Anfang Januar 1982 hatte ich das Vergnügen, nach Pakistan zu reisen, nach Lahore, zur Hochzeit Mubashrahs, der ältesten Tochter meiner Schwester Elisabeth. Im Jahr 1959 hatte Elisabeth Syed Afzel Naqvi geheiratet. Sowohl sie als auch Afzel studierten damals in London am Queen Mary College. Sie haben sechs Kinder: MUBASHRAH ist mit Agha Qasim Raza verheiratet, SOHAIL mit Iram Mehdi, FARVAH mit Imran Ali Shah, MUNAZZAH mit Tariq Riaz Malik, FEISAL mit Ayeda Husain und IJLAL mit Leylac Pekin. Diesen sechs Ehen entsprangen mehr als fünfzehn Enkelkinder.
Jetzt, Mitte Dezember 2021, vierzig Jahre später, bin ich froh, wieder in Lahore zu sein, um die Hochzeiten zweier Enkel meiner Schwester zu feiern. Mein Schwager Afzel war im August desselben Jahres verstorben. Von seiner Familie verehrt, von allen, die das Glück hatten, ihn zu kennen, geliebt und geachtet, lebt er in der Erinnerung von uns allen unvergesslich weiter.
Als ich 1982 nach der faszinierenden Hochzeit von Qasim und Mubashrah, die sich über acht Tage erstreckte, nach Hause zurückkehrte, schrieb ich meine Eindrücke auf, die ich mit Fotos illustrieren konnte, die mir freundlicherweise aus Lahore zugesandt wurden. Damals war ich noch nicht die begeisterte und unbändige Fotografin, zu der ich durch die beiden Hochzeiten, die ich hier beschreiben werde, geworden bin. Um mein Gedächtnis aufzufrischen, habe ich mir alle meine Notizen noch einmal durchgelesen, bevor ich mich in dieses neue Abenteuer stürzte. Ich erinnerte mich sehr gut daran, dass im Gegensatz zu Hochzeiten im Westen, die in der Regel nur einen Tag dauern – abgesehen von der Verlobungsfeier, die Monate oder Wochen vorher stattfindet –, im Osten (und hier beziehe ich mich vor allem auf den indischen Subkontinent) die mit der Hochzeit verbundenen Feierlichkeiten tagelang andauern. Im Einklang mit der Tradition als alle Ehen arrangiert wurden, veranstaltet jede Familie eine Reihe von Feiern – zunächst getrennt, nur für die eigene Verwandtschaft. Diese gipfeln in der Nikāḥ, der eigentlichen Hochzeit, die im Haus der Eltern der Braut stattfindet. Am Tag danach findet im Haus der Eltern des Bräutigams die Walima statt, um die Vollendung der Ehe zu feiern. Mubashrah und Qasim hatten eine arrangierte Ehe. Früher sahen sich die beiden zum ersten Mal bei der Nikāḥ. Meine Nichte hatte jedoch die Möglichkeit, den jungen Mann, den ihre Eltern als Ehemann ausgewählt hatten, zu treffen und sich mit ihm zu unterhalten. Qasim kam zu diesem entscheidenden Treffen sogar aus dem weit entfernten Seattle an der Westküste der USA, wo er für Boeing arbeitete. Hätte der intelligente junge Ingenieur Mubashrah nicht gefallen, hätte es keine Heirat gegeben. Ihre Eltern hätten weiter nach einem geeigneten Bräutigam gesucht. Das Ergebnis war jedoch eine glückliche Ehe. Qasim und Mubashrah bekamen drei Kinder: zwei Mädchen und Haider (ausgesprochen Hedda wie in Ibsens Hedda Gabler). Haider ist der Bräutigam der Hochzeit, die ich in weiterer Folge als Nummer eins bezeichne.
Soweit ich weiß, waren beide Hochzeiten, an denen ich teilnehmen sollte, Liebesheiraten. Die jungen Paare, die alle sehr kosmopolitisch eingestellt sind, lebten bereits oder werden zukünftig in den Vereinigten Staaten leben. Meiner Schwester zufolge sind jedoch 90 % aller Ehen in Pakistan nach wie vor arrangiert. In vielen Fällen sind es die jungen Männer, die ihre Eltern bitten, für sie eine passende Braut zu finden. Die eigentliche Hochzeit, die Nikāḥ, ist ein rein zivilrechtlicher Vertrag, der von den Vätern der beiden Parteien vor Zeugen unterzeichnet wird, wobei ein Mullah anwesend sein kann, um seinen Segen zu geben und das Lob Allahs zu preisen. Zu Beginn dieses Aktes ist der Vater der Braut gesetzlich dazu verpflichtet, seine Tochter um ihre Zustimmung zu bitten. Die Unterzeichnung des Vertrages findet getrennt statt, auf der einen Seite die Braut mit ihrer Familie, auf der anderen Seite der Bräutigam mit seiner. All dies geschieht in weniger als fünfzehn Minuten.
Vor vierzig Jahren hatte ich die Hochzeit als Mitglied der Familie der Braut besucht. Dieses Mal erlebte ich sie als Mitglied der Familie des Bräutigams. Es gab Unterschiede, aber vor allem ist es damals wie heute ein andauerndes großes Fest für die Frauen und Freunde beider Familien. Es ist das Fest der Frauen schlechthin, das Fest, bei dem sie sich von ihrer besten Seite zeigen. Jeden Abend erscheinen sie in wechselnden schillernden und bunten Outfits. Tanzen und Singen, begleitet vom Klang der Trommeln und Tamburine, waren schon immer ein wichtiger Bestandteil der meisten Festlichkeiten. Heutzutage ist alles viel entspannter, und bei den großen Festen sind Trommel und Tamburin durch Live-Bands und DJs ersetzt worden.
Aber genug der Formalitäten. Ich werde nun die Ereignisse schildern und gleich zu Beginn mit meiner Reise nach Lahore beginnen.
Samstag, 18. Dezember 2021
Um 4 Uhr morgens wurde ich unsanft von meinem Wecker geweckt und verließ Madrid um 8 Uhr morgens an Bord eines Flugzeugs von Qatar Airways in Richtung Doha. Der Flug war angenehm, er dauerte etwa sechs Stunden. Die meiste Zeit verbrachte ich vor mich hindösend. Irgendwann nahm ich einen Snack zu mir und später ein Glas großzügig eingeschenkten Laurent Perrier rosé, der mir das Leben noch rosiger erscheinen ließ. Die Zwischenlandung in Doha dauerte etwa drei Stunden. Die Inneneinrichtung des Flughafens bestand hauptsächlich aus Stahl. Alle Angestellten und Passagiere schienen Ausländer zu sein. Es war schwierig, einen Katarer oder einen Einheimischen aus einem der Nachbarländer des Persischen Golfs anzutreffen. Im riesigen Duty Free entdeckte ich schließlich zwei Männer in den klassischen fließenden weißen Gewändern, die Köpfe mit einem karierten Tuch bedeckt, das von einem schwarzen Band zusammengehalten wurde. Da sie nichts kaufen wollten, machten sich die beiden auf den Weg zum Warteraum von Al Safwa.
Ich, die ebenfalls einen Passierschein für die Business Class-Lounge hatte, beschloss ihnen zu folgen, um sie genauer zu beobachten. Aus reiner Neugierde. Sie verschwanden schnell in den Innenraum. Neben dem Eingang befand sich ein Schalter, an dem ich nach meiner Bordkarte gefragt wurde. Ich wurde in eine andere Lounge namens Al Moujon verwiesen, ein riesiger, komplexer, architektonisch moderner Raum mit einem Restaurant und riesigen Pool. Offensichtlich war dies die Lounge für die Passagiere, die nicht aus dem Land oder der Region stammten. Al Safwa war wohl nur für diese Reisenden bestimmt. Oder es handelte sich einfach um einen reinen Männerbereich. Zu meiner Enttäuschung sah ich keine weitere Person in einheimischer Kleidung.
In Doha traf sich dann das gesamte Kontingent der pakistanischen Großnichten/Neffen, die alle aus den Vereinigten Staaten kamen, hauptsächlich aus New York, einschließlich Haider, dem Bräutigam Nummer eins. Wir trafen uns, als es gerade an der Zeit war zum Flugsteig zu gehen, um den Flieger nach Lahore zu besteigen. Es waren sehr viele Menschen an Bord dieses Fluges! Das Flugzeug war gigantisch und bestand aus drei Sektionen mit je drei Sitzen.
Sonntag, 19. Dezember 2021
Der Flug dauerte etwa drei Stunden und wir kamen kurz nach 1 Uhr nachts Ortszeit an, vier Stunden vor Spanien. Was für ein Gedränge und Treiben! So viele Menschen auf dem Flughafen! Es war fast wie in einem Ameisennest. Bei jedem Passagier schien die ganze Familie anwesend, um ihn zu Hause willkommen zu heißen. Es war wie Barajas, unser Flughafen in Madrid, zu Spitzenzeiten – aber mit dem dreifachen Aufkommen. Und das auch noch mitten in der Nacht. Bei der Passkontrolle musste ich wegen der Länge meiner Nachnamen (Vater und Mutter, wie es in Spanien üblich ist) ewig warten, da sie nicht in das für Nachnamen vorgesehene Feld des Computers passten. Das Personal war aber gezwungen sie vollständig einzugeben und an die Datenbank weiterzuleiten. Ich war von Neffen und Nichten umgeben und hinter uns bildete sich eine lange Schlange. Am Ende ließ man uns passieren. Freunde der Neffen, die am Flughafen arbeiten, kümmerten sich darum unser Gepäck ohne Kontrolle durch den Zoll zu bringen. Als wir das Haus meiner Schwester erreichen schlief sie bereits – wie nicht anders zu erwarten – tief und fest. Auch ich ging sofort zu Bett und schlief bis in den Morgen hinein wie ein Stein.
Mit meiner Schwester und ihren Kindern und Enkelkindern, die aus dem Ausland kamen und jetzt in ihrem großen Haus mit sechs schönen Zimmern wohnen, war es ein glückliches und emotionales Wiedersehen. Mein Zimmer war großartig und hatte ein eigenes Bad. Auch hatte es einen großen Schreibtisch, und ich glaube Afzel hatte es als Arbeitszimmer benutzt. Das riesige Fenster nahm eine ganze Wand ein und bot Ausblick auf einen großen Innenhof, der ganz aus Ziegeln gemauert und mit üppigen grünen Pflanzen begrünt war. Am Nachmittag waren fast alle Mitglieder der Familie meiner Schwester im Haus versammelt: diejenigen, die in Lahore leben, und diejenigen, die aus dem Ausland gekommen waren. Die Familien Raza, Mubashrah und Qasim, die Eltern von Haider, und seiner beiden Schwestern, von denen eine mit ihrem Mann und ihren drei kleinen Kindern aus Dallas gekommen war, nicht mitgezählt. Einige, die aus dem Ausland anreisten, waren noch gar nicht eingetroffen, dennoch waren wir schon sehr viele. Sohail Shaji, der älteste Sohn meiner Schwester, war mit seiner Frau Iram aus Kirgisistan gekommen, wo er Kanzler einer vom Aga Khan gegründeten Universität ist. Der Aga Khan selbst hatte ihn für diese Aufgabe ausgewählt. Shazil, das älteste der drei Kinder von Shaji und seine Frau, die vor kurzem geheiratet haben und in New York leben, waren mit demselben Flugzeug von Doha nach Lahore gereist wie ich. Der jüngste Sohn war leider wegen Covid in New York geblieben. Die Tochter, Aleena, wunderschön, wie ohne Ausnahme alle Töchter und Enkelinnen, ist voller Temperament. Ein echter Charakter. Dann war da noch Farvah, die zweite Tochter meiner Schwester, zusammen mit ihrem Mann Imran und drei ihrer Kinder. Es fehlte noch einer der Söhne, der gerade begonnen hatte, in Burundi für eine NRO zu arbeiten. Er hatte etwa 40 Stunden auf einem Flughafen in Nairobi gewartet, weil es Komplikationen mit seinem PCR-Test gegeben hatte. Faisal, der zweite Sohn und ein renommierter Anwalt in Lahore, geschieden und wiederverheiratet, hat insgesamt vier Kinder. Die beiden älteren waren noch auf dem Weg aus Kanada, aus Montreal und Toronto. Seine neue Frau ist eine Schauspielerin und TV-Persönlichkeit. Das ist alles sehr beeindruckend, denn sie betreibt obendrein eine sehr erfolgreiche Kosmetiklinie. Die dritte Tochter, Munazzah, die ihrer Mutter am ähnlichsten sieht, lebt zwischen Lahore und Karatschi. Nachdem sie viele Jahre in den Vereinigten Staaten verbracht hatte und für US-Banken tätig war, arbeitet sie jetzt für eine pakistanische Bank. Ihre beiden reizenden Töchter waren ebenfalls mit mir auf dem Flug von Doha. Ijlal, der jüngste Sohn meiner Schwester, war noch auf dem Weg von Singapur, wo er Professor ist. Titu – oder T2 – ist der Adoptivsohn der Familie, der Sohn einer von Afzels Schwester, die bei einem Unfall starb, als er noch ein Kind war. Er hat eine beeindruckende Karriere Lahores Medienbranche aufgebaut. Er leitet seinen eigenen sehr beliebten und einflussreichen TV-Sender sowie Zeitungen usw. Er ist mit einer reizenden und schönen jungen Frau, Varda, verheiratet und hat vier Kinder. Varda hat Medizin studiert und ist Radiologin. Das Haus meiner Schwester mit seinen sechs Schlafzimmern war zum Bersten voll. Die Familienmitglieder, für die kein Platz mehr war, wurden bei Verwandten und Freunden untergebracht.
An diesem ersten Tag meines Besuchs war das Wetter eher kühl, aber strahlend sonnig. Shaji nahm mich mit auf einen Spaziergang durch den großen und schön angelegten Garten. Er hat eine große Rasenfläche mit einem Mangobaum in der Mitte. Entlang der Begrenzungsmauern gibt es jede Menge Sträucher und Blumen. In einer der Ecken befindet sich es ein großes Beet, das der spektakulären Amaryllis gewidmet ist, aber es war nicht ihre Zeit zu blühen. Es gab einige kleine Zitronenbäume, eher Sträucher als Bäume, mit winzigen, sehr dekorativen Zitronen. Ich habe ein paar davon mit nach Madrid genommen, um zu sehen, ob sie auch in Mezalde gedeihen, was eine angenehme Überraschung wäre. Nach 20.00 Uhr gingen wir zum Haus von Haiders Eltern, wo die ganze Familie und alle Freunde versammelt waren – Alt und Jung. Alle trugen westliche Kleidung, alle jungen Leute in Jeans. Die Älteren waren elegant gekleidet und die Frauen mit Schmuck behangen. Von Natasha (die trotz ihres russischen Namens rein pakistanisch ist) wurde nicht erwartet, dass sie an diesem Abend in Erscheinung tritt. Später erfuhr ich, dass unsere Gastgeber nicht mit einem so großen Andrang an diesem Abend gerechnet hatten. Als sie sahen, dass wir in Massen kamen, bestellten sie bei einem Caterer zusätzlich Essen. Innerhalb einer Stunde war dieser dann vor Ort und zauberte ein herrliches Buffet auf den Tisch. Es erschien mir sprichwörtlich wie Zauberei, denn alles, was man im Westen so hätte so kurzfristig bekommen können, wären ein paar Pizzen gewesen.
Welch´ Freude und was für ein Lachen! Die Frauen tanzten zu den Klängen des Plattenspielers. Moderne Musik. Plötzlich wurde der Donauwalzer aufgelegt, bei dem auch ich aufstand und mich ein paar Mal im Kreise drehte, natürlich mit Linksdrehung, wie es sich für eine ehemalige Wiener Debütantin gehört. Die drei Urenkel meiner Schwester, die aus Dallas angereist waren, hüpften aufgeregt von hier nach dort und überall herum. Das jüngste, ein kleines Mädchen, war gerade einmal 2 Jahre alt. Kinder nehmen, wie ich sehen sollte, an allen Festlichkeiten teil. Unser Gastgeber, Qasim, hatte auf der Terrasse zwei große Feuer angezündet, was uns sehr willkommen war, denn die Nacht war kalt und feucht.
Montag, 20. Dezember 2021
Es war wieder ein sonniger Tag und wir saßen draußen in dem schönen Garten, der von einem eigenen Gärtner gepflegt wird. Hier, im Punjab (persisch: fünf Flüsse), im Tal des Ravi, eines Nebenflusses des Indus, wächst alles in Hülle und Fülle. Der Boden gilt als einer der fruchtbarsten der Welt.
Nachdem wir es alle sehr genossen hatten in der Sonne zu sitzen, wurde das Mittagessen im Haus serviert. Wir waren etwa vierzehn Personen, die um den Tisch im Esszimmer saßen. Die jüngeren Leute aßen alle in einem der beiden Wohnzimmer, viele von ihnen auf dem Boden sitzend, wie es in Pakistan üblich ist. An diesem Abend gab es wieder eine große Party. Sie fand wieder im Haus von Haiders Eltern statt und wurde von seinen Onkeln Shaji und Faisal großzügig ausgerichtet. Von heute an trugen die Frauen jeden Tag andere, prächtige Kleider. Der Innenhof des Hauses war mit Blumen und Lichtern wunderschön geschmückt. Eine Band spielte auf Hochtouren, und sofort tanzten alle fröhlich. Jung, alt und auch die Kinder. Das kleine Mädchen von zwei Jahren trug wunderschöne Kleider – eine Miniaturausgabe dessen, was ältere Mädchen und Frauen tragen würden, nur ohne das Tuch. Und zu jeder Party gehört ein prächtiges Buffet (die Superlative häufen sich in dieser Geschichte, aber es ist einfach die schlichte Tatsache).
Dem Essen wird nicht viel Zeit gewidmet, etwas, das mir schon bei meinem ersten Besuch in Pakistan aufgefallen war. Einige Leute essen im Sitzen, aber die meisten bleiben stehen, was erklärt, warum die Mahlzeiten immer so zubereitet werden, dass kein Besteck benötigt wird. Die größte Attraktion des Festes ist immer das Tanzen.
