Brauherren

Auszüge aus dem Buch „Von irgendwo in alle Welt“ von Georg J. E. Mautner Markhof:

…1840 pachtet Adolf Ignaz die der Bürgerspitals-Wirtschaftskommission zugehörige Brauerei St. Marx und entschließt sich, auch dort zu wohnen. Ein anderes brauchbares Objekt steht offensichtlich nicht zur Verfügung. Zu einem solchen Schritt bedarf es eines ungeheuren Maßes an Selbstvertrauen: es ist, wie ein unbekannter Chronist bemerk, „ein Glücksspiel, bei dem nicht viel zu gewinnen, wohl aber alles zu verlieren ist“. Alle Pächter vor ihm waren nämlich gescheitert, die meisten hatten ihr Vermögen eingebüßt. Ohne Zweifel ist die Bürgerspitalskommission erfreut, wieder einen Abenteurer gefunden zu haben. Der Zustand der Brauerei wird durch einen Bericht aus dem Jahre 1820 treffend charakterisiert: „So wie man aus der Kirche tritt, bemerkt man rechts zwei Räder, die manchem, der St. Marx besucht, auffielen und die doch nur ganz einfache Winden sind, durch welche aus dem Keller auf einem kleinen Wagen des Brauers Bier heraufgewunden wird. Wer an der Braukunst Freude findet, der trifft hier in den Gebäuden genug Neugierige. Ein Pferd, das stets im Kreise geht und eine Maschine tätig macht, die das Bier kühlt. Vier Ochsen, die immerfort die nämlichen Tritte treten und dadurch eine Maschine treiben, wodurch das Wasser viele Klafter hochgetrieben wird.“ (Novag 1820). Novag arbeitet als Arzt im Bürgerspital. Mit seinem Buch will er ein Loblied auf die dortigen Einrichtungen singen, sein Bericht vermittelt jedoch keine Begeisterung, sondern reflektiert einen völlig heruntergekommenen und veralteten Betrieb…

Auszüge aus den Lebenserinnerungen von Theodor I. Mautner Markhof:

…Seit der Gründung der Brauerei in Floridsdorf hatten mein Vater und ich eine große Aufgabe zu lösen. Das ganze Familienvermögen war in der Sache investiert, und so musste alles darangesetzt werden, um sich durchzusetzen. Unsere Grundsätze waren: Erstens darf es kein besseres Bier geben als das unsrige, zweitens Pflege und Schätzung der Kundschaft, und drittens bestes Einvernehmen und ein warmes Herz für Angestellte und Arbeiter. Mein Vater sagte immer: „Solange ich zu essen habe, werden meine alten Arbeiter auch zu essen haben.“ Er gewährte bezahlten Urlaub zu einer Zeit, wo derartige Forderungen noch gänzlich unbekannt waren. Er ließ einmal sämtliche Töchter der Belegschaft in einer guten Wiener Kochschule ausbilden, was für das weitere Fortkommen derselben von großem Vorteil war. Wir waren auch immer mit unseren Leuten in allerbestem Einvernehmen, und kann man auch ruhig sagen, seitdem ein Großvater angefangen hat, sich industriell zu betätigen, es keinen ernsteren Konflikt mit unseren Leuten gegeben hat. Es ist selbstverständlich, dass die alten Brauereien uns als neue Konkurrenz nicht gerne sahen und dass wir oft schwere Konkurrenzkämpfe zu bestehen hatten. Als der alte Dreher einmal ankündigte “Jetzt werden wir mit dem Geld kämpfen“, war das natürlich nicht angenehm, denn wir hatten kein freies Kapital zur Verfügung, während ihm ungezählte Millionen zur Verfügung standen. Auch dies haben wir überlebt und unsere alte St.-Georgs-Brauerei stieg bis zu einer Jahreserzeugung von zirka 220.000 Hektoliter…

Auszüge aus den Lebenserinnerungen von Manfred I. Mautner Markhof:

…Ganz genau habe ich auch noch den eigenartigen Lärm im Ohr, den die schweren, mit Fässern beladener Wagen, von gewaltigen Pinzgauer Pferden gezogen, beim Verlassen des Fabrikstores machten, wobei sich das Rattern der großen Eisenräder auf dem Granitpflaster mit dem Klirren der an eisernen Haken hängenden Fässer vermengte. Dass der Bierausstoß damals in den Sommermonaten bereits um 2 Uhr früh begann, musste in Kauf genommen werden und konnte einen Buben mit angehendem Brauerherz natürlich in keiner Weise stören…. In der Brauerei waren damals in erster Linie Slowaken beschäftigt, was in einem Vielvölkerstaat, wie es die österr.-ungarische Monarchie war, keineswegs ungewöhnlich war. Außerdem war es eine feste Vorstellung, dass z. B. in der Mälzerei einer Brauerei, wo ja noch sehr viel händische Arbeit auf den Tennen zu verrichten war, diese Arbeit wirklich fachmännisch nur von Slowaken durchgeführt werden konnte. Das hatte zur Folge, dass auf den Türen nicht „zumachen“, sondern „zavirat“ gestanden ist, da diese außerordentlich braven Arbeiter in der Regel der deutschen Sprache nicht mächtig waren. Das Verhältnis, das uns mit allen Brauereibeschäftigten verband, war ein absolut familiäres und patriarchalisches. Mein Großvater z. B. sagte noch sämtlichen Beschäftigten „Du“. Dabei hatte er ein ausgezeichnetes Namensgedächtnis, so dass er jeden seiner Leute mit Namen anreden konnte… Sehr typisch für die Einstellung meines Vaters seinen Leuten gegenüber war es, dass ich z. B. einmal ein beachtliches Kopfstück von ihm bekam, bei dem meine Kappe in hohem Bogen davonflog, weil ich den freundlichen Gruß eines uns entgegenkommenden Arbeiters nicht durch Abnehmen meiner Kopfbedeckung erwidert hatte…

