauen Umstände kann ich mich nicht mehr erinnern.

Emys Interesse und Vorliebe für Heuschrecken kann man rückblickend als schicksalhaftes Vorzeichen betrachten, da sie ein paar Jahre später Colin Everard, den “Heuschreckenjäger”, wie er bei uns zuhause zur allgemeinen Erheiterung genannt wurde, heiratete.

Ihr Studium am Kings College schloss Emy mit einem “Upper Second”, der zweithöchsten Auszeichnung in der Rangordnung blendend ab. Das bedeutete aber in England keineswegs ein Karriere-Sprungbrett für eine besonders begabte Akademikerin. Was wurde also aus Emy? Sie wurde Sekretärin bei der Londoner Niederlassung von DuPont de Nemours.

Emy war sehr hübsch, hatte schöne Beine von Mutti geerbt und eine gute Figur, die etwas ins Mollige neigte. Sie und Marci waren einige Zeit immer mit Abmagerungskuren beschäftigt. Emy hatte ein helles Lachen, war mit viel Sex-Appeal gesegnet und wirkte auf Männer höchst anziehend. Sie hatte viele “Boyriends” und war selbst einige Zeit sehr in ihren Chef verschossen. Einmal schickten die Eltern Emy und Marci zum Wiener Fasching und Muttis zwei jüngsten Brüder (Peter und Bili) nahmen sich damals sehr nett der beiden an.

Im letzten Jahr, in dem es noch Sitte war, dass Königin Elisabeth die Debütantinnen der Saison empfing, war auch Emy, dank der Befürwortung des damaligen österreichischen Botschafters Johannes Schwarzenberg, der Königin anlässlich des glänzenden traditionellen Ereignisses vorgestellt worden.

Als Emy dann schon bei Dupont war, nahm sie sich einmal im Februar Urlaub, um ihre Freundin Almuth zum Skifahren in Kitzbühel zu treffen. Baba begleitete sie zur Station und kaufte ihr zur Zerstreuung ein paar der klassischen englischen Illustrierten für die Reise. Emy legte sie auf die Sitzbank im Coupée und unterhielt sich mit Baba noch bis kurz vor der Abfahrt draußen am Bahnsteig. Als sie ins Coupée zurückkehrte, saß dort nun einen junger Mann, der eifrig in ihren Illustrierten las: “Wie kommt es, dass Sie sich erlauben, sich einfach meine Zeitschrift anzueignen?” sagte sie in eher schroffem Ton. Emy erhielt ihre Zeitschrift zurück, der Zug fuhr ab und es stellte sich alsbald heraus, dass der junge Mann, der sich als Colin Everard vorstellte, ebenfalls auf Skiurlaub nach Österreich fuhr – und zwar ins benachbarte Fieberbrunn. Dieser Skiurlaub in Kitzbühel sollte gleich den Grundstein für  zwei Liebesgeschichten legen, denn zur selben Zeit war auch Onkel Peter Mautner Markhof dort und verliebte sich in Emys bildschöne deutsche Freundin Almuth…

Emy Bertele v. Grenadenberg, fotografiert von Colin Everard im Zug nach Tirol, 1957.

Colin hatte langen Urlaub von seiner Arbeit in Ostafrika und kam uns in Purley besuchen. Er erzählte eingehend von seiner Tätigkeit, die aus der Ausrottung der periodischen einfallenden riesigen Wüstenheuschrecken bestand, die so maßlosen Schaden anrichteten und für Hunger und Elend der Bevölkerung sorgten. Bei allem Ernst, wurde Colin bei uns aber den Namen “der Heuschreckenjäger” nicht mehr los.

Colin Everard als junger „Heuschreckenjäger“ in Afrika

Emy und Colin heirateten Ende September 1958 in Nairobi. In ihrer Hochzeitsreise erklommen sie dann gleich den Kilimanjaro.

Emy und Colin nach ihrer Trauung in Nairobi

Emy Everard geb. Bertele v. Grenadenberg

Emy und Colin Everard auf dem Gipfel des Kilimanjaros, 1958

Emy und Colin Everard als junges Paar.

Die erste ihrer vier Töchter kam im darauf folgenden Jahr, zwei Monate verfrüht, im Spital Redhill, welches sich in der Nähe unseres Wohnortes Purley befand, zur Welt. Die “kleine Emy” wog bei ihrer Geburt kaum 1,5 Kilo und blieb lange Zeit im Brutkasten und mit ihr Emy im Spital. Ich ging damals noch zur Schule, und wenn Colin, dessen Eltern in Nord London wohnten, bei uns vorbeikam, viel es mir öfters zu, ihn zu betreuen. Ich bereitete ihm fast immer Bratwürstel, die bekannten „Walls Pork Sausages“, die eine seiner Lieblingsspeisen waren und von mir keine großen Kochkünste erforderten.

Als beide Emys schließlich aus dem Spital entlassen werden konnten, waren sie bald darauf am Weg nach Nairobi, wo Colin sie bereits sehnsüchtig erwartete. Noch drei Mädchen sollten Emy und Colin geschenkt werden, ehe sie Afrika endgültig verließen. Mehrere Jahre Montreal/Canada folgten, bevor sie sich nach Colins Pensionierung am Franziskanerplatz, in der ehemaligen Corti Wohnung, niederließen. Dort, wo Mutti und Baba ihre so schönen und glücklichen letzten zwanzig Jahre verbracht hatten.

Colin Everard in Uganda

Emy Everard auf ihrem Jeep mit dem Kennzeichen ihres Geburtstages (6.3.´32) und ihren geliebten Hunden.

Emy Everard in Afrika

Kurz vor Montreal hatten Emy und Colin mich und José Manuel zu Weihnachten in Washington DC besucht. Ihre jüngste Tochter war damals noch ein Baby. Wir hatten es riesig nett zusammen. Im Februar fuhren wir mit einem Greyhound Bus hinauf nach Canada und besuchten sie in ihrer noch provisorischen Wohnung. Die zwei älteren Mädchen verbrachten ihre anschließenden Sommerferien bei uns. Dann, im Jahr drauf, wieder im Februar, fuhren wir erneut nach Montreal, unser letzter Besuch vor José Manuels Versetzung nach Stockholm. Bei diesem Besuch war Emy, wie immer, die liebevollste und fürsorglichste Schwester. Auch die beste Hausfrau, die man sich vorstellen kann. Sie gab für uns ein prachtvolles Diner mit netten, interessanten Freunden. Es war gerade diese Tage recht warm für dortige Verhältnisse. Tauwetter und fast kein Schnee. José Manuel hatte an einem jener Tage beiläufig, eher spaßhaft zu Emy gemeint: “Schade mit dem Wetter. Ich hätte so gerne einen Blizzard (Schneesturm) erlebt.” Am selben Abend, gegen Mitternacht, wir waren schon im Bett und hatten das Licht ausgelöscht, kam Emy im Nachthemd zu uns hereingestürzt und schrie in größter Aufregung: “José, ein Blizzard, ein Blizzard!!!” Und tatsächlich, es war ein wüster, wilder Blizzard, der aber nicht einmal fünf Minuten dauerte. Wir kamen aus dem Lachen nicht heraus und der Augenblick bleibt mir unvergesslich.

Emy und Colins Haus in Montreal

Später, als Emy und Colin die Wohnung am Franziskanerplatz bezogen hatten, luden sie uns immer herzlich ein bei ihnen zu wohnen, wenn wir nach Wien kamen. Lauter wunderschöne Erinnerungen, die mich mit meiner lieben Schwester auf immer und ewig verbinden, sind auch damit verbunden. 

Emy Bertele von Grenadenberg mit Bruder Otto, 1936

Emy Everard mit 3 ihrer Töchter, José Manuel und Schwester Ucki de Allendesalazar (rechts), Weihnachten 1971

Emy und Colin Everard mit 3 ihrer Töchter und Schwester Ucki de Allendesalazar (rechts), Weihnachten 1971

Emy Everard geb. Bertele v. Grenadenberg

Emy Everard an ihrem 70. Geburtstag, 2002

Emy Everard (geb. Bertele von Grenadenberg), 2008

Emy Everard an ihrem 80. Geburtstag, 2012

Emy Everard (geb. Bertele von Grenadenberg), 2015

Colin Everard war ab seinem 24. Lebensjahr für die Leitung von Teams in Nordostafrika zur Bekämpfung von Wüstenheuschreckenplagen verantwortlich. Er arbeitete mit Desert Locust Control am Horn von Afrika sowie in Kenia, dem damaligen Tanganjika (heute Tansania) und in Uganda. Als Einsatzleiter war er für die strategische Planung und Leitung von Kampagnen zur Bekämpfung der  riesigen Invasionen von Wüstenheuschrecken verantwortlich, um die Landwirtschaft und Viehzucht der Region zu schützen. Anschließend engagierte ihn die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) als Leiter der Logistik, wobei er in Folge 200 Flugsicherheitsprojekte in 100 Entwicklungsländern umsetzte. In den darauffolgenden zehn Jahren leitete und beaufsichtigte er 75 internationale Flugsicherheitsprojekte in Asien und dem pazifischen Raum. Colin wurde dafür mit dem begehrten Gold Award der ICAO ausgezeichnet und ist auch weltweit der einzige geblieben, dem diese Ehrung zuteil wurde. Er lebte in sieben Ländern und hatte aus beruflichen Gründen mehr als fünfzig weltweit bereist. In Anerkennung seiner Dienste für das Land, überreichte ihm der pakistanische Präsident bei zwei Gelegenheiten die „Presidents Gold Medal“. Erst während seines Ruhestands hatte er erfahren, dass seine Karriere von Forschern und Gelehrten als Paradebeispiel analysiert und untersucht wurde; die Einzelheiten und Ergebnisse sind in einer Datenbank in den Bodleian Libraries der Universität Oxford gespeichert. Seine private Leidenschaft war und blieb der Golfsport.

Abschiedsbrief seiner MitarbeiterInnen anlässlich Colin Everards Pensionierung

Ucki Bertele de Allendesalazars Geburtstagswünsche an ihren Schwager Colin anlässlich seines 90. Geburtstages.

Ucki Bertele de Allendesalazars Geburtstagswünsche an ihren Schwager Colin anlässlich seines 91. Geburtstages.

Colin Everard

Seine zahlreichen Eindrücke und Erfahrungen hat er in mehreren Büchern verarbeitet – zuletzt in seinem Abschlusswerk „Stories of Other Worlds“, das er seiner geliebten Emy gewidmet hat. Die Buchpräsentation, zu der Freunde und Familie weltweit angereist waren, fand am 23. Jänner 2025 im Vienna Ritz Carlton Hotel statt.

Colin Everard bei der Präsentation seines Buches „Stories of Other Worlds“, 23.1.2025, Ritz Carlton Vienna

„Storys of Other Worlds“ by Colin Everard, 2025

Widmung von Colin für Emy Everard

Einladung zur Präsentation des Buches „Stories of Other Worlds“ von Colin Everard, 23. Jänner 2025

Press Release zu „Stories of other Worlds“, Colin Everard

Beate Hemmerlein

Memoiren des Hans Bertele von Grenadenberg

31. Januar 2024/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Beate Hemmerlein

Dipl. Ing., Dr. Techn., em. O. Prof. der techn. Universität Wien Hans Bertele von Grenadenberg  (*Görz 2.7.1903 / †Stockton-on-Tees 3.7.1984) war Ehemann von Marceline Mautner von Markhof (siehe auch „Hans und Marceline Bertele v. Grenadenberg – der Beginn einer großen Liebe“) sowie Schwiegersohn von Georg II. Anton und Emilie „Emy“ Reininghaus sowie Schwager von Georg III. „Buwa“ Mautner Markhof. Er war renommierter Elektrotechniker sowie leidenschaftlicher Uhrensammler und hatte sich auch als Uhrenhistoriker einen internationalen Namen gemacht.

Hans Bertele von Grenadenberg

Curriculum Vitae

1927

  • Ingenieursdiplom / TH-Wien

1931

  • Technisches Doktorat / TH-Wien
  • Bevollmächtigter / Elin Wien
  • Prokurist bei der Elact Studiengesellschaft der Elin

1938

  • Konstruktionschef im Röhrenwerk / Siemens Berlin

1943

  • Leiter der Abt. KS 5 (Sonderwaffen)

1945

  • Leitung des Techn. Referates der Unterbürgermeisterei / Berlin Schmargendorf

1947

  • Lehrauftrag für Stromtechnik / TH Wien
  • Member of the Board / Nevelin Croydon

1948

  • Associated Member /IEE London

1948/73

  • Editorial Adviser der Redaktion von DC (Höchstspannungs-Gleichstromübertragungen)

1952

  • Habilitierung in Stromtechnik / TH-Wien
  • Snell-Preis der IEE/London für HGÜ-Arbeiten (gemeinsam mit R. Tucker)

1954

  • Lektor an dem der Universität Londonaffiliierten Woolwich-Polytechnik
  • Special Lecturer for HVDC an der Manchester Faculty of Technology

1955

  • Fellow of the Institute of Physics / London

1956

  • Aufsichtsrat der Brauerei Schwechat

1958

  • Berufung als a.o.Prof. zum Aufbau des neuen Institutes für Industrielle Elektronik / TH-Wien

1959

  • Fellow des British Horological Institute / London

1960

  • Mitglied der Zweiten Staatsprüfungskommission / TH-Wien
  • Mitglied des Rotary Clubs / Wien-West

1961

  • Öst. Ingenieurkonsulent für Elektrotechnik
  • Mitglied des Hauptausschusses des ÖVE
  • Mitglied des techn. Fachdienstes im Bundeskanzleramt

1962

  • Vorstand des Außeninstitutes / TH-Wien
  • Vorstandsmitglied des Vereines der Freunde des Technischen Museums / Wien

1963

  • Ernennung zum Ordentlichen Professor / TH-Wien
  • Mitglied des Leitungsausschusses der „Freunde d. Technischen Museums“ / Wien

1964

  • Mitglied des Präsidiums des Österr. Wissenschaftlichen Forschungsrates

1965

  • Nominierung durch die USA- u. UdSSR-Delegationen bei der Belgrader Ionisationskonferenz zum Acting Chairman f. die VIII. Internationale Ionisationskonferenz 1967 in Wien

1966/67

  • Dekan der Fakultät für Maschinenwesen und Elektrotechnik / TH-Wien

1967

  • Mitglied der IUPAP (Plasma-Subkommission)

1968

  • Mitglied der Öst. UNESCO-Kommission

1970

  • Fach.-Techn. Mitglied des Obersten Öst. Patent- und Marken-Senates

1972

  • Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
  • Korrespondierendes Mitglied des Coronelli-Weltbundes
  • Membre Permanent du Commitée de Parrainage / Musée International d’Horlogerie, La Chaux–de-Fonds
  • Aufsichtsrat der Vogelbusch Ges.m.b.H.

1973

  • 70. Geburtstag / Ende der Tätigkeit als ordentlicher Prof. an der TU-Wien

1974

  • Ernennung zum Ehrenpräsident der Öst. Gesellschaft für Vacuum Technik
  • Aufsichtsrat der St. Georgs Verwaltungs- und Beteiligungs Ges.m.b.H.

1976

  • Philipp-Matheus Hahn Medaille Dt. Gesellschaft für Chronometrie / Stuttgart

1977

  • Aufsichtsrat der Österr. Brau Holding-AG / Linz

1978

  • Member IEE / London

1979

  • Vicepräsident des Coronelli-Weltbundes

Die Niederschrift seiner Lebenserinnerungen wurde von seiner Tochter Ursula Bertele de Allendesalazar zur Verfügung gestellt und ist dahingehend aufbereitet, dass es dem ausschließlich an der Familiengeschichte interessierten Leser mühelos gelingen soll, die entsprechenden Passagen zu finden; sie sind im gesamten Text GELB markiert. Das Manuskript wird in den vom Verfasser selbst gewählten Zeitabschnitten seines Lebens veröffentlicht.

Erläuterungen der Herausgeberin Ursula Bertele von Grenadenberg de Allendesalazar

Vorwort des Hans Bertele von Grenadenberg

Geburt und frühe Kindheit / Goerz – Piazza Bertolini 1

Erinnerugen an Feldenhofen und die Feldenhofner Grossmama – Untersteiermark, meine Heimat.

Jugend und Studienzeit / 1914 – 1927

Gemeinsames Leben mit Mutti / 1928 – 1938

Berliner Zeit / Herbst 1938 – Juni 1945

Mit dem Fahrrad von Berlin nach Feldenhofen / 15. Juni – Ende Juli 1945

Verlassen von Feldenhofen und Flucht nach Österreich / 26. Dezember 1945 – Ende 1946

Familie in England / 1947 – Ende 1958

Nach England, das Leben in Wien / 1958 – Juni 1981

Leben allein / ab 1981

Hans von Bertele / Technisch-Wissenschaftliches Leben und Wirken

Otto Bertele v. Grenadenberg, Hans` Vater

Feldenhofen, Familiensitz der Bertele von Grenadenberg

Hans Bertele von Grenadenberg, Görz November 1905

Hans Bertele von Grenadenberg, Görz November 1905

Beate Hemmerlein

Ursula Bertele v. Grenadenberg und José Manuel

20. November 2023/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Beate Hemmerlein

José Manuel Allendesalazar und Ursula im Salon der Botschaft, Stockholm im Dezember 1989.

Ursula Bertele von Grenadenberg Mautner von Markhof de Allendesalazar, schlichtweg „Ucki“, wie die liebenswürdige, bescheidene, lebens- und reiselustige Dame seit ihrer Kindheit von Familie und Freunden genannt wird, wurde als das sechste von sieben Kindern der Marceline Mautner v. Markhof und des Hans Bertele v. Grenadenberg am 7.12.1941 in Berlin geboren. Aufgrund der Kriegswirren wuchs sie die ersten Jahre bei ihrer Großmutter Emilie „Emy“ Mautner v. Markhof unter der Obhut des Kindermädchens Nana in Gaaden auf, bevor sie im August 1947 mit ihren Eltern nach England emigrierte, wo sie den Rest ihrer Kindheit und Jugend verbrachte. 1960 übersiedelte die Familie zurück nach Wien, wo sie den Familiensitz von Adolf Ignaz am Franziskanerplatz bezog. Nachdem sie im Dezember 1965 ihren spanischen Mann geehelicht hatte, begannen für sie viele Jahrzehnte des Reisens, die sie als Diplomatengattin in verschiedene Länder führten. Immer interessiert an den unterschiedlichsten Themen, verfasste sie über die Jahre hinweg vier Bücher in vier Sprachen. Ucki lebt seit dem Ableben ihres Mannes im Jahr 2008 vorwiegend in Madrid und Sepúlveda/Spanien. In der Folge erzählt Ucki über José Manuel und ihr gemeinsames Leben.

Es bereitet mir Freude, dass man mich gebeten hat über das Leben meines Mannes – und so auch zu einem Teil über das meine – zu berichten. Doch stelle ich fest, dass es keine leichte Aufgabe ist, das genau richtige Maß zwischen Zärtlichkeit und Sachlichkeit zu treffen.

José Manuel stammte von einer alteingesessenen Familie aus Guernica im Baskenland ab. Sein Großvater, Manuel Allendesalazar Muñoz de Salazar (1856 – 1923) war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein bedeutender Politiker und mehrfacher Minister sowie zweimaliger Ministerpräsident konservativer Regierungen gewesen. Sein Vater Andrés Allendesalazar, mit fast fünfzig Jahren bereits verwitwet und mit zwei Kindern gesegnet, heiratete ein weiteres Mal und so erblickte José Manuel noch knapp vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges, am 3.3.1935, das Licht der Welt. Kurz darauf gelangte sein Vater in die Gefangenschaft der Republikaner. José Manuel überlebte, im Garten des etwas entlegenen Familienbesitzes und unter dem zusätzlichen Schutz des Leibes seiner Mutter Carmen Loyzaga die Bombardierung von Guernica, die am 26. April 1937 stattfand. Noch vor Ende des Bürgerkriegs entkam sein Vater der Gefangenschaft und die Familie übersiedelte vorläufig nach Sevilla.

José Manuel Allendesalazar, Sevilla 1938

Als sich das Leben im verwüsteten Spanien dann langsam zusehends beruhigt hatte, nahm die Familie wieder ihren gewohnten Lebensrhythmus auf: die Sommer wurden in Guernica verbracht, der Rest des Jahres in Madrid. José Manuel wurde von einem Hauslehrer privat unterrichtet. Ein paar Jahre später übersiedelte man von Madrid nach San Sebastián. Eine von José Manuels schönsten Erinnerungen war es, von der Wohnung, welche direkt an einer Anhöhe oberhalb der herrlichen Bucht von San Sebastián lag, auf den berühmten  Strand La Concha zu blicken. Trotz seiner Vorliebe für diese Wohnung, in der er sogar ein ganzes Zimmer, in dem er seine Zinnsoldaten-Sammlung aufstellen konnte, für sich alleine hatte, kam bereits dem elfjährigen Buben das allzu sehr verhätschelte Leben mit den so lieben aber ihm uralt vorkommenden Eltern und dem Hauslehrer zu eingeschränkt vor. Er wollte unbedingt wie alle Gleichaltrigen eine Schule besuchen. Nur mit Mühe konnte er dies durchsetzen. Und so begann für ihn ein neues Leben: im Jesuiten Gymnasium in San Sebastián. Zwar hatte er damit einen großen Sieg errungen, doch zu seinem ebenso großen Leidwesen zog die Familie daraufhin in eine andere Wohnung in der Innenstadt. 1952, nach bestandener Matura übersiedelte die Familie nach Madrid, da sich José Manuel für das fünfjährige Jus Studium entschieden hatte. Die drei Sommermonate wurden wie immer in Guernica verbracht, aber José Manuel zog es bereits damals auch in die Ferne. In Frankreich bereiste er Pau, La Rochelle und Paris um seine Sprachkenntnisse zu verbessern, später aus demselben Grund auch London und Dublin. Da er sich dazu entschlossen nach der Beendigung der Universität Diplomat zu werden, standen ihm eine Reihe sehr heftiger Prüfungen bevor, deren wichtiger Bestandteil auch Fremdsprachen waren.

Den Entschluss Diplomat zu werden hatte er nicht leicht gefasst, denn aufgrund seiner Liebe zu den Zinnsoldaten hätte er am liebsten eine Offizierslaufbahn eingeschlagen. Nur sehr langsam war er von dieser Idee abgekommen. Ab seinem 21. Lebensjahr absolvierte er zwei ganze Sommer hindurch seinen Militärdienst, da der Dienst für Studenten vorzugsweise auf 6 Monate beschränkt war. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Jus Studiums begann das Büffeln für die Staatsprüfung zur Aufnahme in die Diplomatische Akademie. Für die bevorstehende Prüfung des Jahres 1959 fand er sich genügend vorbereitet und trat – als einer von hunderten Anwärtern, die sich für ca. zwanzig Stellen beworben hatten – an. Er bestand nicht. Glücklicherweise für mich, wie sich ein wenig später herausstellen sollte. Doch diese Prüfung des Jahrgangs 1959 hatte auch verhängnisvolle Folgen. Mehrere der zwanzig aufgenommenen Kandidaten waren völlig unzulänglich vorbereitet gewesen und nur als Söhne oder Neffen von dem einen oder anderen Minister oder sonstiger einflussreicher Persönlichkeit durch Protektion durchgekommen. Es gab einen Skandal und als Franco davon erfuhr, geriet er in solche Wut, dass er die diesbezügliche Staatsprüfung einfach auf „unbestimmte“ Zeit einstellen ließ. Auf unbestimmte Zeit? Auf ganze vier Jahre! Die armseligen, hoffnungsvollen Kandidaten bereiteten sich jedes darauffolgende Jahr wiederholt auf diese Prüfung vor, die dann aber doch nicht stattgefunden hatte. José Manuels Eltern wollten ihm in dieser Zeit dazu verhelfen in einer der großen Banken von Bilbao unterzukommen, aber ihm war es aus eigener Kraft gelungen, eine Stellung in der Staatsverwaltung zu erlangen. Trotzdem studierte er immer brav weiter und nahm nun auch selbst Schüler auf. 1963 endlich wurde die so heiß ersehnte Staatsprüfung wieder angekündigt und José Manuel wurde mit dem zweitbesten Notendurchschnitt aufgenommen. Nach diesem Erfolg konnte der Sommer überglücklich mit endlosen Feiern begonnen werden und José Manuel kreiste munter mit seinem kleinen alten Seat 600 (spanischer Fiat), den er sich von seinen Ersparnissen nach neu erworbenem Führerschein gekauft hatte, durch die Gegend. Ende August hatte er zwei von seinen frisch gebackenen Diplomaten-Kollegen auf ein paar Tage nach Guernica eingeladen. Einer von ihnen schlug vor: “Fahren wir doch nach Santander. Dort, bei der dafür bekannten Sommeruniversität für Ausländer ist es recht lustig mit Schwedinnen und sonstigen hübschen jungen Mädchen anzubandeln.” “Setzt mich in Santander ab und versucht ihr zwei nur euer Glück,” meinte dazu einer der beiden Freunde, der ja von dort stammte.

