Brauerei zum St. Georg

Georg I. Heinrich Ritter Mautner von Markhof übersiedelte 1864 in ein neu gegründetes Werk in der Prager Straße 20, Wien Floridsdorf. 1872 kaufte er eine Mühle und erweiterte gemeinsam mit seinem Schwager Otto Freiherr von Waechter den Betrieb um eine Malzfabrik, die unter „Waechter & Mautner“ firmierte und bald eine der größten Österreichs werden sollte. 1884 erwarb er eine kleine Brauerei in Leopoldsdorf, verkaufte sie fünf Jahre später jedoch an die Familie Waechter weiter. Nach dem Brand der an die Hefefabrik angeschlossenen Mühle in Floridsdorf entschied er sich 1892, dort gegen die Familienkonvention eine eigene neue Brauerei zu bauen und investierte in die Gründung seiner eigenen Biererzeugung, der er den Namen „Brauerei zum Sankt Georg“ gab. Im Februar 1893 ging die Anlage in Betrieb. Mit der Gründung von St. Georg wurde auch die von Adolf Ignaz vorgesehene (um Rivalität vorzubeugen) „Konventionalstrafe“ an seinen Bruder Carl Ferdinand (er leitete die Brauerei St. Marx) fällig, die heute in etwa einem Wert von 2,5 Mio. Euro entspricht und selbstverständlich in bestem Einvernehmen beglichen wurde.

Georg Heinrich hatte sich in den Kopf gesetzt, auch in Wien ein Bier zu brauen, das mit dem berühmten Pilsner Urquell keinen Vergleich zu scheuen brauchte und seinem Anspruch „Es darf kein besseres Bier geben, als das Unsrige“ wurde er, was durch zahlreiche Auszeichnungen bewiesen werden konnte, in Folge auch gerecht. Innerhalb kürzester Zeit stieg St. Georg – nach Schwechat, Sankt Marx und Liesing – zur viertgrößten Wiener Brauerei auf. Auch seine weiteren Grundsätze „Pflege und Schätzung der Kundschaft“„Bestes Einvernehmen und warmes Herz für Angestellte und Arbeiter“ und „Nur aus bester Rohware sollte das vorzüglichste Erzeugnis erzielt werden“ zeugen nicht nur vom Geist seines Vaters, sondern trugen wesentlich zu diesem Erfolg bei. So konnte die Meinung, „dass man ein lichtes Bier in genannter Qualität nur an Ort und Stelle in Pilsen erzeugen könne“, widerlegt werden. Für die Aufnahme der Brautätigkeit in Floridsdorf sprach auch der günstige Standort in der aufstrebenden und bevölkerungsstarken Gemeinde nahe dem hinter der Brauerei liegenden Verbindungsgleis zur Nordwestbahn. Floridsdorf wäre ja beinahe Hauptstadt von Niederösterreich geworden, wenn sich Karl Lueger als Wiener Bürgermeister nicht durchgesetzt und es an Wien angeschlossen hätte.

Georg Heinrich ging mit der Gründung aber auch ein großes Risiko ein. Fachkreise rieten davon ab, weil „Heute, wo man am Morgen nicht weiß, was der Abend bringt, würde durch neue Gründungen nur dem Fiscus in Betreff der außerordentlichen, unerschütterlichen Zinserträgnisse ein neuer Fingerzeig gegeben“ oder „Man möge mit den Brauereigründungen nun für eine Zeit taktvoll zuwarten, und nicht, auf die Gefahr hin, den Geldplatz zu überlasten, heute um jeden Preis das noch flüssige Capital in Brauerei-Aktien umsetzen, weil man dadurch gezwungen wäre, Dividenden auf unnatürliche Art, auf Kosten des Bierpreises oder des Qualitäten-Renomées aufzubringen, oder mit den Dividenden-Zahlungen aufzuhören“.  Quelle Gambrinus