Dienstag, 21. Dezember 2021
Am Morgen brachte Farvah Ijlal und mich in das Dorf, in dem die Familie Naqvi einen Bauernhof besitzt. Dort werden Reis und Weizen angebaut. Afzel hatte mit der Anpflanzung von Teakbäumen experimentiert. Auf dem Hof wurde von der Familie ein kleiner privater Friedhof angelegt, auf dem Afzel begraben ist. Der kleine Friedhof ist relativ neu, denn die Familie Naqvi hatte 1947, im Zuge der Teilung des Landes, ihren gesamten Besitz in Patiala, einem Teil des heutigen Punjab in Indien, verloren. Als Entschädigung wurde ihnen ein Stück Land im pakistanischen Teil des Punjabs zugesprochen, wo sich dieses Dorf befindet. Der Friedhof besteht aus etwa fünf oder sechs schlichten Gräbern aus Zement. Das Grab von Afzel war nur noch ein Erdhügel. Es war sein Wunsch, unter dem Baum am Fuße des Grabes seines Vaters begraben zu werden. Die Enkelkinder, die mich im Flugzeug begleitet hatten, waren alle bereits am Vortag auf dem Friedhof gewesen. Nur Ijlal, der jüngste Sohn meiner Schwester, der gestern Abend aus Singapur eingetroffen war, hatte ihn noch nicht besucht. Wegen der strengen Covid-Beschränkungen im August hatte er nicht an der Beerdigung seines Vaters teilnehmen können. Afzel hatte in dem Dorf eine Mädchenschule gegründet und großzügig zum Unterhalt von zwei weiteren lokalen Schulen beigetragen. Ein Projekt, das nun von seinen Kindern weitergeführt wird. Bevor ich das Dorf wollte ich noch die Mädchenschule besichtigen. Farvah begleitete mich freundlicherweise. Es war ein günstiger Zeitpunkt für den Besuch, denn alle Mädchen hatten gerade unterrichtsfrei und waren draußen, um sich zu erholen. Die Schule wird von etwa 475 Mädchen besucht. Ich dachte, das sei eine beeindruckende Zahl für ein einfaches Dorf, doch ein pakistanisches Dorf ist nicht mit Dörfern in Europa zu vergleichen, die nur aus einem Kern von ein paar Häusern bestehen. Und wenn wir an Spanien denken, so gibt es heute in vielen kleinen Dörfern oft nur noch wenige Einwohner. Hier hingegen wirkte das Dorf eher wie eine sich ausbreitende Stadt, in der Tausende von Menschen leben. Das Schulgebäude hat einen quadratischen Grundriss. Es hat nur ein Stockwerk und die Klassenzimmer liegen zum zentralen Hof hin. Im Freien gibt es einen großen Spielplatz für die Kinder. Als wir ihn besichtigten, wurden wir sofort von einer Gruppe kleiner Mädchen angesprochen, die uns Besucher neugierig beäugten. Ihre liebenswerten kleinen Gesichter hatten riesige schwarze Augen und waren von einem breiten Lächeln umspielt. Wir machten einen kurzen Rundgang durch die Klassenzimmer, wobei mir auffiel, dass fast alle einen moralisierenden oder mahnenden Spruch auf ein Stück Papier geschrieben und über die Tür oder an eine unübersehbare Stelle geklebt hatten. Viele waren auf Englisch, wie zum Beispiel “Silence is Golden”. Ich war von der Arbeit, die in dieser Dorfschule geleistet wird, sehr beeindruckt und noch mehr, als ich an die traurige Situation der Frauen im benachbarten Afghanistan dachte.
Nach diesem Besuch verließen wir das Dorf. Es ist eine willkürliche Ansammlung von kleinen Gebäuden aus Lehm und Ziegeln. Die Straße war sehr holprig. Büffel saßen wiederkäuend am Straßenrand auf kleinen Parzellen. Winzige Esel zogen Karren mit riesigen Lasten. Und, wie man es in Lahore oft sieht, fuhren ganze Familien, drei oder mehr, auf kleinen Motorrädern. Und noch etwas ist erwähnenswert: Nicht weit vom Spielplatz der Mädchenschule steht ein riesiges weißes Haus, das alle anderen Gebäude überragt. Es gehört einem Einheimischen, der in seine Heimat zurückgekehrt ist und dafür einen großen Teil seiner Ersparnisse, die er in Saudi Arabien oder einem anderen ölreichen Land am Golf machte, aufgebraucht hat. Es ist der Traum vieler Pakistani bescheidener Herkunft, ein pompöses Haus zu bauen, sei es in der Stadt oder in dem abgelegenen Dorf, aus dem sie stammen.
An diesem Abend fand wieder im Haus von Haiders Eltern die Zeremonie des „Milad“ statt. Sie wird nur von Frauen besucht. Eine Sängerin saß, an der Seite ihrer Mutter, auf dem Sofa im Wohnzimmer und sang Lieder zu Ehren des Propheten. Die Frauen und Mädchen umringten sie auf dem Boden sitzend, für die älteren Frauen gab es Stühle. Als wir ankamen war die Veranstaltung bereits in vollem Gange und dauerte noch etwa eine Dreiviertelstunde lang. Die Sängerin hatte eine tiefe kräftige Stimme. Ein Teil des Gesangs schien mir Ähnlichkeit mit dem Cante jondo zu haben (ein für Andalusien typischer Gesang, in dem tiefe Gefühle zum Ausdruck gebracht werden). Nach diesem feierlichen und rituellen Teil des Abends wurde die Party mit einem Buffet fortgesetzt, zu dem ständig Verwandte und Freunde kamen, um Hallo zu sagen. Natasha hatte an diesem Abend einen kurzen Auftritt. Sie war ganz in Gleb gekleidet, die Farbe, die die Braut traditionell bei den Feierlichkeiten vor der Eheschließung trägt.
Mittwoch, 22. Dezember 2021
An diesem Tag haben wir alle die Altstadt von Lahore besucht. Alles war sehr gut organisiert. Wir wurden in einem Bus mit Reiseleiter gefahren. Er gab uns Kopfhörer, und wir bewegten uns als große Familiengruppe. Zuerst besuchten wir das Shahi Hammam – die königlichen Bäder. Das Hauptbad war mit Blumen und Vögeln geschmückt. In die Kuppel waren sogar Engel gemalt, so dass die Badenden beim Blick nach oben das Gefühl hatten, im Paradies zu sein. Zurzeit, als die Kaiser hierherkamen um zu baden, waren die Bäder auf dem Höhepunkt ihrer Pracht. Nach und nach verfielen sie und wurden nicht mehr genutzt. Zu einem anderen Zeitpunkt dienten sie als Schule. Schließlich und glücklicherweise kam ein norwegisches Unternehmen zu ihrer Rettung und restaurierte dieses außergewöhnliche Gebäude auf großartige Weise. Anschließend machten wir einen Spaziergang durch die Straßen, von denen einige so eng waren, dass man sie nur im Gänsemarsch passieren konnte. Wir hielten an einem der Stände, die auf dem Markt Reis verkauften. Es gab große Zylinder, die viele verschiedene Arten von Basmati-Reis enthielten. Der beste Basmati-Reis der Welt kommt aus dem Punjab. An derselben Stelle, wo die Straße etwas breiter wird, hatte ein Mann einen großen, luftigen Vogelkäfig in Form eines umgedrehten Kegels angebracht. Er war nicht aus Draht, sondern aus Maschendraht gefertigt. Darin befanden sich etwa 20 Spatzen. Ich dachte, gebraten wären sie ein kleiner Snack. Aber nein, ein Irrtum: Die Leute kaufen die Vögel, um ihnen die Freiheit zu schenken. Was für eine schöne Idee und liebevolle Geste! Ich bin mir nicht sicher, ob es Glück bringen soll oder es sich nur um einen symbolischen Akt handelt.
Als wir unseren Weg fortsetzten, kamen wir an eine Straße mit bunten Rikschas, die den Isocarros ähneln, die man früher in Spanien nur für den Transport von Gütern benutzte und die seit kurzem wieder für den Transport von Touristen benutzt werden. Vor allem in Madrid ist es eine bequeme Art, den Buen-Retiro-Park zu erkunden. Wir hielten an und stiegen aus den Rikschas aus, um die wunderschöne Wazir-Khan-Moschee, die nicht prunkvoller sein könnte, zu bewundern. Sie ist mit Mosaiken bedeckt, die auf Ziegeln verlegt sind. Im Hauptinnenhof gibt es ein Becken für die Waschungen. Wir fuhren mit Rikschas zurück und sahen einige der zwölf Stadttore der Altstadt. Dann erreichten wir das berühmte Fort – Shahi Qila -, das gegenüber der Badshahi-Moschee liegt, die lange Zeit die größte Moschee der Welt war. Die Moschee und ihr Innenhof bestehen aus rotem Sandstein, der von weit her herbeigeschafft werden musste, da Lahore in einer Schwemmlandebene liegt. Die Moschee ist mit weißem Marmor verziert. Sie stammt aus dem 17. Jahrhundert. Das aus dem 16. Jahrhundert stammende Fort wurde größtenteils im 17. Jahrhundert umgebaut, als das Mogulreich am mächtigsten war. Die Konstruktion des Tors ermöglichte es dem Kaiser, es auf einem Elefanten sitzend zu passieren. Der Bus wartete dann neben einem historischen Gebäude, das heute ein Restaurant ist und dessen dreistöckige Fassade aus leuchtend blau gestrichenem Holzfachwerk besteht. Ganz in der Nähe befand sich ein Stand zum Braten von Hühnern. Er fiel mir ins Auge, weil die Hühner nicht waagerecht, sondern senkrecht auf den Spieß gesteckt waren. Wenn ich jetzt die Übersetzung meines Berichts ins Englische lese, für die ich Minah zu Dank verpflichtet bin, wundere ich mich erneut über diesen Unterschied, so trivial er auch ist. Die Beschreibung der faszinierenden Altstadt und der wichtigsten historischen Denkmäler von Lahore ist deshalb sehr reduziert, weil ich bereits vor 40 Jahren einen ausführlichen Bericht über die Details geschrieben hatte. Dank Shaji konnte ich damals auch die legendären Shalamar-Gärten besuchen. Auf der Rückfahrt zum Haus meiner Schwester gerieten wir in einen gewaltigen Stau. Myriaden von Motorradfahrern schlängelten sich gekonnt zwischen den Autos hindurch, meist mit mehr als einem Beifahrer; Schutzhelme waren selten. Es war gut, nach einem Tag voller faszinierender Sehenswürdigkeiten und Eindrücke wieder zu Hause zu sein. Dieser Abend stellte eine Ausnahme dar, denn es war keine Veranstaltung oder Feier geplant: So haben wir uns alle gut ausgeruht.
Donnerstag, 23. Dezember 2021
Wie bereits erwähnt, halten die Familien von Braut und Bräutigam vor der Hochzeit ihre Feiern traditionell getrennt ab – speziell für ihre eigene Familie, ihre Verwandten und Freunde. Aber die Zeiten haben sich geändert, und so luden Natashas Eltern auch Haiders Familie zu der Feier ein, die sie an diesem Abend in ihrem Haus gaben. Farvah ging in Vertretung der Familie Naqvi hin und da ich gerne an allen Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Hochzeit teilnehmen wollte, begleitete ich sie. Das Haus von Natashas Eltern – Danish und Ayesha Monnoo – ist im großen Stil sehr modern und hat einen sehr großen zentralen Innenhof. Es wurde hauptsächlich von Ayesha entworfen. Neben dem Haus befindet sich ein weitläufiger Garten mit schönen Palmen, der von einer breiten, gepflasterten Straße flankiert wird, die so angelegt ist, dass sie die Einfahrt und das Parken vieler Autos erleichtert. Wir wurden herzlich willkommen geheißen. Ayesha ist ausnehmend charmant. Natashas Kleidung war an diesem Abend sehr elegant, sie trug eine schwarze Matrosenhose und ein gelbes Oberteil. Meine Nichte Farvah, die seit langem in den USA lebt, kannte weder Familienmitglieder noch Gäste, doch in der fröhlichen Atmosphäre mischten wir uns bald unter die anderen Gäste. Wieder gab es ein exquisites Buffet, was nun schon tägliche Gewohnheit war. Ich muss an dieser Stelle hinzufügen, dass Essensreste dieser üppigen Buffets immer an Bedienstete und Arme verteilt werden. Wir waren nur für kurze Zeit auf der Party, es war ja nur ein Höflichkeitsbesuch als Antwort auf die freundliche Einladung. Ich möchte den Bericht über den heutigen Tag nicht so kurzhalten und denke, es ist angebracht, ein paar Worte über die Familie Monnoo hinzuzufügen. Ich hatte das unerwartete Vergnügen, Natasha Mitte November kennenzulernen, als sie mit ihren Eltern auf einer Reise nach Zürich, Madrid und London war. Später erfuhr ich, dass sie ihre Eltern auf einer Geschäftsreise begleitet hatte. Monnoo ist und war ein sehr bekannter Familienname in Pakistan, vor allem in der Textilbranche. In Pakistan ist Monnoo das, wofür in Frankreich im 20. Jahrhundert Boussac stand: Textilien und prächtige Rennpferde. Ich weiß nicht, ob das auch bei Danish Monnoo der Fall ist. Nachdem Ali Bhutto in den 1970er Jahren in Pakistan an die Macht gekommen war, begann er mit der drastischen Verstaatlichung von Unternehmen, wovon auch die Familie Monnoo stark betroffen war. Wie Natasha mir einmal bei einem Besuch erzählte, hatte man der Familie 24 Stunden Zeit gelassen, um mit nichts weiter als dem Hemd am Leib zu verschwinden. Zuerst verbrachten sie einige Jahre in Irland, dann in England, und als die Herrschaft von Ali Bhutto endete, kehrten sie nach Pakistan zurück. Danish Monnoo ist, ganz im Sinne der Familientradition, ein großer Geschäftsmann. Soweit mir bekannt ist, hat er seine Geschäftsfelder auch auf die Landwirtschaft ausgedehnt – insbesondere auf Mangos, eine Frucht, die im Westen immer beliebter wird.
Freitag, 24. Dezember 2021
Ein weiterer Großneffe reiste an diesem Tag aus New York an. Ich glaubte mich zu erinnern, dass es Taimur war – der bärtige Bräutigam der zweiten Hochzeit und ältester Sohn von Farvah und Imran. In Wirklichkeit war es jedoch ihr jüngster, Tipu. Dank an Minah für die Richtigstellung. Bei der enormen Anzahl an Großnichten und -neffen passieren solche Verwirrnisse schon mal. Bereits tagelang herrschte reges Treiben im Garten meiner Schwester. Auf dem Rasen wurde ein riesiges Zelt aufgebaut, das sogar den Mangobaum bedeckte. Es war für die Feier am ersten Weihnachtsfeiertag gedacht, an dem die beiden Schwestern Farvah und Munazzah ein großes Fest für ihren Neffen geben wollten. Ich habe einen Großteil des Tages damit verbracht Weihnachtswünsche via E-Mails und WhatsApp auszutauschen. Die ganze Familie, einschließlich Natasha und Anum, Taimurs Verlobte, versammelte sich an diesem Abend im Haus meiner Schwester, um zu feiern. Im Wohnzimmer wurde ein großer künstlicher Weihnachtsbaum aufgestellt, den jemand einmal aus den USA mitgebracht hatte. Der Baum war mit Lichtern und Lametta dicht behangen, die keinen noch so kleinen Raum für eine zusätzliche Verzierung ließen. Die sieben anwesenden Kinder befanden sich in einem beispiellosen Zustand der Aufregung und Vorfreude. Und das aus gutem Grund, denn der Raum hatte sich in ein Meer von Geschenken verwandelt. Geschenke, Geschenke, Geschenke! Für jeden ein Berg an Geschenken. Jeder wurde mit Geschenken überhäuft, auch ich, die „Khala“ (Tante in Urdu). Meistens packte ich wunderschöne Schals aus, eines der wichtigsten Kleidungsstücke der pakistanischen Frauen. Die Großzügigkeit des pakistanischen Volkes ist grundsätzlich beeindruckend, wie ich in den folgenden Tagen noch schätzen lernen sollte. Dieser besondere Weihnachtsabend, den ich weitab der Heimat in einer einzigartigen islamischen Umgebung feierte, machte mir nachdrücklich bewusst, dass Gott allgegenwärtig ist und sich in dem Wunder einer so geeinten und beispielhaften Familie manifestiert. Die große Liebe und Zuneigung, die unter den zahlreichen Mitgliedern und Nachkommen der Familie Naqvi herrschte, brachte mir die Worte des himmlischen Chors in Bethlehem in Erinnerung: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind. Und ich stand da, erfüllt von dem Wunder des Augenblicks und mit dem Jesuskind im Herzen.
Samstag, 25. Dezember 2021 – Weihnachtstag
An diesem Tag erreichten die fieberhaften Vorbereitungen für die Party im Garten ihren Höhepunkt. Das Zelt war für das Tanzen mit einem leicht erhöhten Boden ausgestattet worden. Der verbleibende Raum, der nicht von der Tanzfläche eingenommen wurde, war vom Rasen abgetrennt und mit Teppich ausgelegt. Zahlreiche Stühle und sogar einige Sofas und Sessel wurden dort aufgestellt. Die Band erhielt einen erstklassigen Platz zugewiesen. Das Buffet sollte draußen neben dem Zelt aufgebaut werden. Um den Zugang zu erleichtern, wurde die gesamte, dem Buffet zugewandte Seite des Zelts unbedeckt gelassen. Die Vorbereitungen liefen den ganzen Tag über ununterbrochen. Das Zelt sah prächtig aus und war mit roten Rosen und Ringelblumen üppig geschmückt. Rot und Gold – weit weg von zuhause feierte ich in den Farben der spanischen Flagge! Gegen 19 Uhr trafen die ersten Gäste ein. Es war Samstag, und an diesem speziellen Samstag im Dezember fanden unzählige Hochzeiten oder Vorfeiern für Hochzeiten statt. Hochzeiten werden fast ausschließlich im Winter gefeiert, von Mitte Dezember bis etwa Anfang März. Denn danach wird die Hitze unerträglich. Bei den vielen Partys, die an diesem Abend stattfanden, kamen einige der geladenen Gäste nur kurz vorbei um die Gastgeber zu begrüßen und um dann gleich wieder weitere Veranstaltungen im selben Modus zu besuchen. Der Garten wirkte an diesem Abend, auch dank der besonderen Beleuchtungseffekte, irgendwie magisch. Bald war die Party in vollem Gange. Zu Beginn setzten sich die jungen Mädchen in die Mitte der Tanzfläche und sangen zur Begleitung einer Trommel Lieder. Die älteren Leute blieben stehen oder nahmen auf den Stühlen, Sesseln und Sofas Platz. Alle waren in lebhafte Gespräche vertieft. Was das köstliche Buffet anbelangt, so faszinierte mich vor allem der Tandoori, in dem in rasender Geschwindigkeit Fladenbrote, genannt „Naan“ zubereitet wurden. Dieser Ofen hat die Form eines überdimensionalen Kruges und ist mit einer Metallschale bedeckt. Er wird mit Glut am Boden beheizt – oder, was heutzutage wahrscheinlicher ist, mit Gas oder Strom. Die Hitze ist extrem und im Handumdrehen sind die Brote fertig. Die Zubereitung von Naan ist eine Kunst. Diejenigen, die sie beherrschen, können Naan nur mit bloßen Händen einlegen und herausnehmen! In der Regel wird dazu die Hilfe eines Stocks benötigt. Die Köche und das Personal freuten sich über mein Interesse und ich habe davon ein paar Fotos geschossen, die jedoch die außergewöhnliche Kunstfertigkeit nicht wiedergeben können. Natürlich hätte ich besser ein Video machen sollen, aber das ist purer „esprit d’escalier„.