Zu diesem Zeitpunkt war ich, gemeinsam mit einer Wiener Freundin, gerade für zwei Monate bei besagter Universität gelandet und entsprechend eines der hübschen Mädchen zum „Anbandeln“. Wir beide hatten am Dolmetsch Institut der Wiener Philosophischen Fakultät inskribiert und es noch nicht sehr weit gebracht. Bei den für uns verpflichtenden Philosophie Vorlesungen, begegnete ich manchmal auch meinem Onkel „Buwa“ Georg III. MM, der damals gerade seinen dritten Doktor machte. Besagte Freundin besaß einen kleinen roten Volkswagen, in dem wir Ende Juni 1963 munter “ins Blaue“ abfuhren. Doch nicht zu einem immer blauen spanischen Himmel, wie sich herausstellen sollte. Den ganzen Sommer hindurch regnete es fast ununterbrochen. Ich hatte ab August in eine private Unterkunft abseits der Universitätsherberge gewechselt, pflegte aber weiterhin netten Kontakt mit vielen der dortigen Studentinnen und besuchte sie noch öfters in der Herberge auf der kleinen Insel, untergebracht in den früheren königlichen Stallungen des ganz nahe gelegenen Schlosses. Trotz des Regens – hatte mich meine Jugend in England diesbezüglich ja abgehärtet – ging ich dort auch oft schwimmen. So auch am 23. August, als mich eine meiner schwedischen Freundinnen im Hof zur Seite nahm: “Du, würdest du mir einen Gefallen tun? Agneta und ich sind morgen mit zwei jungen Spaniern – angehende Diplomaten – verabredet, aber sie ist jetzt krank und kann nicht mitkommen. Ich will die jungen Männer nicht enttäuschen, wenn sie morgen nur eine Verabredung hier vorfinden.” Ich antwortete, dass es mir leid täte, ich aber bereits anderswertig verplant sei. Doch die Schwedin ließ nicht locker: “Aber es ist nicht am Abend, sondern für den Nachmittag. Sie haben vorgeschlagen hinüber nach Pedreña zum Golfplatz zu fahren und dort im Clubhaus einen Kaffee zu nehmen.” “Du ja, das ginge sich aus. Also bis morgen.” Weder José Manuel noch ich waren bei dieser ersten Begegnung von einander besonders eingenommen. Nach dem Golfclub waren wir vier dann noch im Hafen von Santander gegrillte Sardinen essen. Eine davon fiel mir vom Brot herunter, zuerst auf meine Bluse, dann auf meinen Rock und hinterließ dabei riesige unansehnliche Flecken. Insgesamt kein schöner Anblick. Adiós, adiós…

Aus unserem geplant zweimonatigen Aufenthalt wurden für meine Freundin und mich eineinhalb Jahre. Wir hatten uns in Madrid auf ein Abenteuer eingelassen: Im Zuge der nun rasch wieder aufblühenden spanischen Wirtschaft wurden uns – beide waren wir jeweils dreier bis vier Fremdsprachen kundig – bei der deutschen Handelskammer die Aufträge nur so nachgeworfen.

Und nun wieder zurück zu José Manuel. Er hatte noch zwei Jahre Studium an der Akademie vor sich, bevor er als vollwertiger Diplomat in die Ferne ausrücken konnte. Als zusätzliche Fremdsprache hatte er Russisch gewählt. Bereits 28 Jahre alt, war er bei den Eltern ausgezogen und wohnte in einer Studentenherberge. Wir trafen uns wieder, noch im selben Jahr, ganz zufällig auf einer Party. Und danach immer öfters. Die Weihnachtstage der Jahre 1963 und 1964 verbrachte ich zu Hause bei den Eltern in Wien. Beim zweiten Fest sah meine Mutter liebevoll zu, wie ich eifrig an einem großen dunkelgrünen Pullover strickte. Zu recht hatte sie etwas geahnt. Wie es scheint hat der Pullover gefallen, denn am darauffolgenden 16. Jänner 1965 konnte ich ihr berichten: “Mutti, wir haben uns verlobt!” Die meisten Kollegen José Manuels Jahrgangs wurden schon im Juni, gleich bei Abschluss des Studiums, ins Ausland versetzt. Nur die ersten fünf mit den besten Noten wurden vorläufig im Außenamt behalten. Glücklicherweise unter ihnen auch José Manuel. Unsere Hochzeit am 11. Dezember 1965 am Wiener Franziskanerplatz ist bereits beschrieben. Nach einer kurzen Hochzeitsreise auf die Kanarischen Inseln, zogen wir stolz in unsere kleine nagelneue Madrider Wohnung ein, die ich von den lieben Eltern als Mitgift in die Ehe einbrachte.

Im April 1966 wurde José Manuel mitgeteilt, dass er nach Lima versetzt werde. Wunderschön dachte ich. Furchtbar weit weg, aber ich hatte eine Vorliebe für lateinamerikanische Lieder gewonnen. José Manuel trat seinen neuen Posten als Konsul an und wurde dabei im Rang von einem Sekretär 3. Klasse zu einem 2. Klasse befördert. Wir verbrachten drei sehr schöne, lehrreiche und interessante Jahre in Lima. José Manuel hatte das Glück auf diesem ersten Posten unter zwei hervorragenden Botschaftern zu dienen, etwas, das man nicht hoch genug schätzen kann, denn viel färbt immer von den ersten Kontakten und Eindrücken ab. Immer im Auto unterwegs, machten wir verschiedene große, immer recht abenteuerliche Ausflüge in dem schönen Land. Einmal, noch ziemlich hoch oben in den Anden, kurz vor unserem Ziel Cajamarca, bei pechschwarzer Nacht, hatten wir einen “langsamen” Patschen. Wir hörten wie die Luft –  Gott sei Dank nur mühevoll – heraussäuselte. Die Höhe auf der wir uns befanden, die  unheimliche Stille und totale Einsamkeit waren mehr als Grund genug in Panik zu verfallen. Der aufrührerische kommunistische “Sendero Luminoso” war damals gerade kurz vor seinem Start. José Manuel hatte sicherheitshalber vorne im Handschuhfach eine  Pistole, aber ich glaube nicht, dass er in ihrem Gebrauch sehr geschult war. Die Dunkelheit machte es uns nicht leichter den Reifen zu wechseln und trotz der obligaten Fahrschullehre wussten wir sowieso kaum wie. Dennoch erreichten wir, auf Gott vertrauend und das Beste hoffend, Cajamarca unversehrt.

Im August 1969, kurz nach der Mondlandung, wurde José Manuel nach Washington DC versetzt. In der so optimistischen Zeit für die Amerikaner folgten auch für ihn beruflich äußerst fruchtbare Jahre mit vortrefflichen Botschaftern und Kollegen. DC sollte die größte Botschaft bleiben, der er während seiner Laufbahn diente. Wiederum begann er als Konsul und avancierte während der vier Jahre, die wir in Washington verbrachten, zum Sekretär 1. Klasse. Für mich war es besonders schön mitzuerleben, wie sehr José Manuels Vorgesetzte ihn nicht nur für seine Leistungen, sondern vielmehr auch als Mensch schätzten. Als dann einer der Botschafter, mit dem gemeinsam wir in Lima stationiert gewesen waren, nach Ägypten versetzt wurde, bat er José Manuel mit ihm nach Kairo zu kommen. Obwohl José Manuel auch ihn seinerseits sehr schätzte, lehnte er dankend ab. Das faszinierende Leben und Treiben in Washington war ihm viel zu lieb, als es nach kaum einem Jahr wieder aufzugeben.

Nach Washington wurde er für drei Jahre nach Stockholm berufen. Für alle Mitarbeiter der dortigen Botschaft eine schwierige Position, denn die schwedische Regierung wetterte fortwährend gegen das Franco-Regime und mit dem Außenamt gab es kaum Kontakt. Beinahe jeden Sonntag erschienen Demonstranten vor der Residenz, vor allem chilenische Flüchtige, die nach dem Sturz von Salvador Allende im Jahr 1973 in Schweden aufgenommen worden waren und für den Aufmarsch bezahlt wurden. Nachdem Ministerpräsident Olof Palme, mit Sparbüchse und einem Plakat “Freiheit für Spanien” vor Stockholms größtem Kaufhaus auf und ab gewandert war, zog Spanien den Botschafter aus Schweden ab und José Manuel wurde zum Chargé d’Affaires ernannt. Zu diesem Zeitpunkt jedoch lag er mit einer Rückgratinfektion schwer erkrankt im Spital. Schwedens anerkanntester orthopädischer Chirurg rettete ihm nicht nur das Leben, sondern bewahrte ihn auch vor dem Rollstuhl. Wir beide danken dies Schweden ein Leben lang. Die schwedische Regierung blieb Spanien gegenüber auch über den Tod Francos (20. November 1975) hinaus weiterhin misstrauisch, obwohl José Manuel sein Bestes tat, um das Eis zu brechen. Zum Glück hatte er sich nach dem schweren Eingriff wieder vollkommen erholt, denn es war zwar eine interessante aber doch recht anstrengende Zeit für ihn.

Den Posten des Chargé d’Affaires sollte er bis zu seiner Rückkehr ins Außenamt nach Madrid, Mitte Juni 1976, behalten. Die darauffolgenden neun Jahre blieb José Manuel im Außenamt, in den letzten beiden Jahren leitete er als Generaldirektor die Abteilung für Nordamerika und Pazifik, der er nach seiner Rückkehr zugeteilt worden war. Dazwischen hatte er zwei hektische Jahre in der Presseabteilung verbracht, wo er mitunter auch offizielle Auslandsbesuche von König don Juan Carlos I. und der Königin dona Sofía in situ vorbereitete und an manchen dann auch teilnahm. Dies führte ihn zu einigen Ländern in Süd- und  Zentralamerika, nach China und Kanada, nach Belgien und auch zum Staatsbesuch nach Österreich. Zum Opernball, der am Ende des Programms stand, wurde auch ich sehr netterweise eingeladen. Ein wunderschönes Erlebnis, oben in der Mittelloge, mit der Erinnerung an zwei Bälle, die ich in weißem Kleid und mit kleiner Krone unten am Parkett miteröffnet hatte.

Diese neun Jahre in Madrid waren für José Manuel hochinteressant und bildeten einen Höhepunkt seiner Karriere. Sie umfassten die gesamten Jahre, die in Spanien als die Übergangszeit bezeichnet werden und die ersten Jahre der sozialistischen  Ministerpräsidentschaft von Felipe González. Als Generaldirektor u. a. für Nordamerika nahm José Manuel einige Male an den Verhandlungen, die González mit der Regierung der Vereinigten Staaten, die damals unter Reagan stand, teil.

1984 wurde er zum außerordentlichen Botschafter ernannt, um Spanien bei der Unabhängigkeitsfeier von Brunei zu repräsentieren. Im selben Jahr wurde er auch zu einem offiziellen Besuch nach Südkorea eingeladen. Mehr als diese paar Details kann ich hier nicht wiedergeben, mehr würde ein ganzes Buch füllen.

Im Jänner 1985 wurde José Manuel zum Botschafter für Schweden ernannt und im darauffolgenden Monat auch zum Botschafter und Leiter der Delegation zur Konferenz für Sicherheit und Abrüstung, die seit Jänner 1984 in Stockholm tagte. So konnte er erst im März seinen neuen Posten antreten, weil darüber hinaus Ende Februar der Staatsbesuch von Naruhito, dem damaligen Kronprinzen von Japan stattfand, dessen Vorbereitung ebenfalls ihm oblag. In Stockholm hatte sich seit seiner letzten Amtszeit die Stimmung gegenüber Spanien verändert. Bald nach José Manuels Ankunft fand der offizielle Besuch von Felipe González statt.

José Manuel Allendesalazar mit Don Juan Carlos, König von Spanien (vorne links)

José Manuel Allendesalazar, Baudouin (König von Belgien), Jean (Großherzog von Luxemburg mit Frau Josephine Charlotte), Fabiola (Königin von Belgien), Don Juan Carlos und Ursula (von links nach rechts). Stockholm, 30. April 1986.

Nach beinahe weiteren fünf Jahren, überfüllt mit vielen denkwürdigen Ereignissen, erwarteten wir täglich die Nachricht seiner Versetzung. Noch Anfang Juni buchten wir einen Charterflug nach Kreta, bei dem man direkt von Stockholm nach Chania flog und dabei über Jugoslawien. Auf dem langen Flug machte jeder von uns beiden, zum Zeitvertreib, eine Liste mit Ländern, in die wir gerne ziehen würden und in welche nicht. Jugoslawien schien dabei nirgends auf, wurde völlig ausgeblendet. Gleich nach unserer Rückkehr von Kreta erfuhren wir von José Manuels Versetzung nach Belgrad und dass er zusätzlich auch als Botschafter für Albanien ernannt worden war.

José Manuel Allendesalazar und Papst Johannes Paul II., Stockholm Juli 1990

Jugoslawien. Als José Manuel dort seinen Posten im September 1990 antrat, war das Zerbröckeln des Vielvölkerstaates schon weit vorangeschritten. Eine spanische Ausstellung über die erfolgreiche Übergangszeit des Landes, wurde einige Monate später möglichst weit weg vom belebten Belgrader Zentrum aufgestellt. Sie landete in einem unscheinbaren trostlosen Lokal in Zemun, am anderen Ufer der Save (ehemals Teil von Altösterreich). Neben seinem Antrittsbesuch vor Milošević in Belgrad, war es José Manuel noch gelungen in weiteren drei der insgesamt sechs Teilstaaten einen offiziellen Besuch abzustatten: Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzogowina. Montenegro und Mazedonien waren sich nicht mehr ausgegangen, denn im September 1991 zogen schon die Panzer gegen Kroatien. Am 16. Mai 1992 verließen alle Botschafter der EWG und der Vereinigten Staaten als Protest gegen Milošević Belgrad.

Wir kehrten nach Madrid zurück. José Manuel war weiterhin noch für einige Zeit Botschafter für Albanien, wo er im März des vorangegangenen Jahres seinen Antrittsbesuch gemacht hatte, den man regelrecht als abenteuerlich bezeichnen kann. Insgesamt hatten wir eine Woche in Tirana verbracht. Es war Usus der dortigen Regierung dem jeweiligen Botschafter mitzuteilen, dass Präsident Ramiz Alia ihn ab einem „gewissen Tag“ empfangen würde. Der entsprechende Botschafter fuhr also nach Tirana, wartete vier Tage geduldig auf die Berufung; am fünften Tag ließ er wissen, dass er wegen dringender Geschäfte wieder abreisen müsse. Prompt darauf kam die Antwort, dass man ihn am nächsten Tag empfangen würde… Im Juli 1992 kehrte José Manuel nochmals offiziell nach Albanien zurück, um der Regierung Spaniens Hilfspaket zu übergeben.

Im folgenden Jahr, im April 1993, erhielt José Manuel den hoch interessanten und sehr begehrten Posten des Generalkonsuls in New York City. Dieser wurde zu seinem Lieblingsposten. Nach New York folgten ab August 1998 vier Jahre als Generalkonsul in Frankreich, in Pau, im Südwesten des Landes. Pau, als Hauptstadt der Provinz Pyrénées-Atlantiques, hatte damals im Zusammenhang mit der zeitweiligen französischen Unterstützung der Terroristengruppe ETA politische Schwierigkeiten mit Spanien. Eine hausgemachte Bombe wurde einmal früh morgens vor dem Eingang zum Konsulat gefunden und konnte noch rechtzeitig deaktiviert werden. Nicht ungefährlich, da Konsulat und Residenz im selben Gebäude untergebracht waren und sich das Schlafzimmer des Konsuls oberhalb des Eingangs zum Konsulat befunden hatte. Ansonsten bestand die dortige Arbeit mehrheitlich aus kulturellen Belangen und dem Bestreben die historische Eisenbahnstrecke Pau-Somport–Pyrenäen wieder in Gang zu setzen. Insgesamt waren es vier schöne Jahre, die José Manuels Auslandskarriere beendeten und die Nähe zu Spanien wirkte sich positiv auf das Instandsetzen des zukünftigen Zinnsoldaten-Museums aus.

All die vielen langen Jahre hindurch war der größte Teil seiner schönen Zinnsoldaten-Sammlung zu einem Dornröschenschlaf verurteilt gewesen. In Schuh- und Zigarrenschachteln, sorgsam in Seidenpapier verpackt, wurden sie zuerst im Elternhaus in Guernica verwahrt und dann im Abstellraum des Kellers, den wir gemeinsam mit dem Kauf einer neuen Wohnung in Madrid erworben hatten. Einige Stücke aber führte José Manuel immer mit sich und kaufte auch während diverser Reisen weitere bei Antiquaren in London, Paris und auch Wien ein. 1994 realisierte sich sein Traum. Wir erwarben in der kleinen historischen Stadt Sepúlveda, unweit von Madrid, ein kleines Haus, das der Sammlung als Museum dienen sollte. Nach einer vollkommenen Renovierung 1998 und bald darauf auch mit Vitrinen ausgestattet, war das Gebäude bereit, seine neuen kleinen Bewohner aus Zinn und Blei aufzunehmen. Im März 2005 trat José Manuel seinen Ruhestand an und konnte auf eine interessante und erfüllte Laufbahn zurückblicken. Am 1. Mai 2003 öffnete das Museum erstmals seine Pforten. Ich habe bisher immer von Zinnsoldaten gesprochen aber José Manuel gab dem Museum ausdrücklich den Namen „Museo de figuras de juguetes antiguas“, kurz FiJAS (“Museum alter Spielfiguren”), da rund 30 % der Sammlung aus Zivilfiguren besteht. Es wurde ein schöner Erfolg und von Groß und Klein genossen. José Manuel erfreute sich an ihm bis zu seinem allzu frühen Tod, fünf Jahre später, am 19.6.2008. Er verstarb im Alter von 73 Jahren in Madrid an einem Herzinfarkt – für den Betroffenen die barmherzigste Art in das ewige Leben hinüber zu gehen.

José Manuel Allendesalazar vor seinem „Museo de figuras de juguetes antiguas“ in Sepúlveda/Spanien.

José Manuel Allendesalazar (Mitte) bei der Eröffnung seines „Museo de figuras de juguetes antiguas“, 1. Mai 2003.

José Manuel war ein Leben lang immer rege an Geschichte interessiert und hinterließ mehrere Bücher. Das erste schrieb er in Washington, es behandelt den Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898. Es beschreibt den rasch voranschreitenden Imperialismus der Amerikaner und das endgültigen Ende Spaniens als Weltmacht, welches durch den Verlust von Kuba und den Philippinen besiegelt wurde. Das Buch fand einen großen Leserkreis. Auch schrieb er über die politische Lage zu Zeiten seines Großvaters und sein Büchlein über Zinnsoldaten wird jetzt noch von Sammlern und Kennern als die „spanische Bibel” hinsichtlich der Materie beschrieben.

José Manuel Allendesalazar über den Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898, 1974

José Manuel Allendesalazars Spanische Bibel zum Thema Zinnsoldaten, 1978

José Manuel Allendesalazar zum Thema der politischen Lage der Jahre 1907 – 1909 in Spanien, 1990

José Manuel Allendesalazar über den rasch voranschreitenden Imperialismus der Amerikaner und das endgültigen Ende Spaniens als Weltmacht, 1996

Was José Manuel und mich betrifft: Es gibt den Spruch, man muss im Leben ein Kind in die Welt setzen, einen Baum anpflanzen und ein Buch schreiben. Sowohl er als auch ich haben nicht nur mehrere Bäume angepflanzt und mehrere Bücher geschrieben, der Kindersegen jedoch wurde uns leider verwehrt. Doch kann ich aus ganzem Herzen sagen, dass ich jedem Ehepaar eine solch´ glückliche Ehe wünsche, wie sie uns zuteil wurde.

Ursula de Allendesalazar, Spanien im Herbst 2023

José Manuel Allendesalazar am Gipfel des Monte Oíz

Ursula Bertele de Allendesalazar

Für Marceline Bertele von Grenadenberg – ein Denkmal der besten aller Mütter

14. Mai 2023/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Ursula Bertele de Allendesalazar

Ich glaube, ich kann im Namen aller meiner sechs Geschwister – ob lebend oder schon verschieden – sagen, dass wir die beste und liebste aller Mütter hatten. Mein Geschenk an sie, zum Muttertag 2023, ist es, dass ich versuche ihr mit meinen Worten ein Denkmal zu setzen. Meiner Mutter Marceline, die ihrem Mann und ihren Kinder einfach alles bedeutete. Auch ihrer großen Verwandtschaft war sie stets in Liebe und Großherzigkeit zugetan. Keinen schöneren Wunsch kann ich äußern, als dass ich jedem Ehemann und jedem Kind so eine Gattin und Mutter, wie Marceline wünsche.

Marceline Bertele von Grenadenberg geb. Mautner von Markhof

Marceline, älteste Tochter von Georg II. Anton Mautner Markhof und Emy Reininghaus, wurde am 3. Mai 1901 geboren. Sie wuchs in Wien/Floridsdorf auf, in der schönen Mautner Villa mit dem großen Garten. Ziemlich früh schon bekam sie eine französische Gouvernante und Erzieherin – Maury genannt. So sprach Marceline auch bald perfekt Französisch. Eine öffentliche Schule hatte sie nie besucht, soweit wir wissen.

Als Marceline noch sehr jung war, hatte einmal die Sorge bestanden, dass sie Schaden an der Lunge hätte, womöglich an Tuberkulose leiden könnte, wie es damals noch sehr häufig der Fall gewesen war. Ihr Vater selbst war mit ihr zur Kur gefahren, ich glaube auf den Semmering, wo sie wieder vollends gesundete. Für ihren Vater empfand Marceline stets höchste Verehrung. Einer ihrer Erinnerungen an ihn war eine gemeinsame Reise nach Venedig, auf die er sie eigens mitgenommen hatte. Mehr als der Zauber der prächtigen Gebäude und die so einmalige Lage, waren ihr der traurige Zerfall, die Dekadenz und Stagnation der Stadt in bedrückender Erinnerung geblieben.

Zu ihren sechs Geschwistern hatte Marceline immer eine äußerst gute und liebevolle Beziehung. Große Achtung empfand sie lebenslang für ihren Bruder Buwa. Selbst später noch, bei heiklen Fragen, die unsere Familie Bertele betrafen, wurde Buwa von ihr befragt und sein Rat befolgt.

Marceline Mautner von Markhof

Marceline mit ihrem Onkel Gustav II. v. Reininghaus, 1902

Die Geschwister Georg III. Buwa, Charlotte, Gustav I. und Marceline Mautner von Markhof

Emy mit ihren Kindern Georg III. Buwa und Marceline

Marceline (li) und Georg III. Buwa Mautner von Markhof

Marceline mit Bruder Georg III. Buwa

Marceline, Georg III. Buwa und Gustav I. im Garten der elterlichen Villa in Floridsdorf

Marceline Mautner von Markhof mit Schwester Charlotte

Emy Mautner von Markhof mit ihren Kindern Gustav I., Georg III. Buwa, Charlotte und Marceline

Emy Mautner von Markhof mit den Kindern Georg III. Buwa, Marceline, Gustav I. und Charlotte (von links nach rechts)

Marceline mit den Geschwistern Therese, Charlotte, Georg III. Buwa und Gustav I. Mautner von Markhof

Georg III. Mautner von Markhof mit den Geschwistern Marceline, Charlotte, Therese und Gustav I. (von links nach rechts)

Marceline mit ihrem Bruder Georg III. Buwa

Marceline mit ihren Schwestern Therese (li) und Charlotte (re)

Genauso wie ihre Mutter, die mit Leidenschaft Glatthaar-Foxterrier züchtete und zu Ausstellungen nahm, hatte Marceline eine Vorliebe für Hunde. Später wurde aus ihr auch eine begeisterte Reiterin. Sie besaß eine schöne fuchsfarbene Stute, die sie Goldie nannte. Mit ihr ritt sie kreuz und quer übers Überschwemmungsgebiet und auf den Bisamberg.

Marceline Mautner von Markhof, 1920

Sie hatte es nicht eilig zu heiraten. Sie liebte das traute Familienleben in Floridsdorf und die Sommermonaten, die die Familie in Baden, in einer der schönen Villen in der damaligen Berggasse (jetzt Marchetstrasse) ich glaube Nr. 72, verbrachte – und ihre Passion galt zu diesem Zeitpunkt ja auch noch den Pferden. Einmal war sie schwer gestürzt, Goldie war aus irgendeinem Grund durchgegangen. Besorgniserregend lange war sie daraufhin mit einer Gehirnerschütterung bewusstlos gewesen; als sie sich wieder erholt hatte, ritt sie fröhlich weiter.

Den Beginn der großen Liebe meiner Eltern habe ich bereits geschildert. Im darauffolgenden Herbst hatten beide viele schöne Streifzüge miteinander unternommen. Marceline hatte immer gutes Hausbrot mit Schinkenbelag dabei, das Hans, der zu jeder Zeit Appetit hatte, mit großer Wonne verzehrte. An einem dieser wundersamen Herbsttage spazierte das Paar in der Au von Spillern und von dort hinauf zur märchenhaften Burg Kreuzenstein bei Korneuburg. Dort sprachen sie sich zuerst über die Zukunft aus, dann über eine gute Art des Zusammenlebens. An diesem Nachmittag verlobten sie sich. Beim Verabschieden sagte Marceline laut und bestimmt: „Guten Abend – alles ist sehr gut aber ich will viele Kinder.“ Worauf Hans ebenso bestimmt antwortete: „Ich auch, gute Nacht!“ Bald danach machte Hans den offiziellen Antragsbesuch bei Marcelines Vater in Floridsdorf. Georg Anton empfing ihn sehr nett und meinte zum Schluss: „Merk Dir, die Ehe ist ein Kunstwerk, an dem man sein ganzes Leben baut, einmal schwer der eine, einmal schwer der andere.“ Worte, die er bereits auch seiner Tochter eingeschärft hatte. Da Hans und Marceline bereits verlobt waren, stellte sich bei ihr das Verlangen ein, sobald wie möglich auch ihren zukünftigen Schwiegervater kennenzulernen, um feststellen zu können, dass er weder glatzköpfig sei noch Brillen trug. Zwar war Hans´ Vater von kleingewachsener Statur, aber in den beiden Punkten, auf die Marceline so großen Wert legte, entsprach er völlig ihrem Wunsch: keine Glatze und keine Brillen, obwohl er bereits im einundsiebzigsten Lebensjahr war. Die Hochzeit fand am 19. April 1928 in Floridsdorf statt. Leider kann ich darüber nichts berichten. Ich habe nur das Glück, die Menükarte meines Großvaters zu besitzen. Auf ihr befindet sich ein wunderschönes Foto vom glücklichen jungen Paar.