Bald nach der Gründung der Brauerei begannen Georg Heinrich und seine Söhne Theodor I. und Georg II. Anton drei Gattungen Bier zu erzeugen. Das 10- bis 11-gradige Abzugsbier, ein 13- bis 14-gradiges Wiener Lagerbier und ein wie Pilsner Bier gebrautes lichtes hopfenbitteres Bier, das Märzenbier genannt wurde. Dieses untergärige St. Georgs Märzenbier sollte bald eines der berühmtesten Biere Europas werden. Neben der Verleihung des Ehrendiploms bei der „Internationalen II. Wiener Kochkunst-Ausstellung“ 1898, der höchsten Auszeichnung von Konsumenten und Wirten in Bezug auf die Ebenbürtigkeit mit dem Pilsner, zeugte auch das Überschreiten der 200.000 Hektoliter Marke im Jahr 1900 (mit 31 Beamten und 300 Arbeitern) von immenser Qualität und Beliebtheit. Ein Erfolg, den es im Brauereigewerbe innerhalb einer so kurzen Produktionszeit, bis dahin noch nie gegeben hatte. St. Georg gehörte zu den modernsten Brauunternehmen seiner Zeit, war mit den innovativsten Maschinen ausgerüstet und hatte auch eine eigene Blockeiserzeugung. Die Besonderheit war der oberirdische Lager- und Gärkeller im ersten Stockwerk „mit den allerbesten Eis- und anderen Maschinen“.  Fünf Sudwerke arbeiteten mit Dampfkochung, zwei neue Dampfkessel von je 220 m2 Heizfläche und 12 Atü Überdruck lieferten den zur Bierproduktion nötigen Dampf. Sie verarbeiteten nur die besten Zutaten und hatten bald das Ziel „dieselbe Qualität wie Pilsen zu liefern“ erreicht. Allerdings hatten sie anfangs mit den erwarteten großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen und Theodor I. erinnerte sich, dass mit dem letzten Gulden aus ehemaligen Stallungen Lagerstätten für das Bier gebaut wurden.

Das Areal zwischen Prager Straße und Peitlgasse war in mehrere Höfe geteilt und von einer Mauer umgrenzt. Beim Eingang Prager Straße 20 befanden sich Herrenhaus, Verwaltungsgebäude, Verkaufsraum, Kassa, Hefeerzeugung und Kesselhaus. Eine Kantine sorgte für die frische Verpflegung der Angestellten. Im anschließenden zweiten Hof waren Mühle, Kupferschmiede, Malztennen, Werkstätten und Lagerkeller. Der dritte Hof beherbergte Reinigung (Fasslwichs), Sudhaus, Lagerkeller und Wohngebäude für die Angestellten. Im vierten Hof schließlich kam man zum Maschinenhaus, der Werkstätte, Spiritusbrennerei und Malzdarre. Ein Kuriosum der Brauerei waren zwei indische Wasserbüffel, die einen Wagen zogen, der zwischen den beiden Standorten Prager Straße 20 (Brauerei) und 31 (Fassbinderei) verkehrte. Zwei solche Büffel hatte schon Carl Ferdinand in St. Marx eingesetzt. Ebenso wie die ungarischen Ochsen mit den weit abstehenden, gedrehten Hörnern der Brauerei Dreher galten sie als Markenzeichen ihrer Brauerei.

Als Georg I. Heinrich 1904 stirbt hinterlässt er ein wirtschaftlich so erfolgreiches Unternehmen, dass seine Söhne Theodor I. und Georg II. Anton, die die Geschäfte in Floridsdorf und Simmering (Hefeerzeugung, 1903 von Victor erworben) übernehmen, ihren Geschwistern insgesamt 4 Millionen Kronen (entspricht ca. 17,5 Millionen Euro) als Erbteil (in zehn gleichen Jahresraten) bezahlen mussten. Wie durch ein Wunder gelingt es den beiden Söhnen die folgenden, extrem kritischen Jahre, zu überstehen. Nicht nur, dass die Raten aufgebracht werden mussten, so fand man sich einem Preiskampf mit Göss ausgesetzt und auch der Erste Weltkrieg hinterließ in Folge seine Spuren. Die Brauindustrie führte einen gigantischen Überlebenskampf. Die Menschen hatten keine finanziellen Mittel mehr um sich Qualität leisten zu können, und die für Kriegszwecke gezwungenermaßen abgelieferten Materialien, vor allem Kupfer, konnten an den Produktionsstätten aus Liquiditätsmangel nicht ersetzt werden. Es fehlten die Rohstoffe, einzig Hopfen war genug vorhanden. So wurde mit Hirse, Rohzucker, Mais und später auch mit Zuckerrüben gebraut. Die Produktion sank von 200.000 Hektolitern (1913) auf 130.000 und 1936 konnten nur noch knapp 60.000 erzielt werden. Nach dem Krieg geriet das Unternehmen in die Krise. Die Spiritusfabrik musste geschlossen werden und die Presshefeerzeugung nach Simmering verlegt. 1926 waren 40 Beamte und 270 Arbeiter in den Floridsdorfer Betrieben beschäftigt. Statt Abzugsbier wurde nur mehr dunkles Bier gebraut.