Wie kann ich die Kleidung beschreiben? Jeden Abend übertrafen sich die Frauen aufs Neue und erschienen in verschiedenartigen prächtigen Outfits. Ich weiß nicht, ob es sich um die neueste Mode handelte, aber mir fielen die Hosen auf, die unten so weit waren, dass sie wie Röcke aussahen. Ich fragte Mubashrah danach, und sie sagte mir, dass ihr Kleidungsstück des Abends aus zehn Meter chinesischem Satin angefertigt worden war!
Sonntag, 26. Dezember 2021
Ich ging gegen 1 Uhr nachts ins Bett und schlief bis etwa 11 Uhr morgens – das, was Jose Manuel als „grasse matinée“ bezeichnete. Ich tat praktisch nichts, als mich auf die Hochzeit – die Nikkah – am Abend im Haus der Braut vorzubereiten. An diesem Abend trugen die Männer der Familie die für das Land typische Kleidung: weiße, locker sitzende Hosen, die von einer Tunika, genannt Kurta, bedeckt waren. Dieses Kleidungsstück wurde speziell für jeden einzelnen in verschiedenen Farben angefertigt. Darüber wurde entweder eine Weste oder Jacke getragen. In der Familie meiner Schwester ist der typisch österreichische Stil sehr beliebt.
Bevor ich Spanien verlassen hatte, hatte ich mit meinen Freunden viel über die bevorstehenden Hochzeiten gesprochen und darüber, ob ich überhaupt in der Lage sein würde wegen der Pandemie dorthin reisen zu können. Um ehrlich zu sein hatte ich wegen der neuen Omikron-Variante bis zum letzten Moment daran gezweifelt. Selbst am Vorabend der Abreise fragte ich im Reisebüro, ob der Flug nicht doch gecancelt worden sei. Hatte ich meinen Freunden geschildert, dass ich ein Erlebnis wie aus Tausendundeiner Nacht vor mir hätte, so hatten die bisherigen Vor-Feierlichkeiten bereits alle meine Erwartungen mehr als erfüllt. Doch die eigentliche Hochzeit übertraf alles. Nur mit einem Einritt des Bräutigams auf einem Elefanten ins Haus der Braut (wie es früher manchmal geschah), wäre alles noch zu toppen gewesen. Jetzt wurde der Elefant durch einen prächtigen weißen Rolls Royce ersetzt. Das Haus und der große Garten von Natashas Eltern waren in ein Meer aus Blumen und Lichtern verwandelt worden. Am Eingang zum Haus standen auf beiden Seiten hohe Palmen, an deren schlanken Stämmen sich Lichterketten emporrankten. Im Inneren des Hauses schufen die Blumen und die Beleuchtung eine märchenhafte Atmosphäre. Der Blickfang war die kunstvolle Rotunde, ein Pavillon aus weißen Blumen, der die Braut noch vor den Blicken der Gäste verbarg. Sie saß im Inneren (wie ich später sehen konnte, auf einer mit weißer Seide bezogenen Bank). Wir, Haiders Familie, wurden zu dem uns zugewiesenen Platz begleitet, um der Beurkundung des Ehevertrags beizuwohnen. Ich betone, dass es sich dabei um einen rein zivilrechtlichen Vertrag handelt, der von den Eltern des Paares separat geschlossen wird. Zu Beginn also die Braut auf der einen Seite des Hauses, in Nataschas Fall unter einem spektakulären Blumenpavillon, und Haider in einem anderen Teil des großen Hauses, umgeben von Eltern und engen Verwandten. Haider, sehr groß und von vornehmer Erscheinung, erstrahlte an diesem Abend in traditioneller Hochzeitskleidung. Sie bestand aus einer schlichten cremefarbenen Jacke, lang und schmal, und der typischen schmalen weißen Hose. Die Schuhe, die eher wie exquisite, goldbestickte Pantoffeln aussahen, waren an den Zehen nach oben gebogen, so, wie man sie aus Ali Baba kennt. Das Exotischste von allem war der Turban, ebenfalls cremefarben, gekrönt von einem Stück gestärktem Stoff in selber Farbe, das wie ein Fächer gefaltet war. Im Nacken, dort, wo der Turban endete, war ein hauchdünnes gerafftes Stoffstück befestigt, das zum Teil über den Rücken hing. Der Bräutigam, der ohnehin schon groß und stattlich ist, sah in diesem Outfit wie ein Märchenprinz aus. Es wimmelte nur so von Fotografen. Alles ging sehr gemächlich vonstatten. Häppchen wurden gereicht. Obwohl es sich um eine standesamtliche Trauung handelte, mussten wir auf den Mullah warten, der uns seinen Segen gab. Schließlich kam dieser, ein alter, kleiner, pummeliger Mann, der mit einem Stock ging. Um die Papiere zu unterschreiben setzte er sich auf dasselbe Sofa wie der Bräutigam und der Vater der Braut. Danach erhob er sich und ging zu der Blumenrotunde, die die Braut umgab. Er kehrte zurück und setzte sich wieder auf das Sofa, wo er zur Lobpreisung Allahs mit leiser Stimme Verse aus dem Koran zu singen begann. Nachdem dies geschehen war, verließ der Mullah den Raum und der große Moment der Begegnung der Frischvermählten war gekommen. Der Tradition nach sollte dies der erste Moment der Begegnung sein. Wir alle begleiteten Haider zum Pavillon, wo der Blumenvorhang zur Seite gezogen worden war und Natascha, anmutend wie eine Schönheit aus einer persischen Miniatur, umgeben von ihrer Familie, wartete. Ihre Mutter war in Tränen aufgelöst. Haider setzte sich an die rechte Seite seiner Frau. Noch immer war das Gesicht der Braut mit einem Schleier verhüllt. Ein langer Spiegel wurde in den Schoß des Brautpaares gelegt. Mit gesenktem Kopf und unter Abnehmen des Schleiers sahen sie sich zum ersten Mal in dem Spiegel. Viele Fotos wurden geschossen. Abgesehen davon, dass ich Natasha in ihrem Hochzeitskleid mit einer persischen Miniatur vergleiche, überlasse ich es den Fotografen die Schönheit und Eleganz der Braut zu dokumentieren. Alle drängten dem Brautpaar zu gratulieren und, umringt von Natashas Eltern und Verwandten, sich auf einem gemeinsamen Foto zu verewigen. Eine immense endlose Fotosession im Rausch von Freude und Glück. Hie und da liefen die Kinder von Haiders älterer Schwester, die in Dallas lebt, umher. Die beiden Jungen, 4 und 5 Jahre alt, waren wie Miniatur-Bräutigame gekleidet, ebenfalls mit Turbanen. Es war ein entzückender Anblick. Mein Handy hatte ich an diesem Abend nicht mit, weil ich auf die Profiaufnahmen des Berufsfotografen vertraute.
Das Abendessen fand in dem geräumigen Innenhof des Hauses statt. In der Mitte der vielen langen Tische aufgereiht, befanden sich wunderschöne Blumenarrangements, die an den schmalen Enden bis auf den Boden reichten. Es war eine atemberaubende und prächtige Dekoration, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Was das Essen betrifft, so konnte man zwischen pakistanischen Gerichten, Sushi und Pekingente wählen. Es gab viele Tische, aber die meisten jungen Leute zogen es vor, beim Essen zu stehen. Man setzte sich einfach hin, wann und wo man wollte. Keine Sitzordnung, kein Protokoll.
Im Haus stand ein exotischer Baum mit großen runden Blättern. Auch er war spektakulär dekoriert worden. An den Enden seiner Äste waren verschiedene Blumensträuße befestigt, die so aussahen, als würden sie tatsächlich aus den Ästen blühen. Der Baum stand ein wenig hinter der Blumenrotunde der Braut.
Bei einer östlichen Hochzeit ist dieser Abschied des Brautpaares ein Moment extremer Emotionen, was bei westlichen Hochzeiten in der Regel nicht der Fall ist. Im Westen konzentriert sich in der Regel alles auf einen Tag: Auf die religiöse/zivile Zeremonie folgt ein Bankett und dann wird bis in die frühen Morgenstunden getanzt. Obwohl die Ehe von Haider und Natasha meines Wissens nach nicht arrangiert war, sondern aus Liebe geschlossen wurde, ist die Braut beim Verlassen ihres Elternhauses immer noch von starken Emotionen durchdrungen. Früher wäre sie in ein völlig neues Leben gegangen, in dem ihr alles und jeder unbekannt war… Nun war er also da, der Höhepunkt, die Abreise des Brautpaares aus dem Haus der Brauteltern. Anders als bei westlichen Hochzeiten bedeutete dies jedoch nicht, dass sie das Haus verließen und auf der Stelle sich selbst überlassen waren. Der große Tag war für diese Frischvermählten noch nicht vorbei. Haider und Natasha stiegen in den großen weißen Rolls und machten sich auf den Weg zu Haiders Elternhaus. Und wir, Haiders engere Familie, waren ganz dicht dran.
Obwohl das Auto des Brautpaares zuerst abfuhr, fuhr der Fahrer langsam, damit die Familie vor dem Paar ankommen, um es im Haus in Empfang nehmen zu können. Und so ging die Feier mit Haiders engsten Familienmitgliedern weiter. Die Frischvermählten trafen genau zum richtigen Zeitpunkt ein. Alle Familienmitglieder waren da und bereit, sie zu begrüßen. Es wurden Tabletts mit köstlichen Süßspeisen aufgestellt. Die Party ging weiter.
Nun fand ein weiteres Ritual statt: Haider und Natascha saßen auf dem Sofa, umringt von den jüngeren Familienmitgliedern und den älteren, die auf Stühlen saßen. Eine kleine Schale mit einer dicken, weißen Mischung, die wie Milchreis oder etwas Ähnliches aussah, wurde gebracht und vor das Brautpaar gestellt. Eine kleine Menge wurde in Natashas Handfläche gegeben. Haider neigte den Kopf und leckte es von ihrer Hand ab. Das Gleiche wird dann später üblicherweise umgekehrt gemacht. Sie folgte diesem Beispiel jedoch nicht. Schließlich verließen die Frischvermählten das Haus, um die Nacht in einem Hotel zu verbringen. Ihre Abreise verlief nicht ohne Überraschung, denn plötzlich ertönten Schüsse. Sie wurden von Haiders Onkel abgefeuert, der in der Nachbarschaft seiner Eltern wohnt. Er hatte beschlossen, dem Paar einen mitreißenden Abschied zu bereiten. Das kam für uns alle völlig unerwartet und sorgte kurzzeitig für Verwirrung und Unruhe. Der Rest der Familie blieb noch ein wenig länger. Schließlich gingen auch wir. Ich war voller unvergesslicher Eindrücke, was mich aber nicht daran hinderte, sofort einzuschlafen.
Montag, 27. Dezember 2021
An diesem Abend fand im Haus von Natashas Eltern ein Ball statt! Ein abruptes Ende der Feierlichkeiten war noch nicht in Sicht. Am Tag nach der Nikah, der eigentlichen Hochzeit, gingen die Feierlichkeiten fröhlich und in vollem Gange weiter. Wie ich es bisher in diesem Bericht getan habe, möchte ich auch hier kurz erwähnen, wie der Tag danach für die Braut begann: Ihre Schwestern kamen ins Haus ihrer Eltern und Schwiegereltern, um ihr das Frühstück zu bringen. In seinem traditionellen Kontext betrachtet, ist dies ein Brauch, den ich als äußerst delikat und rührend empfinde. Abgesehen von der Tradition und angesichts der Tatsache, dass Natasha keine Schwester, sondern nur einen Bruder hat. Ich vermute, dass sie in diesen modernen Zeiten und in einem Hotel auf diesen liebenswerten Brauch verzichtet hätte. Traditionell wird am Abend nach der Nikah, im Haus der Eltern des Bräutigams, die Valima (die Vollendung der Hochzeit) gefeiert. In diesem Fall wurde die Valima drei Tage später abgehalten.
Da tagsüber nichts Besonderes los war, dachte ich, ich könnte mich bei einem Spaziergang durch den nahegelegenen Park ein wenig bewegen. Das Haus, oder besser gesagt, der Garten des Hauses meiner Schwester, grenzt an eine Schnellstraße. Gleich auf der anderen Seite befindet sich ein Gemeindepark. Am Nachmittag überredete ich Ijlal, den jüngsten Sohn meiner Schwester, mich in den Park zu begleiten. Nach einem kurzen Stopp inmitten des vierspurigen Verkehrs machten wir uns auf den Weg zu einem der zahlreichen Eingänge des Parks. Es handelt sich um einen großen, ovalen Park mit einem breiten Gehweg, der sich über eine Länge von etwa 2 km erstreckt. Ich war froh, mir die Zeit in Ijis angenehmer Gesellschaft zu vertreiben. Der Weg war von Bäumen und Büschen gesäumt und auch auf dem Rasen, der den Hauptteil des Parks ausmachte, standen ein paar Bäume. Insgesamt ein schöner Park. Es gab ein paar Jogger, aber meistens schlenderten nur Leute mit ihren Kindern vorbei. An diesem Abend verließen wir das Haus meiner Schwester erst sehr spät, gegen 22.00 Uhr, um zum Ball zu gehen. Alle Kleidungsstücke waren mit prächtigen Stickereien versehen. Es schien, dass sich unsere Frauen für diesen Anlass selbst übertroffen hatten. Mir fiel auf, dass mehrere von ihnen ein kurzes, enges Mieder trugen, das die Taille freiließ. Eine der schönen Großnichten trug etwas, das man als kaum mehr als einen super bestickten und mit Juwelen besetzten BH bezeichnen könnte. Es ist anzumerken, dass die Damen ebenso schnell dabei sind, sich mit dem allgegenwärtigen Kopftuch zu bedecken, wie sich zu enthüllen.
Der Eingang zum Garten und die Einfahrt zum Haus von Nataschas Eltern erstrahlten in der gleichen magischen Beleuchtung wie am Tag zuvor. An der Tür begrüßte uns Haider. Der Saal war mit einem großen Podest, das sich nur leicht über den eigentlichen Boden erhob, zur Tanzfläche umfunktioniert worden. Dieses schwarze Podest war mit einem auffälligen Muster aus weißen Strahlen, die von der Mitte ausgingen, versehen. Die Decke war mit Blumen bedeckt, und von ihr hingen mindestens ein Dutzend Kristalllüster, die mit einem sanften Licht eine traumhafte Atmosphäre schufen. Im angrenzenden Innenhof, der für das Abendessen vorbereitet worden war, war die Beleuchtung ebenfalls sehr viel gedämpfter als am Vortag. Die langen Tische hatten wunderschöne Blumenarrangements, die in der Mitte und an den Enden angebracht waren. Die Stände, an denen das Buffet serviert wurde, waren mit schwarz-weiß oder blau-weiß gestreiften Markisen überdacht, wie es auf Jahrmärkten üblich ist. Offenbar gab es diese Art von Ständen in Frankreich bereits im 18. Jahrhundert. Zufällig hatte ich bei meiner Rückkehr nach Spanien irgendwo darüber gelesen. Diese Stände gaben dem für das Essen reservierten Bereich eine reizvolle, informelle Note. Für den Ball hatten die Gastgeber eigens einen berühmten DJ aus Karachi eingeladen, der in letzter Minute mit dem Flugzeug angereist war. Es wurde die ganze Nacht getanzt, nonstop. Junge Pakistaner, aber auch nicht mehr ganz so junge, tanzten mit einem Elan und einer Begeisterung, die man gesehen haben muss, um sie zu verstehen. Und sie genießen es, wenn die Musik auf Hochtouren läuft. Das war fast jeden Tag der Fall, vor allem, wenn eine Band auftrat. Aber zum Glück war an diesem Abend die Akustik perfekt und nicht übertrieben laut.
Ich kann hier nicht verabsäumen, die Freundlichkeit und die extreme Rücksichtnahme unserer Gastgeber zu erwähnen: Ein sehr hübsches junges Mädchen in einem schwarzen, mit Perlen bestickten Samtkleid kam auf mich zu und fragte mich, ob ich etwas zu trinken wollte: „Wasser? Eine Erfrischung? Etwas von der Bar?“ „Von der Bar?“ Ja, von der Bar, sagte sie. Diese Party hatte eine Bar, etwas, das von einigen der jüngeren Gäste sehr geschätzt wurde. Natascha hatte mir, als sie nach Madrid kam, gesagt, dass es eine Bar geben würde. Und die Bar trug zweifelsohne zur fröhlichen Atmosphäre des Balls bei, der bis drei Uhr morgens dauern sollte. Ich bedankte mich bei dem jungen Mädchen und sagte, ich wolle nichts mehr. Sie kam noch ein paar Mal zurück, um mir zu sagen, dass die Gastgeber, die wohl ihr Onkel oder ihre Tante waren, sie gebeten hatten, sich die ganze Nacht um mich zu kümmern. Die Wahrheit ist, dass ich von dieser rücksichtsvollen Geste der Gastgeber zutiefst gerührt war. Da meine Schwester nicht an dem Ball teilnahm, war es möglich, dass ich mich als Ausländerin, die alleine und viel älter als alle anderen Menschen um sich herum war, isoliert und fehl am Platz fühlen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Ich fühlte mich in die allgemeine Freude und Fröhlichkeit vollkommen integriert. Und es gab noch eine weitere reizvolle Note: In einem bestimmten Moment bat Mubashrah, Haiders Mutter, die Band, die „Blaue Donau“ zu spielen. Und tatsächlich, nach einer Weile erklang der berühmte Wiener Walzer, der die Donau verherrlicht, in Lahore an den Ufern des Flusses Ravi im Punjab! Akkorde, die jedoch bei der pakistanischen Jugend, die nur auf Rockmusik steht, keine Begeisterung auslösten. Und vor allem tanzt jeder für sich, dreht sich, wiegt sich und reißt die Arme hoch und runter und kreuz und quer. Als Paar zu tanzen, ist in islamischen Ländern natürlich nicht üblich. Ich stand auf, wie es, wie ich glaube, von meiner Nichte erwartet wurde, und ging mit dem großen, gut aussehenden Ijlal, der mich an diesem Nachmittag in den Park begleitet hatte, jedoch nicht die geringste Ahnung vom Wiener Walzer hatte, auf die Tanzfläche. „Führe mich, Tante“, sagte er, der im Moment genauso verwirrt war, wie ich. Die Idee, einen Mann im Walzer zu führen, war für mich neu. Ich führte ihn, so gut ich konnte, und wir machten ein paar Drehungen. Alles in allem war es ein großer Spaß, sich für einen kurzen Moment im Kreis zu drehen und alle Vorsicht in den Wind zu schlagen. Die Tanzfläche hatte sich inzwischen bis auf uns zwei komplett geleert. Der ganze Vorfall ist mir in guter Erinnerung geblieben.
