Georg I. Heinrich

Georg Heinrich Ritter Mautner von Markhof / 8.5.1840 – 15.5.1904

Obwohl Adolf Ignaz mit Recht als Stammvater der Familie zu betiteln ist, steht diese Auszeichnung in gewissem Sinne auch Georg I. Heinrich, seinem sechsten Kind und dritten Sohn, zu. Er nimmt in der Familiengeschichte einen ganz besonderen Platz ein, als Begründer einer „Nebenlinie“, der es zu verdanken ist, dass die unternehmerische Geschichte der Familie Mautner Markhof bis ins 21. Jahrhundert hinein eine national, teilweise sogar international bedeutsame Dimension erreichte. Auch der legendäre Backenbart von Adolf Ignaz (ein Zeichen seiner Bewunderung für Kaiser Franz Joseph I.) hat sich nur in seiner Linie der Nachkommen fortgesetzt (Sohn Theodor I. und Enkel Manfred I.).

Noch kurz vor der Übersiedlung der Familie nach Wien in Smiřice geboren, verbrachte er seine Kindheit in St. Marx. Als Zögling des Stiftsgymnasiums Melk war er so unglücklich, dass er davonlief und den Rest der Schulbildung in Dresden absolvierte. Auch hatte er sich durch Unachtsamkeit eine schwere Gelenksentzündung im Knie zugezogen, an der er zeit seines Lebens laborierte. Der berühmte Arzt Dr. Johann Oppolzer, Vater eines seiner Schwäger, konnte gerade noch das Steifwerden des Fußes verhindern.

Nach einem Praktikum in Triest übernahm er die Mälzerei und die kleine Brauerei in Göding, wobei er wie Adolf Ignaz sehr erfolgreich wirtschaftete, indem er rationellere Produktionsmethoden implementierte. So wurde er schon 1860 Einzelprokurist in allen väterlichen Betrieben und leitete bereits ein Jahr später die gerade erworbene Hefefabrik und Mälzerei in Simmering, wo er als erster eine Wohnung im 1. Stock des Rosenhofes bezog.

1864 heiratete er die Tochter eines Gumpendorfer Fabrikanten, und führte neben seinen eigenen Unternehmen auch noch dessen Betrieb. Im selben Jahr übersiedelte er auf das Betriebsgelände der in Floridsdorf, Prager Straße 20 neu errichteten Hefe- und Spiritusfabrik. Das Kapital für den Bau wurde ihm von seinen Schwestern Therese und Eleonora mit jeweils 100.000 Gulden vorgestreckt. Da man in St. Marx und Simmering an die Kapazitätsgrenzen gestoßen war, sollte Floridsdorf ein Viertel der gesamten Mautner´schen Presshefeerzeugung exklusiv an St. Marx liefern; mit einem Überschuss von 50 kg für den Hausverkauf. Aus ca. 100 Kilogramm Rohstoffen (Gerstenmalz, Korn und Mais) wurden anfangs 10 kg Hefe und 30 Liter Spiritus erzeugt. Rasch jedoch erlangte der Betrieb Aufschwung, da es Georg Heinrich durch die Verwendung von Mais statt Roggen gelang, die Presshefeerzeugung zu revolutionieren. Auch konnte man bald den Ertrag durch Verwendung von geringen Mengen Buchweizen und dem Einblasen von Luft in die gärende Maische erhöhen.

1872 erwarb er eine Mühle. Sie war 7 Tage die Woche in Gang und wurde in zwei Schichten geführt (06.00 – 18.00 und 18.00 – 06.00). Sie fiel jedoch 1881 einem Brand zum Opfer und wurde nicht wiederaufgebaut. An ihrer Stelle wurde elf Jahre später Georg Heinrichs Brauerei errichtet. Ebenfalls 1872 erwarb er das Grundstück Prager Straße 18 und erweiterte den Betrieb gemeinsam mit seinem Schwager Otto Freiherr von Waechter um eine Malzfabrik, die unter „Waechter & Mautner“ firmierte und bald eine der größten Österreich-Ungarns werden sollte. Sie verarbeitete jährlich 1500 Waggons Gerste und belieferte neben der Ottakringer auch vor allem die großen Münchner Brauereien. 1890 wurde sie an seinen Bruder Carl Ferdinand verkauft. Ab diesem Zeitpunkt arbeitete die Mälzerei mit neunzig Arbeitern nur mehr für das St. Marxer Brauhaus, da neue Zollbestimmungen das Geschäft zunehmend erschwerten.

