Gesellschaft und Begegnungen – Lebenserinnerungen von Manfred II. Mautner Markhof

Österreichische Gesellschaft für Außenpolitik und internationale Beziehungen

Die Einrichtung der Außenpolitischen Gesellschaft hat sich als inoffizielle Plattform für Einladungen des Außenministeriums sehr bewährt.

Die Gesellschaft wurde im Jahr 1958 mit dem Ziel gegründet, in weiten Kreisen der österreichischen Öffentlichkeit das Interesse für Fragen der Außenpolitik zu wecken bzw. zu vertiefen. Sie soll als Plattform der Information und Diskussion außenpolitischer Probleme, als Forum für die Erarbeitung von Konzepten und Zukunftsperspektiven und als Stätte der Begegnung mit Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Diplomatie aus dem In- und Ausland wirken. Ihre Aktivitäten bestehen in Vorträgen, die etwa zwei bis drei Mal im Monat von vorzugsweise ausländischen Gästen gehalten werden, die sich zu offiziellen oder inoffiziellen Besuchen in Österreich aufhalten, gelegentlich auch verbunden mit anschließendem Vin d´honneur, der den Teilnehmern Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Gast geben soll. Weiters veranstaltet die Gesellschaft die außenpolitischen Gespräche auf Schloss Hernstein, die jeden Herbst für einen Teilnehmerkreis bis zu 70 Personen stattfinden und Hintergrundgespräche in kleinem Kreis mit in- und ausländischen Repräsentanten aus Politik und Wirtschaft vorsehen. Die nötigen Geldmittel werden durch Mitgliedsbeiträge, durch die öffentliche Hand (Subvention des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten) und durch Sponsoren aufgebracht. Von ihrer Gründung bis 1983 gab die Gesellschaft die „Österreichische Zeitschrift für Außenpolitik“ heraus. Von 1984 bis 2002 erschien das von der Gesellschaft gemeinsam mit dem Österreichischen Institut für Internationale Politik herausgegebene „Österreichische Jahrbuch für Internationale Politik“. Die Jahrbücher enthalten neben den, im Zuge der Hernsteiner Gespräche gehaltenen Referate, Analysen außenpolitischer Fragen und eine Chronik zur österreichischen Außenpolitik. Damit erhalten sie dauerhaften historischen Wert. Darüber hinaus erschienen Schriftreihen und andere Publikationen.

Durch die spätere ÖGAVN wurde es mir ermöglicht, viele interessante Menschen persönlich kennen zu lernen.

So hinterließ zum Beispiel der damalige Kronprinz, heutiger Tenno Japans, Akihito, den ich anlässlich eines offiziellen Besuchs der Gesellschaft in Japan kennenlernte, einen großen Eindruck auf mich. Dieses erste Zusammentreffen mit Akihito muss Mitte der achtziger Jahre gewesen sein. Er war damals noch Kronprinz, jedoch hatte ihm sein bereits sehr kranker Vater schon viele Geschäfte übertragen. Wir hatten einen höchst interessanten Abend mit Akihito, als dieser nämlich erfahren hatte, dass unser Professor Schambeck ein ausgezeichneter Staatsrechtler war, diskutierten wir ausgedehnt über das Funktionieren der monarchistischen Demokratie in Europa. Dieses Gespräch muss wohl länger gedauert haben als ursprünglich eingeplant, ein Hofbeamter nämlich, der dem Gespräch beiwohnte, holte plötzlich einen tiefen Luftzug durch die Nase, womit der Kronprinz informiert wurde, dass es nun an der Zeit war, die Audienz mit uns zu beenden. Bei unserem zweiten Zusammentreffen war Akihito bereits der Tenno, und diesmal war er auf Staatsbesuch in Österreich, unter Bundeskanzler Bruno Kreisky. Ich wurde damals in meiner Position als Präsident der japanischen Gesellschaft zu diesem Treffen gebeten. Ich dankte dem Tenno damals für seinen Einsatz für die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zwischen Österreich und Japan und hatte wiederum eine äußerst nette Begegnung mit ihm.

Auch mit Jiang Zemin, zur damaligen Zeit Präsident der Volksrepublik China, traf ich zusammen. Den italienischen Staatspräsidenten Francesco Cossiga habe ich gleich mehrmals getroffen.