Hochzeitseinladung von Hans Bertele und Marceline Mautner Markhof

Bekanntgabe zur Vermählung von Hans Bertele und Marceline Mautner Markhof


Auszug aus den Memoiren von Hans von Bertele
Am 19. April 1928 war unsere Hochzeit; die kirchliche Trauung fand in der kleinen Pfarrkirche in Jedlersee statt; Marceline und ich fuhren mit dem Mautner’schen Pferdewagen hin und zurück. Dann gab es ein feierliches, grosses Hochzeitsessen im schönen Haus Floridsdorf, Pragerstrasse 20; nachher wurde alle Gäste vor dem Haus auf der Stiege – freundlich gruppiert – fotographiert. Das Wetter war nicht sehr schön, sondern kühl und bewölkt; leider blühten die schönen Magnolien hinter dem Haus im Park noch nicht. Dann fuhren wir mit dem Auto auf den Semmering, blieben dort ein oder zwei Tage und von dort begann die eigentliche Hochzeitsreise mit dem Zug. Der Schwiegervater hatte eine schöne Seefahrt auf dem Schiff Ozeania (ca. 4000 Tonnen) für uns vorbereitet. Wir fuhren nach Genua mit dem Schlafwagen; beim Einsteigen am Semmering fiel der Mutti meine kleine Reisetasche auf den Kopf, aber das störte die freundliche Stimmung nicht. Mit dem Schiff fuhren wir von Genua über Korsika, über Palma de Mallorca, Málaga mit einem kleinen Ausflug nach Granada, über Gibraltar, über Lissabon in Portugal, und die Isle of Wight nach Hamburg; in Hamburg stiegen wir in den Vier-Jahreszeiten ab, hatten dort ein gutes Essen im Uhlenhorster Fährhaus, fuhren nach Magdeburg zu einem kurzen Besuch zu den Baensch und zurück nach Wien. Die nächsten Monate wohnten wir im Stöckl in Floridsdorf; inzwischen versuchte Marceline mit ihrer Mutter eine Wohnung in Wien zu finden, denn damals war das Wohnungfinden in Wien gar nicht leicht. Marceline hatte von vornherein die vernünftige Ansicht, die Wohnung sollte nicht weit von meinem Arbeitsplatz – der Elin – Volksgartenstrasse 1 – sein.

Zwei Jahre nach der Hochzeit war dann der kleine Otto erschienen. Marceline wurde ein großer Kindersegen beschert, genauso wie sie es sich es erträumt hatte. Ihr Mann, Hans, war begeisterter Bergsteiger. Nachdem jedoch zwei seiner Kameraden abgestürzt oder sonst wie auf den Bergen verunglückt waren und er schon drei Kinder gezeugt hatte, gab er dieses Hobby auf. Wahrscheinlich hatte Marcelines tatkräftiges Bitten dabei den wesentlich Ausschlag gegeben. Neun Monate nach seiner letzten großen Bergtour wurde der kleine Hansi geboren. In ihn setzte Vater dann die größten Hoffnungen, dass er einmal eine brillante Karriere machen würde.

Die ersten Jahre ihrer Ehe verbrachten Marceline und Hans in der Lackierergasse im 9. Wiener Bezirk.

Auszug aus den Memoiren von Hans von Bertele
Mit einiger Mühe fanden Marceline und ihre Mutter eine schöne Wohnung in der Lackierergasse/Ecke Garnisongasse; gegenüber war nur ein stockhohes Arbeitsgebäude des Allgemeinen Krankenhauses. Die verschiedenen Zimmer der Wohnung waren daher von Morgen bis zum Abend besonnt, da die Wohnung um das Eck ging. Eine sehr schöne Einrichtung für diese Wohnung wurde vom Schwiegervater beim Architekten Wimmer bestellt. Vor Weihnachten zogen wir ein; es war lange noch nicht fertig, obwohl Marceline gesagt hatte: „Ich zieh’ erst ein, wenn das Handtuch auf dem letzten Haken hängt!“ Wir hatten aber Betten und einen Esstisch, etwas Material in der Küche und allmählich wurde dann die Wohnung, so wie auf den Bildern dargestellt ist.

In meinem Buch Das Haus am Froschplatz, eine Wiener Geschichte – etwas auf Roman aufgeputzt – schildere ich, wie sie danach eine Villa mit schönem großen Garten im 19. Bezirk, die zwangsversteigert werden sollte, kaufen wollten. Marceline war diese Idee – der Kinder wegen – besonders lieb. Ihr Vater jedoch bat das junge Ehepaar es nicht zu tun: Hans hatte bei Elin zwar ein gutes Einkommen, aber man hätte dafür scheinbar auch Fonds oder Anteile der Brauerei liquidieren müssen. Die Zeiten und die allgemeine finanzielle Lage hatten begonnen immer schwieriger zu werden. Meine Eltern erfüllten Georg Antons Bitte und nahmen vom Kauf Abstand.

Hans, der junge Ingenieur, hatte sich bei der Elin rasch einen guten Namen gemacht. Und wo einer Erfolg hat, stehen Neider meist gleich um die Ecke. Beim großen Durcheinander nach dem Anschluss Österreichs wurde er von denjenigen, die ihm seinen guten Ruf und Erfolg nicht gönnten, rasch auf eine mindere, seinen Qualifikationen in keiner Weise entsprechenden Position geschoben. Doch bei Siemens in Berlin war man bereits auf ihn aufmerksam geworden und so konnte er bereits im September 1938 eine adäquate Stelle im riesigen Konzern antreten.

Die Familie Bertele, mit bereits vier Kindern, war also im September 1938 nach Berlin übersiedelt, wo die bereits schwangere Marceline im März 1939 Tochter Elizabeth zur Welt brachte. Hans hatte eine sehr gute Position bei Siemens und die ersten Kriegsjahre verliefen für Deutschland gut und siegreich. Bald nach der Ankunft war es ihm gelungen, ein schönes Haus mit Garten in Schmargendorf zu erwerben, so hatte die Familie ein recht angenehmes Leben. Marcelines Schwester Charlotte, verheiratet mit dem feschen aus Ostpreußen stammenden Georg Günther, war ebenfalls in Berlin ansässig. Die kleine Elizabeth, Liest genannt, hatte ein Kindermädchen, die Lena. Als Liesl einmal auf allen Vieren im Garten herumkroch, in der Erde wühlte und dann die Finger in den Mund steckte, meinte Lena gelassen: „Dreck scheuert den Magen”, ein Ausspruch, den Marceline späterhin immer gerne verwendete.

Am 7. Dezember 1941 wurde ich, die kleine Ursula, geboren. Ein glücklicher Tag für mich und die Familie aber verhängnisvoll für Deutschland, da nach dem Tag der Bombardierung der Japaner von Pearl Harbor die USA in den Krieg eintraten. Eine entscheidende Wende hatte begonnen, welche schließlich zur Niederlage Deutschlands führen sollte.

Auszug aus den Memoiren von Hans von Bertele
Im Winter 1941 begann das Bomben in Berlin, zunächst mit Brandbomben; einmal gab es einen Einschlag in unseren Luftschutzkeller durch die Türe vom kleinen Hof; Mutti war erstaunlich ruhig und hat gleich mit der Schaufel aus der Sandkiste Sand auf die zischende Bombe draufgestreut. Als ich darüber meine Verwunderung aussprach, sagte sie ruhig: „So haben wir’s doch in den Vorbereitungen gelernt“, was mir grossen Eindruck machte. Bald darauf geht Marceline sicherheitshalber nach Feldenhofen, als ich ihr dazu geraten hatte mit der Bemerkung: „Geh’ ruhig hin, haben wir den ersten Weltkrieg gut in Feldenhofen überstanden, werden wir es in dem zweiten auch tun“.

In der Familie Bertele wurden schwerwiegende Entscheidungen getroffen: Hans entschloss sich bei Siemens zu bleiben und dachte, dass es für Marceline und die Kinder das Beste und Sicherste wäre ins Gut Feldenhofen, das seiner Mutter gehörte, zu übersiedeln. Feldenhofen, ein Besitz von zirka zweihundert Hektar, hauptsächlich Waldbestand, befand sich in der Südsteiermark, welche nach dem Ersten Weltkrieg an das neugegründete Jugoslawien abgetreten werden musste. Diese Übersiedlung aber würde ohne der deutschen Kinderschwester Lena vor sich gehen müssen. Kurzum, Lena wurde entweder entlassen oder verließ die Familie auf eigenen Wunsch. Zwar gebar Marceline freudig Kinder aber außer sie zu stillen, hatte sie keine Idee wie man ansonsten einen Säugling zu betreuen hatte. Diese Aufgabe hatten immer die jeweiligen Kinderschwestern übernommen. Nun aber wurde die arme kleine Ursula rachitisch und litt fortwährend unter Durchfall. So fasste man den Entschluss sie nicht nach Feldenhofen mitzunehmen, sondern schickte sie stattdessen zur Omi (Marcelines Mutter Emy) nach Gaaden, wo sie höchst liebevoll aufgenommen und in die kundigen Hände der guten Nana übergegeben wurde.

Also zog Marceline mit nur fünf Kindern ab nach Feldenhofen, welches in der Nähe der Stadt Windischgraz, jetzt Slovenj Gradec, gelegen war. Anfangs konnte Marceline dort noch ein friedliches und unbekümmertes Leben genießen und die Kinder konnten überall frei und unbeschwert herumtoben. Dann kam 1945.

Nach einer abenteuerlichen Reise, die in seinen Memoiren detailliert beschrieben ist, traf Hans erst im September in Jugoslawien ein und musste mit dem Schrecken erfahren, dass seine Frau und die Kinder in einem Lager bei Cilli von den Tito-Partisanen gefangen gehalten wurden. Typhus und Hunger herrschten dort. Es war ein wahres Wunder, dass Marceline und alle fünf Kinder überlebten. Hans, der die dem Russischen sehr ähnliche slowenische Sprache beherrschte, konnte sich mit der Kommissärin des Lagers verständigen und gab ihr den Englischunterricht, den sie von ihm als Gegenleistung für eine Gefälligkeit begehrte. So konnte er die Freilassung von Marceline und seinen Kindern „erarbeiten“. Die Lagerkommissärin konnte ihre frisch erworbenen Englischkenntnisse nicht mehr verwerten, kurz danach hatte sie sich erschossen. Aber Gott und ihr zu Dank war die Familie wieder auf freiem Fuß.

Man fuhr zurück nach Feldenhofen. Gutgesinnte Nachbarn und ehemaliges Dienstvolk aber rieten unbedingt zum raschen Verlassen von Slowenien. Schweren Herzens brach die Familie schließlich gleich nach Weihnachten, am Stefanitag 1945 wieder auf und schlich sich über einen Schmuggelpfad, den Hans kannte davon. Ein Grenzbach, an dem andauernd patrouilliert wurde, musste überquert werden. Alles verlief ohne Hindernis. Angelangt auf der Anhöhe, am Ufer auf der österreichischen Seite, bestens sichtbar von der slowenischen Seite aus, blieb Marceline stehen und rief höchst erleichtert laut aus: „Na, wenn ich gewusst hätte, dass es so leicht vor sich gehen würde, hätt´ ich noch mehr Zeugs mitnehmen können!” Wäre in diesem Augenblich die Patrouille plötzlich erschienen, hätten sie alle erschossen. Wenig hätte es gegolten, dass sie sich schon jenseits des Grenzbaches befunden hatten.

Die Familie wurde freundlich von Onkel Harald Reininghaus, Omis Halbbruder, in Schloss Isenrode (Steiermark) aufgenommen. Im Februar 1947 wurde der kleine Nachzügler, der Uly geboren. Als bei Marceline die Wehen einsetzten, wurde sie durch den hohen Schnee per Schlitten nach Graz in die Klinik gebracht.

Im August 1947 ging es für die Familie Bertele weiter nach England, wo Hans mit einem englischen Bekannten eine Elektrogesellschaft gegründet hatte.

Ursula, das Gaadner Kind, lernte erst kurz vor der Abreise ihre Eltern kennen. Bis dahin hatte sie immerhin einmal eine Postkarte von ihrer Mutti bekommen, mit zwei Rehen in einem tief verschneiten Wald, die sie jetzt noch lieb in ihrem Besitz bewahrt. Nun wurde sie von Nana vom Haus am Berg den Hang hinabgeschickt, wo ein Pfad ins Dorf führte: „Die zwei Leute, die Du den Hang hinaufkommen sehen wirst, das sind Deine Eltern. Lauf hinunter und begrüße sie schön.”
Was sich dabei alles abspielte, wäre eine Geschichte für sich. Dann erblickte ich sie zum ersten Mal. Mit ihren Wanderschuhen, kurzen Socken, jeder mit einem Rucksack auf dem Rücken kamen sie mir entgegen. Sie zählten damals 46 (Marceline) und 44 (Hans) Jahre und kamen mir furchtbar alt vor. Vor allem die liebe Mutti wegen ihrer weißblonden Haare. In dem Zusammenhang ist es interessant, dass ich mir nie zuvor solche Gedanken wegen des Alters gemacht hatte. Sowohl die Omi wie die Nana waren für mich einfach zeitlos gewesen.
Ein paar Wochen später wurde ich nun mit nach England genommen und das neue Baby, der Uly, Jolly genannt, um ihn vom Günther-Uly (Sohn von Marcelines Schwester Charlotte) unterscheiden zu können, wurde bei Omi in Gaaden gelassen und in Nanas Obhut gegeben. Ein Kindertausch, sozusagen.

Die zwölf Jahre, die wir daraufhin in England verbrachten, waren für Mutti, wie ich sie fortan nennen werde, wohl die schwersten ihres ganzen Lebens gewesen. Baba (so wollte Hans von uns Kindern genannt werden) hatte mit einem Vorschuss von der neu gegründeten Elektrogesellschaft ein schönes Haus mit großem Garten gekauft, welches Mutti sehr gefiel. Aber die Arbeit dort war für sie unermesslich schwer, vor allem das Wäschewaschen, denn es gab keine Waschmaschine. Die Weißwäsche kochte sie in einem großen elektrisch angetrieben Kessel, der sich unten in einem Raum neben der Küche befand, welcher als Waschküche und allgemeiner Abstellraum für Gartenwerkzeuge und Sonstiges diente. Danach musste sie die Wäsche dann per Hand schwemmen und auswinden. In den Schulferien halfen wir vier Mädel mit und hängten sie dann oben am Tennisplatz an der Wäscheleine auf. Sonst machte Mutti alles ganz alleine. Bei dem häufigen englischen Regen musste die Wäsche jedoch immer wieder rasch hineingeholt und bei nächster Gelegenheit dann wieder aufgehängt werden. Im Haus war keine Möglichkeit vorhanden sie zu trocknen. Meine älteste Schwester Emy war Mutti eine sehr große Hilfe. Als wir nach England übersiedelten, war sie sechzehn Jahre alt. Sie half beim Kochen und nähte Kleider für Liesl und mich. Marci, die zweitälteste, half mit dem Bügeln und draußen im Garten, oblag ihr auch das Zurückschneiden der Hecke. Bei mehr als einem halben Hektar Größe war das keine leichte Arbeit. Liesl und später auch ich, wurden zum Stopfen der Socken eingespannt, von denen es mehr als genug gab. Ebenso wurden wir beide mit dem Geschirrabwaschen beauftragt. Am Wochenende mussten alle Kinder im Garten mithelfen. Er war auf einem ziemlich steilen Hang gelegen. Das Haus befand sich in seinem unteren Drittel. Mutti hatte sich ganz oben einen Gemüsegarten anlegen lassen. Otto und Hansi stachen die Beete für sie um. Dort oben hatte Mutti auch ihre Hühner und wir hatten Hasen, die unsere Schwester Marci betreute. Zirka ab 1955 hatten wir dann eine Waschmaschine, die aber nicht schleuderte. Dafür gab es ein „Auswindegerät“, das am Waschbecken befestigt war und per Hand in Gang gesetzt werden musste. Mit der Zeit leistete Baba sich auch ein Auto. Das erste wurde schon sehr bald von meiner Schwester Marci über den Haufen gefahren. Ich, damals 14 Jahre alt, war Copilot, was niemand wissen durfte! Um sich ein neues leisten zu können, verkaufte Baba dann seine wertvollste Uhr.

Wir vier Mädchen besuchten alle dieselbe Klosterschule, die beides – Volks- und Mittelschule unterrichtete. Mutti erzählte mir einmal, dass die Schulvorsteherin, Nonne Mother Mary John, ihr bei ihrem ersten Besuch von einem Traum erzählt hatte: Eine Familie aus dem verwüsteten Zentraleuropa würde nach England kommen und die Eltern sie um Aufnahme ihrer vier Mädchen in der Schule bitten. Sie solle sie alle aufnehmen, wurde ihr im Traum gesagt – was sie auch herzlich getan hat. Selbstredend, so meine ich ist, dass den Eltern dadurch in dieser ausgezeichneten Privatschule keine großen Kosten auferlegt wurden. Mutti sagte manchmal auf ihre ihr ganz eigene Art: „Ich bin nicht fromm”, womit sie scheinbar nur meinte, dass sie nicht jeden Sonntag in die Kirche ging. Aber anlässlich des Traumes der lieben Nonne dachte sie doch, dass es sich um ein wunderbare Fügung Gottes handelte. Mother Mary John war aus einem belgischen Orden, so musste sich Mutti mit ihr in Französisch verständigt haben, denn sie sprach kein Englisch.

Das Schönste für uns Kinder war das Mutti immer für uns da war. Sie war sozusagen immer für uns zuhause. In der Früh war sie da, machte das Frühstück für uns, nahm es mit uns ein. Als wir von der Schule kamen, machte sie uns die Jause. Als wir Jüngsten der Familie dann schon selbstständiger waren, bereiteten wir uns die Jause zwar selbst, liefen aber zuerst hinauf in den Garten, um Mutti, die im Gemüsegarten oder mit ihren Hühnern beschäftigt war, zu begrüßen.
Welch´ traurigen Gegensatz dazu bieten Mütter heutzutage, die auch ohne es nötig zu haben untertags nur weg von zuhause irgendwo arbeiten wollen. Das Resultat ist ein hinkendes, oftmals zerrüttetes Familienleben und – oft gar keines mehr. Jeder nur für sich…

Mutti bedachte jeden von uns immer mit den unterschiedlichsten liebevollen und besonderen Aufmerksamkeiten. Ich erwähne hier nur diejenigen, die sie mir zudachte und die ich so dankbar in Erinnerung behalten habe: Natürlich hatte ich zu Beginn kein Wort Englisch gesprochen. Mutti, obwohl sie mit Arbeit überhäuft war, kaufte mir eigens ein großes Bilderbuch, das von einem kleinen Buben in Mexiko handelte. Am großen Tisch in der Küche saßen wir dann an den Abenden zusammen, ich auf Muttis Schoss und sie las mir daraus vor: „Pedro was a little boy…” Da war das Bild mit Pedro und einem bepackten Esel neben einem Kaktus. Und ich las stockend nach. Als ich elf Jahre alt war, arrangierte Mutti für mich einen Austausch mit der befreundeten Gustav Harmer-Familie. Der jüngere Sohn, Conrad, gleich alt wie mein Bruder Hansi, kam einen Monat zu uns nach England und ich konnte den ganzen Monat Juli bei Harmers, anfangs in Ottakring dann hauptsächlich draußen in Spillern verbringen. Die jüngste Tochter, Mette, war in meinem Alter. Alles für mich so schön arrangiert, von der lieben Mutti. Im Jahr 1956 fand in London eine berühmt gewordene Konzertaufführung von Don Giovanni in der Royal Festival Hall statt. Unser Verwandter, Eberhard Wächter, sang den Don Giovanni. Auch besonders war für mich, als Mutti mich zu Cavallería Rusticana und I Pagliacci mit in die Oper nach Covent Garden nahm. Und viel später dann, wenn wir nach Wien auf Besuch kamen, stand in unserem Zimmer immer ein Zyklamen-Stock zur Begrüßung…

Eineinhalb Jahre nach unserer Übersiedlung nach England wurde uns zu Muttis großer Freude der kleine Jolly geschickt. Ihr kleines Nesthäkchen. Er wurde uns gemeinsam mit einem Steirermädel übersandt, das teils als Kindermädchen für ihn und teils als allgemeine Haushaltshilfe für Mutti dienen sollte. Sie taugte weder für das eine noch das andere und verließ uns bereits nach einem Jahr.

Marci, Liesl, Hansi, Ucki (von links nach rechts) und Emy mit Uly (sitzend)

Familie Bertele in England, 1950. Otto, Marceline, Uly „Jolly“ und Hans mit seiner Mutter Elsa „Momo“.

Hans Bertele von Grenadenberg

Ein paar Jahre danach waren für Baba äußerst schwierige Zeiten herangebrochen und es begannen unangenehme Jahre in England. Ausgangspunkt war ein arges Zerwürfnis mit seinem englischen Gesellschafter, der ihn fälschlich wegen Betrug anklagte. Fern der Heimat schien sich damals alles gegen ihn zu wenden. Er wusste nicht mehr ein noch aus und war nahe daran den Kampf aufzugeben. Mutti jedoch ermutigte ihn: „Hans, kämpfe bis zum Schluss. Nur dann habe ich vollen Respekt vor Dir. Riskieren wir, was du im schlimmsten Fall für möglich hältst.” Die Angelegenheit klärte sich zu seinen Gunsten aber natürlich auch mit seinem Austritt aus der Firma.

Österreich war damals noch von den Alliierten besetzt gewesen. Wien teilweise, Niederösterreich aber vollständig von den Russen. Die Eltern zogen es daher vor mit der Familie weiterhin in England zu bleiben. Mit seinem beruflichen Neuanfang als beratender Ingenieur hatte Hans zu wenig Aufträge und nahm dann dankbar die Stelle eines Lektors bei Woolwich Polytechnic an. Die Vorlesungen dauerten oft bis spät in den Abend hinein und so kam er todmüde und abgerackert mit dem Zug aus London. Jeden Abend machte sich Mutti auf den Weg um ihn von der Station abzuholen. Zwar wohnten wir nur zehn Minuten entfernt, doch der Weg dorthin war eher gruselig. Man musste an einem steilen unbeleuchteten Felsabfall der North Downs entlanggehen, der gegenüber der breitangelegten Schienenanlage, den Ausweichstellen für die Züge und einem Kohlengrosshändler lag. So ging es noch einige Jahre dahin, bis endlich die gute Nachricht eintraf, dass Baba zum Ordentlichen Professor für Industrielle Elektronik an der Technischen Hochschule in Wien ernannt worden war. Die Freude mit der Mutti diese Nachricht empfing, war unbeschreiblich. Als sie England verließ und auf dem Boot nach Ostende an Deck stand, sagte sie: „Gott sei Dank. Nun bin ich endlich kein elender Ausländer mehr!” Das Schöne an England, so wie sie meinte, war gewesen, dass sie immer ganz und gar für ihren Mann und ihre Kinder da sein konnte. Ansonsten war ihr alles fremd geblieben. Die Sprache lernte sie nur recht mangelhaft zu beherrschen und ihr Akzent war stark geblieben. Auch hatte sie keine Freundinnen gefunden. Zwar gab es bei uns zu Hause immer ein reges Gesellschaftsleben mit häufigen Mittag- und Abendessen an den Wochenenden, aber alle die kamen waren Freunde und Bekannte vom Baba.

In Wien zogen die Eltern in die schöne große Wohnung am Franziskanerplatz ein. Dort konnten beide noch etwas über zwanzig glückliche Jahre verbringen. Ständig gab es Besuch von Kindern und Enkelkindern und sie waren von netten Dienstboten umgeben. Es wurden unentwegt muntere und interessante Mittag- und Abendessen für Muttis Großfamilie (von der Bertele-Familie war Hans der letzte Nachkomme) und den großen Freundeskreis veranstaltet. Auch an der Hochschule gab es oft Veranstaltungen, zu denen auch die Damen gebeten waren. Marceline war immer mächtig stolz auf alle Ehrungen, die ihrem Hans zuteil wurden. Zuhause gab man schöne Kammermusik-Abende, an denen Hans am Klavier, begleitet von zwei Geigen spielenden Freunden musizierte. Das ganze Jahr hindurch liebte es Hans vor oder nach dem Abendessen, auf dem schönen großen Bösendorfer Flügel, den ihm Marceline zur Hochzeit zum Geschenk gemacht hatte, zu spielen. Marceline saß dabei, im Salon au coin du feu – ob der Kamin nun angezündet war, oder nicht. Und in den Pausen seines Spiels pflegte sie zu sagen: „Sehr schön, Herr Mandi“ (ihr Kosename für Hans).

Hans und Marceline Bertele, Starnberger See 1960, aufgenommen von Tochter Ursula Ucki

Hans Bertele mit Tochter Ursula Ucki, Franziskanerplatz 1960

Emy Mautner von Markhof im Kreise ihrer Kinder Georg III. Buwa, Marceline, Peter, Therese, Gustav I., Charlotte und Karlmann (von links nach rechts)

Marceline Bertele v. Grenadenberg mit Bruder Georg III. Buwa Mautner Markhof

Marceline Bertele an ihrem 80. Geburtstag, Mai 1981, im Kreise ihrer Familie. Tochter Liesl, Schwiegertochter Monica, Tochter Ursula „Ucki“, Sohn Uly „Jolly“, Tochter Emy, Tochter Marci und Sohn Otto.