1884 erwarb er von der Freiin von Sina das Gut Leopoldsdorf mit einem Bräuhaus, das bereits 1602 erstmals urkundlich erwähnt worden war und begann sofort mit dem Brauen seines „Georgs Biers“. Fünf Jahre später verkaufte er es an die Familie Waechter weiter. Adolf Ignaz hatte Georg I. nicht nur nicht für das Brauereigeschäft vorgesehen, ja es war ihm sogar gegen Entrichtung einer hohen Konventionalstrafe (etwa im Wert von 2,5 Mio. Euro) untersagt, ein Konkurrenzunternehmen zu betreiben. Dennoch beschloss er 1892, nach dem Tod seines Vaters, und selbstverständlich gegen Begleichung der vereinbarten Zahlung, die Verkaufserlöse am Standort Floridsdorf in die Gründung seiner eigenen Biererzeugung, der er den Namen „Brauerei zum Sankt Georg“ gab, zu investieren. Im Februar 1893 ging die Anlage am ehemaligen Standort der Mühle in Betrieb.

Das untergärige St. Georgs Märzenbier genoss einen ausgezeichneten nationalen wie internationalen Ruf, was mitunter daran lag, dass Georg I. seine Qualitätsansprüche an jenen des Pilsner Bieres ausrichtete und der Betrieb über die damals modernste Brautechnik verfügte. Seine Söhne Theodor I. und Georg II. erbten nach ihrem Vater die Brauerei und übernahmen die Filialbetriebe in Simmering. Den Brüdern gelangt es – später unterstützt durch ihre Söhne Gerhard, Manfred I., Georg III. und Gustav I. – jene industriellen Bereiche zurückzuholen, die von Victor seinerzeit aus der Hand gegeben worden waren.

Georg I. war seit 1864 mit Charlotte Biehler (1845 – 1905) verheiratet und hatte sieben Kinder. Er selbst bewohnte gemeinsam mit Sohn Theodor und dessen Familie das von ihm errichtete Herrenhaus auf dem Brauereigelände, Prager Straße 20. Die Villa hatte ein Hochparterre, ein Stockwerk und einen überdachten Eingang, um den Wagen trockenen Fußes erreichen zu können. Im Garten gab es einen Hühnerhof, eine Kegelbahn und bis in die 1930er Jahre einen Tennisplatz. Im Jahr 1900 ließ Georg I. Heinrich für seinen Sohn Georg II. Anton in der Prager Straße 33 den als Mautner Schlössl bekannten Häuserkomplex in einer Art sezessionistischem Stil errichten. 1901 bis 1944 diente er dessen Familie als Wohnsitz, heute ist das Bezirksmuseum darin untergebracht.

Trotz seiner herausragenden Stellung ist doch nicht allzu viel Persönliches über Georg Heinrich überliefert. Gewiss ist, dass er – wie viele Mautners der früheren Generationen – zwar ein sehr lieber jedoch selbstbewusster Patriarch war, der es äußerst ungern sah, wenn man ihm widersprach. Doch ungeachtet seines dominanten Auftretens wurde er von seinen vier Söhnen, drei Töchtern und den meisten Familienmitgliedern heiß geliebt. So hat beispielsweise seine Schwiegertochter Emy, bis zu ihrem eigenen Ableben, an jedem 15. Mai dafür gesorgt, dass sein Grab mit einem Kranz geschmückt war. Wer sich noch etwa 70 Jahre später in so liebevoller Weise an den Schwiegervater erinnert, muss ihn wohl von ganzem Herzen geschätzt haben. Auch besaß er wie sein Vater großes Ansehen innerhalb der Bevölkerung. Auch er kümmerte sich nicht nur mit größter Sorgfalt um seine Kunden, sondern mit ebenso großem sozialen Verständnis um seine Angestellten und Arbeiter und die sozialen Probleme seiner Zeit. Er subventionierte großzügig Kinderheime und führte gemeinsam mit seiner Gattin Charlotte Adolf Ignaz´ Stiftungen für Waisenkinder fort. Beispielsweise ließ er im Dezember 1897 täglich 60 Kinder auf eigene Kosten ausspeisen und zwischen 1897 und 1900 bekamen auf seine Initiative hin täglich 600 bis 1000 arme Schulkinder ein warmes Mittagessen – er war Obmann des Ortsschulrates und Mitglied des Bezirksschulrates. Zu Weihnachten wurden den Kindern seiner Arbeiter im Herrenhaus Geschenke überreicht, sie wurden neu eingekleidet und erhielten Süßigkeiten. Wenn er mit der 1912 eröffneten Straßenbahnlinie 32 fuhr, bezahlte er den Fahrpreis von 20 Heller stets mit 1 Krone. Dieses Trinkgeld reichte für die Mahlzeit einer Familie. Langjährige Mitarbeiter sicherte er mit einer Altersvorsorge ab. Die Gemeinden Großjedlersdorf (am 8.1.1889) und Baden ernannten ihn ob seiner Verdienste zum Ehrenbürger.