Eine nette Erinnerung habe ich an den britischen Außenminister Selwyn Lloyd. An den genauen Anlass kann ich mich nicht mehr erinnern, Lloyd hielt jedenfalls einen Vortrag hier in Wien. Die einleitenden Worte sprach unser Außenminister Leopold Figl. Ich saß neben Selwyn Lloyd, der mich während Figls Worten bat, ich möge ihm doch übersetzen, was ich auch gerne tat. Als dann er im Anschluss seinen Vortrag hielt, wandte sich Figl dann mit den Worten an mich: „Na, kannst du mir das dann bitte auch übersetzen?“

Der englischen Königin Elizabeth II. begegnete ich persönlich im Jahre 1969, als sie einen Staatsbesuch in Österreich absolvierte. Der Protokollchef des Bundeskanzleramtes, Lukas Beroldingen, holte das alte spanische Hofzeremoniell hervor, das vorgab, dass die Königin als ausländischer Gast an allen Gästen vorbeigeführt und in einen Salon gebracht werden müsse. Hinter ihr müsse die Türe geschlossen werden. Die englische Königin war mit diesem Vorschlag sehr zufrieden, wollte aber doch gerne beim einen oder anderen stehen bleiben, um ein paar persönliche Worte wechseln zu können. Es kam der Tag ihrer Ankunft, meine Frau und ich waren anwesend und hatten uns in die letzte Reihe gestellt. Prompt blieb Ihre Majestät bei uns stehen! Wir wurden vom Protokollchef vorgestellt als „Präsident Mautner Markhof und Mrs. Mautner Markhof“. Königin Elizabeth daraufhin: „Oh, where are you president from?“ Woraufhin ich ihr antwortete: „From an international company based in Bermuda.“ Daraufhin fing die Königin so herzhaft an zu lachen, dass es eine Freude war! Auch Princess Diana wurde ich anlässlich einer Theateraufführung im Burgtheater einmal vorgestellt. Sie war wirklich eine hinreißend schöne Frau gewesen. Auf ein von mir gemachtes Kompliment folgte ihre charmante Antwort: „It is very kind of you to say so while I am here, but what will you say, when I am gone?“ Was für eine Frau!

In den siebziger Jahren hatte ich die Gelegenheit, den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak anlässlich seines Staatsbesuches in Wien zu treffen. Ich tat dies in meiner Position als ehemaliger libanesischer Honorarkonsul. Bei diesem Gespräch wurde Mubarak vom damaligen Nationalratspräsidenten Dr. Heinz Fischer mit Fragen Israel betreffend, ordentlich in die Mangel genommen. Ich wollte Mubarak daraufhin eine aufmunternde Frage stellen, um die Stimmung wieder etwas aufzuhellen, ergriff das Wort und fragte: „Herr Präsident, wir wissen sehr genau, dass die Frage Jerusalem mit dem endgültigen friedlichen Zusammenleben in ihrer Region eng verbunden und von essentieller Bedeutung ist. Was ist hierzu Ihre persönliche Meinung?“ Mubarak breitete daraufhin seine Arme aus und antwortete mit leuchtenden Augen: „My friend!“ Er war mir für diesen Ansatz recht dankbar und antwortete danach sehr klug und überlegt.

Den damaligen Vizepräsidenten George Bush traf ich anlässlich eines amerikanischen Staatsbesuches in Wien, wo er in der Hofburg eine wilde Rede auf die damaligen Satellitenstaaten hielt. Im Zuge dieses Besuches wurde ich ihm in meiner Position als Präsident der österreichisch-amerikanischen Gesellschaft vorgestellt. In unserer kleinen Unterredung erzählte ich ihm, dass ich als erster österreichischer Auslandsstudent am Bowdoin College studieren durfte. Daraufhin strahlte Bush und meinte: „I have just received an honorary degree at Bowdoin College, thus we are fellow students!“

An dieser Stelle möchte ich auch meine Begegnungen mit unseren letzten Päpsten erwähnen, da dies für mich immer sehr besondere Momente und Erlebnisse waren. Anfangen will ich mit Papst Pius XII., den ich 1957 oder 58 anlässlich eines Kongresses der internationalen Handelskammer treffen durfte. Auf unserer Rückreise von Neapel waren sämtliche Teilnehmer dieses Kongresses, immerhin um die dreihundert Menschen, in Rom zu einem offiziellen Papstbesuch eingeladen gewesen. Dieses Treffen ist mir heute noch in beeindruckender Erinnerung, und selbst meine protestantische Frau und ihre Mutter, die mich auf dieser Reise begleiteten, waren von der Persönlichkeit dieses Papstes sehr eingenommen gewesen. Die vergeistigte Figur von Papst Pius XII. erreichte uns alle!

