Eine schicksalhafte Verknüpfung – Franz Ferdinand von Österreich-Este und Brioni

1906 war für die „Tourismuswerbung“ von Brioni ein besonders wichtiges. Im Frühling dieses Jahres verbrachte Erzherzogin Maria Josepha drei Wochen auf Brioni, die zur Stabilität ihrer Gesundheit entscheidend beigetragen haben. Sie war der erste hohe Gast vom Wiener Hof und versäumte es nicht, den Ruf der Insel als Luftkurort in der Hauptstadt der Monarchie zu verbreiten. Trotz der bescheidenen Unterbringung im Hotel „Neptun I“, das inmitten der Wirtschaftsgebäude erbaut worden war (oberhalb vom weitläufigen Weinkeller, in unmittelbarer Nähe von Stallungen und Bauhütten) und in dem sie bis zur Errichtung des luxuriös ausgestatteten „Neptun II“ logierte, blieb die Erzherzogin bis zum Ersten Weltkrieg der Insel treu und wurde wegen ihrer Verdienste um die Werbung für den Kurort als Schirmherrin von Brioni betrachtet.

Nach Angaben Paul Kupelwiesers besuchte Franz Ferdinand Brioni bereits Mitte Juli 1908 zum ersten Mal, die lokale Zeitung bestätigt dies jedoch nicht. Im Juli 1909 begab sich der Thronfolger mit seiner Gemahlin auf der Yacht Miramar auf eine mehrtägige Kreuzfahrt entlang der adriatischen Küste. Ihre Reise führte sie über Šibenik, Dubrovnik, Makarska, Omiš, Split und Trogir auch nach Brioni. Damals machten sie in Begleitung von Carl Kupelwieser eine Autorundfahrt, informierten sich über den Wirtschafts- und Hotelbetrieb und besichtigten antike und mittelalterliche Denkmäler, mit deren Erforschung und Ausgrabung Anton Gnirs beauftragt war. Zu dieser Zeit entschied sich der Thronfolger, bei passender Gelegenheit zurückzukehren. Von Carl Kupelwieser erhielt er während dieses Inselaufenthaltes auch ein Wappen aus Omiš zum Geschenk. Bei seiner Ankunft in Omiš forderte er jedoch den Bürgermeister auf, Kulturdenkmäler und Kunstgegenstände nicht von ihrem Ursprungsort zu entfernen, alte Bauten behutsam und den ursprünglichen Plänen gemäß zu renovieren sowie regionale Eigenheiten zu pflegen. Diese vom modernen Standpunkt aus zutiefst berechtigte Ansicht entsprach zwar bereits damals den heutigen Empfehlungen zum Schutz des Kulturerbes, wurde aber im Jahr 1909 von der italienischen irredentistischen Presse noch massiv angegriffen.

Im Februar 1910 verbrachte der Erzherzog dann zwei Frühlingsmonate mit seiner Familie auf Brioni, was den Ruf der Insel als elitäres Urlaubsziel endgültig festigte, da jeder längere Aufenthalt der Angehörigen der Kaiserfamilie ein ungeheures Interesse in der Öffentlichkeit weckte. Trotz dieser außerordentlich guten Zukunftsaussichten war sich laut Inselzeitung die Inselverwaltung jedoch im Klaren darüber, dass Brionis Zukunft ausschließlich in einem umweltschonenden, „sanften“ Tourismus für jedermann liegen könne. Auch Franz Ferdinand, immerhin Thronfolger, begnügte sich samt seiner Familie mit einfacher Unterbringung im Hotel „Carmen“, wo er den ersten Stock innehatte. Dass selbst er Brioni trotz der damals noch bescheidenen Unterkunftsmöglichkeiten als Urlaubsort gewählt hatte, trug sehr zur weiteren touristischen Entwicklung der Destination bei. Der Erzherzog galt allgemein als düsterer, ziemlich unnahbarer Mann, aber wenn man ihn in diesem Umfeld mit seiner schönen Frau, der Herzogin von Hohenberg, und den drei reizenden Kindern sah, bekam man den Eindruck eines vollendeten Familienglückes. Ab diesem Zeitpunkt verbrachte er bis 1914 regelmäßig einige Frühlingswochen auf der Insel.

Während seines ersten neunwöchigen Aufenthaltes besichtigte er 1910 in Begleitung von Professor Gnirs, dessen Tätigkeit er sehr schätzte und unterstützte, römische Ausgrabungen nicht nur am istrianischen Festland, in Valbandon und Pola, sondern auch auf Brioni. Er interessierte sich sehr für die dortigen archäologischen Stätten der Villen- und Bäderanlage des alten Rom, und es lohnte sich, da, wo noch einige Säulen von »entschwund’ner Pracht« zu sehen waren, ausgedehnte Grabungen vorzunehmen. Mit dem Gezeigten hochzufrieden dankte er Gnirs in einem Brief, den er im Blatt der „Zentralkommission für Denkmalschutz“ veröffentlichen ließ, die unter seinem Ehrenschutz stand. Er versuchte, in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Erhaltung des Kulturerbes zu wecken. Tatsächlich wurde in Brioni im Laufe der Jahre vieles ausgegraben. Die zur Verfügung stehenden Mittel waren anfangs sehr gering und die Ausgrabungen gingen wegen Personalmangels nur langsam voran. Alle Gäste liebten es bei diesen, meist nur sonntags stattfindenden Arbeiten, zuzusehen. Es machte Spaß dabei zu sein, wenn kleine Gegenstände wie Tränenfläschchen, Lampen, Bronze-Statuetten, Bruchstücke von Amphoren etc. zum Vorschein kamen. Wer Glück hatte und mit dem Forscher bekannt war, konnte mit einer römischen Münze von dannen ziehen. Durch das Interesse des Erzherzogs konnten die Arbeiten alsbald in beschleunigtem Tempo fortgesetzt werden und Prof. Gnirs wurde zum Landeskonservator von Istrien ernannt.