Mit der Rückkehr der Rockmusik war die Tanzfläche in kürzester Zeit wieder so voll wie eh und je, wobei die Frischvermählten zu den Begeistertsten gehörten. Nach einer Weile ging ich los, um etwas zu essen. Am Buffet gab es eine köstliche Auswahl an allem, was man sich vorstellen kann. Ich bin nicht sehr scharf auf Fleisch und bediente mich gerne an Reis, Chapatis und Gemüse. Das Spinatpüree, das die Pakistaner mit Paneer (Käse) servieren, ist eine Delikatesse, die nur in den Wintermonaten zubereitet wird, weil es in den heißen Monaten unmöglich ist, Spinat anzubauen. Danach kehrte ich zurück und setzte mich in die Nähe der Tanzfläche. Es gab eine niedrige Trennwand zwischen dem Saal und dem Innenhof. Dort setzte ich mich hin und hatte einen guten Blick auf alles und in aller Ruhe das Haus und seinen Grundriss studieren. So riesig es auch ist, so hat es doch etwas von dem Stil eines japanischen Hauses. Ohne Fliegengitter oder Schiebetüren, wie sie für japanische Häuser typisch sind, aber ich nehme an, dass man sie auf Wunsch einbauen könnte, um den Innenhof vom Flur zu trennen usw. Natürlich gab es auch Säulen, um das Dach zu stützen. Es machte mir Spaß, all diese architektonischen Überlegungen anzustellen und meine Bewunderung für Ayesha, unsere Gastgeberin, die das Haus entworfen hatte, wurde immer größer. Das junge Mädchen, das sich so liebevoll um mich gekümmert hatte, kam zurück, um mich zu fragen, ob ich etwas wolle. Ich blieb sitzen und beobachtete all die Menschen, jung und alt, beim Tanzen. Die jungen Leute tanzten unermüdlich. Ein paar Mal ging ich, um mich ein wenig zu bewegen, auch auf die Tanzfläche und schunkelte ein wenig hin und her – oder zumindest versuchte ich, den kubanischen Stil nachzuahmen, den subtilen, karibischen Stil, der ohne die fuchtelnden Armbewegungen auskommt, die die jungen Leute jetzt mögen. Auch die Armbewegungen des Flamenco-Tanzes sind unendlich viel subtiler und anmutiger. Aber das Wichtigste hier und jetzt war, dass alle einen riesigen Spaß hatten. Als ich zu meinem angenehmen Beobachtungsposten zurückkehrte, sah ich eine ganze Reihe von sehr gutaussehenden jungen Männern hereinkommen. Alles geeignete Junggesellen, nehme ich an. Sie nahmen ihren Platz direkt neben der Tanzfläche ein, um die jungen Schönheiten zu begaffen, die dort tanzten. Es war bereits nach ein Uhr nachts, als sie ankamen. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich glaube, sie kamen absichtlich so spät, um Aufmerksamkeit zu erregen und ihrer Anwesenheit mehr Wert zu verleihen.
Eine andere Sache hat mich an diesem Abend sehr amüsiert. Ich habe bereits erwähnt, dass die Kinder bei allen Festivitäten anwesend waren und sich an allem erfreuten und beteiligten. Als ich mich irgendwann zu einer Bank begab, von der aus ich die ganze Szenerie überblicken konnte, sah ich zu meinem Erstaunen einen Kinderwagen, der in der Nähe der Tanzfläche abgestellt war. Das Baby schlief selig, während die Eltern sich beim Tanzen vergnügten. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits weit nach zwei Uhr nachts! Der Ball ging fröhlich weiter bis drei Uhr morgens. Ich beschloss, dass es für mich ein guter Zeitpunkt war, um mich zu verabschieden. Haiders Eltern hatten anscheinend den gleichen Gedanken gehabt. Nataschas Eltern begleiteten uns zu den Autos, und ich hatte noch einen Moment Zeit, die herrliche Beleuchtung im Garten zu genießen.
Dienstag, 28. Dezember 2021
Heute begannen in der Familie die Feierlichkeiten zur zweiten Hochzeit. Aleena,
eine der Cousinen von Taimur, dem Bräutigam, hatte die Einladung entworfen. Das Design war hübsch, sehr künstlerisch: Auf blauem Hintergrund waren drei Tauben verteilt, die liefen und drei weitere, die flogen. Darunter, in der linken Ecke, war ein kleiner brauner Hahn zu sehen, hinter ihm ein weißer, mit ausgebreiteten Flügeln. Hatte die Darstellung dieser Vögel etwas Symbolisches? Mir fielen einige Möglichkeiten ein, wie das Motiv gedeutet werden könnte. Während sie übersetzte, erzählte mir Minah, dass Afzel einmal beschlossen hatte auf dem Bauernhof Hühner zu halten, was alle Enkelkinder sehr erfreut hatte.
Den größten Teil des Vormittags verbrachten wir mit dem Vorbereiten und Verpacken der Geschenke, die Farah und Imran zu den Eltern von Anum, Taimurs Verlobter, bringen wollten. Die Geschenke wurden alle schön verpackt und in den Kofferraum des Autos geladen. Wir aßen im Haus meiner Schwester zu Mittag. Danach, gegen drei Uhr nachmittags, brachen wir auf, um ein weiteres Essen mit Taimurs zukünftigen Schwiegereltern einzunehmen. Wir kamen in einem Viertel namens Cantt an. Es hat einen Teil, der sehr angenehm ist, mit vielen Bäumen. Diese Wohngegend wird von hochrangigen Offizieren des Militärs bevorzugt. Mustafa, der Vater von Anum, ist ein General der Infanterie. Der Name seiner Frau klang ähnlich wie Nenúfar (was auf Spanisch Seerose bedeutet). Sie ist eine charmante Dame. Ihr Ehemann, wie es sich für einen Militär gehört, war eher zurückhaltend. Farvah erzählte mir später, dass der Name seiner Frau Nilofar ist, ebenfalls ein schöner und poetischer Name. Und dass sie auch ein hoher Offizier sei. Nichts Geringeres als ein Oberst!
Das Haus war modern gestaltet, elegant, nicht übertrieben, mit einer schönen Wendeltreppe. Als Nilofar sah, dass ich mich für die Treppe interessierte, bot sie mir freundlicherweise an, dass eines der jüngeren Familienmitglieder mich auf einer Tour durch das Haus begleiten würde. Im ersten Stock befand sich auf der großen Terrasse ein runder Springbrunnen. Und von der Dachterrasse aus hatte man einen schönen Blick auf die von Bäumen gesäumten Straßen und die eleganten Häuser und Gärten dieser Gegend.
Die vielen Geschenke wurden aus dem Auto geholt und ins Wohnzimmer gebracht. Ich dachte, sie würden ordnungsgemäß – wie es früher üblich war – vor allen Anwesenden geöffnet werden. Aber das geschah nicht.
Nun ist es angebracht, eine kurze Beschreibung von Taimur und Anum zu geben, dem Brautpaar der zweiten Hochzeit. Taimur ist ein gutaussehender, bärtiger junger Mann, der bald 30 Jahre alt wird. Er hat etwas von einem Mystiker an sich. Er ist, wie ich mir vorstellen würde, ein Sufi. Welch ein Kontrast zwischen ihm und Haider, der eher die Ausstrahlung eines Bonvivant hat. Taimur absolvierte sein gesamtes Studium in den Vereinigten Staaten und schloss in Harvard ab. Er arbeitete zunächst für IBM und verbrachte dann die letzten drei Jahre in Lahore. Ich glaube, er leistete dort eine wohltätige Arbeit. Ich weiß nicht, wo er Anum kennengelernt hat, die, wie ich glaube, ebenfalls an einer der großen Universitäten in den USA promoviert hat. Es ist mir unmöglich zu sagen, welche der beiden Bräute – Natasha oder Anum – schöner und charmanter war. Beide haben markante Gesichtszüge und große dunkle Augen. Ich könnte mit einem Spruch der alten Dichter fortfahren: Lippen wie Korallen, Zähne wie Perlen…
Wir blieben noch eine ganze Weile im Wohnzimmer. Ich habe mit Imrans Schwestern gesprochen, er hat vier, alle reizende und interessante Frauen. Noch während wir dort saßen, wurde uns eine klare Suppe serviert, und danach begaben wir uns in den Speisesaal. Wie die Suppe so war auch das Essen thailändisch. Eine leichte willkommene Kost zu dem ausgezeichneten, aber sättigenden pakistanischen Essen, das wir in den letzten Tagen zu uns genommen hatten. Danach gingen wir zum Fotografieren in den Garten. An der Wand direkt neben dem Eingang zum Garten haben Mustafa und Nilofar einen hübschen und sehr originellen Springbrunnen installiert: Er besteht aus blauen und weißen Mosaikfliesen und hat einen genialen Miniatur-Wasserfall. Ich habe ihn geliebt.
Wir kehrten zum Haus meiner Schwester zurück und bereiteten uns auf das große abendliche Ereignis vor: Ein Abendessen mit anschließendem Qawwali-Konzert im Haus von „T2“, der, wie ich bereits erwähnte, der Adoptivsohn der Familie Naqvi ist. Wegen seines Erfolgs mit seinem Nachrichtensender wird er in der Familie bewundernd als Tycoon bezeichnet. Im Haus von Titu war alles im großen Stil. Für die Veranstaltung an diesem Abend war der größte Teil des Gartens mit einem Sonnensegel und der Boden mit Teppichen bedeckt worden. Die Fläche, die von der Markise bedeckt wurde, war riesig. Ein langes, hohes Podest bildete eine Bühne, auf der die Künstler auftreten sollten. Davor befanden sich etwa 10 Lautsprecherboxen. Vor dem eigentlichen Konzert wurde moderne Musik gespielt, die meiner Schwester und mir zu laut war. An diesem Abend waren die jungen Leute in der Überzahl und die Party dauerte bis weit nach Mitternacht. Für meine Schwester und mich war die Musik nur schwer zu ertragen. Doch wie es die Höflichkeit verlangt, blieben wir noch eine ganze Weile und gingen kurz nach dem Abendessen, bevor das eigentliche Qawwali begann. Später fand ich auf Wikipedia heraus, dass es sich dabei um eine, auf dem indischen Subkontinent traditionelle Art religiöser Musik handelt, die während des Mogulreichs aus einer Verschmelzung von arabischen und Hindustani-Rhythmen entstand. Im Grunde ist sie ein Mittel zur Verbreitung des Sufismus (mystischer Zweig des Islam). Eine neue Freundin in Spanien, Witwe eines Pakistaners, die lange Zeit in diesem Land gelebt hatte, erklärte mir, dass die Klänge oft die Kraft besitzen Menschen in einen Trancezustand zu versetzen. Die Musiker sitzen alle im Schneidersitz auf der Bühne.
Mittwoch, 29. Dezember 2021, die Valima
Am nächsten Morgen sollte im Haus meiner Schwester jeder, der Pakistan verlassen wollte, einen PCR-Test machen. Shaji hatte mich freundlicherweise im Auto begleitet, um zum Labor zu fahren. Entlang der Straße befand sich der Park und, wie es schien, eine ganze Reihe von Gärtnereien, die sich aneinanderreihten. Ich hätte gerne einen Rosenstrauch gekauft, einen von denen mit den roten Rosen, die so intensiv und wunderbar duften und die hier in unglaublicher Fülle für Girlanden, frische Blumenvorhänge, zum Verstreuen auf dem Boden und für viele andere Zwecke verwendet werden. Wir kehrten zu dem Haus zurück, in dem Shaji wohnte, und der Fahrer brachte mich zu der Klosterschule, die von den Nonnen des Ordens von Jesus Maria geleitet wird, einem Lehr- und Missionsorden, dem meine Schwägerin Rosario angehört hatte.
Der Besuch hat mich sehr bewegt. Die Mutter Oberin, Pilar de San Juan, ist seit 24 Jahren in Lahore. An diesem Tag war die Schule geschlossen, die Mädchen waren in die Weihnachtsferien gereist. Die Schule befindet sich in einer angenehmen Nachbarschaft aus der Kolonialzeit. Das Gebäude ist riesig, feierlich, aus rotem Backstein und von einer hohen Mauer umgeben. Im Garten, in der Nähe des Gebäudes, steht eine klassische Statue, die die Gründerin des Ordens, die Französin Claudine Thévénet, darstellt. Ich hatte einige Pakete Nougat aus Madrid für die Familie Naqvi mitgebracht, vor allem aber für Shaji, die diesen typisch harten spanischen Nougat, der so reich an Mandeln ist, liebt. Ich hatte sie kurz nach meiner Ankunft übergeben, aber heute hatte ich eine Schachtel Dona Jimena mit einer Auswahl anderer typischer Weihnachtssüßigkeiten „wiedergefunden“. Ich freute mich sehr, dies Mutter Pilar als kleine Überraschung überreichen zu können. Sie war absolut begeistert. Zu Beginn meines Besuchs war auch eine ältere Nonne schottischer Abstammung, die in Indien geboren wurde, in den kleinen Raum gekommen, der für den Empfang von Besuchern genutzt wurde. Und auch zwei junge Nonnen asiatischer Herkunft. Wir unterhielten uns anfangs auf Englisch, aber als die Zeit verging und die anderen Nonnen gingen, wechselten wir, wie es sich gehört, zum Spanischen über. Der Fahrer nahm einen angenehmeren Weg, um zum Haus meiner Schwester zurückzukehren. Trotzdem machte mich das dichte Verkehrsaufkommen – so viele Autos, all die unzähligen Motorräder und Srickshaws/Isocarros – fassungslos. In all den Tagen, die ich in Lahore verbracht hatte, hatte ich keinen einzigen Unfall gesehen. Das grenzt für mich an ein Wunder.
Meine Notizen sind fast auf dem neuesten Stand! Gegen 18.45 Uhr sagte man mir, es sei Zeit, sich auf das große Fest des Abends vorzubereiten: die Valima. Dabei handelt es sich, wie bereits erwähnt, um die Feier zur Vollziehung der Hochzeit. Wegen der großen Zahl der Gäste fand die Feier in einem Hotel statt und nicht im Haus von Haiders Eltern. Sie fand in einem Viertel von Lahore statt, in dem sich die Engländer niedergelassen hatten. Das Faletti stammt aus dieser Zeit – aus dem Jahr 1880 –, obwohl das Hotel in seiner heutigen Form nicht das Original ist, sondern ein supermoderner Komplex. Die Einladung war für 19 Uhr ausgesprochen. Wir verließen das Haus mit Verspätung, die Frauen und die jungen Familienangehörigen – wie jeden Tag – prächtig gekleidet; die Hälfte der Männer in pakistanischer Kleidung, die andere in westlichen Anzügen. In der großen Hotelhalle waren die Stühle wie in einem Theater in Reihen angeordnet, mit einem Gang in der Mitte und an den Seiten. Vor dieser Sitzordnung befand sich ein großes Podest mit einem Sofa, auf dem das Brautpaar Platz nehmen würde. Auf der rechten Seite des Saals war man damit beschäftigt, das Buffet vorzubereiten.
Der Saal füllte sich, und schließlich trafen auch die Frischvermählten ein. Natasha glänzte in einem blassblauen Seidenchiffonkleid, das über und über mit Strasssteinen bestickt war. Ein überirdischer Anblick! Am Tag der Valima ist alles ein Geschenk der Schwiegereltern – so will es der Brauch. Die Farbe des Kleides für die Valima – normalerweise entweder blau oder grün – wird von der Schwiegermutter ausgewählt. Mubushrah erzählte mir, sie habe die Farbe Blau gewählt, weil es die Augenfarbe ihres Sohnes sei. Das junge Paar wurde sofort von den vielen Gratulanten umringt. Dann machten sie sich auf den Weg zum Sofa auf dem Podium, wo sie weiterhin die guten Wünsche der Anwesenden entgegennahmen. Die Fotografen waren die ganze Zeit wie immer überaus beschäftigt.
Ein Moment großer Freude und eine wunderbare Überraschung war für mich die Ankunft von Misbah, einer alten Freundin meiner Schwester. Sie hatte mich und Blanca, die Nichte und Patentochter von José Manuel, vor vielen Jahren anlässlich der Hochzeit von Mubasrah und Qasim in ihrem Haus aufgenommen. Sie kam auf Krücken, begleitet von ihrem Sohn Mumshad und ihrer Schwiegertochter. Das Essen, das an diesem Tag serviert wurde, war viel einfacher. Es beschränkte sich auf ein Hauptgericht und eine Nachspeise. Dies war von der Regierung (um übermäßigen Luxus und Prunk zu verhindern) für Feiern in Hotels und an öffentlichen Orten vorgeschrieben. Privathaushalte waren von dieser Regelung, wie wir gesehen haben, ausgenommen. Auch die Dauer der Party war auf genau drei Stunden begrenzt. Um 22 Uhr wurde das Licht ausgeschaltet. Viele der Gäste waren schon früher gegangen, kurz nachdem das Abendessen serviert worden war. So endete der letzte Akt der Hochzeit Nummer 1.