Seinem Nachfolger, Papst Johannes XXIII., begegnete ich in Zusammenhang mit meiner Tätigkeit im außenpolitischen Ausschuss und den immer wieder aufflammenden Diskussionen um die Zugehörigkeit Südtirols. In dieser Diskussion spielte der damalige römische Cardinale Ottaviani eine nicht unwesentliche Rolle, und so versuchte ich, über einen mir angeheirateten Onkel, der eine sehr gute Beziehung zu diesem Kardinal hatte, ein Treffen zu arrangieren. Dies gelang mir auch und ich reiste also nach Rom. Meine Begegnung mit Ottaviani war anfangs leicht skurril, weil er nicht nur ein Mann von äußerst kleinem Wuchs war, noch dazu schielte der Arme recht gewaltig, und es fiel mir nicht leicht, ihn anzuschauen. Das Gespräch verlief in der Folge jedoch recht nett, wenn auch wenig erfolgreich, da die Causa Südtirol an einen anderen Zuständigen weiterdelegiert worden war. Wie auch immer, ich war nun einmal in Rom und wollte natürlich nicht fort, ohne im Petersdom gewesen zu sein. Einmal drinnen hörte ich eine Stimme, die mir bekannt war, ich konnte sie jedoch nicht gleich einordnen. Bald bemerkte ich mit Freude, dass der Papst soeben eine Generalaudienz abhielt – was für ein Zufall und Glück! Hier stand nun im Gegensatz zur vergeistigten Figur des Pius XII. ein Papst, der mit Händen und Füßen redete. Einmal wollte ihm ein Wort nicht und nicht einfallen, woraufhin sich ein Monsignore zu ihm hinunterbeugte, um ihm das Gesuchte einzuflüstern: „Aaah, ecco!“ war der erleichterte Ausruf des Papstes, gefolgt von einem begeisterten Applaus der anwesenden Gemeinde. Papst Johannes XXIII. Strahlte eine unbeschreibliche Sympathie aus, wenngleich mir persönlich sein Vorgänger noch mehr am Herzen gelegen hatte. Man sagt jedoch, dass wäre Johannes XXIII. ein längeres Leben beschert gewesen, und er nicht so überraschend kurz nach der Eröffnung des Konzils gestorben wäre, die Resultate hätten sicherlich anders ausgeschaut. Womöglich wäre der tridentinische Ritus doch nicht abgeschafft worden. Es scheint nämlich, dass er hinter seiner oft recht umgänglichen und offenen Fassade ein doch recht strenger Herr gewesen sein soll. So gibt es als kleines Beispiel eine Erinnerung des Kärntner Touristenpaters Gustav Bergmann: Ein Bischof zur Audienz in Rom sei, bereits vor dem Papst stehend, vom letzteren aufgefordert worden, zuerst einen, dann noch einen und noch einen Schritt zurück zu treten, bis er schließlich an der Wand anlehnte – das wäre in des Papstes Augen der richtige Respektabstand gewesen! Diese kleine Anekdote zeigt doch einen gewissen Hang zu strikten Regeln und Traditionen, sowie konservativen Wertvorstellungen.

Dem nachfolgenden Papst Paul VI. (den Johannes XXIII. übrigens lange Zeit nicht zu seinem Nachfolger ernannt haben wollte) durfte ich persönlich nie begegnen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich von Paul VI. als Papst nie so ganz überzeugt war, meiner persönlichen Meinung nach ist von ihm nie sichtbar die christliche Güte ausgegangen, er war, wie ich finde, ein sogenannter „harter Brocken“. Letztendlich war er aber zu kurz in seinem Amt.