Marceline Bertele, geborene Mautner von Markhof

In großer Liebe und Dankbarkeit, deine Tochter Ucki

Ursula Bertele de Allendesalazar

Dezember 1965, eine Hochzeit am Franziskanerplatz

8. Januar 2023/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Ursula Bertele de Allendesalazar

Samstag, 11. Dezember 1965. In der großen, damals noch sogenannten Conte Corti-Wohnung im dritten Stock des Hauses Nummer 1 am Wiener Franziskanerplatz, war die dort beinahe vollzählig versammelte Familie Bertele bereits um 7 Uhr morgens auf den Beinen. Nur zwei der Geschwister, Emy und Hansi, waren leider Gottes nicht anwesend.

Das unaufhaltsame Ticken und Klingeln von einem Drittel der ungefähr 120 Steh-, Tisch- oder Laterndluhren, die sich über die ganze Wohnung verteilten, hatte so manches Familienmitglied schlaflos gehalten. Jedenfalls schien niemand einen Wecker gebraucht zu haben. Am allerwenigsten ich Ursula, die künftige Braut, mit Kosenamen Ucki. Schon vor 7 Uhr war ich aufgestanden, um das Badezimmer in meinem Appartement für die restliche Geschwisterschar frei zu machen. So riesig die Wohnung auch war, verfügte sie über nur zwei Badezimmer und diese noch dazu ohne Dusche. Nichts desto trotz wollte jedes der Geschwister seine Morgentoilette genießen, deswegen hatte ich es sehr eilig.

Selbst dem sonst so äußerst autoritären Familienvater Hans, Baba gerufen (weder Papa noch Papi, sondern seit eh und jeh auf eigenen Wunsch so genannt, anscheinend, weil mein ältester Bruder Otto das Wort Papa bei einem seiner ersten Sprachversuche so herausgebracht hatte), war es an diesem Morgen nicht gelungen, die Familie ordnungsgemäß und gesittet zum gemeinsamen Frühstück um den Speiszimmertisch zu versammeln. Manch eines der Kinder wagte es sogar der väterlichen Autorität dahingehend zu trotzen, indem es, stehend, Vorräte, die für die kommenden Tage gedacht waren, bereits an diesem Morgen genüsslich verzehrte. Nur aufgrund des besonderen Tages war es glücklicherweise nicht zu einem Krach gekommen.

Pünktlich um 9 Uhr läutete es an der Tür. Damals hatte es auf der 1. Stiege des alten ehrwürdigen Hauses noch keinen Aufzug gegeben (es existiert noch eine zweite, bescheidenere Stiege, die man durch den Hof erreichen kann). Man musste das prächtige breit angelegte steinerne Stiegenhaus zu Fuß begehen. Hohe Stockwerke gab es da, bis zum dritten Stock mit bis zu vier Meter hohen Plafonds. Keinen Schummel mit Hochparterre und Mezzanin, wie es in Wien im 19. Jahrhundert dann eingeführt wurde.

Es hatte die junge Friseurin aus der Weihburggasse an der Tür geläutet. Ein liebes Geschöpf, das ich gut kannte, weil sie mir in der Faschingszeit die Haare für die Bälle immer recht schön machte. Keine leichten und dankbaren Haare, die meinigen – seit jeher wie Spinnenweben. Aber dank ihr war ich binnen einer halben Stunde schon recht hübsch aufgeputzt. Leider kann ich mich weder an ihren, noch den Namen des damals sehr bekannten Salons, der schon längst nicht mehr existiert, erinnern.

Wiederum läutete es. Diesmal wurde das wunderschöne Brautbouquet geliefert. Es hatte kaum einen Weg zurückzulegen, die Blumenhandlung befand sich praktisch ums Ecke, in der Singerstraße, in einer der Dependancen des Franziskanerklosters.

Die Hochzeit sollte um 11 Uhr, gleich gegenüber in der Franziskanerkirche stattfinden. Nur ein paar Schritte waren es vom Haus und ich wollte nur im Brautkleid, ohne Mantel und sonstigen Schutz, den Platz überqueren. Obwohl der Tag kalt war, nur ein paar wenige Grade über Null, schien die Sonne bei blauem Himmel. Welch’ ein Glück, ich würde trocken und ohne einen Schirm zu benötigen die Kirche erreichen können.

Eine halbe Stunde vor dem Gang zur Kirche sollten sich engerer Familienmitglieder unten in der Halle versammeln, um  den von Onkel Bili sorgsam geplanten Brautzug zu bilden. Mittlerweile gab es ein lustiges Getümmel in der Wohnung. Nur Baba verfügte über einen eigenen Cut, ich glaube er hatte ihn für die Hochzeit extra anfertigen lassen (den Zylinder hatte er allerdings verweigert). Otto und der noch junge aber hochgewachsene Ulrich hatten sich ihre Outfits in der Leihanstalt besorgt; irgendwo draußen an der Wieden oder im dritten Bezirk – ein Wiener Moss Bros. Auch sie gingen ohne Zylinder.

Ich schließlich kleidete mich in ein schlichtes, langärmeliges Brautkleid und Schwester Liesl – so denke ich jedenfalls – setzte mir den Schleier und das kleine zierliche Kopfband auf. Liesl war bereits seit einigen Jahren in Pakistan mit Syed Afzel Naqvi verheiratet gewesen und hatte damals schon drei oder vier Kinder. Sie war am Vorabend  angereist, wie immer sprühend voller Lebensenergie und keine Spur von Jetlag. Bildschön war sie, in einen prachtvollen Sari gekleidet. Für den Weg zur Kirche allerdings und um in ihr nicht zu erfrieren, wurde ihr dann glücklicherweise ein Pelzmantel geliehen.

Etwas vor halb elf begaben sich die meisten der Familie hinunter in die Halle, um sich von Onkel Bili in den Brautzug “einordnen“ zu lassen. Nur Baba und ich warteten weiterhin oben, weshalb ich über das, was sich unten abspielte, nicht berichten kann. Jedenfalls löste Onkel Bili alles, auch laut Protokoll, bestens. Protokoll gab es da genug und Onkel Bili hatte seinen Spaß daran. Dazu muss ich nun natürlich und endlich auf den spanischen Bräutigam José Manuel Allendesalazar Valdés kommen und auf die restlichen, die den Brautzug bildeten.

Mein zukünftiger Mann, ein junger Diplomat, war am 8. Dezember mit seinen Eltern von Madrid nach Wien geflogen. Seine Cousine und ihr Mann hatten – zusammen mit einer 14jährigen Nichte, die als älteste Tochter ihren Vater vertrat – die Reise von Madrid über Paris im Zug unternommen. Sowohl Josés Vater sowie Guillermo, der Mann seiner Cousine, waren Militärs im Rang eines Oberst und erschienen beide in Uniform. Und beide mit vielen Medaillen dekoriert. Guillermo war im Zweiten Weltkrieg als blutjunger Mann Mitglied der Blauen Division und – zur Bekämpfung des Bolschewismus – mit ihr und der deutschen Armee in Russland gewesen, wo er mit dem Eisernen Kreuz mit der Swastika ausgezeichnet worden war (er trug es aber nicht unter den sonstigen Medaillen). Diese spanische Familiengruppe war die kurze Strecke vom Hotel Kaiserin Elisabeth in der Weihburggasse zu Fuß gegangen und hatte so schon viele Blicke auf sich gezogen. Auch die spanische Botschaft, die komplett erschienen war, erregte bei den vielen Zaungästen am Platz große Aufmerksamkeit. Vor allem die ausnahmslos gutaussehenden Herren in der auffallend schönen, dunkelblauen, mit Goldfäden verbrämten Diplomatenuniform, die natürlich auch vom Bräutigam getragen wurde. Eigens für die Hochzeit hatte er sie schneidern lassen. Ein teurer Spaß. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten gewährte Kredite, die von den jungen Diplomaten euphemistisch der Sarg genannt wurden. Für die Herren war es ein ausgesprochener Gala-Tag. Außer meiner Schwester Liesl, gekleidet im Sari, und möglicherweise auch mir, der Braut, konnte keine anwesende Dame auch nur annähernd so viel Aufsehen erregen.

Anhand der mittlerweile schon vergilbten Fotos ist es mir gelungen, den Brautzug, der vom Haus zur Kirche schritt, wieder zu rekonstruieren. Angeführt wurde er von José Manuel mit seiner Mutter Carmen am Arm. Nur drei erwachsene männliche Berteles konnte man zählen – meinen Vater Hans mit seinen Söhnen Otto und Uly. Ein Familienschicksal an spärlich vorhandenen männlichen Nachkommen, das sich auch in meiner Generation fortsetzt. Nur ein einziger ist übrig, der den Familiennamen vererben kann – und dieser lebt in England. Ganz im Gegenteil mütterlicherseits, bei der Familie Mautner Markhof, welche zahlreich vertreten war. Sie teilt sich in die Linie der “weißen“ (blonden) Mautners, abstammend von Georg II. Anton und Emy Reininghaus, und die der “schwarzen” (dunkelhaarig), abstammend von Theodor I.. Marceline, meine Mutter, war als Tochter Georg Antons folglich eine „weiße“ Mautner Markhof. Unter den “Schwarzen”, ragte damals Manfred I. heraus, nicht nur aufgrund seiner beachtlichen Körpergröße, sondern auch sehr würdig mit Zylinder. Inmitten des Brautzuges auch die gute alte Tante Hansi, Witwe von Onkel Werner Reininghaus, die mir lieberweise das von mir selbst entworfene Brautkleid genäht hatte.

So schritten alle feierlich über den Platz und endlich in die Kirche. Dort, in einer der ersten Bänke, saß die liebe Omi, Emy Reininghaus/Mautner Markhof, damals noch keine achtzig Jahre alt. Etwas jünger, als ich heute bin, feierte ich doch im Dezember 2021 meinen achtzigsten Geburtstag. Erstaunlich, wie sich die Wahrnehmung ändert, waren mir doch sowohl sie als auch die Bertele-Großmutter, genannt Momo, uralt vorgekommen, auch schon lange davor, als sie rückblickend noch keine sechzig Jahre zählten. Anwesend waren auch der Photograph vom renommierten Atelier Winkler Ecke Singerstraße, den ich extra gebeten hatte, während der Kommunion vom Fotografieren abzusehen. Der sehr gute Orgelspieler und Priester, der die Messe las und uns traute, waren Freunde von Baba. José Manuel und ich hatten bereits am Vortag mit  dem jungen  bebrillten Pater Ludwig, der wie eine Eule aussah, die Zeremonie geprobt. Babas Freund hingegen war ein blendend aussehender, graumelierter Mann, vom Erzbischofamt, der jedoch bald nach unserer Hochzeit das Priesteramt zurücklegen sollte. Die Mautner-Familie, hätte es gerne gesehen, wenn die Trauung vom lieben alten Pfarrer Oppolzer, der irgendwo im Wienerwald eine Pfarre betreute, vorgenommen worden wäre. Mir selbst wäre Pater Cornelius von Heiligenkreuz am liebsten gewesen, doch Baba hatte eisern auf seinen Pater Bachleitner bestanden und wie bei allen Dingen, die er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, war daran durch nichts und niemanden zu rütteln.

Ein weiteres etwas ungewöhnliches Schauspiel bot das Aufgebaut an Trauzeugen, das nach spanischer Sitte üblich war. José Manuel hatte seinerseits seinen Vater, Guillermo, den Mann seiner Cousine, den spanischen Botschafter und zwei weitere Mitglieder der spanischen Botschaft – – insgesamt fünf. Onkel Bili, soviel ich mich erinnere, war in Sorge, dass unsere Seite zu kurz kommen könnte und so bat er als meine Trauzeugen seinen ältesten Bruder Georg III. Buwa, damals Oberhaupt der “weißen“ Mautner Markhof-Linie, und auch meinen Bruder Otto. Der jüngste spanische Diplomat wurde dafür auch auf unserer Seite des Altars platziert, um das optische Bild ausgeglichener zu gestalten. Eigentlich ganz amüsant, an welche Kleinigkeiten man sich nach so vielen Jahren noch erinnert! Dazu fällt mir auch die spanische Sitte des “Brautkaufs” ein. 13 neue glänzende Peseta-Münzen hatte José Manuel eigens dafür mitgebracht.

Nach der Messe wurden die Papiere in der Sakristei unterschrieben, dort begaben sich anschließend auch alle Hochzeitsgäste hin, um uns ihre Glückwünsche auszusprechen. Noch immer habe ich Tränen in den Augen, jedes Mal, wenn ich das Foto der lieben Omi betrachte, als sie mich zutiefst ergriffen umarmte. Momo, Babas Mutter Elsa Arailsa Bertele, spanisch-baskischer Herkunft, konnte nicht anwesend sein, weil sie, obwohl gleichaltrig wie Omi, bereits damals schwer von heftigen Gelenksschmerzen geplagt, in einem von Klosterschwestern geführten Heim in Vorarlberg, am anderen Ende von Österreich, weilte.

Draußen am Franziskanerplatz hatten trotz der Kälte sehr viele Zaungäste ausgehaart, um die Hochzeitsgesellschaft noch einmal beim Verlassen der Kirche zu betrachten. Auch wurde über das Ereignis am nächsten Tag in einer der Zeitungen in der Rubrik Wien intim berichtet. Merkwürdigerweise erschien ein Foto der Trauung auch zwei Jahre später als Titelbild des Presse-Artikels Am liebsten eine Kirche mit Freitreppe. Wir erfuhren darüber über seltsame Umwege: Ein Kollege José Manuels erhielt den Zeitungsauschnitt in Dakar/Senegal von seinem österreichischen Kollegen und schickte ihn uns dann weiter nach Lima (Peru war José Manuels erster Auslandsposten).

Uckis und José Manuels Hochzeit in der Presse vom 8./9. April 1967.

Um 13.00 Uhr fand das Mittagessen im Hotel Bristol statt. En petit comité – es waren ca. 30 Personen geladen. Omi und José Manuels Vater, damals auch fast achtzig, konnten sich bestens auf französisch unterhalten. Der Botschafter, Antonio Luna, der kein Berufsdiplomat, sondern lange Jahre hindurch in Den Haag am Obersten Gerichtshof tätig gewesen war, hatte sehr gut deutsch gesprochen. Die anderen Botschaftsmitglieder weniger, weshalb man sie zur spanischen Familientruppe platziert hatte. Alles war bestens verlaufen.

Um 15.00 Uhr fand dann der riesige Empfang in der Wohnung am Franziskanerplatz statt. Das Catering, wie man heutzutage sagt, wurde vom Gerstner ausgerichtet. Damals noch unter der Leitung der guten alte Frau Gerstner und das Geschäft war noch auf der anderen Seite der Kärntnerstraße. Hauptsächlich ich selbst hatte die Vorbereitungen mit ihr getroffen und natürlich nur lauter köstliche Sachen gewählt. Österreicher sind ja nicht nur Feinschmecker, sondern auch zu jeder Stunde bereit es sich mit Speis und Trank gut gehen zu lassen. Alle waren sie gekommen, die Kirchengäste und darüber hinaus noch viele, viele mehr. Fast durchgehend Freunde der Eltern und natürlich die Mitglieder der zahlreichen Mautner Markhof-Verwandtschaft. In der heutigen Zeit hat sich das wesentlich verändert, da die meisten Hochzeitsgäste aus jungen Leuten bestehen, den Freunden des Hochzeitspaares.

Zum Abschluss noch etwas Lustiges: In Baba war in den Tagen kurz vor der Hochzeit plötzlich die Befürchtung aufgestiegen, dass der Boden im Salon, dem schwächsten Teil in der Mitte der Wohnung, durchbrechen könnte (das Haus stammt laut Rudolf Kisch ursprünglich aus dem 14. Jahrhundert). Baba bekam Angst vor dem großen Andrang, der zu erwarten war. So kam ihm – dem Ingenieur – endlich eine Lösung in den Sinn: Er stellte den schweren Eichenholz-Tisch mit der rosa Marmorplatte unter den großen Luster in die Mitte des Salons. Ein schwerer Tisch stellte zweifellos eine kleinere Gefahr als fünfzehn oder zwanzig Leute dar. Ende gut, alles gut. Der Salonboden brach nicht zusammen.

Am nächsten Morgen, Sonntag, fast noch im Morgengrauen, gingen José Manuel und ich den kurzen Weg vom Hotel Elisabeth die Weihburggasse entlang zur Franziskanerkirche, um vor unserem Abflug noch die 8 Uhr Messe zu besuchen. Noch bevor wir den Platz erreichten, bog plötzlich meine liebe Mutti mit meinem Brautstrauß in Händen ums Eck und kam uns entgegen. Es war eine völlige Überraschung. Muttis Augen waren feucht und aus meinen flossen die Tränen, als ich sie umarmte, während sie mir den Brautstrauß überreichte. Wir wechselten kaum ein Wort, begleiteten Mutti zum Tor des Hauses, hielten für sie die schwere dunkelgrüne Türe offen und blickten ihr nach, als sie im Dunkel der Halle verschwand.

Diese Begegnung bleibt für mich einer der schönsten und ergreifendsten Momente der Hochzeit und auch heute noch, wenn ich diese Zeilen schreibe, habe ich das Bild der geliebten Mutter vor mir.

Bräutigam José Manuel mit seiner Mutter Carmen de Allendesalazar am Weg zur Kirche.

Der spanische Botschafter, seine Frau, Georg III. Buwa Mautner Markhof, Otto Bertele und Elisabeth Naqvi (geb. Bertele) am Weg zur Kirche.

Gerhard Mautner Markhof und José Manuels Cousine am Weg zur Kirche.

Maria Pussy Mautner Markhof und Heinrich Baensch am Weg zur Kirche.

Christl und Manfred I. Mautner Markhof am Weg zur Kirche.

Ursula Ucki Bertele mit ihrem Vater Hans am Weg zur Kirche.

Ursula Ucki Bertele mit ihrem Vater Hans am Weg zum Altar. Links Karlmann Bili Mautner Markhof.

Ursula Ucki Bertele mit José Manuel am Altar.

Ursula Ucki mit Pater Ludwig und Pater Bachleitner während der Trauung.

Ursula Uckis Trauzeugen, Bruder Otto Bertele (Mitte) und Georg III. Buwa (rechts).

José Manuel, Ursula Ucki und Pater Bachleitner.

Ursula Ucki und José Manuel, frisch vermählt.

Manfred I. Mautner Markhof gratuliert dem Bräutigam Josè Manuel Allendesalazar.

Georg III. Buwa, Karlmann Bili Mautner Markhof, Brautmutter Marceline mit Hansi Reininghaus und Manfred II. Mautner Markhof (re).

José Manuel und Ursula mit Schwiegermutter Carmen de Allendesalazar

Maria Pussy, Marceline II., Gritine und Manfred I. Mautner Markhof

Maria Pussy, Karlmann Bili und Peter Mautner Markhof

Menükarte des Hochzeitsessens im Bristol mit Unterschriften der Gäste.

Bericht in der Rubrik Wien intim über Ursula Berteles Hochzeit.

Bruce McMichael

A Tankard full of Memories – Two centuries of Vienna Lager

10. September 2022/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Bruce McMichael

Words Bruce McMichael

Noisy, smokey and stinking of the streets, the tavern shakes as greetings echo around battle-weary soldiers, prostitutes and drunks, all demanding more … more music, more food, more beer. They were drinking dunkels, dark German-style lagers made through top-fermentation techniques with similar taste profiles to Belgian Dubbels and English Porter.

We’re in late 1830s Vienna, the soon-to-be capital of the sprawling Austro-Hungarian Empire. It’s a city of intrigue, betrayal and dingy coffee houses with a reputation for serving the worst beer in Europe. Production is fractured, brewers disinterested, ingredients low quality. Disguised with herbs and spices ranging through ginger, laurel, and rosemary, contemporary sources report tankards of foul smelling beer, and lots of flatulence.

Into this bleak social landscape came Anton Dreher Snr, scion of a local brewing family whose beer production and finances were both struggling, along with my ancestor, Adolph Ignaz Mautner Markhof a mutton chopped brewer and Dreher Snr’s main competitor as soon-to-be Beer Barons.

Brewers such as Dreher Snr and Mautner Markhof were 19th century beer-nerds, curious about the science of brewing and happy to get stuck into the rough and tumble of commerce. For decades, these two sparred for technological and commercial advantage, until the Dreher family lost interest and Mautner Markhof’s descendents absorbed Dreher’s prime Schwechat brewery into their own operations.

Fast-forward to the 1970s and it is endless supplies of cola and fizzy orange that shape my earliest memories of childhood holidays with my maternal grandparents in Vienna, and visits to extended family living in the Schwechat brewery. But as I grew into my teens, the beer made its appearance: my brothers and I secretly flipped open bottles we found in cellars and store rooms pursing our lips as we sipped the bitter Vienna Lager.

It was common for young brewers in the early 1800s to travel and work across Germany, Belgium and Britain. In search of knowledge, Dreher Snr and his friend and business partner Gabriel Sedlmayr from Munich’s famous Spaten brewery, took to the road – and they didn’t care how they got their information.

British industrialists were notoriously secretive, but nonetheless – perhaps naively – welcomed the pair into their breweries, where the ambitious friends embarked on what can only be described as industrial espionage, including using an adapted walking cane to steal away liquid samples.

At the start of the nineteenth century, British breweries had began using heated air to dry the malt, achieving an evenly roasted product with little scorching. Returning to Vienna, Dreher Snr experimented with British kilning methods, creating a lightly caramelised amber malt. He called it Vienna Malt, mixed it with lager yeast and brewed a reddish-copper lager with a delicate, slightly bready profile reminiscent of British pale ale. The beer was released in 1841 as ‘Lager Vienna Type’ or Vienna-style lager, and so started Vienna’s Golden Beer Century.

The Lager’s superior structure and flavour immediately appealed to the jaded and abused palettes of the Viennese, offering a cleaner, fresher taste. The resulting morning sore heads were soothed with reviving breads such as the Kaiser-Semmel, a hugely popular sweet, white, segmented roll. Viennese bakeries had long done good business, using copious amounts of fresh yeast, easily available from top-fermented ale production popular in pre 1840-Vienna.

Production of Vienna Lager, however, posed a problem. Bottom-fermented lagers like Dreher’s did not produce fresh yeast, Viennese bakers were soon short of supplies.

Into this culinary emergency stepped Adolph Ignaz Mautner Markhof supported by his sons (he had ten children and 72 grandchildren). Renting breweries in the districts of St. Marx and Floridsdorf in 1848 Adolph Ignaz partnered with his sons-in-law Julius and Peter Reininghaus in the southern Austrian town of Graz. Together they developed a brand new process to produce yeast strains from bottom-fermented tanks (pressed yeast) – a system that became informally known as the ‘Mautner Markhof filter yeast process’.

The bakers were not slow to show their gratitude. This pressed yeast won a huge cash prize from the powerful Viennese Bakers Guild. A fortune quickly followed which – riches that made possible the purchase by the Mautner Markhof family of Dreher’s original Schwechat brewery in the late 1920s during the global financial crash.

After the economic devastation of World War 1 Vienna Lager never regained its status in its home market, with the Viennese turning to wine and other brews.

However, in the early 2000s, North American craft beer revivalists began dusting off recipes for this forgotten lager, inspiring a handful of breweries in Austria and the UK to follow. They have produced a choice of palatable drinks with robust malt, clean yeast characters, and a light amber colour shot through with the red of the original Vienna Lagers.

It’s a welcome revival of this very particular beer – along with a crate full of memories from my family history.

Artikel von Bruce McMichael im Magazin „Tonic“, Volume 3

Ursula Bertele de Allendesalazar

Hans und Marceline Bertele v. Grenadenberg – der Beginn einer großen Liebe

5. August 2022/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Ursula Bertele de Allendesalazar

Damals, im Wien der 1860er Jahre, nachdem die Stadtbefestigungen abgerissen und das Glacis aufgelassen wurde, schossen auf der neu angelegten Ringstraße großzügig angelegte Palais aus dem Boden hervor. Am Parkring, Ecke Zedlitzgasse entstand eines davon – das „Dumbapalais“. Der aus Griechenland stammende Industrielle, Wohltäter und Politiker Nikolaus Dumba ließ es für sich im Neorenaissance-Stil erbauen. Mit der Innenausstattung seiner Wohnung wurde vorerst Hans Makart beauftragt. Von der von Makart eingerichteten Bibliothek existiert ein Bild, gemalt von Rudolf von Alt, auf dem nur wenige Bücher zu sehen sind und der Raum so schrecklich schwerfällig und überladen scheint, dass einem die „Grausbirnen“ aufsteigen. Später zog Dumba, der ein großer Musikliebhaber war und dessen Liebe vor allem Schubert galt, den jungen Gustav Klimt hinzu und gab ihm den Auftrag, zwei sogenannte Supraporten für das Musikzimmer zu malen. Eines war der Musik gewidmet, das andere stellte Schubert am Klavier sitzend dar. Es war die Zeit, als Klimt in seinen Anfängen und den Fußstapfen Makarts folgend, sich noch eifrig am Dekorieren der Ringstraßenpalais beteiligte.

Mitte der 1920er Jahre war Erwin Böhler (aus der Familie Gebrüder Böhler Edelstahlwerke) in einer der Wohnungen des Palais Dumba mit seiner Familie ansässig geworden. Das Ehepaar führte ein reges gesellschaftliches Leben und veranstaltete während der Faschingszeit märchenhafte Bälle für ihre beiden Töchter. Einladungen dazu waren bei der damaligen Wiener Jugend mehr als begehrt. Kaum vorstellbar, dass diese in der vollmöblierten Wohnung von Nikolaus Dumba hätten stattfinden können, es wäre ja kaum Platz zum Tanzen gewesen. Immerhin, die Wohnung der Böhlers befand sich im ersten Stock, also am Piano nobile.