Donnerstag, 30. Dezember 2021
Dieser Tag stand ganz im Zeichen von Hochzeit Nummer 2. Obwohl, um ehrlich zu sein gab es noch einen weiteren schönen Empfang, der genau zur Mittagszeit stattfand, um nicht mit den Feierlichkeiten von Hochzeit Nummer 1 zusammenzufallen, die noch in vollem Gange waren. Ich glaube, ich habe hier etwas durcheinandergebracht, denn wir waren nachmittags im Haus von Anums Eltern und nicht „genau mittags“, wie ich hier sage, also muss es einen weiteren Empfang an einem der letzten Tage gegeben haben! Offensichtlich zu viele schöne Ereignisse, als dass ich sie mit meinem Gedächtnis bewältigen könnte.
Diesmal wurde die Hochzeit in der Badshahi-Moschee gefeiert. Wir sind alle früh aufgestanden, um pünktlich da zu sein. Das war das Wichtigste für Farvah, Imran und ihren Sohn Taimur. Eine verspätete Ankunft hätte den Verlust der Reservierung für die Zeremonie bedeutet. Obwohl die Trauung in einer Moschee stattfindet, handelt es sich wie üblich um einen zivilrechtlichen Vertrag. Als wir uns auf den Weg machten, war es ein wenig kühl, aber der Himmel war klar und blau. Wir durften ganz in der Nähe der Moschee parken. Ab einem gewissen Moment mussten wir unsere Schuhe ausziehen. Es war ziemlich kalt, was vor allem an der hohen Luftfeuchtigkeit an diesem Tag lag. Farvah hatte an alles gedacht: Sie hatte drei Taschen mit Socken mitgebracht, damit wir alle unsere Füße warmhalten konnten.
Wir betraten einen Saal ganz rechts in der Moschee, in dem die Hochzeit gefeiert werden sollte. Darin waren Männer und Frauen durch eine Leinwand aus grünem Tuch getrennt. Erst später konnte ich auf Fotos den Bereich sehen, der für die Männer reserviert war. Dort, wo wir saßen, lag ein Teppich auf dem Steinboden. Die jungen Leute und die agileren unter den Älteren, setzten sich darauf. Für den Rest von uns waren ein paar Stühle vorbereitet. Anum war da, sie sah wunderschön aus in Rot, der klassischen Farbe für eine Nikah. Auch sie saß auf dem Boden. Dann kam ihr Vater und setzte sich neben sie. Er bat sie um ihr Einverständnis zur Trauung. Dann unterschrieb er vor den Zeugen, kehrte er zu dem Ort zurück, an dem der Bräutigam und alle Männer versammelt waren, wo die Vertragsunterzeichnung beendet wurde.
Wir verließen das schummrige Halbdunkel der Moschee und traten in den weitläufigen Innenhof in den strahlenden Sonnenschein. Alles war Freude, Glück, Glückwünsche und Umarmungen. Und natürlich – Fotos. Das Wetter war perfekt. Es hätte kein schönerer Morgen sein können. Die Moschee mit ihren prächtigen Intarsien aus weißem Marmor sah noch viel schöner aus als bei unserem letzten Besuch, als der Himmel bedeckt und grau war. Bei strahlendem Sonnenschein konnte man die Majestät des Gebäudes in ihrer ganzen Pracht wahrnehmen. Wir verließen den Innenhof um in die Gärten zu gehen. Auf dem Weg dorthin drehte Anum an Taimurs Seite ein paar Runden, als würde sie tanzen. Es gibt einige wunderbare Fotos, die diesen spontanen Ausdruck von Glück festhalten. In der Nähe befand sich jedoch ein Wachmann, der die Frischvermählten schnell darauf hinwies, dass solche Darbietungen auf dem heiligen Gelände verboten seien. Alle, die an der Hochzeit teilgenommen hatten, sollten nun in die Gärten hinabsteigen, die zwischen der Moschee und dem angrenzenden Hof und dem berühmten Fort liegen. Dort, auf einer der großen rechteckigen Rasenflächen, waren Bänke und ein großer langer Tisch aufgestellt worden. Es war die erste und intimere Feier der Hochzeit, danach würden die Feierlichkeiten im Haus eines Onkels von Anum weitergehen. Farvah und Imran hatten für Erfrischungen und große Tabletts mit köstlichen und farbenfrohen Süßigkeiten gesorgt, die in den Gärten serviert wurden. Außerdem gab es für alle Damen hübsche bunte Tütchen mit Nüssen, Pistazien, Rosinen, Datteln usw., die sie knabbern konnten.
Als wir uns noch vor der Moschee versammelten, bot mir eine Freundin von Munazzah, als sie merkte, dass ich nicht sofort hinuntergehen wollte, um in den Gärten zu sitzen, freundlicherweise an, mir die wunderschöne Galerie zu zeigen, die sich von der linken Seite der Moschee aus über die gesamte Länge des Innenhofs erstreckt. Ein Ort der Stille, genau wie unsere Klöster, der einen sehr zur Meditation anregt. Aber es war natürlich nicht der richtige Zeitpunkt für mich, mich der Meditation hinzugeben. Stattdessen verbrachte ich die Zeit damit, mit dieser charmanten und interessanten Frau zu plaudern, während wir die Galerie entlanggingen.
Nach dieser schönen Begegnung und Erfahrung machte ich mich auf den Weg hinunter in die Mitte der Gärten, wo sich ein wunderschöner kleiner, quadratischer Pavillon aus weißem Marmor befindet. Er ist leicht erhöht und an jeder Seite stehen vier lange, flache, rechteckige ehemalige Wasserbecken, aus denen in regelmäßigen Abständen Wasserstrahlen in die Luft gespritzt worden waren. Jetzt sind die Becken leer und kobaltblau gestrichen, was ein wenig unschön wirkt. In früheren Zeiten wäre es wunderbar gewesen, im Halbdunkel in der Mitte des Pavillons sitzend zuzusehen, wie die in die Luft steigenden Wasserstrahlen in die Becken plätschern. Dieses Vergnügen bleibt den Mogul-Kaisern vorbehalten, denen der exquisite Pavillon vor allem Schutz vor der schrecklichen Sommerhitze geboten hat. Offenbar hatte auch noch ein unter dem erhöhten Pavillon fließender Wasserstrahl für eine willkommene Abkühlung gesorgt.
Vom Pavillon aus wollte ich das Fort noch näher erkunden, aber die große Treppe, die von den Gärten hinauf zur Esplanade vor dem Fort führte, war gesperrt worden. Wahrscheinlich für unsere Hochzeitsgesellschaft. Was für ein Privileg! Schließlich ging ich dorthin, wo unsere Gruppe saß und sich angeregt unterhielt. Anums Eltern, die, wie ich bereits erwähnte, beide einen hohen militärischen Rang innehatten, gingen gerade eine weitere Treppe hinauf, an deren oberen Ende Absperrungen und Wachen aufgestellt worden waren. Ich folgte ihnen, und dank des Generals wurde mir der Durchgang gewährt. Von dort aus war es ein Leichtes für mich, die beeindruckende Festung näher zu betrachten. Während ich das Fort bewunderte, kamen zwei junge Mädchen auf mich zu und fragten, ob sie ein Foto mit mir machen dürften, und wollten wissen, woher ich käme. Sie waren sehr süß, schüchtern und voller Neugierde.
Dann folgte ich meiner Gruppe zur nächsten Etappe der Hochzeit. Haiders Eltern nahmen mich in ihrem Auto mit. Qasim saß am Steuer. Wir fuhren etwa 40 km oder mehr auf einer Art Umgehungsstraße, die teilweise noch nicht fertiggestellt war, und kamen schließlich in einem Wohngebiet in der Nähe des Flughafens an. Das Haus von Anums Onkel war groß und elegant, aber wir durften es nicht betreten. Alles war in dem riesigen Garten untergebracht. Neben dem Eingang war ein überdachter Durchgang angelegt worden, der ausschließlich aus Blumen bestand: rote Rosen, weiße Chrysanthemen und andere weiße Blumen. Jeder Blumenkopf war in der Mitte durchbohrt und auf einen feinen Faden gesteckt worden, was einen einzigartigen Anblick bot. So war es auch bei Nataschas Blumenpavillon gewesen.
Als das Brautpaar eintraf wurde es, während es sich in einen luftigen, ebenfalls mit Blumen geschmückten Pavillon zum Sofa begab, von uns mit Rosenblättern überschüttet. Eine Weile später wurde ein Spiegel gebracht, um der Tradition, dass Braut und Bräutigam sich „zum ersten Mal“ gemeinsam darin sehen, treu zu bleiben. Alles geschah mit viel Eleganz und Anmut. Anum, umwerfend schön. Die Frischvermählten vollzogen auch den Ritus des Ableckens von Milchreis aus der Handfläche des jeweils anderen. Braut Nummer 2, Anum, zögerte nicht. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht, tat sie es. Es war ein schöner und rührender Moment, als ein alter Herr im Rollstuhl, bei dem es sich wohl um Anums Großvater handelte, zum Blumenpavillon gerollt wurde. Alle machten respektvoll für ihn Platz. Er begrüßte das Brautpaar, danach kam ein halbes Dutzend älterer Männer, um ihn zu begrüßen.
Das Mittagsbuffet stand wie üblich in einer langen Reihe von Ständen mit einer großen Auswahl an köstlichen Gerichten bereit. Ich habe Fotos gemacht, als sie mit der Zubereitung der Chapattis begannen: Auf dieser Party wurden sie auf einer grifflosen Wok-Pfanne, die auf den Kopf gestellt war, zubereitet. Am liebsten hätte ich die Zubereitung im Haus meiner Schwester mitverfolgt – dort gibt es die besten Chapatis. Leider hatte ich keine Gelegenheit dazu. Der Koch hat mir jeden Morgen zwei Stück zum Frühstück bereitet. Ich aß sie pur, mit einem Kaffee dazu. Köstlich! Soviel ich weiß, ist das Mehl in Pakistan viel feiner als bei uns in Spanien.
Zurück zur Party. Das Wetter war perfekt, der Himmel strahlend blau, aber während wir aßen, zog eine Wolkendecke heran. Wie üblich begannen die Gäste sich nach dem Essen zu verabschieden, an diesem Tag schon später Nachmittag. Taimur und Anum fuhren im eigenen Auto, das reichlich und wunderschön mit roten Rosen geschmückt war, davon. Er selbst chauffierte den Wagen. Diese zweite Familienhochzeit, die offensichtlich auf ausdrücklichen Wunsch des Paares stattfand, war von eher „schlichtem“ Charakter. Es dauerte lange, bis wir zum Haus meiner Schwester zurückkehrten, wo am Abend die Eltern des Bräutigams die frisch Vermählten empfangen würden. Die Eltern von Taimur leben in den USA und haben kein Haus in Lahore.
Innerhalb weniger Stunden hatte sich das Haus komplett umgestaltet. Am Eingang hing ein Vorhang aus roten Rosen und der Boden war mit Rosenblüten bedeckt. Zu meiner großen Überraschung waren auch zwei glänzende schwarze Ziegen am Tor angebunden. Man gewöhnt sich rasch an die meisten Dinge und hinterfragt sie nicht, selbst wenn es sich um ein Privathaus mit eigenem Milchbüffel handelt. Und dann waren da auch noch die Ziegen. Ein weiteres Paar stand näher am eigentlichen Eingang des Hauses, jeweils in der Obhut eines jungen Mannes. Meine Neugier auf den ungewöhnlichen Anblick erregte Aufmerksamkeit, und man erklärte mir scherzhaft, dass die vier Ziegen an diesem Abend Teil des Grillfestes sein würden. Als Anum ankam, wurde er gebeten, den Kopf einer der Ziegen zu berühren. Vielleicht als Segen. Ich erfuhr dann, dass die vier Tiere an diesem Abend geopfert und für die Armen gespendet werden sollten. Ich betrat das Haus einige Zeit nach der Ankunft und dem Einzug der Frischvermählten. Die Rosenvorhänge verströmten einen intensiven, herrlichen Geruch. Es tat mir leid, auf die Blütenblätter zu treten, die den Boden bedeckten. Zwei Buffets waren aufgebaut worden: eines im Speisesaal und das andere im Innenhof, welcher ebenfalls völlig umgestaltet worden war – mit einer luftigen weißen Markise aus Stoff, die oben in anmutigen Falten gerafft war. Und der Boden des Innenhofs war mit Teppichen ausgelegt. Rosenvorhänge wurden aufgehängt und kleine Tische und Stühle für die Gäste aufgestellt. Die Beleuchtung war perfekt. Die Verwandten und Freunde der Familie trafen ein, bald war eine große Menschenmenge versammelt. Im gesamten Erdgeschoss des Hauses waren weitere der anmutigen goldenen Stühle verteilt.
Taimur und Anum saßen auf einem Sofa, das in dem Raum, in dem der Weihnachtsbaum stand, für sie vorbereitet worden war. Weitere gute Wünsche und Fotos folgten. Für mich war an diesem Abend der schönste Teil der Feier, als mehrere Mitarbeiter kamen, um dem Brautpaar zu gratulieren. Der Koch ebenso wie zwei Fahrer und zwei der Hausmädchen. Zwei von ihnen mit einem Blumenstrauß. Sie wurden alle nacheinander neben das Brautpaar gesetzt und es wurden Fotos geschossen. Als sie aufstanden, konnte man Tränen in ihren Augen sehen. Auch meine Augen wurden ein wenig wässrig. In Windeseile war es an der Zeit meinen Koffer zu schließen. Ich sah mich fast dazu gezwungen, mich auf ihn zu setzen. So viele Geschenke, die jetzt noch zu der ganzen Garderobe, die ich mitgebracht hatte, hineinpassen mussten. In dieser Nacht nahmen wir einen Flug nach Doha. Um drei Uhr morgens! Es waren viele Großnichten/-neffen dabei, darunter Haider und Natasha. Haider sollte Ende Mai seinen Abschluss an der Columbia University machen und dann in New York seinen Job beginnen. Die Atmosphäre der gemeinsamen Freude und des Glücks war ungebrochen. Der Abschied von meiner Schwester und von den Familienmitgliedern, die in Lahore leben oder länger bleiben, war sehr bewegend.
FÜR MEINE SCHWESTER ELIZABETH
Ein Dankeschön, das von Herzen kommt; von einem Herzen, das überquillt vor schönen Eindrücken
und Momenten, die mich für immer begleiten werden.
Beim Besteigen des
Flugzeuges stiegen mir die Tränen in die Augen.
Nur Tränen, die im Stillen vergossen werden, haben die Kraft,
die allertiefsten Gefühle auszudrücken.
Dezember 1965, eine Hochzeit am Franziskanerplatz
/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Ursula Bertele de AllendesalazarSamstag, 11. Dezember 1965. In der großen, damals noch sogenannten Conte Corti-Wohnung im dritten Stock des Hauses Nummer 1 am Wiener Franziskanerplatz, war die dort beinahe vollzählig versammelte Familie Bertele bereits um 7 Uhr morgens auf den Beinen. Nur zwei der Geschwister, Emy und Hansi, waren leider Gottes nicht anwesend.
Das unaufhaltsame Ticken und Klingeln von einem Drittel der ungefähr 120 Steh-, Tisch- oder Laterndluhren, die sich über die ganze Wohnung verteilten, hatte so manches Familienmitglied schlaflos gehalten. Jedenfalls schien niemand einen Wecker gebraucht zu haben. Am allerwenigsten ich Ursula, die künftige Braut, mit Kosenamen Ucki. Schon vor 7 Uhr war ich aufgestanden, um das Badezimmer in meinem Appartement für die restliche Geschwisterschar frei zu machen. So riesig die Wohnung auch war, verfügte sie über nur zwei Badezimmer und diese noch dazu ohne Dusche. Nichts desto trotz wollte jedes der Geschwister seine Morgentoilette genießen, deswegen hatte ich es sehr eilig.
Selbst dem sonst so äußerst autoritären Familienvater Hans, Baba gerufen (weder Papa noch Papi, sondern seit eh und jeh auf eigenen Wunsch so genannt, anscheinend, weil mein ältester Bruder Otto das Wort Papa bei einem seiner ersten Sprachversuche so herausgebracht hatte), war es an diesem Morgen nicht gelungen, die Familie ordnungsgemäß und gesittet zum gemeinsamen Frühstück um den Speiszimmertisch zu versammeln. Manch eines der Kinder wagte es sogar der väterlichen Autorität dahingehend zu trotzen, indem es, stehend, Vorräte, die für die kommenden Tage gedacht waren, bereits an diesem Morgen genüsslich verzehrte. Nur aufgrund des besonderen Tages war es glücklicherweise nicht zu einem Krach gekommen.
Pünktlich um 9 Uhr läutete es an der Tür. Damals hatte es auf der 1. Stiege des alten ehrwürdigen Hauses noch keinen Aufzug gegeben (es existiert noch eine zweite, bescheidenere Stiege, die man durch den Hof erreichen kann). Man musste das prächtige breit angelegte steinerne Stiegenhaus zu Fuß begehen. Hohe Stockwerke gab es da, bis zum dritten Stock mit bis zu vier Meter hohen Plafonds. Keinen Schummel mit Hochparterre und Mezzanin, wie es in Wien im 19. Jahrhundert dann eingeführt wurde.
Es hatte die junge Friseurin aus der Weihburggasse an der Tür geläutet. Ein liebes Geschöpf, das ich gut kannte, weil sie mir in der Faschingszeit die Haare für die Bälle immer recht schön machte. Keine leichten und dankbaren Haare, die meinigen – seit jeher wie Spinnenweben. Aber dank ihr war ich binnen einer halben Stunde schon recht hübsch aufgeputzt. Leider kann ich mich weder an ihren, noch den Namen des damals sehr bekannten Salons, der schon längst nicht mehr existiert, erinnern.
Wiederum läutete es. Diesmal wurde das wunderschöne Brautbouquet geliefert. Es hatte kaum einen Weg zurückzulegen, die Blumenhandlung befand sich praktisch ums Ecke, in der Singerstraße, in einer der Dependancen des Franziskanerklosters.
Die Hochzeit sollte um 11 Uhr, gleich gegenüber in der Franziskanerkirche stattfinden. Nur ein paar Schritte waren es vom Haus und ich wollte nur im Brautkleid, ohne Mantel und sonstigen Schutz, den Platz überqueren. Obwohl der Tag kalt war, nur ein paar wenige Grade über Null, schien die Sonne bei blauem Himmel. Welch’ ein Glück, ich würde trocken und ohne einen Schirm zu benötigen die Kirche erreichen können.