Dafür kann ich von Papst Johannes Paul II. nicht genug schwärmen (sein Vorgänger Johannes Paul I. war zu kurz im Amt gewesen, als dass ich mir hätte ein Urteil bilden können). Diesem Papst durfte ich mehrere Male in Privataudienz in meiner Funktion als Bundesrat begegnen. In meiner ersten Audienz wurden wir alle einzeln mit Namen vorgestellt, ich hatte damals meine beiden Söhne mit dabei, und als nun das dritte Mal der Name „Mautner Markhof“ fiel, antwortete der Papst mit einem Segenswunsch für unsere gesunde Familie – ein sehr schöner Augenblick für mich! Diese erste Audienz war vor dem Palmsonntag, und wir waren alle dazu eingeladen, diese Papstmesse mitzufeiern. Das bedeutete mir natürlich viel und ich war besorgt, ob wir wohl einen guten Platz zugewiesen bekommen würden. Meine Sorge stellte sich als völlig unbegründet heraus, saßen wir doch direkt am Altar! Eine lustige Anmerkung dazu betrifft das Verhalten unserer sozialistischen Partner, die damals vor dem Altar haltmachten, um doch lieber unten Platz zu nehmen. Papst Johannes Paul II. verbreitete eine unglaubliche Güte und ein Verständnis, es war beeindruckend. Gleichzeitig hatte er sehr wohl auch seine ganz klaren Überlegungen und Standpunkte! So war er zum Beispiel sehr darum bemüht, viele Entscheidungen aus dem letzten Vatikanum wieder in ein etwas gemäßigteres Licht zu rücken, was ihm meiner Meinung nach auch gut gelungen ist. Bei einem späteren Zusammentreffen mit Papst Johannes Paul II., anlässlich einer Familienreise, nahm ich meinen Enkel Theodor Georg mit zur Audienz. Meine Frau hatte damals befürchtet, es würde ihm entsetzlich langweilig werden, aber das Gegenteil war der Fall, denn auch er war vollends begeistert! Der unbeschreiblichen Aura dieses Papstes konnte sich einfach niemand entziehen.

Mit dem jetzigen Papst Benedikt XVI. hatte ich die Gelegenheit eines Zusammentreffens, als er noch Kardinal war. Er war damals zu Besuch in Wien, und unser Professor Schambeck hatte die Idee, Kardinal Ratzinger zu einem Philharmonischen Konzert einzuladen, was für mich ein Leichtes zu organisieren war. Anschließend wurde dann zu einem gemeinsamen Abendessen im Hotel Imperial geladen. Ich war damals begeistert von der Liebenswürdigkeit und Intelligenz dieses Mannes. Als es zur Wahl eines neuen Papstes kam und tatsächlich angekündigt wurde „Habemus Papam, Josephum Ratzinger“ – was für eine Freude! Ich muss gestehen, dass meine ganz persönliche und große Vorliebe dem verstorbenen Papst Johannes Paul II. gilt, wobei ich anerkennen muss, dass Papst Benedikt XVI. nicht nur nicht versucht es seinem Vorgänger gleich zu machen, er ist seit der Innehabung dieses Amtes wahrlich über sich selbst hinausgewachsen! Er ist ein großer Theoretiker und sicher nicht jemand, der den einfachen und allgeliebten Weg des geringsten Widerstandes sucht (im Gegensatz zu Paul VI., dem ich dies sehr wohl vorwerfe).

Auch möchte ich noch eine letzte besondere Persönlichkeit des klerikalen Bereiches erwähnen: Eine sehr enge und freundschaftliche Verbindung hatte ich zu unserem Kardinal König, die mich auch an eine lustige Anekdote erinnert. Einmal sagte sich der Kardinal, der offensichtlich in der Nähe zu tun gehabt hatte, bei uns in Strobl zu Besuch an. Er kam und blieb über einen Tag und eine Nacht. Als wir ihn am Abend vor dem Zubettgehen fragten, wann er denn am nächsten Tag sein Frühstück haben wollte, antwortete er, um halb acht würde er sicher herunterkommen. Gut, meine Frau und ich warteten ab halb acht beim Frühstück, der Kardinal kam nicht. Auch nicht eine Viertelstunde, noch eine halbe Stunde, noch eine ganze Stunde später. Uns wurde schon etwas flau zumute, wir machten uns große Sorgen und schickten einen Bediensteten zu seinem Zimmer, schon das Schlimmste erwartend. Als noch etwas mehr Zeit vergangen war, kam ein strahlender Kardinal die Treppe herunter und verlautete, er habe schon lange nicht mehr so gut und tief geschlafen wie letzte Nacht! Unsere Erleichterung war uns offensichtlich ins Gesicht geschrieben, denn der Kardinal musste herzhaft lachen!