Einer der Glücklichen, die im Februar des Jahres 1925 eine Einladung zum Hausball erhalten hatten, war der fesche 23 jährige Hans von Bertele. Hans war ein begabter und eifriger Student der Technischen Hochschule gewesen, der nicht nur gewissenhaft studierte, sondern auch immer dort, wo es etwas zu feiern gab, gerne mit dabei war. Es blieben ihm noch ein paar Jahre bis zum Ende seines Studiums, und Eltern von Töchtern im herannahenden heiratsfähigen Alter sahen in ihm bereits einen potentiellen Schwiegersohn mit vielversprechender Zukunft. So war er überall gerne eingeladen und gesehen. Vor allem auf diversen Tanzveranstaltungen, da er als hervorragender Walzertänzer auch Damen mit überflüssigen Pfunden federleicht über das Parkett zu führen wusste (er hatte die damals vor einigen Jahren gegründete Tanzschule Willy Elmayer besucht). Im Jahr 1924 hatte der erste Wiener Philharmonikerball stattgefunden, für den Richard Strauss eigens eine Festfanfare komponierte. Alles in allem ein unvergessliches Ereignis. Für die Eröffnung wurde dem Jungherren Hans eine zwar hübsche aber sehr gut gepolsterte Comtesse zugeteilt, die sich für den Ball in allzu kleine, sehr hohe Stöckelschuhe hineingezwängt hatte und so bereits nach der Eröffnung den verbleibenden Abend mit schmerzenden Füßen und ohne Schuhe am Tisch ihrer Eltern sitzend verbringen musste. Hans absolvierte zwar regelmäßig Höflichkeitsbesuche, nutzte aber die restliche Zeit, um mit einigen der hübschesten Debütantinnen unbeschwert das Tanzbein zu schwingen. Den „Techniker Cercle„ hatte er mit Lorle, der älteren der beiden Böhler-Töchter eröffnet. Sowohl von den Eltern der schuhlosen Comtesse (wie er sie zu nennen pflegte) als auch von Lorles Eltern wurde er mit recht wohlwollenden Augen betrachtet. Hans hatte die Böhler-Töchter Lorle und Trautl bei Wagemann auf der Wienzeile kennengelernt. Obwohl Lorle die hübschere von beiden war, hatte ihm die stillere Trautl besser gefallen, da er, sehr vielseitig interessiert, das Gespräch lieber selber führte, als sich „Mädchen-Geschnatter“ anhören zu müssen.

Bei der Einladung zum Hausball bei Böhlers handelte es sich um einen Maskenball. Hans musste nicht lange hin- und herüberlegen wie er sich verkleiden sollte – er würde als Seeräuber gehen. Er hatte nicht die Absicht sich mit seinem Kostüm viel Mühe zu geben. Seine alte eng anliegende Bergsteigerhose, die nur bis übers Knie reichte, und ein kragenloses weißes Hemd, dessen Ärmeln er aufkrempelte, mussten reichen. Darüber zog er das dunkelgrüne Gilet mit Silberknöpfen vom Steireranzug seines Vaters an. Investieren musste er nur noch in ein Paar weiße dünne Kniestrümpfe und ein grellrotes Kopftüchel, mit dem er sein dichtes dunkles Haar zusammenbinden konnte, das er sich in Hinblick auf den Ball hatte extra länger wachsen lassen. Fertig gekleidet und zum Abgehen bereit, entkam er nicht dem Spott und Gelächter seiner Schwester Mädi, die wie man damals sagte, im Backfischalter war: “Na, du gekünstelter Pirat in feinen schwarzen Tanzschuhen würdest nicht einmal für einen Raub am Neusiedlersee taugen.” Hans, bestens gelaunt, lachte mit. “Aber sicherlich gut genug, um ein paar jungen Mädchen den Kopf zu verdrehen. In zwei, drei Jahren, wenn Du an die Reihe kommst und zu einem Maskenball geladen bist, wirst Du zweifellos wochenlang darüber nachdenken, wie Du Dich verkleiden kannst“ konterte er. “Uh, da freue ich mich jetzt schon drauf! Sag´, Du, wirst so auf die Straße gehen?“„Nein du Dummkopf. Da zieh’ ich natürlich meinen Lodenmantel drüber.” “Hast Du die Maske mit?” “Nein. Schau’ Kleine, danke, da bist Du doch zu etwas nützlich.” Und schon eilte Hans in sein Zimmer zurück, steckte die Maske in eine der Manteltaschen, sagte seinen Eltern “Gute Nacht” und war schnell durch die Haustür verschwunden. Er hatte sich am Stephansplatz vor dem Rothberger Warenhaus mit seinem Freund Georg Rendezvous gegeben. Er ging zu Fuß, denn es war nur ein kurzer Weg von der Loidoldgasse. Georg kam verspätet mit der Straßenbahn aus Döbling. Hans, mittlerweile ungeduldig, trat von einem Fuß auf den anderen, um sich an diesem eiskalten Abend warm zu halten. “Jetzt fehlt mir nur noch, dass es zu schneien beginnt” dachte er zunehmend missmutig. Passanten glotzten ihn an und betrachteten ihn ob des roten Kopftüchels, das ihm halb über die Stirn reichte und im Nacken zugebunden war, argwöhnisch. Endlich tauchte sein Freund auf. Die beiden eilten die Wollzeile hinunter zum Ring.

Im Dumba-Palais bei Böhlers angekommen, zogen sie im Vorzimmer ihre Mäntel aus.  Georg, schlicht in einem dunklen Anzug, setzte sich nun einen großen Turban auf und montierte einen riesigen Schnurrbart. “Ein Prinz aus dem Orient, halb europäisiert?! Dein Kostüm hat Dich ja noch weniger Mühe gekostet als mich das Meinige” meinte Hans anerkennend. Daraufhin maskierten sich die beiden Freunde und traten in den großen Saal ein, wo eine kleine Musik-Kapelle, bestehend aus Klavier und Streichern, munter spielte und bereits reges Getümmel herrschte. Am Eingang stand das Ehepaar Böhler, unmaskiert mit schneeweißer Perücke, festlich in Rokoko Kostüme gekleidet und begrüßte seine Gäste. “Na, ihr beiden” lachte Erwin Böhler. “Ihr werdet mir ja noch das Haus unsicher machen.“ “Nein, keine Sorge, wir sind ja nur Schafe in Wolfskleidung” entgegnete Georg schlagfertig. Gleich darauf trennten sich die beiden Freunde. Georg, ohne lange zu zögern, forderte ein molliges verschleiertes Mädchen in Haremshosen zum Tanz auf. “Wie für einander geschaffen” sagte er munter, worauf sie ein flüchtiges Lächeln erwiderte.

Hans hingegen nahm sich vorerst etwas Zeit und schlenderte umher, bevor er sich auch unter die Tänzer mischte. So kam er in den angrenzenden, ebenfalls hell beleuchteten Salon, wo die Möbel belassen worden waren. Da hingen eine reizvolle neapolitanische Tänzerin, gemalt von Anton Romako sowie zwei Landschaftsbilder von Carl Moll an den Wänden. Bevölkert war der Raum mit einigen eifrigen Tänzern, die eine kleine Verschnaufpause suchten. Der folgende Raum, noch im Halbdunkel gehalten, war das Speisezimmer, wo ein schönes reichhaltiges Buffet bereitstand. “An Appetit fehlt es mir nicht, aber ich werde mich doch zuerst auf das Tanzparkett begeben und etwas Bewegung machen“ dachte er bei sich. Zurück im Ballsaal schaute er sich so unauffällig wie möglich nach Trautl Böhler um, aber aufgrund der Masken konnte er sie nicht ausfindig machen. Also meinte er bei sich “Wahl aufs Geratewohl”,  ging auf ein schwarzhaariges Mädchen im Neapolitaner Kostüm zu und forderte sie mit folgenden Worten zum Tanz auf: “Ich habe gerade Ihr Bildnis im Wohnzimmer bewundert doch das Original ist viel besser. Bitten Sie mich aber nicht mit Ihnen eine Tarantella zu tanzen.” Das Mädchen lachte hellauf: “Werd’ ich nicht tun, Sie schamloser Pirat. Ich begnüge mich mit einem Wiener Walzer oder mit diesem Quickstepp, der jetzt gerade spielt.” Die Kapelle spielte flott und  Hans tanzte mit einer Unterbrechung am guten Buffet unentwegt weiter. Kurz vor Mitternacht war Damenwahl und es herrschte ein regelrechtes G´riss um unseren Seeräuber.

Hans, als Witwer und auf seine alten Tage, stellte eine Familienchronik zusammen. Dabei nimmt der Abend bei Böhlers einen ganz besonderen Platz ein. Ich, seine Tochter, möchte die weiteren Ereignisse mit seinen eigenen Worten wiedergeben: “…An den Böhler Hausball erinnere ich mich immer gerne. Es waren drei schöne Räume im ersten Stockwerk des alten Dumbapalais, die von dem bekannten Architekten, Josef Hoffmann, in der Art der Wiener Werkstätte offen und luftig eingerichtet waren. Im großen Speisezimmer hingen drei eindrucksvolle Bilder von Klimt, darunter ein Obstgarten, eine Seenlandschaft und noch ein anderer Moderner, an den Wänden. Im Speisesaal gab es ein freistehendes, niedriges Buffet. Die Mädchen waren maskiert. Nachher, um Mitternacht, wurde Demaskierung angeordnet. Dabei bemerkte ich, dass eine hübsche, als Pierrot verkleidete junge Dame, den spitzen, hohen Pierrot Hut abnahm und dabei das schönste blonde Haar erblicken ließ. Für schönes Blondhaar habe ich damals schon geschwärmt und so goldfarbig gleichmäßiges hatte ich es noch nie gesehen. Sofort kam ein Gespräch zustande und viel später bekam ich zu hören, ich hätte eineinhalb Stunden nur von meinen Motorraderlebnissen erzählt. Meine Begeisterung war aber auf Resonanz gestoßen, denn schließlich sagte mir die schöne blonde Dame: ‘Heuer kann ich Sie nicht einladen, denn meine Mutter hat vor kurzem ein Kind bekommen aber nächstes Jahr müssen Sie zu uns kommen. Geben Sie mir doch eine Karte, lieber motorradfahrender Seeräuber.”…

Hans Bertele von Grenadenberg

Mehr Infos zu Marceline Mautner von Markhof

Memoiren von Hans Bertele von Grenadenberg

Ursula Bertele de Allendesalazar

Pakistanische Hochzeiten / Haider & Natasha, Taimur & Anum

5. August 2022/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Ursula Bertele de Allendesalazar

Elisabeth (li vorne), Mubashrah (re vorne). Alizah und Minah stehend (Schwester und Cousine des Bräutigams)

Natasha Monnoo

Haider Raza (Elisabeths Enkel) und seine Braut Natasha Monnoo

Ursula, Mubashrah (Tochter von Elisabeth), Titu, Faisal, Ijlal (Elisabeths Söhne). Haider und Natasha, das Brautpaar. Unten: Munazzar und Farvah (Elisabeths Töchter)

Anfang Januar 1982 hatte ich das Vergnügen, nach Pakistan zu reisen, nach Lahore, zur Hochzeit Mubashrahs, der ältesten Tochter meiner Schwester Elisabeth. Im Jahr 1959 hatte Elisabeth Syed Afzel Naqvi geheiratet. Sowohl sie als auch Afzel studierten damals in London am Queen Mary College. Sie haben sechs Kinder: MUBASHRAH ist mit Agha Qasim Raza verheiratet, SOHAIL mit Iram Mehdi, FARVAH mit Imran Ali Shah, MUNAZZAH mit Tariq Riaz Malik, FEISAL mit Ayeda Husain und IJLAL mit Leylac Pekin. Diesen sechs Ehen entsprangen mehr als fünfzehn Enkelkinder.

Jetzt, Mitte Dezember 2021, vierzig Jahre später, bin ich froh, wieder in Lahore zu sein, um die Hochzeiten zweier Enkel meiner Schwester zu feiern. Mein Schwager Afzel war im August desselben Jahres verstorben. Von seiner Familie verehrt, von allen, die das Glück hatten, ihn zu kennen, geliebt und geachtet, lebt er in der Erinnerung von uns allen unvergesslich weiter.

Als ich 1982 nach der faszinierenden Hochzeit von Qasim und Mubashrah, die sich über acht Tage erstreckte, nach Hause zurückkehrte, schrieb ich meine Eindrücke auf, die ich mit Fotos illustrieren konnte, die mir freundlicherweise aus Lahore zugesandt wurden. Damals war ich noch nicht die begeisterte und unbändige Fotografin, zu der ich durch die beiden Hochzeiten, die ich hier beschreiben werde, geworden bin. Um mein Gedächtnis aufzufrischen, habe ich mir alle meine Notizen noch einmal durchgelesen, bevor ich mich in dieses neue Abenteuer stürzte. Ich erinnerte mich sehr gut daran, dass im Gegensatz zu Hochzeiten im Westen, die in der Regel nur einen Tag dauern – abgesehen von der Verlobungsfeier, die Monate oder Wochen vorher stattfindet –, im Osten (und hier beziehe ich mich vor allem auf den indischen Subkontinent) die mit der Hochzeit verbundenen Feierlichkeiten tagelang andauern. Im Einklang mit der Tradition als alle Ehen arrangiert wurden, veranstaltet jede Familie eine Reihe von Feiern – zunächst getrennt, nur für die eigene Verwandtschaft. Diese gipfeln in der Nikāḥ, der eigentlichen Hochzeit, die im Haus der Eltern der Braut stattfindet. Am Tag danach findet im Haus der Eltern des Bräutigams die Walima statt, um die Vollendung der Ehe zu feiern. Mubashrah und Qasim hatten eine arrangierte Ehe. Früher sahen sich die beiden zum ersten Mal bei der Nikāḥ. Meine Nichte hatte jedoch die Möglichkeit, den jungen Mann, den ihre Eltern als Ehemann ausgewählt hatten, zu treffen und sich mit ihm zu unterhalten. Qasim kam zu diesem entscheidenden Treffen sogar aus dem weit entfernten Seattle an der Westküste der USA, wo er für Boeing arbeitete. Hätte der intelligente junge Ingenieur Mubashrah nicht gefallen, hätte es keine Heirat gegeben. Ihre Eltern hätten weiter nach einem geeigneten Bräutigam gesucht. Das Ergebnis war jedoch eine glückliche Ehe. Qasim und Mubashrah bekamen drei Kinder: zwei Mädchen und Haider (ausgesprochen Hedda wie in Ibsens Hedda Gabler). Haider ist der Bräutigam der Hochzeit, die ich in weiterer Folge als Nummer eins bezeichne.

Soweit ich weiß, waren beide Hochzeiten, an denen ich teilnehmen sollte, Liebesheiraten. Die jungen Paare, die alle sehr kosmopolitisch eingestellt sind, lebten bereits oder werden zukünftig in den Vereinigten Staaten leben. Meiner Schwester zufolge sind jedoch 90 % aller Ehen in Pakistan nach wie vor arrangiert. In vielen Fällen sind es die jungen Männer, die ihre Eltern bitten, für sie eine passende Braut zu finden. Die eigentliche Hochzeit, die Nikāḥ, ist ein rein zivilrechtlicher Vertrag, der von den Vätern der beiden Parteien vor Zeugen unterzeichnet wird, wobei ein Mullah anwesend sein kann, um seinen Segen zu geben und das Lob Allahs zu preisen. Zu Beginn dieses Aktes ist der Vater der Braut gesetzlich dazu verpflichtet, seine Tochter um ihre Zustimmung zu bitten. Die Unterzeichnung des Vertrages findet getrennt statt, auf der einen Seite die Braut mit ihrer Familie, auf der anderen Seite der Bräutigam mit seiner. All dies geschieht in weniger als fünfzehn Minuten.

Vor vierzig Jahren hatte ich die Hochzeit als Mitglied der Familie der Braut besucht. Dieses Mal erlebte ich sie als Mitglied der Familie des Bräutigams. Es gab Unterschiede, aber vor allem ist es damals wie heute ein andauerndes großes Fest für die Frauen und Freunde beider Familien. Es ist das Fest der Frauen schlechthin, das Fest, bei dem sie sich von ihrer besten Seite zeigen. Jeden Abend erscheinen sie in wechselnden schillernden und bunten Outfits. Tanzen und Singen, begleitet vom Klang der Trommeln und Tamburine, waren schon immer ein wichtiger Bestandteil der meisten Festlichkeiten. Heutzutage ist alles viel entspannter, und bei den großen Festen sind Trommel und Tamburin durch Live-Bands und DJs ersetzt worden.

Aber genug der Formalitäten. Ich werde nun die Ereignisse schildern und gleich zu Beginn mit meiner Reise nach Lahore beginnen.

Samstag, 18. Dezember 2021
Um 4 Uhr morgens wurde ich unsanft von meinem Wecker geweckt und verließ Madrid um 8 Uhr morgens an Bord eines Flugzeugs von Qatar Airways in Richtung Doha. Der Flug war angenehm, er dauerte etwa sechs Stunden. Die meiste Zeit verbrachte ich vor mich hindösend. Irgendwann nahm ich einen Snack zu mir und später ein Glas großzügig eingeschenkten Laurent Perrier rosé, der mir das Leben noch rosiger erscheinen ließ. Die Zwischenlandung in Doha dauerte etwa drei Stunden. Die Inneneinrichtung des Flughafens bestand hauptsächlich aus Stahl. Alle Angestellten und Passagiere schienen Ausländer zu sein. Es war schwierig, einen Katarer oder einen Einheimischen aus einem der Nachbarländer des Persischen Golfs anzutreffen. Im riesigen Duty Free entdeckte ich schließlich zwei Männer in den klassischen fließenden weißen Gewändern, die Köpfe mit einem karierten Tuch bedeckt, das von einem schwarzen Band zusammengehalten wurde. Da sie nichts kaufen wollten, machten sich die beiden auf den Weg zum Warteraum von Al Safwa.

Ich, die ebenfalls einen Passierschein für die Business Class-Lounge hatte, beschloss ihnen zu folgen, um sie genauer zu beobachten. Aus reiner Neugierde. Sie verschwanden schnell in den Innenraum. Neben dem Eingang befand sich ein Schalter, an dem ich nach meiner Bordkarte gefragt wurde. Ich wurde in eine andere Lounge namens Al Moujon verwiesen, ein riesiger, komplexer, architektonisch moderner Raum mit einem Restaurant und riesigen Pool. Offensichtlich war dies die Lounge für die Passagiere, die nicht aus dem Land oder der Region stammten. Al Safwa war wohl nur für diese Reisenden bestimmt. Oder es handelte sich einfach um einen reinen Männerbereich. Zu meiner Enttäuschung sah ich keine weitere Person in einheimischer Kleidung.

In Doha traf sich dann das gesamte Kontingent der pakistanischen Großnichten/Neffen, die alle aus den Vereinigten Staaten kamen, hauptsächlich aus New York, einschließlich Haider, dem Bräutigam Nummer eins. Wir trafen uns, als es gerade an der Zeit war zum Flugsteig zu gehen, um den Flieger nach Lahore zu besteigen. Es waren sehr viele Menschen an Bord dieses Fluges! Das Flugzeug war gigantisch und bestand aus drei Sektionen mit je drei Sitzen.

Sonntag, 19. Dezember 2021
Der Flug dauerte etwa drei Stunden und wir kamen kurz nach 1 Uhr nachts Ortszeit an, vier Stunden vor Spanien. Was für ein Gedränge und Treiben! So viele Menschen auf dem Flughafen! Es war fast wie in einem Ameisennest. Bei jedem Passagier schien die ganze Familie anwesend, um ihn zu Hause willkommen zu heißen. Es war wie Barajas, unser Flughafen in Madrid, zu Spitzenzeiten – aber mit dem dreifachen Aufkommen. Und das auch noch mitten in der Nacht. Bei der Passkontrolle musste ich wegen der Länge meiner Nachnamen (Vater und Mutter, wie es in Spanien üblich ist) ewig warten, da sie nicht in das für Nachnamen vorgesehene Feld des Computers passten. Das Personal war aber gezwungen sie vollständig einzugeben und an die Datenbank weiterzuleiten. Ich war von Neffen und Nichten umgeben und hinter uns bildete sich eine lange Schlange. Am Ende ließ man uns passieren. Freunde der Neffen, die am Flughafen arbeiten, kümmerten sich darum unser Gepäck ohne Kontrolle durch den Zoll zu bringen. Als wir das Haus meiner Schwester erreichen schlief sie bereits – wie nicht anders zu erwarten – tief und fest. Auch ich ging sofort zu Bett und schlief bis in den Morgen hinein wie ein Stein.

Mit meiner Schwester und ihren Kindern und Enkelkindern, die aus dem Ausland kamen und jetzt in ihrem großen Haus mit sechs schönen Zimmern wohnen, war es ein glückliches und emotionales Wiedersehen. Mein Zimmer war großartig und hatte ein eigenes Bad. Auch hatte es einen großen Schreibtisch, und ich glaube Afzel hatte es als Arbeitszimmer benutzt. Das riesige Fenster nahm eine ganze Wand ein und bot Ausblick auf einen großen Innenhof, der ganz aus Ziegeln gemauert und mit üppigen grünen Pflanzen begrünt war. Am Nachmittag waren fast alle Mitglieder der Familie meiner Schwester im Haus versammelt: diejenigen, die in Lahore leben, und diejenigen, die aus dem Ausland gekommen waren. Die Familien Raza, Mubashrah und Qasim, die Eltern von Haider, und seiner beiden Schwestern, von denen eine mit ihrem Mann und ihren drei kleinen Kindern aus Dallas gekommen war, nicht mitgezählt. Einige, die aus dem Ausland anreisten, waren noch gar nicht eingetroffen, dennoch waren wir schon sehr viele. Sohail Shaji, der älteste Sohn meiner Schwester, war mit seiner Frau Iram aus Kirgisistan gekommen, wo er Kanzler einer vom Aga Khan gegründeten Universität ist. Der Aga Khan selbst hatte ihn für diese Aufgabe ausgewählt. Shazil, das älteste der drei Kinder von Shaji und seine Frau, die vor kurzem geheiratet haben und in New York leben, waren mit demselben Flugzeug von Doha nach Lahore gereist wie ich. Der jüngste Sohn war leider wegen Covid in New York geblieben. Die Tochter, Aleena, wunderschön, wie ohne Ausnahme alle Töchter und Enkelinnen, ist voller Temperament. Ein echter Charakter. Dann war da noch Farvah, die zweite Tochter meiner Schwester, zusammen mit ihrem Mann Imran und drei ihrer Kinder. Es fehlte noch einer der Söhne, der gerade begonnen hatte, in Burundi für eine NRO zu arbeiten. Er hatte etwa 40 Stunden auf einem Flughafen in Nairobi gewartet, weil es Komplikationen mit seinem PCR-Test gegeben hatte. Faisal, der zweite Sohn und ein renommierter Anwalt in Lahore, geschieden und wiederverheiratet, hat insgesamt vier Kinder. Die beiden älteren waren noch auf dem Weg aus Kanada, aus Montreal und Toronto. Seine neue Frau ist eine Schauspielerin und TV-Persönlichkeit. Das ist alles sehr beeindruckend, denn sie betreibt obendrein eine sehr erfolgreiche Kosmetiklinie. Die dritte Tochter, Munazzah, die ihrer Mutter am ähnlichsten sieht, lebt zwischen Lahore und Karatschi. Nachdem sie viele Jahre in den Vereinigten Staaten verbracht hatte und für US-Banken tätig war, arbeitet sie jetzt für eine pakistanische Bank. Ihre beiden reizenden Töchter waren ebenfalls mit mir auf dem Flug von Doha. Ijlal, der jüngste Sohn meiner Schwester, war noch auf dem Weg von Singapur, wo er Professor ist. Titu – oder T2 – ist der Adoptivsohn der Familie, der Sohn einer von Afzels Schwester, die bei einem Unfall starb, als er noch ein Kind war. Er hat eine beeindruckende Karriere Lahores Medienbranche aufgebaut. Er leitet seinen eigenen sehr beliebten und einflussreichen TV-Sender sowie Zeitungen usw. Er ist mit einer reizenden und schönen jungen Frau, Varda, verheiratet und hat vier Kinder. Varda hat Medizin studiert und ist Radiologin. Das Haus meiner Schwester mit seinen sechs Schlafzimmern war zum Bersten voll. Die Familienmitglieder, für die kein Platz mehr war, wurden bei Verwandten und Freunden untergebracht.

An diesem ersten Tag meines Besuchs war das Wetter eher kühl, aber strahlend sonnig.  Shaji nahm mich mit auf einen Spaziergang durch den großen und schön angelegten Garten. Er hat eine große Rasenfläche mit einem Mangobaum in der Mitte. Entlang der Begrenzungsmauern gibt es jede Menge Sträucher und Blumen. In einer der Ecken befindet sich es ein großes Beet, das der spektakulären Amaryllis gewidmet ist, aber es war nicht ihre Zeit zu blühen. Es gab einige kleine Zitronenbäume, eher Sträucher als Bäume, mit winzigen, sehr dekorativen Zitronen. Ich habe ein paar davon mit nach Madrid genommen, um zu sehen, ob sie auch in Mezalde gedeihen, was eine angenehme Überraschung wäre. Nach 20.00 Uhr gingen wir zum Haus von Haiders Eltern, wo die ganze Familie und alle Freunde versammelt waren – Alt und Jung. Alle trugen westliche Kleidung, alle jungen Leute in Jeans. Die Älteren waren elegant gekleidet und die Frauen mit Schmuck behangen. Von Natasha (die trotz ihres russischen Namens rein pakistanisch ist) wurde nicht erwartet, dass sie an diesem Abend in Erscheinung tritt. Später erfuhr ich, dass unsere Gastgeber nicht mit einem so großen Andrang an diesem Abend gerechnet hatten. Als sie sahen, dass wir in Massen kamen, bestellten sie bei einem Caterer zusätzlich Essen. Innerhalb einer Stunde war dieser dann vor Ort und zauberte ein herrliches Buffet auf den Tisch. Es erschien mir sprichwörtlich wie Zauberei, denn alles, was man im Westen so hätte so kurzfristig bekommen können, wären ein paar Pizzen gewesen.