Auszüge aus dem Buch „Von irgendwo in alle Welt“ von Georg J. E. Mautner Markhof:

…Selbst ohne Erben, entschließt sich Victor im Jahre 1913, St. Marx mit der Brauerei Dreher in Schwechat und der Brauerei Meichl in Simmering zu fusionieren. Die neue Firma erhält den Monster-Namen „Vereinigte Brauereien Schwechat, St. Marx und Simmering, Dreher, Mautner, Meichl AG. Victor wird Vizepräsident der fusionierten Brauereien und Kuno Mitglied des Verwaltungsrates. Erstaunlich an dieser Liquidation des väterlichen und großväterlichen Erbes ist, dass Victor die Brauerei St. Marx nicht ebenfalls den Vettern Theodor I. und Georg II. Anton anbietet… Nach der Fusion im Jahre 1913 wird die Biererzeugung in St. Marx eingestellt. Die Ereignisse des Ersten Weltkrieges treffen Schwechat bis ins Mark, vor allem deshalb, weil überhaupt keine Gerste, ein unverzichtbarer Rohstoff, zur Verfügung steht… Es ist eine harte Zeit für die österreichischen Brauereien. Schwechat gehört zu den Überlebenden, aber niemand spricht mehr von den dutzenden Braustätten, die damals unter die Räder kamen… In der Folge gelingt es der Unternehmerfamilie Mautner Markhof, die Majorität über Schwechat zu erhalten. Der Plan für diese Transaktion stammt von Georg III., und er wird auch, allein auf sich gestellt, die Verhandlungen führen… International gesehen ist die Brauerei Schwechat schlichtweg zu klein, um auch in ferner Zukunft gegenüber den großen Brauereien in aller Welt standhalten zu können. Irgendwann, das ist der Familie wohl bewusst, wird man sich mit einem Konkurrenten zusammenschließen müssen. Als Partner bietet sich die Brau AG an, die bereits Interesse an einer Zusammenarbeit mit Schwechat signalisiert hat. Die wichtigsten Aktionäre der Brau AG entstammen ebenso alten Bierbrauerfamilien, und die Größe der beiden Partner wäre etwa gleich… Am 29. August 1978 wird die Fusion mit der Brau AG vollzogen – in die Brau Union AG. Mit diesem Schritt verliert Mautner Markhof naturgemäß den Majoritätseinfluss über Schwechat, aber die Familie wird immerhin (über die Holding St. Georg AG) zur größten Aktionärsgruppe der Brau Union AG…

Bericht von Theodor II. Heinrich Mautner Markhof:

Die Hamilton (später Mautner Markhof Industriebeteiligung) wurde als Holding für die Hager Gruppe etabliert, um in ihr für meinen Vater den Gewinn aus dem Verkauf des Agenturnetzwerkes zu verwalten. Im nächsten Schritt beteiligten sich mein Bruder und ich an der Hamilton, um durch sie weitere Brau Union AG Aktien der Familie erwerben zu können. Zum Zeitpunkt, als meine Cousins signalisierten, St. Georg Aktien veräußern zu wollen, kaufte ich ihnen, im Namen der Hamilton, ihre Beteiligungen an der St. Georg (in der die Bau Union AG-Aktien gehalten wurden) ab. Um all diese Aktienkäufe zu finanzieren, mussten noch zusätzlich Kredite aufgenommen werden, jedoch gerade nur so viele, dass wir mit der Dividende, auf zehn Jahre gerechnet, die Zinsen und auch das Kapital hätten zurückzahlen können. Wäre die Dividende ausgeblieben, so hätten mein Bruder und ich die Raten und Zinsen persönlich begleichen müssen. Nun, wir hatten Glück. Rasch und vollkommen unerwartet hatten sich die Linzer Familien Beuerle, Kretz etc., die ebenfalls noch an der Brau Union AG beteiligt gewesen waren, dazu entschlossen die Geschichte in die Hand zu nehmen. Es wurde diskutiert, ob wir gemeinsam alles verkaufen, oder mit einem international starken Partner fusionieren, oder einen neuen Partner mit hineinnehmen sollten. Rasch wurden wir uns 2003 dahingehend einig, dass die Veräußerung an eine internationale Biergruppe – den Heineken Konzern – den meisten Profit bringen würde. Aus dem Erlös dieses Verkaufes haben einige Familienmitglieder wiederum in Heineken Aktien reinvestiert und somit ist ein Teil der Familie auch heute noch am Bierbraugeschäft kapitalmäßig beteiligt. Seit 2013 setzt mein Cousin Marcus Mautner Markhof die Tradition als Bierbrauherr aktiv fort – er ist Eigentümer der Brauerei Grieskirchen GmbH.