Wie so vielen hatte Brioni es auch dem österreichischen Thronfolger angetan, er wollte durchaus einen Teil der Insel käuflich erwerben. Dort fand er ideale Urlaubsbedingungen vor und konnte seiner Leidenschaft für Archäologie, Denkmalschutz und Gärtnerei frönen. Besonders vorteilhaft war natürlich auch die Nähe des Kriegshafens Pola, der schnell zu erreichen war. Obwohl er mehrere Güter und einige Jagdreviere (Konopiště, Chlumetz, Eckartsau, Blühnbach, Lölling) besaß, gefiel ihm Paul Kupelwiesers Schmuckstück so gut, dass er im südlichen Teil 20 Morgen Land für 250.000 Kronen kaufen wollte. Kupelwieser aber, selbst König in seinem kleinen Reich und keine Lust, die Alleinherrschaft aufzugeben, wusste aber darüber hinaus auch, dass der Kaufpreis in einigen Jahren steigen würde, und stimmte nicht zu. Nach der Schätzung des Anwaltes der Hofgärtnereien betrug der Wert der Insel etwa 30 – 35 Millionen Kronen. So versuchte der Thronfolger auf andere Weise sein Ziel zu erreichen: Es begann Sicherheitsgründe und Angst vor Spionage wegen der Anwesenheit von Gästen aus aller Herren Länder als Grund für den angestrebten Kauf anzuführen. Angeblich sollte die Regierung, bzw. die Marine die Insel kaufen, für diesen Fall wäre es dann nur noch dem Thronfolger und seiner Familie möglich gewesen, auf der ihr zu verweilen und Hotelbetrieb und Villen wären in Lazarette umgewandelt worden. Die Zeitungen hatten seit 1910 immer wieder darüber berichtet. Beispielsweise kann man in der Inselzeitung lesen, dass die Angst vor Spionage so und so völlig unangebracht wäre, da es auf einer Insel viel leichter ist Kontrolle über fremde Gäste zu behalten, als auf dem Küstenland. Weiters wird hervorgehoben, dass die Entwicklung des Fremdenverkehrs auf Brioni Österreich zugutekomme und nicht umgekehrt. Wegen der Ansprüche des Thronfolgers, die in der Öffentlichkeit allgemein Empörung ausgelöst hatten, wurde Kupelwieser ständig unter Druck gesetzt und die Verhandlungen zogen sich unendlich lang hin, denn Franz Ferdinand wollte die ablehnende Haltung des Eigentümers partout nicht gelten lassen.

Franz Ferdinands Faible für Brioni sorgte jedoch auch für manches Highlight. So brachte z. B. das Jahr 1912 ein grosses Ereignis mit sich – den Besuch Kaiser Wilhelms, der der Aufforderung des Erzherzogs nachgekommen war, sich mit ihm auf der Insel zu treffen. Es war ein strahlender Tag, eine leichte Bora blies und ließ das Meer so blitzblau erscheinen, wie eben nur die Adria blau sein kann! Unvergesslich der Anblick, als die schneeweiße Hohenzollern mit dem kaiserlichen Gast an Bord in Sicht kam, erwartet von den Schlachtschiffen der österreichischen Marine, welche im Kanal von Fasana Aufstellung genommen hatten und eines nach dem andern ihre Salutschüsse abgaben. Von dem mit Teppichen belegten Molo Brionis, auf dem Erzherzog Franz Ferdinand mit seinem Gefolge stand, löste sich die Admirals-Barcasse und begab sich längsseits. Nach der offiziellen Begrüßung genossen die längs der Riva Spalier stehenden Hotelgäste das Vergnügen, die hohen Herren in nächster Nähe an sich vorübergehen zu sehen.

Doch es kam der Tag, an dem der österreichische Dreadnought (Kreuzer) Viribus Unitis majestätisch, von Triest kommend, im Kanal von Fasana in Sicht kam. Man sah die Admiral-Standarte flatterrn, und man wusste, an Bord befand sich der oberste Flottenchef, Erzherzog Franz Ferdinand, mit seiner Gemahlin auf der Fahrt nach Sarajevo. Das Schiff verlangsamte die Fahrt, eine Barcasse löste sich von Bord, sie fuhr herüber nach Brioni, um die beiden Prinzen von Württemberg abzuholen, die zur Kur in Brioni weilten. Als Neffen Franz Ferdinands waren sie von ihm zu einer kurzen Begrüßung an Bord geladen worden. Die beiden Jünglinge kamen von diesem Besuch ganz begeistert zurück und erzählten Dr. Otto Lenz, in dessen Behandlung sie standen, ihr Onkel hätte ihnen versprochen, sie auf seiner Rückreise an Bord zu behalten und nach Triest mitzunehmen. Wie sah diese Rückreise wenige Tage später aus! Die Katastrophe in Sarajevo hatte stattgefunden. Der Viribus Unitis erschien abermals – in langsamer Fahrt, Flagge auf Halbmast. Zwei Särge führte er an Bord, und am Molo von Brioni standen zwei junge Prinzen und weinten.

U. a. zusammengefasst und gekürzt aus der Quelle: Mira Pavletic: „Die Welt der Maria Lenz“, Übersetzung von Elke Vujica