Welch´ Freude und was für ein Lachen! Die Frauen tanzten zu den Klängen des Plattenspielers. Moderne Musik. Plötzlich wurde der Donauwalzer aufgelegt, bei dem auch ich aufstand und mich ein paar Mal im Kreise drehte, natürlich mit Linksdrehung, wie es sich für eine ehemalige Wiener Debütantin gehört. Die drei Urenkel meiner Schwester, die aus Dallas angereist waren, hüpften aufgeregt von hier nach dort und überall herum. Das jüngste, ein kleines Mädchen, war gerade einmal 2 Jahre alt. Kinder nehmen, wie ich sehen sollte, an allen Festlichkeiten teil. Unser Gastgeber, Qasim, hatte auf der Terrasse zwei große Feuer angezündet, was uns sehr willkommen war, denn die Nacht war kalt und feucht.

Montag, 20. Dezember 2021
Es war wieder ein sonniger Tag und wir saßen draußen in dem schönen Garten, der von einem eigenen Gärtner gepflegt wird. Hier, im Punjab (persisch: fünf Flüsse), im Tal des Ravi, eines Nebenflusses des Indus, wächst alles in Hülle und Fülle. Der Boden gilt als einer der fruchtbarsten der Welt.

Nachdem wir es alle sehr genossen hatten in der Sonne zu sitzen, wurde das Mittagessen im Haus serviert. Wir waren etwa vierzehn Personen, die um den Tisch im Esszimmer saßen. Die jüngeren Leute aßen alle in einem der beiden Wohnzimmer, viele von ihnen auf dem Boden sitzend, wie es in Pakistan üblich ist. An diesem Abend gab es wieder eine große Party. Sie fand wieder im Haus von Haiders Eltern statt und wurde von seinen Onkeln Shaji und Faisal großzügig ausgerichtet. Von heute an trugen die Frauen jeden Tag andere, prächtige Kleider. Der Innenhof des Hauses war mit Blumen und Lichtern wunderschön geschmückt. Eine Band spielte auf Hochtouren, und sofort tanzten alle fröhlich. Jung, alt und auch die Kinder. Das kleine Mädchen von zwei Jahren trug wunderschöne Kleider – eine Miniaturausgabe dessen, was ältere Mädchen und Frauen tragen würden, nur ohne das Tuch. Und zu jeder Party gehört ein prächtiges Buffet (die Superlative häufen sich in dieser Geschichte, aber es ist einfach die schlichte Tatsache).

Dem Essen wird nicht viel Zeit gewidmet, etwas, das mir schon bei meinem ersten Besuch in Pakistan aufgefallen war. Einige Leute essen im Sitzen, aber die meisten bleiben stehen, was erklärt, warum die Mahlzeiten immer so zubereitet werden, dass kein Besteck benötigt wird. Die größte Attraktion des Festes ist immer das Tanzen.

Dienstag, 21. Dezember 2021
Am Morgen brachte Farvah Ijlal und mich in das Dorf, in dem die Familie Naqvi einen Bauernhof besitzt. Dort werden Reis und Weizen angebaut. Afzel hatte mit der Anpflanzung von Teakbäumen experimentiert. Auf dem Hof wurde von der Familie ein kleiner privater Friedhof angelegt, auf dem Afzel begraben ist. Der kleine Friedhof ist relativ neu, denn die Familie Naqvi hatte 1947, im Zuge der Teilung des Landes, ihren  gesamten Besitz in Patiala, einem Teil des heutigen Punjab in Indien, verloren. Als Entschädigung wurde ihnen ein Stück Land im pakistanischen Teil des Punjabs zugesprochen, wo sich dieses Dorf befindet. Der Friedhof besteht aus etwa fünf oder sechs schlichten Gräbern aus Zement. Das Grab von Afzel war nur noch ein Erdhügel. Es war sein Wunsch, unter dem Baum am Fuße des Grabes seines Vaters begraben zu werden. Die Enkelkinder, die mich im Flugzeug begleitet hatten, waren alle bereits am Vortag auf dem Friedhof gewesen. Nur Ijlal, der jüngste Sohn meiner Schwester, der gestern Abend aus Singapur eingetroffen war, hatte ihn noch nicht besucht. Wegen der strengen Covid-Beschränkungen im August hatte er nicht an der Beerdigung seines Vaters teilnehmen können. Afzel hatte in dem Dorf eine Mädchenschule gegründet und großzügig zum Unterhalt von zwei weiteren lokalen Schulen beigetragen. Ein Projekt, das nun von seinen Kindern weitergeführt wird. Bevor ich das Dorf wollte ich noch die Mädchenschule besichtigen. Farvah begleitete mich freundlicherweise. Es war ein günstiger Zeitpunkt für den Besuch, denn alle Mädchen hatten gerade unterrichtsfrei und waren draußen, um sich zu erholen. Die Schule wird von etwa 475 Mädchen besucht. Ich dachte, das sei eine beeindruckende Zahl für ein einfaches Dorf, doch ein pakistanisches Dorf ist nicht mit Dörfern in Europa zu vergleichen, die nur aus einem Kern von ein paar Häusern bestehen. Und wenn wir an Spanien denken, so gibt es heute in vielen kleinen Dörfern oft nur noch wenige Einwohner. Hier hingegen wirkte das Dorf eher wie eine sich ausbreitende Stadt, in der Tausende von Menschen leben. Das Schulgebäude hat einen quadratischen Grundriss. Es hat nur ein Stockwerk und die Klassenzimmer liegen zum zentralen Hof hin. Im Freien gibt es einen großen Spielplatz für die Kinder. Als wir ihn besichtigten, wurden wir sofort von einer Gruppe kleiner Mädchen angesprochen, die uns Besucher neugierig beäugten. Ihre liebenswerten kleinen Gesichter hatten riesige schwarze Augen und waren von einem breiten Lächeln umspielt. Wir machten einen kurzen Rundgang durch die Klassenzimmer, wobei mir auffiel, dass fast alle einen moralisierenden oder mahnenden Spruch auf ein Stück Papier geschrieben und über die Tür oder an eine unübersehbare Stelle geklebt hatten. Viele waren auf Englisch, wie zum Beispiel “Silence is Golden”. Ich war von der Arbeit, die in dieser Dorfschule geleistet wird, sehr beeindruckt und noch mehr, als ich an die traurige Situation der Frauen im benachbarten Afghanistan dachte.

Nach diesem Besuch verließen wir das Dorf. Es ist eine willkürliche Ansammlung von kleinen Gebäuden aus Lehm und Ziegeln. Die Straße war sehr holprig. Büffel saßen wiederkäuend am Straßenrand auf kleinen Parzellen. Winzige Esel zogen Karren mit riesigen Lasten. Und, wie man es in Lahore oft sieht, fuhren ganze Familien, drei oder mehr, auf kleinen Motorrädern. Und noch etwas ist erwähnenswert: Nicht weit vom Spielplatz der Mädchenschule steht ein riesiges weißes Haus, das alle anderen Gebäude überragt. Es gehört einem Einheimischen, der in seine Heimat zurückgekehrt ist und dafür einen großen Teil seiner Ersparnisse, die er in Saudi Arabien oder einem anderen ölreichen Land am Golf machte, aufgebraucht hat. Es ist der Traum vieler Pakistani bescheidener Herkunft, ein pompöses Haus zu bauen, sei es in der Stadt oder in dem abgelegenen Dorf, aus dem sie stammen.

An diesem Abend fand wieder im Haus von Haiders Eltern die Zeremonie des „Milad“ statt. Sie wird nur von Frauen besucht. Eine Sängerin saß, an der Seite ihrer Mutter, auf dem Sofa im Wohnzimmer und sang Lieder zu Ehren des Propheten. Die Frauen und Mädchen umringten sie auf dem Boden sitzend, für die älteren Frauen gab es Stühle. Als wir ankamen war die Veranstaltung bereits in vollem Gange und dauerte noch etwa eine Dreiviertelstunde lang. Die Sängerin hatte eine tiefe kräftige Stimme. Ein Teil des Gesangs schien mir Ähnlichkeit mit dem Cante jondo zu haben (ein für Andalusien typischer Gesang, in dem tiefe Gefühle zum Ausdruck gebracht werden). Nach diesem feierlichen und rituellen Teil des Abends wurde die Party mit einem Buffet fortgesetzt, zu dem ständig Verwandte und Freunde kamen, um Hallo zu sagen. Natasha hatte an diesem Abend einen kurzen Auftritt. Sie war ganz in Gleb gekleidet, die Farbe, die die Braut traditionell bei den Feierlichkeiten vor der Eheschließung trägt.

Mittwoch, 22. Dezember 2021
An diesem Tag haben wir alle die Altstadt von Lahore besucht. Alles war sehr gut organisiert. Wir wurden in einem Bus mit Reiseleiter gefahren. Er gab uns Kopfhörer, und wir bewegten uns als große Familiengruppe. Zuerst besuchten wir das Shahi Hammam – die königlichen Bäder. Das Hauptbad war mit Blumen und Vögeln geschmückt. In die Kuppel waren sogar Engel gemalt, so dass die Badenden beim Blick nach oben das Gefühl hatten, im Paradies zu sein. Zurzeit, als die Kaiser hierherkamen um zu baden, waren die Bäder auf dem Höhepunkt ihrer Pracht. Nach und nach verfielen sie und wurden nicht mehr genutzt. Zu einem anderen Zeitpunkt dienten sie als Schule. Schließlich und glücklicherweise kam ein norwegisches Unternehmen zu ihrer Rettung und restaurierte dieses außergewöhnliche Gebäude auf großartige Weise. Anschließend machten wir einen Spaziergang durch die Straßen, von denen einige so eng waren, dass man sie nur im Gänsemarsch passieren konnte. Wir hielten an einem der Stände, die auf dem Markt Reis verkauften. Es gab große Zylinder, die viele verschiedene Arten von Basmati-Reis enthielten. Der beste Basmati-Reis der Welt kommt aus dem Punjab. An derselben Stelle, wo die Straße etwas breiter wird, hatte ein Mann einen großen, luftigen Vogelkäfig in Form eines umgedrehten Kegels angebracht. Er war nicht aus Draht, sondern aus Maschendraht gefertigt. Darin befanden sich etwa 20 Spatzen. Ich dachte, gebraten wären sie ein kleiner Snack. Aber nein, ein Irrtum: Die Leute kaufen die Vögel, um ihnen die Freiheit zu schenken. Was für eine schöne Idee und liebevolle Geste! Ich bin mir nicht sicher, ob es Glück bringen soll oder es sich nur um einen symbolischen Akt handelt.

Als wir unseren Weg fortsetzten, kamen wir an eine Straße mit bunten Rikschas, die den Isocarros ähneln, die man früher in Spanien nur für den Transport von Gütern benutzte und die seit kurzem wieder für den Transport von Touristen benutzt werden. Vor allem in Madrid ist es eine bequeme Art, den Buen-Retiro-Park zu erkunden. Wir hielten an und stiegen aus den Rikschas aus, um die wunderschöne Wazir-Khan-Moschee, die nicht prunkvoller sein könnte, zu bewundern. Sie ist mit Mosaiken bedeckt, die auf Ziegeln verlegt sind. Im Hauptinnenhof gibt es ein Becken für die Waschungen. Wir fuhren mit Rikschas zurück und sahen einige der zwölf Stadttore der Altstadt. Dann erreichten wir das berühmte Fort – Shahi Qila -, das gegenüber der Badshahi-Moschee liegt, die lange Zeit die größte Moschee der Welt war. Die Moschee und ihr Innenhof bestehen aus rotem Sandstein, der von weit her herbeigeschafft werden musste, da Lahore in einer Schwemmlandebene liegt. Die Moschee ist mit weißem Marmor verziert. Sie stammt aus dem 17. Jahrhundert. Das aus dem 16. Jahrhundert stammende Fort wurde größtenteils im 17. Jahrhundert umgebaut, als das Mogulreich am mächtigsten war. Die Konstruktion des Tors ermöglichte es dem Kaiser, es auf einem Elefanten sitzend zu passieren. Der Bus wartete dann neben einem historischen Gebäude, das heute ein Restaurant ist und dessen dreistöckige Fassade aus leuchtend blau gestrichenem Holzfachwerk besteht. Ganz in der Nähe befand sich ein Stand zum Braten von Hühnern. Er fiel mir ins Auge, weil die Hühner nicht waagerecht, sondern senkrecht auf den Spieß gesteckt waren. Wenn ich jetzt die Übersetzung meines Berichts ins Englische lese, für die ich Minah zu Dank verpflichtet bin, wundere ich mich erneut über diesen Unterschied, so trivial er auch ist.   Die Beschreibung der faszinierenden Altstadt und der wichtigsten historischen Denkmäler von Lahore ist deshalb sehr reduziert, weil ich bereits vor 40 Jahren einen ausführlichen Bericht über die Details geschrieben hatte. Dank Shaji konnte ich damals auch die legendären Shalamar-Gärten besuchen. Auf der Rückfahrt zum Haus meiner Schwester gerieten wir in einen gewaltigen Stau. Myriaden von Motorradfahrern schlängelten sich gekonnt zwischen den Autos hindurch, meist mit mehr als einem Beifahrer; Schutzhelme waren selten. Es war gut, nach einem Tag voller faszinierender Sehenswürdigkeiten und Eindrücke wieder zu Hause zu sein. Dieser Abend stellte eine Ausnahme dar, denn es war keine Veranstaltung oder Feier geplant: So haben wir uns alle gut ausgeruht.

Donnerstag, 23. Dezember 2021
Wie bereits erwähnt, halten die Familien von Braut und Bräutigam vor der Hochzeit ihre Feiern traditionell getrennt ab – speziell für ihre eigene Familie, ihre Verwandten und Freunde. Aber die Zeiten haben sich geändert, und so luden Natashas Eltern auch Haiders Familie zu der Feier ein, die sie an diesem Abend in ihrem Haus gaben. Farvah ging in Vertretung der Familie Naqvi hin und da ich gerne an allen Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Hochzeit teilnehmen wollte, begleitete ich sie. Das Haus von Natashas Eltern – Danish und Ayesha Monnoo – ist im großen Stil sehr modern und hat einen sehr großen zentralen Innenhof. Es wurde hauptsächlich von Ayesha entworfen. Neben dem Haus befindet sich ein weitläufiger Garten mit schönen Palmen, der von einer breiten, gepflasterten Straße flankiert wird, die so angelegt ist, dass sie die Einfahrt und das Parken vieler Autos erleichtert. Wir wurden herzlich willkommen geheißen. Ayesha ist ausnehmend charmant. Natashas Kleidung war an diesem Abend sehr elegant, sie trug eine schwarze Matrosenhose und ein gelbes Oberteil. Meine Nichte Farvah, die seit langem in den USA lebt, kannte weder Familienmitglieder noch Gäste, doch in der fröhlichen Atmosphäre mischten wir uns bald unter die anderen Gäste. Wieder gab es ein exquisites Buffet, was nun schon tägliche Gewohnheit war. Ich muss an dieser Stelle hinzufügen, dass Essensreste dieser üppigen Buffets immer an Bedienstete und Arme verteilt werden. Wir waren nur für kurze Zeit auf der Party, es war ja nur ein Höflichkeitsbesuch als Antwort auf die freundliche Einladung. Ich möchte den Bericht über den heutigen Tag nicht so kurzhalten und denke, es ist angebracht, ein paar Worte über die Familie Monnoo hinzuzufügen. Ich hatte das unerwartete Vergnügen, Natasha Mitte November kennenzulernen, als sie mit ihren Eltern auf einer Reise nach Zürich, Madrid und London war. Später erfuhr ich, dass sie ihre Eltern auf einer Geschäftsreise begleitet hatte. Monnoo ist und war ein sehr bekannter Familienname in Pakistan, vor allem in der Textilbranche. In Pakistan ist Monnoo das, wofür in Frankreich im 20. Jahrhundert Boussac stand: Textilien und prächtige Rennpferde. Ich weiß nicht, ob das auch bei Danish Monnoo der Fall ist. Nachdem Ali Bhutto in den 1970er Jahren in Pakistan an die Macht gekommen war, begann er mit der drastischen Verstaatlichung von Unternehmen, wovon auch die Familie Monnoo stark betroffen war. Wie Natasha mir einmal bei einem Besuch erzählte, hatte man der Familie 24 Stunden Zeit gelassen, um mit nichts weiter als dem Hemd am Leib zu verschwinden. Zuerst verbrachten sie einige Jahre in Irland, dann in England, und als die Herrschaft von Ali Bhutto endete, kehrten sie nach Pakistan zurück. Danish Monnoo ist, ganz im Sinne der Familientradition, ein großer Geschäftsmann. Soweit mir bekannt ist, hat er seine Geschäftsfelder auch auf die Landwirtschaft ausgedehnt – insbesondere auf Mangos, eine Frucht, die im Westen immer beliebter wird.

Freitag, 24. Dezember 2021
Ein weiterer Großneffe reiste an diesem Tag aus New York an. Ich glaubte mich zu erinnern, dass es Taimur war – der bärtige Bräutigam der zweiten Hochzeit und ältester Sohn von Farvah und Imran. In Wirklichkeit war es jedoch ihr jüngster, Tipu. Dank an Minah für die Richtigstellung. Bei der enormen Anzahl an Großnichten und -neffen passieren solche Verwirrnisse schon mal. Bereits tagelang herrschte reges Treiben im Garten meiner Schwester. Auf dem Rasen wurde ein riesiges Zelt aufgebaut, das sogar den Mangobaum bedeckte. Es war für die Feier am ersten Weihnachtsfeiertag gedacht, an dem die beiden Schwestern Farvah und Munazzah ein großes Fest für ihren Neffen geben wollten. Ich habe einen Großteil des Tages damit verbracht Weihnachtswünsche via E-Mails und WhatsApp auszutauschen. Die ganze Familie, einschließlich Natasha und Anum, Taimurs Verlobte, versammelte sich an diesem Abend im Haus meiner Schwester, um zu feiern. Im Wohnzimmer wurde ein großer künstlicher Weihnachtsbaum aufgestellt, den jemand einmal aus den USA mitgebracht hatte. Der Baum war mit Lichtern und Lametta dicht behangen, die keinen noch so kleinen Raum für eine zusätzliche Verzierung ließen. Die sieben anwesenden Kinder befanden sich in einem beispiellosen Zustand der Aufregung und Vorfreude. Und das aus gutem Grund, denn der Raum hatte sich in ein Meer von Geschenken verwandelt. Geschenke, Geschenke, Geschenke! Für jeden ein Berg an Geschenken. Jeder wurde mit Geschenken überhäuft, auch ich, die „Khala“ (Tante in Urdu). Meistens packte ich wunderschöne Schals aus, eines der wichtigsten Kleidungsstücke der pakistanischen Frauen. Die Großzügigkeit des pakistanischen Volkes ist grundsätzlich beeindruckend, wie ich in den folgenden Tagen noch schätzen lernen sollte. Dieser besondere Weihnachtsabend, den ich weitab der Heimat in einer einzigartigen islamischen Umgebung feierte, machte mir nachdrücklich bewusst, dass Gott allgegenwärtig ist und sich in dem Wunder einer so geeinten und beispielhaften Familie manifestiert. Die große Liebe und Zuneigung, die unter den zahlreichen Mitgliedern und Nachkommen der Familie Naqvi herrschte, brachte mir die Worte des himmlischen Chors in Bethlehem in Erinnerung: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind. Und ich stand da, erfüllt von dem Wunder des Augenblicks und mit dem Jesuskind im Herzen.

Samstag, 25. Dezember 2021 – Weihnachtstag
An diesem Tag erreichten die fieberhaften Vorbereitungen für die Party im Garten ihren Höhepunkt. Das Zelt war für das Tanzen mit einem leicht erhöhten Boden ausgestattet worden. Der verbleibende Raum, der nicht von der Tanzfläche eingenommen wurde, war vom Rasen abgetrennt und mit Teppich ausgelegt. Zahlreiche Stühle und sogar einige Sofas und Sessel wurden dort aufgestellt. Die Band erhielt einen erstklassigen Platz zugewiesen. Das Buffet sollte draußen neben dem Zelt aufgebaut werden. Um den Zugang zu erleichtern, wurde die gesamte, dem Buffet zugewandte Seite des Zelts unbedeckt gelassen. Die Vorbereitungen liefen den ganzen Tag über ununterbrochen. Das Zelt sah prächtig aus und war mit roten Rosen und Ringelblumen üppig geschmückt. Rot und Gold – weit weg von zuhause feierte ich in den Farben der spanischen Flagge! Gegen 19 Uhr trafen die ersten Gäste ein. Es war Samstag, und an diesem speziellen Samstag im Dezember fanden unzählige Hochzeiten oder Vorfeiern für Hochzeiten statt. Hochzeiten werden fast ausschließlich im Winter gefeiert, von Mitte Dezember bis etwa Anfang März. Denn danach wird die Hitze unerträglich. Bei den vielen Partys, die an diesem Abend stattfanden, kamen einige der geladenen Gäste nur kurz vorbei um die Gastgeber zu begrüßen und um dann gleich wieder weitere Veranstaltungen im selben Modus zu besuchen. Der Garten wirkte an diesem Abend, auch dank der besonderen Beleuchtungseffekte, irgendwie magisch. Bald war die Party in vollem Gange. Zu Beginn setzten sich die jungen Mädchen in die Mitte der Tanzfläche und sangen zur Begleitung einer Trommel Lieder. Die älteren Leute blieben stehen oder nahmen auf den Stühlen, Sesseln und Sofas Platz. Alle waren in lebhafte Gespräche vertieft. Was das köstliche Buffet anbelangt, so faszinierte mich vor allem der Tandoori, in dem in rasender Geschwindigkeit Fladenbrote, genannt „Naan“ zubereitet wurden. Dieser Ofen hat die Form eines überdimensionalen Kruges und ist mit einer Metallschale bedeckt. Er wird mit Glut am Boden beheizt – oder, was heutzutage wahrscheinlicher ist, mit Gas oder Strom. Die Hitze ist extrem und im Handumdrehen sind die Brote fertig. Die Zubereitung von Naan ist eine Kunst. Diejenigen, die sie beherrschen, können Naan nur mit bloßen Händen einlegen und herausnehmen! In der Regel wird dazu die Hilfe eines Stocks benötigt. Die Köche und das Personal freuten sich über mein Interesse und ich habe davon ein paar Fotos geschossen, die jedoch die außergewöhnliche Kunstfertigkeit nicht wiedergeben können. Natürlich hätte ich besser ein Video machen sollen, aber das ist purer „esprit d’escalier„.

Wie kann ich die Kleidung beschreiben? Jeden Abend übertrafen sich die Frauen aufs Neue und erschienen in verschiedenartigen prächtigen Outfits. Ich weiß nicht, ob es sich um die neueste Mode handelte, aber mir fielen die Hosen auf, die unten so weit waren, dass sie wie Röcke aussahen. Ich fragte Mubashrah danach, und sie sagte mir, dass ihr Kleidungsstück des Abends aus zehn Meter chinesischem Satin angefertigt worden war!

Sonntag, 26. Dezember 2021
Ich ging gegen 1 Uhr nachts ins Bett und schlief bis etwa 11 Uhr morgens – das, was Jose Manuel als „grasse matinée“ bezeichnete. Ich tat praktisch nichts, als mich auf die Hochzeit – die Nikkah – am Abend im Haus der Braut vorzubereiten. An diesem Abend trugen die Männer der Familie die für das Land typische Kleidung: weiße, locker sitzende Hosen, die von einer Tunika, genannt Kurta, bedeckt waren. Dieses Kleidungsstück wurde speziell für jeden einzelnen in verschiedenen Farben angefertigt. Darüber wurde entweder eine Weste oder Jacke getragen. In der Familie meiner Schwester ist der typisch österreichische Stil sehr beliebt.