1930 wird die St. Georg in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen Mautner Markhof Brauerei St. Georg AG umgewandelt, das Aktienkapital beträgt 6 Millionen alter Vorkriegs-Schilling (entspricht ca. 14,5 Millionen Euro). Präsident des Verwaltungsrates ist Theodor, sein Bruder Georg fungiert als Vizepräsident und deren jeweils älteste Söhne Gerhard und Georg III. werden Mitglieder des Verwaltungsrates. Die finanzielle Lage war jedoch schier hoffnungslos und die Auszahlung einer Dividende konnte in keinem einzigen Jahr auch nur erwogen werden. Österreich befand sich in den 1930er Jahren vor einem wirtschaftlichen Abgrund, die Arbeitslosigkeit hatte ein längst nicht mehr tragbares Ausmaß angenommen, zehntausende Menschen wurden „ausgesteuert“, sie erhielten keinerlei Unterstützung mehr, was einem Todesurteil gleichkam. 1934 machten die politischen Ereignisse auch vor der Brauerei nicht halt. Militär wurde stationiert und eine Kanone am Eingang positioniert, die auf die Hammerbrotwerke gerichtet war. Auch starb in diesem Jahr Georg II. Anton unerwartet und Theodor zog sich aus den Geschäften zurück. Die nächste Generation übernahm nun die Leitung der Betriebe und arbeitete als der sogenannte Viererzug eng zusammen.

Ohne Simmering wäre St. Georg zu diesem Zeitpunkt als selbständige Firma zur Liquidation mit einem Liquidationserlös von maximal Null gezwungen gewesen. Nichts desto trotz sollte diese Brauerei noch ungemein profitabel werden. Denn durch ihre Einbringung war es der Familie 1935 möglich, die Aktienmehrheit der Brauerei Schwechat AG zu übernehmen. Bedauerlicher Weise musste St. Georg im selben Zug, nach nur 43 Jahren, stillgelegt und geschlossen werden. Die Maschinen wurden abgebaut und nach Addis Abeba transportiert. Auch die Mälzerei konnte nicht weiterbestehen, da zu wenig Gerste zugewiesen wurde. Es verblieben nur noch ein Bierdepot, die Eisfabrik und Druckerei.

Während der NS-Zeit befanden sich in der ehemaligen St. Georgs Brauerei das KZ-Lager Jedlesee und der Sitz der Kommandantur sämtlicher Lager des Komplexes Wien/Floridsdorf. Ein Gedenkstein vor dem Bezirksmuseum erinnert heute noch daran. Obwohl das Areal zum Ende des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt und größtenteils zerstört worden war, braute Manfred I. hier nochmals für kurze Zeit Bier. 1955 wurden die Baureste abgetragen, einzig ein Teil der Mauer, die das Firmengelände umgeben hatte, existiert heute noch. Bis 1972 waren am Gelände selbst ein Limonadenbetrieb und Großdepot der Brauerei Schwechat untergebracht. Auf dem Areal in der Prager Straße entstanden Wohnhäuser.

Untrennbar verbunden mit der Brauerei ist das Mautner Schlössl, der ehemalige, bis heute als Bezirksmuseum erhaltene, Familiensitz.