Eine halbe Stunde vor dem Gang zur Kirche sollten sich engerer Familienmitglieder unten in der Halle versammeln, um den von Onkel Bili sorgsam geplanten Brautzug zu bilden. Mittlerweile gab es ein lustiges Getümmel in der Wohnung. Nur Baba verfügte über einen eigenen Cut, ich glaube er hatte ihn für die Hochzeit extra anfertigen lassen (den Zylinder hatte er allerdings verweigert). Otto und der noch junge aber hochgewachsene Ulrich hatten sich ihre Outfits in der Leihanstalt besorgt; irgendwo draußen an der Wieden oder im dritten Bezirk – ein Wiener Moss Bros. Auch sie gingen ohne Zylinder.
Ich schließlich kleidete mich in ein schlichtes, langärmeliges Brautkleid und Schwester Liesl – so denke ich jedenfalls – setzte mir den Schleier und das kleine zierliche Kopfband auf. Liesl war bereits seit einigen Jahren in Pakistan mit Syed Afzel Naqvi verheiratet gewesen und hatte damals schon drei oder vier Kinder. Sie war am Vorabend angereist, wie immer sprühend voller Lebensenergie und keine Spur von Jetlag. Bildschön war sie, in einen prachtvollen Sari gekleidet. Für den Weg zur Kirche allerdings und um in ihr nicht zu erfrieren, wurde ihr dann glücklicherweise ein Pelzmantel geliehen.
Etwas vor halb elf begaben sich die meisten der Familie hinunter in die Halle, um sich von Onkel Bili in den Brautzug “einordnen“ zu lassen. Nur Baba und ich warteten weiterhin oben, weshalb ich über das, was sich unten abspielte, nicht berichten kann. Jedenfalls löste Onkel Bili alles, auch laut Protokoll, bestens. Protokoll gab es da genug und Onkel Bili hatte seinen Spaß daran. Dazu muss ich nun natürlich und endlich auf den spanischen Bräutigam José Manuel Allendesalazar Valdés kommen und auf die restlichen, die den Brautzug bildeten.
Mein zukünftiger Mann, ein junger Diplomat, war am 8. Dezember mit seinen Eltern von Madrid nach Wien geflogen. Seine Cousine und ihr Mann hatten – zusammen mit einer 14jährigen Nichte, die als älteste Tochter ihren Vater vertrat – die Reise von Madrid über Paris im Zug unternommen. Sowohl Josés Vater sowie Guillermo, der Mann seiner Cousine, waren Militärs im Rang eines Oberst und erschienen beide in Uniform. Und beide mit vielen Medaillen dekoriert. Guillermo war im Zweiten Weltkrieg als blutjunger Mann Mitglied der Blauen Division und – zur Bekämpfung des Bolschewismus – mit ihr und der deutschen Armee in Russland gewesen, wo er mit dem Eisernen Kreuz mit der Swastika ausgezeichnet worden war (er trug es aber nicht unter den sonstigen Medaillen). Diese spanische Familiengruppe war die kurze Strecke vom Hotel Kaiserin Elisabeth in der Weihburggasse zu Fuß gegangen und hatte so schon viele Blicke auf sich gezogen. Auch die spanische Botschaft, die komplett erschienen war, erregte bei den vielen Zaungästen am Platz große Aufmerksamkeit. Vor allem die ausnahmslos gutaussehenden Herren in der auffallend schönen, dunkelblauen, mit Goldfäden verbrämten Diplomatenuniform, die natürlich auch vom Bräutigam getragen wurde. Eigens für die Hochzeit hatte er sie schneidern lassen. Ein teurer Spaß. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten gewährte Kredite, die von den jungen Diplomaten euphemistisch der Sarg genannt wurden. Für die Herren war es ein ausgesprochener Gala-Tag. Außer meiner Schwester Liesl, gekleidet im Sari, und möglicherweise auch mir, der Braut, konnte keine anwesende Dame auch nur annähernd so viel Aufsehen erregen.
Anhand der mittlerweile schon vergilbten Fotos ist es mir gelungen, den Brautzug, der vom Haus zur Kirche schritt, wieder zu rekonstruieren. Angeführt wurde er von José Manuel mit seiner Mutter Carmen am Arm. Nur drei erwachsene männliche Berteles konnte man zählen – meinen Vater Hans mit seinen Söhnen Otto und Uly. Ein Familienschicksal an spärlich vorhandenen männlichen Nachkommen, das sich auch in meiner Generation fortsetzt. Nur ein einziger ist übrig, der den Familiennamen vererben kann – und dieser lebt in England. Ganz im Gegenteil mütterlicherseits, bei der Familie Mautner Markhof, welche zahlreich vertreten war. Sie teilt sich in die Linie der “weißen“ (blonden) Mautners, abstammend von Georg II. Anton und Emy Reininghaus, und die der “schwarzen” (dunkelhaarig), abstammend von Theodor I.. Marceline, meine Mutter, war als Tochter Georg Antons folglich eine „weiße“ Mautner Markhof. Unter den “Schwarzen”, ragte damals Manfred I. heraus, nicht nur aufgrund seiner beachtlichen Körpergröße, sondern auch sehr würdig mit Zylinder. Inmitten des Brautzuges auch die gute alte Tante Hansi, Witwe von Onkel Werner Reininghaus, die mir lieberweise das von mir selbst entworfene Brautkleid genäht hatte.
So schritten alle feierlich über den Platz und endlich in die Kirche. Dort, in einer der ersten Bänke, saß die liebe Omi, Emy Reininghaus/Mautner Markhof, damals noch keine achtzig Jahre alt. Etwas jünger, als ich heute bin, feierte ich doch im Dezember 2021 meinen achtzigsten Geburtstag. Erstaunlich, wie sich die Wahrnehmung ändert, waren mir doch sowohl sie als auch die Bertele-Großmutter, genannt Momo, uralt vorgekommen, auch schon lange davor, als sie rückblickend noch keine sechzig Jahre zählten. Anwesend waren auch der Photograph vom renommierten Atelier Winkler Ecke Singerstraße, den ich extra gebeten hatte, während der Kommunion vom Fotografieren abzusehen. Der sehr gute Orgelspieler und Priester, der die Messe las und uns traute, waren Freunde von Baba. José Manuel und ich hatten bereits am Vortag mit dem jungen bebrillten Pater Ludwig, der wie eine Eule aussah, die Zeremonie geprobt. Babas Freund hingegen war ein blendend aussehender, graumelierter Mann, vom Erzbischofamt, der jedoch bald nach unserer Hochzeit das Priesteramt zurücklegen sollte. Die Mautner-Familie, hätte es gerne gesehen, wenn die Trauung vom lieben alten Pfarrer Oppolzer, der irgendwo im Wienerwald eine Pfarre betreute, vorgenommen worden wäre. Mir selbst wäre Pater Cornelius von Heiligenkreuz am liebsten gewesen, doch Baba hatte eisern auf seinen Pater Bachleitner bestanden und wie bei allen Dingen, die er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, war daran durch nichts und niemanden zu rütteln.
Ein weiteres etwas ungewöhnliches Schauspiel bot das Aufgebaut an Trauzeugen, das nach spanischer Sitte üblich war. José Manuel hatte seinerseits seinen Vater, Guillermo, den Mann seiner Cousine, den spanischen Botschafter und zwei weitere Mitglieder der spanischen Botschaft – – insgesamt fünf. Onkel Bili, soviel ich mich erinnere, war in Sorge, dass unsere Seite zu kurz kommen könnte und so bat er als meine Trauzeugen seinen ältesten Bruder Georg III. Buwa, damals Oberhaupt der “weißen“ Mautner Markhof-Linie, und auch meinen Bruder Otto. Der jüngste spanische Diplomat wurde dafür auch auf unserer Seite des Altars platziert, um das optische Bild ausgeglichener zu gestalten. Eigentlich ganz amüsant, an welche Kleinigkeiten man sich nach so vielen Jahren noch erinnert! Dazu fällt mir auch die spanische Sitte des “Brautkaufs” ein. 13 neue glänzende Peseta-Münzen hatte José Manuel eigens dafür mitgebracht.
Nach der Messe wurden die Papiere in der Sakristei unterschrieben, dort begaben sich anschließend auch alle Hochzeitsgäste hin, um uns ihre Glückwünsche auszusprechen. Noch immer habe ich Tränen in den Augen, jedes Mal, wenn ich das Foto der lieben Omi betrachte, als sie mich zutiefst ergriffen umarmte. Momo, Babas Mutter Elsa Arailsa Bertele, spanisch-baskischer Herkunft, konnte nicht anwesend sein, weil sie, obwohl gleichaltrig wie Omi, bereits damals schwer von heftigen Gelenksschmerzen geplagt, in einem von Klosterschwestern geführten Heim in Vorarlberg, am anderen Ende von Österreich, weilte.
Draußen am Franziskanerplatz hatten trotz der Kälte sehr viele Zaungäste ausgehaart, um die Hochzeitsgesellschaft noch einmal beim Verlassen der Kirche zu betrachten. Auch wurde über das Ereignis am nächsten Tag in einer der Zeitungen in der Rubrik Wien intim berichtet. Merkwürdigerweise erschien ein Foto der Trauung auch zwei Jahre später als Titelbild des Presse-Artikels Am liebsten eine Kirche mit Freitreppe. Wir erfuhren darüber über seltsame Umwege: Ein Kollege José Manuels erhielt den Zeitungsauschnitt in Dakar/Senegal von seinem österreichischen Kollegen und schickte ihn uns dann weiter nach Lima (Peru war José Manuels erster Auslandsposten).
Uckis und José Manuels Hochzeit in der Presse vom 8./9. April 1967.
Um 13.00 Uhr fand das Mittagessen im Hotel Bristol statt. En petit comité – es waren ca. 30 Personen geladen. Omi und José Manuels Vater, damals auch fast achtzig, konnten sich bestens auf französisch unterhalten. Der Botschafter, Antonio Luna, der kein Berufsdiplomat, sondern lange Jahre hindurch in Den Haag am Obersten Gerichtshof tätig gewesen war, hatte sehr gut deutsch gesprochen. Die anderen Botschaftsmitglieder weniger, weshalb man sie zur spanischen Familientruppe platziert hatte. Alles war bestens verlaufen.
Um 15.00 Uhr fand dann der riesige Empfang in der Wohnung am Franziskanerplatz statt. Das Catering, wie man heutzutage sagt, wurde vom Gerstner ausgerichtet. Damals noch unter der Leitung der guten alte Frau Gerstner und das Geschäft war noch auf der anderen Seite der Kärntnerstraße. Hauptsächlich ich selbst hatte die Vorbereitungen mit ihr getroffen und natürlich nur lauter köstliche Sachen gewählt. Österreicher sind ja nicht nur Feinschmecker, sondern auch zu jeder Stunde bereit es sich mit Speis und Trank gut gehen zu lassen. Alle waren sie gekommen, die Kirchengäste und darüber hinaus noch viele, viele mehr. Fast durchgehend Freunde der Eltern und natürlich die Mitglieder der zahlreichen Mautner Markhof-Verwandtschaft. In der heutigen Zeit hat sich das wesentlich verändert, da die meisten Hochzeitsgäste aus jungen Leuten bestehen, den Freunden des Hochzeitspaares.
Zum Abschluss noch etwas Lustiges: In Baba war in den Tagen kurz vor der Hochzeit plötzlich die Befürchtung aufgestiegen, dass der Boden im Salon, dem schwächsten Teil in der Mitte der Wohnung, durchbrechen könnte (das Haus stammt laut Rudolf Kisch ursprünglich aus dem 14. Jahrhundert). Baba bekam Angst vor dem großen Andrang, der zu erwarten war. So kam ihm – dem Ingenieur – endlich eine Lösung in den Sinn: Er stellte den schweren Eichenholz-Tisch mit der rosa Marmorplatte unter den großen Luster in die Mitte des Salons. Ein schwerer Tisch stellte zweifellos eine kleinere Gefahr als fünfzehn oder zwanzig Leute dar. Ende gut, alles gut. Der Salonboden brach nicht zusammen.
Am nächsten Morgen, Sonntag, fast noch im Morgengrauen, gingen José Manuel und ich den kurzen Weg vom Hotel Elisabeth die Weihburggasse entlang zur Franziskanerkirche, um vor unserem Abflug noch die 8 Uhr Messe zu besuchen. Noch bevor wir den Platz erreichten, bog plötzlich meine liebe Mutti mit meinem Brautstrauß in Händen ums Eck und kam uns entgegen. Es war eine völlige Überraschung. Muttis Augen waren feucht und aus meinen flossen die Tränen, als ich sie umarmte, während sie mir den Brautstrauß überreichte. Wir wechselten kaum ein Wort, begleiteten Mutti zum Tor des Hauses, hielten für sie die schwere dunkelgrüne Türe offen und blickten ihr nach, als sie im Dunkel der Halle verschwand.
Diese Begegnung bleibt für mich einer der schönsten und ergreifendsten Momente der Hochzeit und auch heute noch, wenn ich diese Zeilen schreibe, habe ich das Bild der geliebten Mutter vor mir.
Brauerei Mautner Markhof durch den Blickwinkel von Otto Rudolf Schatz/Hagenbund
/in Allgemein /von Beate HemmerleinAnlässlich der Hagenbund-Ausstellung im Leopold Museum wurden auch Werke ausgestellt, die die „Brauerei Mautner Markhof“ aus den Augen zeitgenössischer Künstler zeigen.
Sozialkritische Kunst der Zwischenkriegszeit
Nach dem Zerfall der Donaumonarchie stellte die politische und wirtschaftliche Notlage und die daraus resutierenden sozialen Spannungen die junge Republik Österreich vor eine Zerreißprobe. Die im Roten Wien seit 1919 mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialdemokraten propagierten den „Neuen Menschen“ als kulturelles Gegenmodell zur katholisch-konservativen Politik der christlich-soziale geprägten Staatsregierungen. Die Versorgungsengpässe, galoppierende Arbeitslosenzahlen, Hyperinflation, Währungsverfall und die daraus resultierende weit verbreitete Armut stürzten den Künstlerbund Hagen bis in die 1930er Jahre wiederholt in existenzielle Krisen: Ausstellungen konnten im Winter nicht beheizt werden und 1932 war man genötigt, Kunstwerke im Tausch gegen Lebensmittel anzubieten.
Die prekären Lebensrealitäten der Zwischenkriegszeit spiegeln sich in den Werken von Karl Hauk, Otto Rudolf Schatz, Felix Albrecht Harta oder Carry Hauser die zwischen 1925 und 1930 dem Hagenbund beitraten, wider. „Man spürt in diesem Künstlerkreis intensiver als anderswo in Wien den Atem der Gegenwart“, schrieb das Neue Wiener Journal 1931. Auch stilistisch progressiv, repräsentierte die Kunst des Hagenbundes eine radikale Moderne, die nach dem Austritt mehrerer Gründungsmitglieder und Verfechter der Wiener Stilkunst auch vereinsintern an Einfluss gewann.
Als „Propagandist“ des Roten Wien schuf Schatz mehrere ausdrucksstarke Holzschnittfolgen, darunter „Die Stimme der Arbeit“, worin er die Situation des Proletariats in der Großstadt anprangerte. So wie z. B. in seinen nüchternen Ansichten überdimensionaler Kesselräume in denen der Mensch allenfalls als Staffage Platz findet.
A Tankard full of Memories – Two centuries of Vienna Lager
/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Bruce McMichaelWords Bruce McMichael
Noisy, smokey and stinking of the streets, the tavern shakes as greetings echo around battle-weary soldiers, prostitutes and drunks, all demanding more … more music, more food, more beer. They were drinking dunkels, dark German-style lagers made through top-fermentation techniques with similar taste profiles to Belgian Dubbels and English Porter.
We’re in late 1830s Vienna, the soon-to-be capital of the sprawling Austro-Hungarian Empire. It’s a city of intrigue, betrayal and dingy coffee houses with a reputation for serving the worst beer in Europe. Production is fractured, brewers disinterested, ingredients low quality. Disguised with herbs and spices ranging through ginger, laurel, and rosemary, contemporary sources report tankards of foul smelling beer, and lots of flatulence.
Into this bleak social landscape came Anton Dreher Snr, scion of a local brewing family whose beer production and finances were both struggling, along with my ancestor, Adolph Ignaz Mautner Markhof a mutton chopped brewer and Dreher Snr’s main competitor as soon-to-be Beer Barons.
Brewers such as Dreher Snr and Mautner Markhof were 19th century beer-nerds, curious about the science of brewing and happy to get stuck into the rough and tumble of commerce. For decades, these two sparred for technological and commercial advantage, until the Dreher family lost interest and Mautner Markhof’s descendents absorbed Dreher’s prime Schwechat brewery into their own operations.
Fast-forward to the 1970s and it is endless supplies of cola and fizzy orange that shape my earliest memories of childhood holidays with my maternal grandparents in Vienna, and visits to extended family living in the Schwechat brewery. But as I grew into my teens, the beer made its appearance: my brothers and I secretly flipped open bottles we found in cellars and store rooms pursing our lips as we sipped the bitter Vienna Lager.
It was common for young brewers in the early 1800s to travel and work across Germany, Belgium and Britain. In search of knowledge, Dreher Snr and his friend and business partner Gabriel Sedlmayr from Munich’s famous Spaten brewery, took to the road – and they didn’t care how they got their information.
British industrialists were notoriously secretive, but nonetheless – perhaps naively – welcomed the pair into their breweries, where the ambitious friends embarked on what can only be described as industrial espionage, including using an adapted walking cane to steal away liquid samples.
At the start of the nineteenth century, British breweries had began using heated air to dry the malt, achieving an evenly roasted product with little scorching. Returning to Vienna, Dreher Snr experimented with British kilning methods, creating a lightly caramelised amber malt. He called it Vienna Malt, mixed it with lager yeast and brewed a reddish-copper lager with a delicate, slightly bready profile reminiscent of British pale ale. The beer was released in 1841 as ‘Lager Vienna Type’ or Vienna-style lager, and so started Vienna’s Golden Beer Century.
The Lager’s superior structure and flavour immediately appealed to the jaded and abused palettes of the Viennese, offering a cleaner, fresher taste. The resulting morning sore heads were soothed with reviving breads such as the Kaiser-Semmel, a hugely popular sweet, white, segmented roll. Viennese bakeries had long done good business, using copious amounts of fresh yeast, easily available from top-fermented ale production popular in pre 1840-Vienna.