Bevor ich Spanien verlassen hatte, hatte ich mit meinen Freunden viel über die bevorstehenden Hochzeiten gesprochen und darüber, ob ich überhaupt in der Lage sein würde wegen der Pandemie dorthin reisen zu können. Um ehrlich zu sein hatte ich wegen der neuen Omikron-Variante bis zum letzten Moment daran gezweifelt. Selbst am Vorabend der Abreise fragte ich im Reisebüro, ob der Flug nicht doch gecancelt worden sei. Hatte ich meinen Freunden geschildert, dass ich ein Erlebnis wie aus Tausendundeiner Nacht vor mir hätte, so hatten die bisherigen Vor-Feierlichkeiten bereits alle meine Erwartungen mehr als erfüllt. Doch die eigentliche Hochzeit übertraf alles. Nur mit einem Einritt des Bräutigams auf einem Elefanten ins Haus der Braut (wie es früher manchmal geschah), wäre alles noch zu toppen gewesen. Jetzt wurde der Elefant durch einen prächtigen weißen Rolls Royce ersetzt. Das Haus und der große Garten von Natashas Eltern waren in ein Meer aus Blumen und Lichtern verwandelt worden. Am Eingang zum Haus standen auf beiden Seiten hohe Palmen, an deren schlanken Stämmen sich Lichterketten emporrankten. Im Inneren des Hauses schufen die Blumen und die Beleuchtung eine märchenhafte Atmosphäre. Der Blickfang war die kunstvolle Rotunde, ein Pavillon aus weißen Blumen, der die Braut noch vor den Blicken der Gäste verbarg. Sie saß im Inneren (wie ich später sehen konnte, auf einer mit weißer Seide bezogenen Bank). Wir, Haiders Familie, wurden zu dem uns zugewiesenen Platz begleitet, um der Beurkundung des Ehevertrags beizuwohnen. Ich betone, dass es sich dabei um einen rein zivilrechtlichen Vertrag handelt, der von den Eltern des Paares separat geschlossen wird. Zu Beginn also die Braut auf der einen Seite des Hauses, in Nataschas Fall unter einem spektakulären Blumenpavillon, und Haider in einem anderen Teil des großen Hauses, umgeben von Eltern und engen Verwandten. Haider, sehr groß und von vornehmer Erscheinung, erstrahlte an diesem Abend in traditioneller Hochzeitskleidung. Sie bestand aus einer schlichten cremefarbenen Jacke, lang und schmal, und der typischen schmalen weißen Hose. Die Schuhe, die eher wie exquisite, goldbestickte Pantoffeln aussahen, waren an den Zehen nach oben gebogen, so, wie man sie aus Ali Baba kennt. Das Exotischste von allem war der Turban, ebenfalls cremefarben, gekrönt von einem Stück gestärktem Stoff in selber Farbe, das wie ein Fächer gefaltet war. Im Nacken, dort, wo der Turban endete, war ein hauchdünnes gerafftes Stoffstück befestigt, das zum Teil über den Rücken hing. Der Bräutigam, der ohnehin schon groß und stattlich ist, sah in diesem Outfit wie ein Märchenprinz aus. Es wimmelte nur so von Fotografen. Alles ging sehr gemächlich vonstatten.  Häppchen wurden gereicht. Obwohl es sich um eine standesamtliche Trauung handelte, mussten wir auf den Mullah warten, der uns seinen Segen gab. Schließlich kam dieser, ein alter, kleiner, pummeliger Mann, der mit einem Stock ging. Um die Papiere zu unterschreiben setzte er sich auf dasselbe Sofa wie der Bräutigam und der Vater der Braut. Danach erhob er sich und ging zu der Blumenrotunde, die die Braut umgab. Er kehrte zurück und setzte sich wieder auf das Sofa, wo er zur Lobpreisung Allahs mit leiser Stimme Verse aus dem Koran zu singen begann. Nachdem dies geschehen war, verließ der Mullah den Raum und der große Moment der Begegnung der Frischvermählten war gekommen. Der Tradition nach sollte dies der erste Moment der Begegnung sein. Wir alle begleiteten Haider zum Pavillon, wo der Blumenvorhang zur Seite gezogen worden war und Natascha, anmutend wie eine Schönheit aus einer persischen Miniatur, umgeben von ihrer Familie, wartete. Ihre Mutter war in Tränen aufgelöst. Haider setzte sich an die rechte Seite seiner Frau. Noch immer war das Gesicht der Braut mit einem Schleier verhüllt. Ein langer Spiegel wurde in den Schoß des Brautpaares gelegt. Mit gesenktem Kopf und unter Abnehmen des Schleiers sahen sie sich zum ersten Mal in dem Spiegel. Viele Fotos wurden geschossen. Abgesehen davon, dass ich Natasha in ihrem Hochzeitskleid mit einer persischen Miniatur vergleiche, überlasse ich es den Fotografen die Schönheit und Eleganz der Braut zu dokumentieren. Alle drängten dem Brautpaar zu gratulieren und, umringt von Natashas Eltern und Verwandten, sich auf einem gemeinsamen Foto zu verewigen. Eine immense endlose Fotosession im Rausch von Freude und Glück. Hie und da liefen die Kinder von Haiders älterer Schwester, die in Dallas lebt, umher. Die beiden Jungen, 4 und 5 Jahre alt, waren wie Miniatur-Bräutigame gekleidet, ebenfalls mit Turbanen. Es war ein entzückender Anblick. Mein Handy hatte ich an diesem Abend nicht mit, weil ich auf die Profiaufnahmen des Berufsfotografen vertraute.

Das Abendessen fand in dem geräumigen Innenhof des Hauses statt. In der Mitte der vielen langen Tische aufgereiht, befanden sich wunderschöne Blumenarrangements, die an den schmalen Enden bis auf den Boden reichten. Es war eine atemberaubende und prächtige Dekoration, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Was das Essen betrifft, so konnte man zwischen pakistanischen Gerichten, Sushi und Pekingente wählen. Es gab viele Tische, aber die meisten jungen Leute zogen es vor, beim Essen zu stehen. Man setzte sich einfach hin, wann und wo man wollte. Keine Sitzordnung, kein Protokoll.

Im Haus stand ein exotischer Baum mit großen runden Blättern. Auch er war spektakulär dekoriert worden. An den Enden seiner Äste waren verschiedene Blumensträuße befestigt, die so aussahen, als würden sie tatsächlich aus den Ästen blühen. Der Baum stand ein wenig hinter der Blumenrotunde der Braut.

Bei einer östlichen Hochzeit ist dieser Abschied des Brautpaares ein Moment extremer Emotionen, was bei westlichen Hochzeiten in der Regel nicht der Fall ist. Im Westen konzentriert sich in der Regel alles auf einen Tag: Auf die religiöse/zivile Zeremonie folgt ein Bankett und dann wird bis in die frühen Morgenstunden getanzt. Obwohl die Ehe von Haider und Natasha meines Wissens nach nicht arrangiert war, sondern aus Liebe geschlossen wurde, ist die Braut beim Verlassen ihres Elternhauses immer noch von starken Emotionen durchdrungen. Früher wäre sie in ein völlig neues Leben gegangen, in dem ihr alles und jeder unbekannt war… Nun war er also da, der Höhepunkt, die Abreise des Brautpaares aus dem Haus der Brauteltern. Anders als bei westlichen Hochzeiten bedeutete dies jedoch nicht, dass sie das Haus verließen und auf der Stelle sich selbst überlassen waren. Der große Tag war für diese Frischvermählten noch nicht vorbei. Haider und Natasha stiegen in den großen weißen Rolls und machten sich auf den Weg zu Haiders Elternhaus. Und wir, Haiders engere Familie, waren ganz dicht dran.

Obwohl das Auto des Brautpaares zuerst abfuhr, fuhr der Fahrer langsam, damit die Familie vor dem Paar ankommen, um es im Haus in Empfang nehmen zu können. Und so ging die Feier mit Haiders engsten Familienmitgliedern weiter. Die Frischvermählten trafen genau zum richtigen Zeitpunkt ein. Alle Familienmitglieder waren da und bereit, sie zu begrüßen. Es wurden Tabletts mit köstlichen Süßspeisen aufgestellt. Die Party ging weiter.

Nun fand ein weiteres Ritual statt: Haider und Natascha saßen auf dem Sofa, umringt von den jüngeren Familienmitgliedern und den älteren, die auf Stühlen saßen. Eine kleine Schale mit einer dicken, weißen Mischung, die wie Milchreis oder etwas Ähnliches aussah, wurde gebracht und vor das Brautpaar gestellt. Eine kleine Menge wurde in Natashas Handfläche gegeben. Haider neigte den Kopf und leckte es von ihrer Hand ab. Das Gleiche wird dann später üblicherweise umgekehrt gemacht. Sie folgte diesem Beispiel jedoch nicht. Schließlich verließen die Frischvermählten das Haus, um die Nacht in einem Hotel zu verbringen. Ihre Abreise verlief nicht ohne Überraschung, denn plötzlich ertönten Schüsse. Sie wurden von Haiders Onkel abgefeuert, der in der Nachbarschaft seiner Eltern wohnt. Er hatte beschlossen, dem Paar einen mitreißenden Abschied zu bereiten. Das kam für uns alle völlig unerwartet und sorgte kurzzeitig für Verwirrung und Unruhe. Der Rest der Familie blieb noch ein wenig länger. Schließlich gingen auch wir. Ich war voller unvergesslicher Eindrücke, was mich aber nicht daran hinderte, sofort einzuschlafen.

Montag, 27. Dezember 2021
An diesem Abend fand im Haus von Natashas Eltern ein Ball statt! Ein abruptes Ende der Feierlichkeiten war noch nicht in Sicht. Am Tag nach der Nikah, der eigentlichen Hochzeit, gingen die Feierlichkeiten fröhlich und in vollem Gange weiter. Wie ich es bisher in diesem Bericht getan habe, möchte ich auch hier kurz erwähnen, wie der Tag danach für die Braut begann: Ihre Schwestern kamen ins Haus ihrer Eltern und Schwiegereltern, um ihr das Frühstück zu bringen. In seinem traditionellen Kontext betrachtet, ist dies ein Brauch, den ich als äußerst delikat und rührend empfinde. Abgesehen von der Tradition und angesichts der Tatsache, dass Natasha keine Schwester, sondern nur einen Bruder hat. Ich vermute, dass sie in diesen modernen Zeiten und in einem Hotel auf diesen liebenswerten Brauch verzichtet hätte. Traditionell wird am Abend nach der Nikah, im Haus der Eltern des Bräutigams, die Valima (die Vollendung der Hochzeit) gefeiert. In diesem Fall wurde die Valima drei Tage später abgehalten.

Da tagsüber nichts Besonderes los war, dachte ich, ich könnte mich bei einem Spaziergang durch den nahegelegenen Park ein wenig bewegen. Das Haus, oder besser gesagt, der Garten des Hauses meiner Schwester, grenzt an eine Schnellstraße. Gleich auf der anderen Seite befindet sich ein Gemeindepark. Am Nachmittag überredete ich Ijlal, den jüngsten Sohn meiner Schwester, mich in den Park zu begleiten. Nach einem kurzen Stopp inmitten des vierspurigen Verkehrs machten wir uns auf den Weg zu einem der zahlreichen Eingänge des Parks. Es handelt sich um einen großen, ovalen Park mit einem breiten Gehweg, der sich über eine Länge von etwa 2 km erstreckt. Ich war froh, mir die Zeit in Ijis angenehmer Gesellschaft zu vertreiben. Der Weg war von Bäumen und Büschen gesäumt und auch auf dem Rasen, der den Hauptteil des Parks ausmachte, standen ein paar Bäume. Insgesamt ein schöner Park. Es gab ein paar Jogger, aber meistens schlenderten nur Leute mit ihren Kindern vorbei. An diesem Abend verließen wir das Haus meiner Schwester erst sehr spät, gegen 22.00 Uhr, um zum Ball zu gehen. Alle Kleidungsstücke waren mit prächtigen Stickereien versehen. Es schien, dass sich unsere Frauen für diesen Anlass selbst übertroffen hatten. Mir fiel auf, dass mehrere von ihnen ein kurzes, enges Mieder trugen, das die Taille freiließ. Eine der schönen Großnichten trug etwas, das man als kaum mehr als einen super bestickten und mit Juwelen besetzten BH bezeichnen könnte. Es ist anzumerken, dass die Damen ebenso schnell dabei sind, sich mit dem allgegenwärtigen Kopftuch zu bedecken, wie sich zu enthüllen.

Der Eingang zum Garten und die Einfahrt zum Haus von Nataschas Eltern erstrahlten in der gleichen magischen Beleuchtung wie am Tag zuvor. An der Tür begrüßte uns Haider. Der Saal war mit einem großen Podest, das sich nur leicht über den eigentlichen Boden erhob, zur Tanzfläche umfunktioniert worden. Dieses schwarze Podest war mit einem auffälligen Muster aus weißen Strahlen, die von der Mitte ausgingen, versehen. Die Decke war mit Blumen bedeckt, und von ihr hingen mindestens ein Dutzend Kristalllüster, die mit einem sanften Licht eine traumhafte Atmosphäre schufen. Im angrenzenden Innenhof, der für das Abendessen vorbereitet worden war, war die Beleuchtung ebenfalls sehr viel gedämpfter als am Vortag. Die langen Tische hatten wunderschöne Blumenarrangements, die in der Mitte und an den Enden angebracht waren. Die Stände, an denen das Buffet serviert wurde, waren mit schwarz-weiß oder blau-weiß gestreiften Markisen überdacht, wie es auf Jahrmärkten üblich ist. Offenbar gab es diese Art von Ständen in Frankreich bereits im 18. Jahrhundert. Zufällig hatte ich bei meiner Rückkehr nach Spanien irgendwo darüber gelesen. Diese Stände gaben dem für das Essen reservierten Bereich eine reizvolle, informelle Note. Für den Ball hatten die Gastgeber eigens einen berühmten DJ aus Karachi eingeladen, der in letzter Minute mit dem Flugzeug angereist war. Es wurde die ganze Nacht getanzt, nonstop. Junge Pakistaner, aber auch nicht mehr ganz so junge, tanzten mit einem Elan und einer Begeisterung, die man gesehen haben muss, um sie zu verstehen. Und sie genießen es, wenn die Musik auf Hochtouren läuft. Das war fast jeden Tag der Fall, vor allem, wenn eine Band auftrat. Aber zum Glück war an diesem Abend die Akustik perfekt und nicht übertrieben laut.

Ich kann hier nicht verabsäumen, die Freundlichkeit und die extreme Rücksichtnahme unserer Gastgeber zu erwähnen: Ein sehr hübsches junges Mädchen in einem schwarzen, mit Perlen bestickten Samtkleid kam auf mich zu und fragte mich, ob ich etwas zu trinken wollte: „Wasser? Eine Erfrischung? Etwas von der Bar?“ „Von der Bar?“ Ja, von der Bar, sagte sie. Diese Party hatte eine Bar, etwas, das von einigen der jüngeren Gäste sehr geschätzt wurde. Natascha hatte mir, als sie nach Madrid kam, gesagt, dass es eine Bar geben würde. Und die Bar trug zweifelsohne zur fröhlichen Atmosphäre des Balls bei, der bis drei Uhr morgens dauern sollte. Ich bedankte mich bei dem jungen Mädchen und sagte, ich wolle nichts mehr. Sie kam noch ein paar Mal zurück, um mir zu sagen, dass die Gastgeber, die wohl ihr Onkel oder ihre Tante waren, sie gebeten hatten, sich die ganze Nacht um mich zu kümmern. Die Wahrheit ist, dass ich von dieser rücksichtsvollen Geste der Gastgeber zutiefst gerührt war. Da meine Schwester nicht an dem Ball teilnahm, war es möglich, dass ich mich als Ausländerin, die alleine und viel älter als alle anderen Menschen um sich herum war, isoliert und fehl am Platz fühlen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Ich fühlte mich in die allgemeine Freude und Fröhlichkeit vollkommen integriert. Und es gab noch eine weitere reizvolle Note: In einem bestimmten Moment bat Mubashrah, Haiders Mutter, die Band, die „Blaue Donau“ zu spielen. Und tatsächlich, nach einer Weile erklang der berühmte Wiener Walzer, der die Donau verherrlicht, in Lahore an den Ufern des Flusses Ravi im Punjab! Akkorde, die jedoch bei der pakistanischen Jugend, die nur auf Rockmusik steht, keine Begeisterung auslösten. Und vor allem tanzt jeder für sich, dreht sich, wiegt sich und reißt die Arme hoch und runter und kreuz und quer. Als Paar zu tanzen, ist in islamischen Ländern natürlich nicht üblich. Ich stand auf, wie es, wie ich glaube, von meiner Nichte erwartet wurde, und ging mit dem großen, gut aussehenden Ijlal, der mich an diesem Nachmittag in den Park begleitet hatte, jedoch nicht die geringste Ahnung vom Wiener Walzer hatte, auf die Tanzfläche. „Führe mich, Tante“, sagte er, der im Moment genauso verwirrt war, wie ich. Die Idee, einen Mann im Walzer zu führen, war für mich neu. Ich führte ihn, so gut ich konnte, und wir machten ein paar Drehungen. Alles in allem war es ein großer Spaß, sich für einen kurzen Moment im Kreis zu drehen und alle Vorsicht in den Wind zu schlagen. Die Tanzfläche hatte sich inzwischen bis auf uns zwei komplett geleert. Der ganze Vorfall ist mir in guter Erinnerung geblieben.

Mit der Rückkehr der Rockmusik war die Tanzfläche in kürzester Zeit wieder so voll wie eh und je, wobei die Frischvermählten zu den Begeistertsten gehörten. Nach einer Weile ging ich los, um etwas zu essen. Am Buffet gab es eine köstliche Auswahl an allem, was man sich vorstellen kann. Ich bin nicht sehr scharf auf Fleisch und bediente mich gerne an Reis, Chapatis und Gemüse. Das Spinatpüree, das die Pakistaner mit Paneer (Käse) servieren, ist eine Delikatesse, die nur in den Wintermonaten zubereitet wird, weil es in den heißen Monaten unmöglich ist, Spinat anzubauen. Danach kehrte ich zurück und setzte mich in die Nähe der Tanzfläche. Es gab eine niedrige Trennwand zwischen dem Saal und dem Innenhof. Dort setzte ich mich hin und hatte einen guten Blick auf alles und in aller Ruhe das Haus und seinen Grundriss studieren. So riesig es auch ist, so hat es doch etwas von dem Stil eines japanischen Hauses. Ohne Fliegengitter oder Schiebetüren, wie sie für japanische Häuser typisch sind, aber ich nehme an, dass man sie auf Wunsch einbauen könnte, um den Innenhof vom Flur zu trennen usw. Natürlich gab es auch Säulen, um das Dach zu stützen. Es machte mir Spaß, all diese architektonischen Überlegungen anzustellen und meine Bewunderung für Ayesha, unsere Gastgeberin, die das Haus entworfen hatte, wurde immer größer. Das junge Mädchen, das sich so liebevoll um mich gekümmert hatte, kam zurück, um mich zu fragen, ob ich etwas wolle. Ich blieb sitzen und beobachtete all die Menschen, jung und alt, beim Tanzen. Die jungen Leute tanzten unermüdlich. Ein paar Mal ging ich, um mich ein wenig zu bewegen, auch auf die Tanzfläche und schunkelte ein wenig hin und her – oder zumindest versuchte ich, den kubanischen Stil nachzuahmen, den subtilen, karibischen Stil, der ohne die fuchtelnden Armbewegungen auskommt, die die jungen Leute jetzt mögen. Auch die Armbewegungen des Flamenco-Tanzes sind unendlich viel subtiler und anmutiger. Aber das Wichtigste hier und jetzt war, dass alle einen riesigen Spaß hatten. Als ich zu meinem angenehmen Beobachtungsposten zurückkehrte, sah ich eine ganze Reihe von sehr gutaussehenden jungen Männern hereinkommen. Alles geeignete Junggesellen, nehme ich an. Sie nahmen ihren Platz direkt neben der Tanzfläche ein, um die jungen Schönheiten zu begaffen, die dort tanzten. Es war bereits nach ein Uhr nachts, als sie ankamen. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich glaube, sie kamen absichtlich so spät, um Aufmerksamkeit zu erregen und ihrer Anwesenheit mehr Wert zu verleihen.

Eine andere Sache hat mich an diesem Abend sehr amüsiert. Ich habe bereits erwähnt, dass die Kinder bei allen Festivitäten anwesend waren und sich an allem erfreuten und beteiligten. Als ich mich irgendwann zu einer Bank begab, von der aus ich die ganze Szenerie überblicken konnte, sah ich zu meinem Erstaunen einen Kinderwagen, der in der Nähe der Tanzfläche abgestellt war. Das Baby schlief selig, während die Eltern sich beim Tanzen vergnügten. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits weit nach zwei Uhr nachts! Der Ball ging fröhlich weiter bis drei Uhr morgens. Ich beschloss, dass es für mich ein guter Zeitpunkt war, um mich zu verabschieden. Haiders Eltern hatten anscheinend den gleichen Gedanken gehabt. Nataschas Eltern begleiteten uns zu den Autos, und ich hatte noch einen Moment Zeit, die herrliche Beleuchtung im Garten zu genießen.

Dienstag, 28. Dezember 2021
Heute begannen in der Familie die Feierlichkeiten zur zweiten Hochzeit. Aleena,

eine der Cousinen von Taimur, dem Bräutigam, hatte die Einladung entworfen. Das Design war hübsch, sehr künstlerisch: Auf blauem Hintergrund waren drei Tauben verteilt, die liefen und drei weitere, die flogen. Darunter, in der linken Ecke, war ein kleiner brauner Hahn zu sehen, hinter ihm ein weißer, mit ausgebreiteten Flügeln. Hatte die Darstellung dieser Vögel etwas Symbolisches? Mir fielen einige Möglichkeiten ein, wie das Motiv gedeutet werden könnte. Während sie übersetzte, erzählte mir Minah, dass Afzel einmal beschlossen hatte auf dem Bauernhof Hühner zu halten, was alle Enkelkinder sehr erfreut hatte.

Den größten Teil des Vormittags verbrachten wir mit dem Vorbereiten und Verpacken der Geschenke, die Farah und Imran zu den Eltern von Anum, Taimurs Verlobter, bringen wollten. Die Geschenke wurden alle schön verpackt und in den Kofferraum des Autos geladen. Wir aßen im Haus meiner Schwester zu Mittag. Danach, gegen drei Uhr nachmittags, brachen wir auf, um ein weiteres Essen mit Taimurs zukünftigen Schwiegereltern einzunehmen. Wir kamen in einem Viertel namens Cantt an. Es hat einen Teil, der sehr angenehm ist, mit vielen Bäumen. Diese Wohngegend wird von hochrangigen Offizieren des Militärs bevorzugt. Mustafa, der Vater von Anum, ist ein General der Infanterie. Der Name seiner Frau klang ähnlich wie Nenúfar (was auf Spanisch Seerose bedeutet). Sie ist eine charmante Dame. Ihr Ehemann, wie es sich für einen Militär gehört, war eher zurückhaltend. Farvah erzählte mir später, dass der Name seiner Frau Nilofar ist, ebenfalls ein schöner und poetischer Name. Und dass sie auch ein hoher Offizier sei. Nichts Geringeres als ein Oberst!

Das Haus war modern gestaltet, elegant, nicht übertrieben, mit einer schönen Wendeltreppe. Als Nilofar sah, dass ich mich für die Treppe interessierte, bot sie mir freundlicherweise an, dass eines der jüngeren Familienmitglieder mich auf einer Tour durch das Haus begleiten würde. Im ersten Stock befand sich auf der großen Terrasse ein runder Springbrunnen. Und von der Dachterrasse aus hatte man einen schönen Blick auf die von Bäumen gesäumten Straßen und die eleganten Häuser und Gärten dieser Gegend.

Die vielen Geschenke wurden aus dem Auto geholt und ins Wohnzimmer gebracht. Ich dachte, sie würden ordnungsgemäß – wie es früher üblich war – vor allen Anwesenden geöffnet werden. Aber das geschah nicht.

Nun ist es angebracht, eine kurze Beschreibung von Taimur und Anum zu geben, dem Brautpaar der zweiten Hochzeit. Taimur ist ein gutaussehender, bärtiger junger Mann, der bald 30 Jahre alt wird. Er hat etwas von einem Mystiker an sich. Er ist, wie ich mir vorstellen würde, ein Sufi. Welch ein Kontrast zwischen ihm und Haider, der eher die Ausstrahlung eines Bonvivant hat. Taimur absolvierte sein gesamtes Studium in den Vereinigten Staaten und schloss in Harvard ab. Er arbeitete zunächst für IBM und verbrachte dann die letzten drei Jahre in Lahore. Ich glaube, er leistete dort eine wohltätige Arbeit. Ich weiß nicht, wo er Anum kennengelernt hat, die, wie ich glaube, ebenfalls an einer der großen Universitäten in den USA promoviert hat. Es ist mir unmöglich zu sagen, welche der beiden Bräute –  Natasha oder Anum –  schöner und charmanter war. Beide haben markante Gesichtszüge und große dunkle Augen. Ich könnte mit einem Spruch der alten Dichter fortfahren: Lippen wie Korallen, Zähne wie Perlen…

Wir blieben noch eine ganze Weile im Wohnzimmer. Ich habe mit Imrans Schwestern gesprochen, er hat vier, alle reizende und interessante Frauen. Noch während wir dort saßen, wurde uns eine klare Suppe serviert, und danach begaben wir uns in den Speisesaal. Wie die Suppe so war auch das Essen thailändisch. Eine leichte willkommene Kost zu dem ausgezeichneten, aber sättigenden pakistanischen Essen, das wir in den letzten Tagen zu uns genommen hatten. Danach gingen wir zum Fotografieren in den Garten. An der Wand direkt neben dem Eingang zum Garten haben Mustafa und Nilofar einen hübschen und sehr originellen Springbrunnen installiert: Er besteht aus blauen und weißen Mosaikfliesen und hat einen genialen Miniatur-Wasserfall. Ich habe ihn geliebt.

Wir kehrten zum Haus meiner Schwester zurück und bereiteten uns auf das große abendliche Ereignis vor: Ein Abendessen mit anschließendem Qawwali-Konzert im Haus von „T2“, der, wie ich bereits erwähnte, der Adoptivsohn der Familie Naqvi ist. Wegen seines Erfolgs mit seinem Nachrichtensender wird er in der Familie bewundernd als Tycoon bezeichnet. Im Haus von Titu war alles im großen Stil. Für die Veranstaltung an diesem Abend war der größte Teil des Gartens mit einem Sonnensegel und der Boden mit Teppichen bedeckt worden. Die Fläche, die von der Markise bedeckt wurde, war riesig. Ein langes, hohes Podest bildete eine Bühne, auf der die Künstler auftreten sollten. Davor befanden sich etwa 10 Lautsprecherboxen. Vor dem eigentlichen Konzert wurde moderne Musik gespielt, die meiner Schwester und mir zu laut war. An diesem Abend waren die jungen Leute in der Überzahl und die Party dauerte bis weit nach Mitternacht. Für meine Schwester und mich war die Musik nur schwer zu ertragen. Doch wie es die Höflichkeit verlangt, blieben wir noch eine ganze Weile und gingen kurz nach dem Abendessen, bevor das eigentliche Qawwali begann. Später fand ich auf Wikipedia heraus, dass es sich dabei um eine, auf dem indischen Subkontinent traditionelle Art religiöser Musik handelt, die während des Mogulreichs aus einer Verschmelzung von arabischen und Hindustani-Rhythmen entstand. Im Grunde ist sie ein Mittel zur Verbreitung des Sufismus (mystischer Zweig des Islam). Eine neue Freundin in Spanien, Witwe eines Pakistaners, die lange Zeit in diesem Land gelebt hatte, erklärte mir, dass die Klänge oft die Kraft besitzen Menschen in einen Trancezustand zu versetzen. Die Musiker sitzen alle im Schneidersitz auf der Bühne.

Mittwoch, 29. Dezember 2021, die Valima
Am nächsten Morgen sollte im Haus meiner Schwester jeder, der Pakistan verlassen wollte, einen PCR-Test machen. Shaji hatte mich freundlicherweise im Auto begleitet, um zum Labor zu fahren. Entlang der Straße befand sich der Park und, wie es schien, eine ganze Reihe von Gärtnereien, die sich aneinanderreihten. Ich hätte gerne einen Rosenstrauch gekauft, einen von denen mit den roten Rosen, die so intensiv und wunderbar duften und die hier in unglaublicher Fülle für Girlanden, frische Blumenvorhänge, zum Verstreuen auf dem Boden und für viele andere Zwecke verwendet werden. Wir kehrten zu dem Haus zurück, in dem Shaji wohnte, und der Fahrer brachte mich zu der Klosterschule, die von den Nonnen des Ordens von Jesus Maria geleitet wird, einem Lehr- und Missionsorden, dem meine Schwägerin Rosario angehört hatte.

Der Besuch hat mich sehr bewegt. Die Mutter Oberin, Pilar de San Juan, ist seit 24 Jahren in Lahore. An diesem Tag war die Schule geschlossen, die Mädchen waren in die  Weihnachtsferien gereist. Die Schule befindet sich in einer angenehmen Nachbarschaft aus der Kolonialzeit. Das Gebäude ist riesig, feierlich, aus rotem Backstein und von einer hohen Mauer umgeben. Im Garten, in der Nähe des Gebäudes, steht eine klassische Statue, die die Gründerin des Ordens, die Französin Claudine Thévénet, darstellt. Ich hatte einige Pakete Nougat aus Madrid für die Familie Naqvi mitgebracht, vor allem aber für Shaji, die diesen typisch harten spanischen Nougat, der so reich an Mandeln ist, liebt. Ich hatte sie kurz nach meiner Ankunft übergeben, aber heute hatte ich eine Schachtel Dona Jimena mit einer Auswahl anderer typischer Weihnachtssüßigkeiten „wiedergefunden“. Ich freute mich sehr, dies Mutter Pilar als kleine Überraschung überreichen zu können. Sie war absolut begeistert. Zu Beginn meines Besuchs war auch eine ältere Nonne schottischer Abstammung, die in Indien geboren wurde, in den kleinen Raum gekommen, der für den Empfang von Besuchern genutzt wurde. Und auch zwei junge Nonnen asiatischer Herkunft. Wir unterhielten uns anfangs auf Englisch, aber als die Zeit verging und die anderen Nonnen gingen, wechselten wir, wie es sich gehört, zum Spanischen über. Der Fahrer nahm einen angenehmeren Weg, um zum Haus meiner Schwester zurückzukehren. Trotzdem machte mich das dichte Verkehrsaufkommen – so viele Autos, all die unzähligen Motorräder und Srickshaws/Isocarros – fassungslos. In all den Tagen, die ich in Lahore verbracht hatte, hatte ich keinen einzigen Unfall gesehen. Das grenzt für mich an ein Wunder.

Meine Notizen sind fast auf dem neuesten Stand! Gegen 18.45 Uhr sagte man mir, es sei Zeit, sich auf das große Fest des Abends vorzubereiten: die Valima. Dabei handelt es sich, wie bereits erwähnt, um die Feier zur Vollziehung der Hochzeit. Wegen der großen Zahl der Gäste fand die Feier in einem Hotel statt und nicht im Haus von Haiders Eltern. Sie fand in einem Viertel von Lahore statt, in dem sich die Engländer niedergelassen hatten. Das Faletti stammt aus dieser Zeit –  aus dem Jahr 1880 –, obwohl das Hotel in seiner heutigen Form nicht das Original ist, sondern ein supermoderner Komplex. Die Einladung war für 19 Uhr ausgesprochen. Wir verließen das Haus mit Verspätung, die Frauen und die jungen Familienangehörigen – wie jeden Tag – prächtig gekleidet; die Hälfte der Männer in pakistanischer Kleidung, die andere in westlichen Anzügen. In der großen Hotelhalle waren die Stühle wie in einem Theater in Reihen angeordnet, mit einem Gang in der Mitte und an den Seiten. Vor dieser Sitzordnung befand sich ein großes Podest mit einem Sofa, auf dem das Brautpaar Platz nehmen würde. Auf der rechten Seite des Saals war man damit beschäftigt, das Buffet vorzubereiten.

Der Saal füllte sich, und schließlich trafen auch die Frischvermählten ein. Natasha glänzte in einem blassblauen Seidenchiffonkleid, das über und über mit Strasssteinen bestickt war. Ein überirdischer Anblick! Am Tag der Valima ist alles ein Geschenk der Schwiegereltern – so will es der Brauch. Die Farbe des Kleides für die Valima –  normalerweise entweder blau oder grün – wird von der Schwiegermutter ausgewählt. Mubushrah erzählte mir, sie habe die Farbe Blau gewählt, weil es die Augenfarbe ihres Sohnes sei. Das junge Paar wurde sofort von den vielen Gratulanten umringt. Dann machten sie sich auf den Weg zum Sofa auf dem Podium, wo sie weiterhin die guten Wünsche der Anwesenden entgegennahmen. Die Fotografen waren die ganze Zeit wie immer überaus beschäftigt.

Ein Moment großer Freude und eine wunderbare Überraschung war für mich die Ankunft von Misbah, einer alten Freundin meiner Schwester. Sie hatte mich und Blanca, die Nichte und Patentochter von José Manuel, vor vielen Jahren anlässlich der Hochzeit von Mubasrah und Qasim in ihrem Haus aufgenommen. Sie kam auf Krücken, begleitet von ihrem Sohn Mumshad und ihrer Schwiegertochter. Das Essen, das an diesem Tag serviert wurde, war viel einfacher. Es beschränkte sich auf ein Hauptgericht und eine Nachspeise. Dies war von der Regierung (um übermäßigen Luxus und Prunk zu verhindern) für Feiern in Hotels und an öffentlichen Orten vorgeschrieben. Privathaushalte waren von dieser Regelung, wie wir gesehen haben, ausgenommen. Auch die Dauer der Party war auf genau drei Stunden begrenzt. Um 22 Uhr wurde das Licht ausgeschaltet. Viele der Gäste waren schon früher gegangen, kurz nachdem das Abendessen serviert worden war. So endete der letzte Akt der Hochzeit Nummer 1.

Donnerstag, 30. Dezember 2021
Dieser Tag stand ganz im Zeichen von Hochzeit Nummer 2. Obwohl, um ehrlich zu sein gab es noch einen weiteren schönen Empfang, der genau zur Mittagszeit stattfand, um nicht mit den Feierlichkeiten von Hochzeit Nummer 1 zusammenzufallen, die noch in vollem Gange waren. Ich glaube, ich habe hier etwas durcheinandergebracht, denn wir waren nachmittags im Haus von Anums Eltern und nicht „genau mittags“, wie ich hier sage, also muss es einen weiteren Empfang an einem der letzten Tage gegeben haben! Offensichtlich zu viele schöne Ereignisse, als dass ich sie mit meinem Gedächtnis bewältigen könnte.

Diesmal wurde die Hochzeit in der Badshahi-Moschee gefeiert. Wir sind alle früh aufgestanden, um pünktlich da zu sein. Das war das Wichtigste für Farvah, Imran und ihren Sohn Taimur. Eine verspätete Ankunft hätte den Verlust der Reservierung für die Zeremonie bedeutet. Obwohl die Trauung in einer Moschee stattfindet, handelt es sich wie üblich um einen zivilrechtlichen Vertrag. Als wir uns auf den Weg machten, war es ein wenig kühl, aber der Himmel war klar und blau. Wir durften ganz in der Nähe der Moschee parken. Ab einem gewissen Moment mussten wir unsere Schuhe ausziehen. Es war ziemlich kalt, was vor allem an der hohen Luftfeuchtigkeit an diesem Tag lag. Farvah hatte an alles gedacht: Sie hatte drei Taschen mit Socken mitgebracht, damit wir alle unsere Füße warmhalten konnten.

Wir betraten einen Saal ganz rechts in der Moschee, in dem die Hochzeit gefeiert werden sollte. Darin waren Männer und Frauen durch eine Leinwand aus grünem Tuch getrennt. Erst später konnte ich auf Fotos den Bereich sehen, der für die Männer reserviert war. Dort, wo wir saßen, lag ein Teppich auf dem Steinboden. Die jungen Leute und die agileren unter den Älteren, setzten sich darauf. Für den Rest von uns waren ein paar Stühle vorbereitet. Anum war da, sie sah wunderschön aus in Rot, der klassischen Farbe für eine Nikah. Auch sie saß auf dem Boden. Dann kam ihr Vater und setzte sich neben sie. Er bat sie um ihr Einverständnis zur Trauung. Dann unterschrieb er vor den Zeugen,  kehrte er zu dem Ort zurück, an dem der Bräutigam und alle Männer versammelt waren, wo die Vertragsunterzeichnung beendet wurde.

Wir verließen das schummrige Halbdunkel der Moschee und traten in den weitläufigen Innenhof in den strahlenden Sonnenschein. Alles war Freude, Glück, Glückwünsche und Umarmungen. Und natürlich – Fotos. Das Wetter war perfekt. Es hätte kein schönerer Morgen sein können. Die Moschee mit ihren prächtigen Intarsien aus weißem Marmor sah noch viel schöner aus als bei unserem letzten Besuch, als der Himmel bedeckt und grau war. Bei strahlendem Sonnenschein konnte man die Majestät des Gebäudes in ihrer ganzen Pracht wahrnehmen. Wir verließen den Innenhof um in die Gärten zu gehen. Auf dem Weg dorthin drehte Anum an Taimurs Seite ein paar Runden, als würde sie tanzen. Es gibt einige wunderbare Fotos, die diesen spontanen Ausdruck von Glück festhalten. In der Nähe befand sich jedoch ein Wachmann, der die Frischvermählten schnell darauf hinwies, dass solche Darbietungen auf dem heiligen Gelände verboten seien. Alle, die an der Hochzeit teilgenommen hatten, sollten nun in die Gärten hinabsteigen, die zwischen der Moschee und dem angrenzenden Hof und dem berühmten Fort liegen. Dort, auf einer der großen rechteckigen Rasenflächen, waren Bänke und ein großer langer Tisch aufgestellt worden. Es war die erste und intimere Feier der Hochzeit, danach würden die Feierlichkeiten im Haus eines Onkels von Anum weitergehen. Farvah und Imran hatten für Erfrischungen und große Tabletts mit köstlichen und farbenfrohen Süßigkeiten gesorgt, die in den Gärten serviert wurden. Außerdem gab es für alle Damen hübsche bunte Tütchen mit Nüssen, Pistazien, Rosinen, Datteln usw., die sie knabbern konnten.

Als wir uns noch vor der Moschee versammelten, bot mir eine Freundin von Munazzah, als sie merkte, dass ich nicht sofort hinuntergehen wollte, um in den Gärten zu sitzen, freundlicherweise an, mir die wunderschöne Galerie zu zeigen, die sich von der linken Seite der Moschee aus über die gesamte Länge des Innenhofs erstreckt. Ein Ort der Stille, genau wie unsere Klöster, der einen sehr zur Meditation anregt. Aber es war natürlich nicht der richtige Zeitpunkt für mich, mich der Meditation hinzugeben. Stattdessen verbrachte ich die Zeit damit, mit dieser charmanten und interessanten Frau zu plaudern, während wir die Galerie entlanggingen.

Nach dieser schönen Begegnung und Erfahrung machte ich mich auf den Weg hinunter in die Mitte der Gärten, wo sich ein wunderschöner kleiner, quadratischer Pavillon aus weißem Marmor befindet. Er ist leicht erhöht und an jeder Seite stehen vier lange, flache, rechteckige ehemalige Wasserbecken, aus denen in regelmäßigen Abständen Wasserstrahlen in die Luft gespritzt worden waren. Jetzt sind die Becken leer und kobaltblau gestrichen, was ein wenig unschön wirkt. In früheren Zeiten wäre es wunderbar gewesen, im Halbdunkel in der Mitte des Pavillons sitzend zuzusehen, wie die in die Luft steigenden Wasserstrahlen in die Becken plätschern. Dieses Vergnügen bleibt den Mogul-Kaisern vorbehalten, denen der exquisite Pavillon vor allem Schutz vor der schrecklichen Sommerhitze geboten hat. Offenbar hatte auch noch ein unter dem erhöhten Pavillon fließender Wasserstrahl für eine willkommene Abkühlung gesorgt.

Vom Pavillon aus wollte ich das Fort noch näher erkunden, aber die große Treppe, die von den Gärten hinauf zur Esplanade vor dem Fort führte, war gesperrt worden. Wahrscheinlich für unsere Hochzeitsgesellschaft. Was für ein Privileg! Schließlich ging ich dorthin, wo unsere Gruppe saß und sich angeregt unterhielt. Anums Eltern, die, wie ich bereits erwähnte, beide einen hohen militärischen Rang innehatten, gingen gerade eine weitere Treppe hinauf, an deren oberen Ende Absperrungen und Wachen aufgestellt worden waren. Ich folgte ihnen, und dank des Generals wurde mir der Durchgang gewährt. Von dort aus war es ein Leichtes für mich, die beeindruckende Festung näher zu betrachten. Während ich das Fort bewunderte, kamen zwei junge Mädchen auf mich zu und fragten, ob sie ein Foto mit mir machen dürften, und wollten wissen, woher ich käme. Sie waren sehr süß, schüchtern und voller Neugierde.

Dann folgte ich meiner Gruppe zur nächsten Etappe der Hochzeit. Haiders Eltern nahmen mich in ihrem Auto mit. Qasim saß am Steuer. Wir fuhren etwa 40 km oder mehr auf einer Art Umgehungsstraße, die teilweise noch nicht fertiggestellt war, und kamen schließlich in einem Wohngebiet in der Nähe des Flughafens an. Das Haus von Anums Onkel war groß und elegant, aber wir durften es nicht betreten. Alles war in dem riesigen Garten untergebracht. Neben dem Eingang war ein überdachter Durchgang angelegt worden, der ausschließlich aus Blumen bestand: rote Rosen, weiße Chrysanthemen und andere weiße Blumen. Jeder Blumenkopf war in der Mitte durchbohrt und auf einen feinen Faden gesteckt worden, was einen einzigartigen Anblick bot. So war es auch bei Nataschas Blumenpavillon gewesen.

Als das Brautpaar eintraf wurde es, während es sich in einen luftigen, ebenfalls mit Blumen geschmückten Pavillon zum Sofa begab, von uns mit Rosenblättern überschüttet.  Eine Weile später wurde ein Spiegel gebracht, um der Tradition, dass Braut und Bräutigam sich „zum ersten Mal“ gemeinsam darin sehen, treu zu bleiben. Alles geschah mit viel Eleganz und Anmut. Anum, umwerfend schön. Die Frischvermählten vollzogen auch den Ritus des Ableckens von Milchreis aus der Handfläche des jeweils anderen. Braut Nummer 2, Anum, zögerte nicht. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht, tat sie es. Es war ein schöner und rührender Moment, als ein alter Herr im Rollstuhl, bei dem es sich wohl um Anums Großvater handelte, zum Blumenpavillon gerollt wurde. Alle machten respektvoll für ihn Platz. Er begrüßte das Brautpaar, danach kam ein halbes Dutzend älterer Männer, um ihn zu begrüßen.

Das Mittagsbuffet stand wie üblich in einer langen Reihe von Ständen mit einer großen Auswahl an köstlichen Gerichten bereit. Ich habe Fotos gemacht, als sie mit der Zubereitung der Chapattis begannen: Auf dieser Party wurden sie auf einer grifflosen Wok-Pfanne, die auf den Kopf gestellt war, zubereitet. Am liebsten hätte ich die Zubereitung im Haus meiner Schwester mitverfolgt – dort gibt es die besten Chapatis. Leider hatte ich keine Gelegenheit dazu. Der Koch hat mir jeden Morgen zwei Stück zum Frühstück bereitet. Ich aß sie pur, mit einem Kaffee dazu. Köstlich! Soviel ich weiß, ist das Mehl in Pakistan viel feiner als bei uns in Spanien.

Zurück zur Party. Das Wetter war perfekt, der Himmel strahlend blau, aber während wir aßen, zog eine Wolkendecke heran. Wie üblich begannen die Gäste sich nach dem Essen zu verabschieden, an diesem Tag schon später Nachmittag. Taimur und Anum fuhren im eigenen Auto, das reichlich und wunderschön mit roten Rosen geschmückt war, davon. Er selbst chauffierte den Wagen. Diese zweite Familienhochzeit, die offensichtlich auf ausdrücklichen Wunsch des Paares stattfand, war von eher „schlichtem“ Charakter. Es dauerte lange, bis wir zum Haus meiner Schwester zurückkehrten, wo am Abend die Eltern des Bräutigams die frisch Vermählten empfangen würden. Die Eltern von Taimur leben in den USA und haben kein Haus in Lahore.

Innerhalb weniger Stunden hatte sich das Haus komplett umgestaltet. Am Eingang hing ein Vorhang aus roten Rosen und der Boden war mit Rosenblüten bedeckt. Zu meiner großen Überraschung waren auch zwei glänzende schwarze Ziegen am Tor angebunden. Man gewöhnt sich rasch an die meisten Dinge und hinterfragt sie nicht, selbst wenn es sich um ein Privathaus mit eigenem Milchbüffel handelt. Und dann waren da auch noch die Ziegen. Ein weiteres Paar stand näher am eigentlichen Eingang des Hauses, jeweils in der Obhut eines jungen Mannes. Meine Neugier auf den ungewöhnlichen Anblick erregte Aufmerksamkeit, und man erklärte mir scherzhaft, dass die vier Ziegen an diesem Abend Teil des Grillfestes sein würden. Als Anum ankam, wurde er gebeten, den Kopf einer der Ziegen zu berühren. Vielleicht als Segen. Ich erfuhr dann, dass die vier Tiere an diesem Abend geopfert und für die Armen gespendet werden sollten. Ich betrat das Haus einige Zeit nach der Ankunft und dem Einzug der Frischvermählten. Die Rosenvorhänge verströmten einen intensiven, herrlichen Geruch. Es tat mir leid, auf die Blütenblätter zu treten, die den Boden bedeckten. Zwei Buffets waren aufgebaut worden: eines im Speisesaal und das andere im Innenhof, welcher ebenfalls völlig umgestaltet worden war – mit einer luftigen weißen Markise aus Stoff, die oben in anmutigen Falten gerafft war. Und der Boden des Innenhofs war mit Teppichen ausgelegt. Rosenvorhänge wurden aufgehängt und kleine Tische und Stühle für die Gäste aufgestellt. Die Beleuchtung war perfekt. Die Verwandten und Freunde der Familie trafen ein, bald war eine große Menschenmenge versammelt. Im gesamten Erdgeschoss des Hauses waren weitere der anmutigen goldenen Stühle verteilt.

Taimur und Anum saßen auf einem Sofa, das in dem Raum, in dem der Weihnachtsbaum stand, für sie vorbereitet worden war. Weitere gute Wünsche und Fotos folgten. Für mich war an diesem Abend der schönste Teil der Feier, als mehrere Mitarbeiter kamen, um dem Brautpaar zu gratulieren. Der Koch ebenso wie zwei Fahrer und zwei der Hausmädchen. Zwei von ihnen mit einem Blumenstrauß. Sie wurden alle nacheinander neben das Brautpaar gesetzt und es wurden Fotos geschossen. Als sie aufstanden, konnte man Tränen in ihren Augen sehen. Auch meine Augen wurden ein wenig wässrig. In Windeseile war es an der Zeit meinen Koffer zu schließen. Ich sah mich fast dazu gezwungen, mich auf ihn zu setzen. So viele Geschenke, die jetzt noch zu der ganzen Garderobe, die ich mitgebracht hatte, hineinpassen mussten. In dieser Nacht nahmen wir einen Flug nach Doha. Um drei Uhr morgens! Es waren viele Großnichten/-neffen dabei, darunter Haider und Natasha. Haider sollte Ende Mai seinen Abschluss an der Columbia University machen und dann in New York seinen Job beginnen. Die Atmosphäre der gemeinsamen Freude und des Glücks war ungebrochen. Der Abschied von meiner Schwester und von den Familienmitgliedern, die in Lahore leben oder länger bleiben, war sehr bewegend.

FÜR MEINE SCHWESTER ELIZABETH

Ein Dankeschön, das von Herzen kommt; von einem Herzen, das überquillt vor schönen Eindrücken
und Momenten, die mich für immer begleiten werden.
Beim Besteigen des
Flugzeuges stiegen mir die Tränen in die Augen.
Nur Tränen, die im Stillen vergossen werden, haben die Kraft,
die allertiefsten Gefühle auszudrücken.

Beate Hemmerlein

Nana – Erinnerungen eines Kindermädchens 1923 – 1975

10. Mai 2020/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Beate Hemmerlein

1923 trat Nana als blutjunge Frau von 22 Jahren in die Dienste von Georg II. Anton und Emy Mautner Markhof. Aus dem deutschen Adelsgeschlecht von Kittlitz stammend, war die Berlinerin ausgebildete Säuglingsschwester des Kaiserin Augusta Viktoria Hauses und landete per Zufall im Mautner Markhof´schen Haushalt, den sie bis zu Emys Ableben 1974 nicht mehr verlassen sollte. So wuchsen nicht nur drei Generationen an „Mautners“ mit ihr heran, sie war auch engste Vertraute und erlebte gemeinsam mit der Familie die schwere Wirtschaftskrise der 1920iger Jahre, die Kriegsjahre, die russische Besatzung, den Wiederaufbau. Ihre Erinnerungen erwecken nicht nur vergangenen Zeiten, sondern auch viele Charaktere wieder zum Leben.

Danke Nana!

Nana bei der Ehrenrunde im Hof mit ihrem Moped, das sie zum 70. Geburtstag von Emy Mautner Markhof geschenkt bekommen hatte

Nanas Erinnerungen, 1923 – 1975

Beate Hemmerlein

Emilie „Emy“ Mautner von Markhof

10. Mai 2020/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Beate Hemmerlein

Emilie „Emy“ Edle v. Reininghaus (*Graz 30.5.1881 / † Gaaden 14.5.1974) war die Tochter von Gustav I. Reininghaus und Maria geborene Eisl. Sie ehelichte in Graz am 24.7.1900 ihren Onkel Georg II. Anton Mautner von Markhof und schenkte ihm die sieben Kinder Marceline, Georg III. „Buwa“, Gustav, Charlotte, Therese, Peter und Karlmann. Sie überlebte ihren Mann um 40 Jahre und nach seinem Tod wurde sie zum Mittelpunkt aller Kinder und Kindeskinder und ihr Landgut Gaaden zum Zentrum der Familie. Ungeachtet ihrer respektablen Persönlichkeit war sie von großer Güte und begegnete den Erzählungen ihrer großen Nachkommenschar – meist strickend und mit einer Zigarre im Mund – mit viel Verständnis. Das Kindermädchen Nana lebte über 50 Jahre an ihrer Seite und hat ihr in ihren Lebenserinnerungen ein umfassendes Porträt gezeichnet.

Emy Mautner Markhof und Kinder Land- u. forstw. Gesellschaft m. b. H., 10.5.1927, Quelle WStLA

Emilie von Reininghaus (später verehelichte Mautner von Markhof)

Emilie „Emy“ von Reininghaus mit ihren Hunden

Emilie „Emy“ von Reininghaus und Georg II. Anton Mautner von Markhof

Emilie „Emy“ von Reininghaus, verehelichte Mautner von Markhof

Emy Mautner von Markhof mit Tochter Marceline, 1901

4 Generationen. Emy Mautner von Markhof, Maria Eisl, Maria von Reininghaus, Marceline Mautner von Markhof

Marceline Mautner von Markhof

Georg III. „Buwa“ Mautner von Markhof

Georg III. „Buwa“ Mautner von Markhof, 1907

Marceline und Georg III. „Buwa“ Mautner von Markhof, 1907

Marceline Mautner von Markhof

Georg III. „Buwa“ Mautner von Markhof

Gustav I. Mautner von Markhof

Emy Mautner von Markhof, geb. von Reininghaus

Emilie Mautner von Markhof geb. von Reininghaus

Emilie „Emy“ Mautner Markhof

Emilie „Emy“ Mautner Markhof, geb. Reininghaus

Emilie „Emy“ Mautner Markhof, geb. von Reininghaus

„Tante Emy“ Mautner Markhof mit Albrecht Reininghaus

„Tante Emy“ Mautner Markhof mit Hubertus und Albrecht Reininghaus

Emilie „Emy“ Mautner Markhof, geb. von Reininghaus mit ihren geliebten Hunden

Emilie „Emy“ Mautner Markhof, geb. von Reininghaus

Emilie „Emy“ Mautner Markhof mit ihrer „berühmten“ Zigarre

Gaaden, Familiensitz von Georg II. Anton und Emy Mautner von Markhof

Tischkarte und Menü anlässlich des 75. Geburtstages von Emy Mautner Markhof in Gaaden

„Man soll Briefe überlesen, bevor man sie abschickt, aber das ist mir zu langweilig“, Emy Mautner Markhof

Emy Mautner Markhof (vorne) inmitten ihrer 7 Kinder, Nov. 1961. Georg III. „Buwa“, Marceline, Peter, Therese, Gustav I., Charlotte und Karlmann „Bili“ (v. l. n. r.)

Emilie „Emy“ Mautner Markhof, geb. von Reininghaus, Todesanzeige

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