Production of Vienna Lager, however, posed a problem. Bottom-fermented lagers like Dreher’s did not produce fresh yeast, Viennese bakers were soon short of supplies.
Into this culinary emergency stepped Adolph Ignaz Mautner Markhof supported by his sons (he had ten children and 72 grandchildren). Renting breweries in the districts of St. Marx and Floridsdorf in 1848 Adolph Ignaz partnered with his sons-in-law Julius and Peter Reininghaus in the southern Austrian town of Graz. Together they developed a brand new process to produce yeast strains from bottom-fermented tanks (pressed yeast) – a system that became informally known as the ‘Mautner Markhof filter yeast process’.
The bakers were not slow to show their gratitude. This pressed yeast won a huge cash prize from the powerful Viennese Bakers Guild. A fortune quickly followed which – riches that made possible the purchase by the Mautner Markhof family of Dreher’s original Schwechat brewery in the late 1920s during the global financial crash.
After the economic devastation of World War 1 Vienna Lager never regained its status in its home market, with the Viennese turning to wine and other brews.
However, in the early 2000s, North American craft beer revivalists began dusting off recipes for this forgotten lager, inspiring a handful of breweries in Austria and the UK to follow. They have produced a choice of palatable drinks with robust malt, clean yeast characters, and a light amber colour shot through with the red of the original Vienna Lagers.
It’s a welcome revival of this very particular beer – along with a crate full of memories from my family history.
Artikel von Bruce McMichael im Magazin „Tonic“, Volume 3
Hans und Marceline Bertele v. Grenadenberg – der Beginn einer großen Liebe
/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Ursula Bertele de AllendesalazarDamals, im Wien der 1860er Jahre, nachdem die Stadtbefestigungen abgerissen und das Glacis aufgelassen wurde, schossen auf der neu angelegten Ringstraße großzügig angelegte Palais aus dem Boden hervor. Am Parkring, Ecke Zedlitzgasse entstand eines davon – das „Dumbapalais“. Der aus Griechenland stammende Industrielle, Wohltäter und Politiker Nikolaus Dumba ließ es für sich im Neorenaissance-Stil erbauen. Mit der Innenausstattung seiner Wohnung wurde vorerst Hans Makart beauftragt. Von der von Makart eingerichteten Bibliothek existiert ein Bild, gemalt von Rudolf von Alt, auf dem nur wenige Bücher zu sehen sind und der Raum so schrecklich schwerfällig und überladen scheint, dass einem die „Grausbirnen“ aufsteigen. Später zog Dumba, der ein großer Musikliebhaber war und dessen Liebe vor allem Schubert galt, den jungen Gustav Klimt hinzu und gab ihm den Auftrag, zwei sogenannte Supraporten für das Musikzimmer zu malen. Eines war der Musik gewidmet, das andere stellte Schubert am Klavier sitzend dar. Es war die Zeit, als Klimt in seinen Anfängen und den Fußstapfen Makarts folgend, sich noch eifrig am Dekorieren der Ringstraßenpalais beteiligte.
Mitte der 1920er Jahre war Erwin Böhler (aus der Familie Gebrüder Böhler Edelstahlwerke) in einer der Wohnungen des Palais Dumba mit seiner Familie ansässig geworden. Das Ehepaar führte ein reges gesellschaftliches Leben und veranstaltete während der Faschingszeit märchenhafte Bälle für ihre beiden Töchter. Einladungen dazu waren bei der damaligen Wiener Jugend mehr als begehrt. Kaum vorstellbar, dass diese in der vollmöblierten Wohnung von Nikolaus Dumba hätten stattfinden können, es wäre ja kaum Platz zum Tanzen gewesen. Immerhin, die Wohnung der Böhlers befand sich im ersten Stock, also am Piano nobile.
Einer der Glücklichen, die im Februar des Jahres 1925 eine Einladung zum Hausball erhalten hatten, war der fesche 23 jährige Hans von Bertele. Hans war ein begabter und eifriger Student der Technischen Hochschule gewesen, der nicht nur gewissenhaft studierte, sondern auch immer dort, wo es etwas zu feiern gab, gerne mit dabei war. Es blieben ihm noch ein paar Jahre bis zum Ende seines Studiums, und Eltern von Töchtern im herannahenden heiratsfähigen Alter sahen in ihm bereits einen potentiellen Schwiegersohn mit vielversprechender Zukunft. So war er überall gerne eingeladen und gesehen. Vor allem auf diversen Tanzveranstaltungen, da er als hervorragender Walzertänzer auch Damen mit überflüssigen Pfunden federleicht über das Parkett zu führen wusste (er hatte die damals vor einigen Jahren gegründete Tanzschule Willy Elmayer besucht). Im Jahr 1924 hatte der erste Wiener Philharmonikerball stattgefunden, für den Richard Strauss eigens eine Festfanfare komponierte. Alles in allem ein unvergessliches Ereignis. Für die Eröffnung wurde dem Jungherren Hans eine zwar hübsche aber sehr gut gepolsterte Comtesse zugeteilt, die sich für den Ball in allzu kleine, sehr hohe Stöckelschuhe hineingezwängt hatte und so bereits nach der Eröffnung den verbleibenden Abend mit schmerzenden Füßen und ohne Schuhe am Tisch ihrer Eltern sitzend verbringen musste. Hans absolvierte zwar regelmäßig Höflichkeitsbesuche, nutzte aber die restliche Zeit, um mit einigen der hübschesten Debütantinnen unbeschwert das Tanzbein zu schwingen. Den „Techniker Cercle„ hatte er mit Lorle, der älteren der beiden Böhler-Töchter eröffnet. Sowohl von den Eltern der schuhlosen Comtesse (wie er sie zu nennen pflegte) als auch von Lorles Eltern wurde er mit recht wohlwollenden Augen betrachtet. Hans hatte die Böhler-Töchter Lorle und Trautl bei Wagemann auf der Wienzeile kennengelernt. Obwohl Lorle die hübschere von beiden war, hatte ihm die stillere Trautl besser gefallen, da er, sehr vielseitig interessiert, das Gespräch lieber selber führte, als sich „Mädchen-Geschnatter“ anhören zu müssen.
Bei der Einladung zum Hausball bei Böhlers handelte es sich um einen Maskenball. Hans musste nicht lange hin- und herüberlegen wie er sich verkleiden sollte – er würde als Seeräuber gehen. Er hatte nicht die Absicht sich mit seinem Kostüm viel Mühe zu geben. Seine alte eng anliegende Bergsteigerhose, die nur bis übers Knie reichte, und ein kragenloses weißes Hemd, dessen Ärmeln er aufkrempelte, mussten reichen. Darüber zog er das dunkelgrüne Gilet mit Silberknöpfen vom Steireranzug seines Vaters an. Investieren musste er nur noch in ein Paar weiße dünne Kniestrümpfe und ein grellrotes Kopftüchel, mit dem er sein dichtes dunkles Haar zusammenbinden konnte, das er sich in Hinblick auf den Ball hatte extra länger wachsen lassen. Fertig gekleidet und zum Abgehen bereit, entkam er nicht dem Spott und Gelächter seiner Schwester Mädi, die wie man damals sagte, im Backfischalter war: “Na, du gekünstelter Pirat in feinen schwarzen Tanzschuhen würdest nicht einmal für einen Raub am Neusiedlersee taugen.” Hans, bestens gelaunt, lachte mit. “Aber sicherlich gut genug, um ein paar jungen Mädchen den Kopf zu verdrehen. In zwei, drei Jahren, wenn Du an die Reihe kommst und zu einem Maskenball geladen bist, wirst Du zweifellos wochenlang darüber nachdenken, wie Du Dich verkleiden kannst“ konterte er. “Uh, da freue ich mich jetzt schon drauf! Sag´, Du, wirst so auf die Straße gehen?“„Nein du Dummkopf. Da zieh’ ich natürlich meinen Lodenmantel drüber.” “Hast Du die Maske mit?” “Nein. Schau’ Kleine, danke, da bist Du doch zu etwas nützlich.” Und schon eilte Hans in sein Zimmer zurück, steckte die Maske in eine der Manteltaschen, sagte seinen Eltern “Gute Nacht” und war schnell durch die Haustür verschwunden. Er hatte sich am Stephansplatz vor dem Rothberger Warenhaus mit seinem Freund Georg Rendezvous gegeben. Er ging zu Fuß, denn es war nur ein kurzer Weg von der Loidoldgasse. Georg kam verspätet mit der Straßenbahn aus Döbling. Hans, mittlerweile ungeduldig, trat von einem Fuß auf den anderen, um sich an diesem eiskalten Abend warm zu halten. “Jetzt fehlt mir nur noch, dass es zu schneien beginnt” dachte er zunehmend missmutig. Passanten glotzten ihn an und betrachteten ihn ob des roten Kopftüchels, das ihm halb über die Stirn reichte und im Nacken zugebunden war, argwöhnisch. Endlich tauchte sein Freund auf. Die beiden eilten die Wollzeile hinunter zum Ring.
Im Dumba-Palais bei Böhlers angekommen, zogen sie im Vorzimmer ihre Mäntel aus. Georg, schlicht in einem dunklen Anzug, setzte sich nun einen großen Turban auf und montierte einen riesigen Schnurrbart. “Ein Prinz aus dem Orient, halb europäisiert?! Dein Kostüm hat Dich ja noch weniger Mühe gekostet als mich das Meinige” meinte Hans anerkennend. Daraufhin maskierten sich die beiden Freunde und traten in den großen Saal ein, wo eine kleine Musik-Kapelle, bestehend aus Klavier und Streichern, munter spielte und bereits reges Getümmel herrschte. Am Eingang stand das Ehepaar Böhler, unmaskiert mit schneeweißer Perücke, festlich in Rokoko Kostüme gekleidet und begrüßte seine Gäste. “Na, ihr beiden” lachte Erwin Böhler. “Ihr werdet mir ja noch das Haus unsicher machen.“ “Nein, keine Sorge, wir sind ja nur Schafe in Wolfskleidung” entgegnete Georg schlagfertig. Gleich darauf trennten sich die beiden Freunde. Georg, ohne lange zu zögern, forderte ein molliges verschleiertes Mädchen in Haremshosen zum Tanz auf. “Wie für einander geschaffen” sagte er munter, worauf sie ein flüchtiges Lächeln erwiderte.
Hans hingegen nahm sich vorerst etwas Zeit und schlenderte umher, bevor er sich auch unter die Tänzer mischte. So kam er in den angrenzenden, ebenfalls hell beleuchteten Salon, wo die Möbel belassen worden waren. Da hingen eine reizvolle neapolitanische Tänzerin, gemalt von Anton Romako sowie zwei Landschaftsbilder von Carl Moll an den Wänden. Bevölkert war der Raum mit einigen eifrigen Tänzern, die eine kleine Verschnaufpause suchten. Der folgende Raum, noch im Halbdunkel gehalten, war das Speisezimmer, wo ein schönes reichhaltiges Buffet bereitstand. “An Appetit fehlt es mir nicht, aber ich werde mich doch zuerst auf das Tanzparkett begeben und etwas Bewegung machen“ dachte er bei sich. Zurück im Ballsaal schaute er sich so unauffällig wie möglich nach Trautl Böhler um, aber aufgrund der Masken konnte er sie nicht ausfindig machen. Also meinte er bei sich “Wahl aufs Geratewohl”, ging auf ein schwarzhaariges Mädchen im Neapolitaner Kostüm zu und forderte sie mit folgenden Worten zum Tanz auf: “Ich habe gerade Ihr Bildnis im Wohnzimmer bewundert doch das Original ist viel besser. Bitten Sie mich aber nicht mit Ihnen eine Tarantella zu tanzen.” Das Mädchen lachte hellauf: “Werd’ ich nicht tun, Sie schamloser Pirat. Ich begnüge mich mit einem Wiener Walzer oder mit diesem Quickstepp, der jetzt gerade spielt.” Die Kapelle spielte flott und Hans tanzte mit einer Unterbrechung am guten Buffet unentwegt weiter. Kurz vor Mitternacht war Damenwahl und es herrschte ein regelrechtes G´riss um unseren Seeräuber.
Hans, als Witwer und auf seine alten Tage, stellte eine Familienchronik zusammen. Dabei nimmt der Abend bei Böhlers einen ganz besonderen Platz ein. Ich, seine Tochter, möchte die weiteren Ereignisse mit seinen eigenen Worten wiedergeben: “…An den Böhler Hausball erinnere ich mich immer gerne. Es waren drei schöne Räume im ersten Stockwerk des alten Dumbapalais, die von dem bekannten Architekten, Josef Hoffmann, in der Art der Wiener Werkstätte offen und luftig eingerichtet waren. Im großen Speisezimmer hingen drei eindrucksvolle Bilder von Klimt, darunter ein Obstgarten, eine Seenlandschaft und noch ein anderer Moderner, an den Wänden. Im Speisesaal gab es ein freistehendes, niedriges Buffet. Die Mädchen waren maskiert. Nachher, um Mitternacht, wurde Demaskierung angeordnet. Dabei bemerkte ich, dass eine hübsche, als Pierrot verkleidete junge Dame, den spitzen, hohen Pierrot Hut abnahm und dabei das schönste blonde Haar erblicken ließ. Für schönes Blondhaar habe ich damals schon geschwärmt und so goldfarbig gleichmäßiges hatte ich es noch nie gesehen. Sofort kam ein Gespräch zustande und viel später bekam ich zu hören, ich hätte eineinhalb Stunden nur von meinen Motorraderlebnissen erzählt. Meine Begeisterung war aber auf Resonanz gestoßen, denn schließlich sagte mir die schöne blonde Dame: ‘Heuer kann ich Sie nicht einladen, denn meine Mutter hat vor kurzem ein Kind bekommen aber nächstes Jahr müssen Sie zu uns kommen. Geben Sie mir doch eine Karte, lieber motorradfahrender Seeräuber.”…
Hans Bertele von Grenadenberg
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Memoiren von Hans Bertele von Grenadenberg
Pakistanische Hochzeiten / Haider & Natasha, Taimur & Anum
/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Ursula Bertele de AllendesalazarAnfang Januar 1982 hatte ich das Vergnügen, nach Pakistan zu reisen, nach Lahore, zur Hochzeit Mubashrahs, der ältesten Tochter meiner Schwester Elisabeth. Im Jahr 1959 hatte Elisabeth Syed Afzel Naqvi geheiratet. Sowohl sie als auch Afzel studierten damals in London am Queen Mary College. Sie haben sechs Kinder: MUBASHRAH ist mit Agha Qasim Raza verheiratet, SOHAIL mit Iram Mehdi, FARVAH mit Imran Ali Shah, MUNAZZAH mit Tariq Riaz Malik, FEISAL mit Ayeda Husain und IJLAL mit Leylac Pekin. Diesen sechs Ehen entsprangen mehr als fünfzehn Enkelkinder.
Jetzt, Mitte Dezember 2021, vierzig Jahre später, bin ich froh, wieder in Lahore zu sein, um die Hochzeiten zweier Enkel meiner Schwester zu feiern. Mein Schwager Afzel war im August desselben Jahres verstorben. Von seiner Familie verehrt, von allen, die das Glück hatten, ihn zu kennen, geliebt und geachtet, lebt er in der Erinnerung von uns allen unvergesslich weiter.
Als ich 1982 nach der faszinierenden Hochzeit von Qasim und Mubashrah, die sich über acht Tage erstreckte, nach Hause zurückkehrte, schrieb ich meine Eindrücke auf, die ich mit Fotos illustrieren konnte, die mir freundlicherweise aus Lahore zugesandt wurden. Damals war ich noch nicht die begeisterte und unbändige Fotografin, zu der ich durch die beiden Hochzeiten, die ich hier beschreiben werde, geworden bin. Um mein Gedächtnis aufzufrischen, habe ich mir alle meine Notizen noch einmal durchgelesen, bevor ich mich in dieses neue Abenteuer stürzte. Ich erinnerte mich sehr gut daran, dass im Gegensatz zu Hochzeiten im Westen, die in der Regel nur einen Tag dauern – abgesehen von der Verlobungsfeier, die Monate oder Wochen vorher stattfindet –, im Osten (und hier beziehe ich mich vor allem auf den indischen Subkontinent) die mit der Hochzeit verbundenen Feierlichkeiten tagelang andauern. Im Einklang mit der Tradition als alle Ehen arrangiert wurden, veranstaltet jede Familie eine Reihe von Feiern – zunächst getrennt, nur für die eigene Verwandtschaft. Diese gipfeln in der Nikāḥ, der eigentlichen Hochzeit, die im Haus der Eltern der Braut stattfindet. Am Tag danach findet im Haus der Eltern des Bräutigams die Walima statt, um die Vollendung der Ehe zu feiern. Mubashrah und Qasim hatten eine arrangierte Ehe. Früher sahen sich die beiden zum ersten Mal bei der Nikāḥ. Meine Nichte hatte jedoch die Möglichkeit, den jungen Mann, den ihre Eltern als Ehemann ausgewählt hatten, zu treffen und sich mit ihm zu unterhalten. Qasim kam zu diesem entscheidenden Treffen sogar aus dem weit entfernten Seattle an der Westküste der USA, wo er für Boeing arbeitete. Hätte der intelligente junge Ingenieur Mubashrah nicht gefallen, hätte es keine Heirat gegeben. Ihre Eltern hätten weiter nach einem geeigneten Bräutigam gesucht. Das Ergebnis war jedoch eine glückliche Ehe. Qasim und Mubashrah bekamen drei Kinder: zwei Mädchen und Haider (ausgesprochen Hedda wie in Ibsens Hedda Gabler). Haider ist der Bräutigam der Hochzeit, die ich in weiterer Folge als Nummer eins bezeichne.
Soweit ich weiß, waren beide Hochzeiten, an denen ich teilnehmen sollte, Liebesheiraten. Die jungen Paare, die alle sehr kosmopolitisch eingestellt sind, lebten bereits oder werden zukünftig in den Vereinigten Staaten leben. Meiner Schwester zufolge sind jedoch 90 % aller Ehen in Pakistan nach wie vor arrangiert. In vielen Fällen sind es die jungen Männer, die ihre Eltern bitten, für sie eine passende Braut zu finden. Die eigentliche Hochzeit, die Nikāḥ, ist ein rein zivilrechtlicher Vertrag, der von den Vätern der beiden Parteien vor Zeugen unterzeichnet wird, wobei ein Mullah anwesend sein kann, um seinen Segen zu geben und das Lob Allahs zu preisen. Zu Beginn dieses Aktes ist der Vater der Braut gesetzlich dazu verpflichtet, seine Tochter um ihre Zustimmung zu bitten. Die Unterzeichnung des Vertrages findet getrennt statt, auf der einen Seite die Braut mit ihrer Familie, auf der anderen Seite der Bräutigam mit seiner. All dies geschieht in weniger als fünfzehn Minuten.
Vor vierzig Jahren hatte ich die Hochzeit als Mitglied der Familie der Braut besucht. Dieses Mal erlebte ich sie als Mitglied der Familie des Bräutigams. Es gab Unterschiede, aber vor allem ist es damals wie heute ein andauerndes großes Fest für die Frauen und Freunde beider Familien. Es ist das Fest der Frauen schlechthin, das Fest, bei dem sie sich von ihrer besten Seite zeigen. Jeden Abend erscheinen sie in wechselnden schillernden und bunten Outfits. Tanzen und Singen, begleitet vom Klang der Trommeln und Tamburine, waren schon immer ein wichtiger Bestandteil der meisten Festlichkeiten. Heutzutage ist alles viel entspannter, und bei den großen Festen sind Trommel und Tamburin durch Live-Bands und DJs ersetzt worden.
Aber genug der Formalitäten. Ich werde nun die Ereignisse schildern und gleich zu Beginn mit meiner Reise nach Lahore beginnen.
Samstag, 18. Dezember 2021
Um 4 Uhr morgens wurde ich unsanft von meinem Wecker geweckt und verließ Madrid um 8 Uhr morgens an Bord eines Flugzeugs von Qatar Airways in Richtung Doha. Der Flug war angenehm, er dauerte etwa sechs Stunden. Die meiste Zeit verbrachte ich vor mich hindösend. Irgendwann nahm ich einen Snack zu mir und später ein Glas großzügig eingeschenkten Laurent Perrier rosé, der mir das Leben noch rosiger erscheinen ließ. Die Zwischenlandung in Doha dauerte etwa drei Stunden. Die Inneneinrichtung des Flughafens bestand hauptsächlich aus Stahl. Alle Angestellten und Passagiere schienen Ausländer zu sein. Es war schwierig, einen Katarer oder einen Einheimischen aus einem der Nachbarländer des Persischen Golfs anzutreffen. Im riesigen Duty Free entdeckte ich schließlich zwei Männer in den klassischen fließenden weißen Gewändern, die Köpfe mit einem karierten Tuch bedeckt, das von einem schwarzen Band zusammengehalten wurde. Da sie nichts kaufen wollten, machten sich die beiden auf den Weg zum Warteraum von Al Safwa.
Ich, die ebenfalls einen Passierschein für die Business Class-Lounge hatte, beschloss ihnen zu folgen, um sie genauer zu beobachten. Aus reiner Neugierde. Sie verschwanden schnell in den Innenraum. Neben dem Eingang befand sich ein Schalter, an dem ich nach meiner Bordkarte gefragt wurde. Ich wurde in eine andere Lounge namens Al Moujon verwiesen, ein riesiger, komplexer, architektonisch moderner Raum mit einem Restaurant und riesigen Pool. Offensichtlich war dies die Lounge für die Passagiere, die nicht aus dem Land oder der Region stammten. Al Safwa war wohl nur für diese Reisenden bestimmt. Oder es handelte sich einfach um einen reinen Männerbereich. Zu meiner Enttäuschung sah ich keine weitere Person in einheimischer Kleidung.
In Doha traf sich dann das gesamte Kontingent der pakistanischen Großnichten/Neffen, die alle aus den Vereinigten Staaten kamen, hauptsächlich aus New York, einschließlich Haider, dem Bräutigam Nummer eins. Wir trafen uns, als es gerade an der Zeit war zum Flugsteig zu gehen, um den Flieger nach Lahore zu besteigen. Es waren sehr viele Menschen an Bord dieses Fluges! Das Flugzeug war gigantisch und bestand aus drei Sektionen mit je drei Sitzen.
Sonntag, 19. Dezember 2021
Der Flug dauerte etwa drei Stunden und wir kamen kurz nach 1 Uhr nachts Ortszeit an, vier Stunden vor Spanien. Was für ein Gedränge und Treiben! So viele Menschen auf dem Flughafen! Es war fast wie in einem Ameisennest. Bei jedem Passagier schien die ganze Familie anwesend, um ihn zu Hause willkommen zu heißen. Es war wie Barajas, unser Flughafen in Madrid, zu Spitzenzeiten – aber mit dem dreifachen Aufkommen. Und das auch noch mitten in der Nacht. Bei der Passkontrolle musste ich wegen der Länge meiner Nachnamen (Vater und Mutter, wie es in Spanien üblich ist) ewig warten, da sie nicht in das für Nachnamen vorgesehene Feld des Computers passten. Das Personal war aber gezwungen sie vollständig einzugeben und an die Datenbank weiterzuleiten. Ich war von Neffen und Nichten umgeben und hinter uns bildete sich eine lange Schlange. Am Ende ließ man uns passieren. Freunde der Neffen, die am Flughafen arbeiten, kümmerten sich darum unser Gepäck ohne Kontrolle durch den Zoll zu bringen. Als wir das Haus meiner Schwester erreichen schlief sie bereits – wie nicht anders zu erwarten – tief und fest. Auch ich ging sofort zu Bett und schlief bis in den Morgen hinein wie ein Stein.
Mit meiner Schwester und ihren Kindern und Enkelkindern, die aus dem Ausland kamen und jetzt in ihrem großen Haus mit sechs schönen Zimmern wohnen, war es ein glückliches und emotionales Wiedersehen. Mein Zimmer war großartig und hatte ein eigenes Bad. Auch hatte es einen großen Schreibtisch, und ich glaube Afzel hatte es als Arbeitszimmer benutzt. Das riesige Fenster nahm eine ganze Wand ein und bot Ausblick auf einen großen Innenhof, der ganz aus Ziegeln gemauert und mit üppigen grünen Pflanzen begrünt war. Am Nachmittag waren fast alle Mitglieder der Familie meiner Schwester im Haus versammelt: diejenigen, die in Lahore leben, und diejenigen, die aus dem Ausland gekommen waren. Die Familien Raza, Mubashrah und Qasim, die Eltern von Haider, und seiner beiden Schwestern, von denen eine mit ihrem Mann und ihren drei kleinen Kindern aus Dallas gekommen war, nicht mitgezählt. Einige, die aus dem Ausland anreisten, waren noch gar nicht eingetroffen, dennoch waren wir schon sehr viele. Sohail Shaji, der älteste Sohn meiner Schwester, war mit seiner Frau Iram aus Kirgisistan gekommen, wo er Kanzler einer vom Aga Khan gegründeten Universität ist. Der Aga Khan selbst hatte ihn für diese Aufgabe ausgewählt. Shazil, das älteste der drei Kinder von Shaji und seine Frau, die vor kurzem geheiratet haben und in New York leben, waren mit demselben Flugzeug von Doha nach Lahore gereist wie ich. Der jüngste Sohn war leider wegen Covid in New York geblieben. Die Tochter, Aleena, wunderschön, wie ohne Ausnahme alle Töchter und Enkelinnen, ist voller Temperament. Ein echter Charakter. Dann war da noch Farvah, die zweite Tochter meiner Schwester, zusammen mit ihrem Mann Imran und drei ihrer Kinder. Es fehlte noch einer der Söhne, der gerade begonnen hatte, in Burundi für eine NRO zu arbeiten. Er hatte etwa 40 Stunden auf einem Flughafen in Nairobi gewartet, weil es Komplikationen mit seinem PCR-Test gegeben hatte. Faisal, der zweite Sohn und ein renommierter Anwalt in Lahore, geschieden und wiederverheiratet, hat insgesamt vier Kinder. Die beiden älteren waren noch auf dem Weg aus Kanada, aus Montreal und Toronto. Seine neue Frau ist eine Schauspielerin und TV-Persönlichkeit. Das ist alles sehr beeindruckend, denn sie betreibt obendrein eine sehr erfolgreiche Kosmetiklinie. Die dritte Tochter, Munazzah, die ihrer Mutter am ähnlichsten sieht, lebt zwischen Lahore und Karatschi. Nachdem sie viele Jahre in den Vereinigten Staaten verbracht hatte und für US-Banken tätig war, arbeitet sie jetzt für eine pakistanische Bank. Ihre beiden reizenden Töchter waren ebenfalls mit mir auf dem Flug von Doha. Ijlal, der jüngste Sohn meiner Schwester, war noch auf dem Weg von Singapur, wo er Professor ist. Titu – oder T2 – ist der Adoptivsohn der Familie, der Sohn einer von Afzels Schwester, die bei einem Unfall starb, als er noch ein Kind war. Er hat eine beeindruckende Karriere Lahores Medienbranche aufgebaut. Er leitet seinen eigenen sehr beliebten und einflussreichen TV-Sender sowie Zeitungen usw. Er ist mit einer reizenden und schönen jungen Frau, Varda, verheiratet und hat vier Kinder. Varda hat Medizin studiert und ist Radiologin. Das Haus meiner Schwester mit seinen sechs Schlafzimmern war zum Bersten voll. Die Familienmitglieder, für die kein Platz mehr war, wurden bei Verwandten und Freunden untergebracht.
An diesem ersten Tag meines Besuchs war das Wetter eher kühl, aber strahlend sonnig. Shaji nahm mich mit auf einen Spaziergang durch den großen und schön angelegten Garten. Er hat eine große Rasenfläche mit einem Mangobaum in der Mitte. Entlang der Begrenzungsmauern gibt es jede Menge Sträucher und Blumen. In einer der Ecken befindet sich es ein großes Beet, das der spektakulären Amaryllis gewidmet ist, aber es war nicht ihre Zeit zu blühen. Es gab einige kleine Zitronenbäume, eher Sträucher als Bäume, mit winzigen, sehr dekorativen Zitronen. Ich habe ein paar davon mit nach Madrid genommen, um zu sehen, ob sie auch in Mezalde gedeihen, was eine angenehme Überraschung wäre. Nach 20.00 Uhr gingen wir zum Haus von Haiders Eltern, wo die ganze Familie und alle Freunde versammelt waren – Alt und Jung. Alle trugen westliche Kleidung, alle jungen Leute in Jeans. Die Älteren waren elegant gekleidet und die Frauen mit Schmuck behangen. Von Natasha (die trotz ihres russischen Namens rein pakistanisch ist) wurde nicht erwartet, dass sie an diesem Abend in Erscheinung tritt. Später erfuhr ich, dass unsere Gastgeber nicht mit einem so großen Andrang an diesem Abend gerechnet hatten. Als sie sahen, dass wir in Massen kamen, bestellten sie bei einem Caterer zusätzlich Essen. Innerhalb einer Stunde war dieser dann vor Ort und zauberte ein herrliches Buffet auf den Tisch. Es erschien mir sprichwörtlich wie Zauberei, denn alles, was man im Westen so hätte so kurzfristig bekommen können, wären ein paar Pizzen gewesen.
Welch´ Freude und was für ein Lachen! Die Frauen tanzten zu den Klängen des Plattenspielers. Moderne Musik. Plötzlich wurde der Donauwalzer aufgelegt, bei dem auch ich aufstand und mich ein paar Mal im Kreise drehte, natürlich mit Linksdrehung, wie es sich für eine ehemalige Wiener Debütantin gehört. Die drei Urenkel meiner Schwester, die aus Dallas angereist waren, hüpften aufgeregt von hier nach dort und überall herum. Das jüngste, ein kleines Mädchen, war gerade einmal 2 Jahre alt. Kinder nehmen, wie ich sehen sollte, an allen Festlichkeiten teil. Unser Gastgeber, Qasim, hatte auf der Terrasse zwei große Feuer angezündet, was uns sehr willkommen war, denn die Nacht war kalt und feucht.
Montag, 20. Dezember 2021
Es war wieder ein sonniger Tag und wir saßen draußen in dem schönen Garten, der von einem eigenen Gärtner gepflegt wird. Hier, im Punjab (persisch: fünf Flüsse), im Tal des Ravi, eines Nebenflusses des Indus, wächst alles in Hülle und Fülle. Der Boden gilt als einer der fruchtbarsten der Welt.
Nachdem wir es alle sehr genossen hatten in der Sonne zu sitzen, wurde das Mittagessen im Haus serviert. Wir waren etwa vierzehn Personen, die um den Tisch im Esszimmer saßen. Die jüngeren Leute aßen alle in einem der beiden Wohnzimmer, viele von ihnen auf dem Boden sitzend, wie es in Pakistan üblich ist. An diesem Abend gab es wieder eine große Party. Sie fand wieder im Haus von Haiders Eltern statt und wurde von seinen Onkeln Shaji und Faisal großzügig ausgerichtet. Von heute an trugen die Frauen jeden Tag andere, prächtige Kleider. Der Innenhof des Hauses war mit Blumen und Lichtern wunderschön geschmückt. Eine Band spielte auf Hochtouren, und sofort tanzten alle fröhlich. Jung, alt und auch die Kinder. Das kleine Mädchen von zwei Jahren trug wunderschöne Kleider – eine Miniaturausgabe dessen, was ältere Mädchen und Frauen tragen würden, nur ohne das Tuch. Und zu jeder Party gehört ein prächtiges Buffet (die Superlative häufen sich in dieser Geschichte, aber es ist einfach die schlichte Tatsache).
Dem Essen wird nicht viel Zeit gewidmet, etwas, das mir schon bei meinem ersten Besuch in Pakistan aufgefallen war. Einige Leute essen im Sitzen, aber die meisten bleiben stehen, was erklärt, warum die Mahlzeiten immer so zubereitet werden, dass kein Besteck benötigt wird. Die größte Attraktion des Festes ist immer das Tanzen.
Dienstag, 21. Dezember 2021
Am Morgen brachte Farvah Ijlal und mich in das Dorf, in dem die Familie Naqvi einen Bauernhof besitzt. Dort werden Reis und Weizen angebaut. Afzel hatte mit der Anpflanzung von Teakbäumen experimentiert. Auf dem Hof wurde von der Familie ein kleiner privater Friedhof angelegt, auf dem Afzel begraben ist. Der kleine Friedhof ist relativ neu, denn die Familie Naqvi hatte 1947, im Zuge der Teilung des Landes, ihren gesamten Besitz in Patiala, einem Teil des heutigen Punjab in Indien, verloren. Als Entschädigung wurde ihnen ein Stück Land im pakistanischen Teil des Punjabs zugesprochen, wo sich dieses Dorf befindet. Der Friedhof besteht aus etwa fünf oder sechs schlichten Gräbern aus Zement. Das Grab von Afzel war nur noch ein Erdhügel. Es war sein Wunsch, unter dem Baum am Fuße des Grabes seines Vaters begraben zu werden. Die Enkelkinder, die mich im Flugzeug begleitet hatten, waren alle bereits am Vortag auf dem Friedhof gewesen. Nur Ijlal, der jüngste Sohn meiner Schwester, der gestern Abend aus Singapur eingetroffen war, hatte ihn noch nicht besucht. Wegen der strengen Covid-Beschränkungen im August hatte er nicht an der Beerdigung seines Vaters teilnehmen können. Afzel hatte in dem Dorf eine Mädchenschule gegründet und großzügig zum Unterhalt von zwei weiteren lokalen Schulen beigetragen. Ein Projekt, das nun von seinen Kindern weitergeführt wird. Bevor ich das Dorf wollte ich noch die Mädchenschule besichtigen. Farvah begleitete mich freundlicherweise. Es war ein günstiger Zeitpunkt für den Besuch, denn alle Mädchen hatten gerade unterrichtsfrei und waren draußen, um sich zu erholen. Die Schule wird von etwa 475 Mädchen besucht. Ich dachte, das sei eine beeindruckende Zahl für ein einfaches Dorf, doch ein pakistanisches Dorf ist nicht mit Dörfern in Europa zu vergleichen, die nur aus einem Kern von ein paar Häusern bestehen. Und wenn wir an Spanien denken, so gibt es heute in vielen kleinen Dörfern oft nur noch wenige Einwohner. Hier hingegen wirkte das Dorf eher wie eine sich ausbreitende Stadt, in der Tausende von Menschen leben. Das Schulgebäude hat einen quadratischen Grundriss. Es hat nur ein Stockwerk und die Klassenzimmer liegen zum zentralen Hof hin. Im Freien gibt es einen großen Spielplatz für die Kinder. Als wir ihn besichtigten, wurden wir sofort von einer Gruppe kleiner Mädchen angesprochen, die uns Besucher neugierig beäugten. Ihre liebenswerten kleinen Gesichter hatten riesige schwarze Augen und waren von einem breiten Lächeln umspielt. Wir machten einen kurzen Rundgang durch die Klassenzimmer, wobei mir auffiel, dass fast alle einen moralisierenden oder mahnenden Spruch auf ein Stück Papier geschrieben und über die Tür oder an eine unübersehbare Stelle geklebt hatten. Viele waren auf Englisch, wie zum Beispiel “Silence is Golden”. Ich war von der Arbeit, die in dieser Dorfschule geleistet wird, sehr beeindruckt und noch mehr, als ich an die traurige Situation der Frauen im benachbarten Afghanistan dachte.
Nach diesem Besuch verließen wir das Dorf. Es ist eine willkürliche Ansammlung von kleinen Gebäuden aus Lehm und Ziegeln. Die Straße war sehr holprig. Büffel saßen wiederkäuend am Straßenrand auf kleinen Parzellen. Winzige Esel zogen Karren mit riesigen Lasten. Und, wie man es in Lahore oft sieht, fuhren ganze Familien, drei oder mehr, auf kleinen Motorrädern. Und noch etwas ist erwähnenswert: Nicht weit vom Spielplatz der Mädchenschule steht ein riesiges weißes Haus, das alle anderen Gebäude überragt. Es gehört einem Einheimischen, der in seine Heimat zurückgekehrt ist und dafür einen großen Teil seiner Ersparnisse, die er in Saudi Arabien oder einem anderen ölreichen Land am Golf machte, aufgebraucht hat. Es ist der Traum vieler Pakistani bescheidener Herkunft, ein pompöses Haus zu bauen, sei es in der Stadt oder in dem abgelegenen Dorf, aus dem sie stammen.
An diesem Abend fand wieder im Haus von Haiders Eltern die Zeremonie des „Milad“ statt. Sie wird nur von Frauen besucht. Eine Sängerin saß, an der Seite ihrer Mutter, auf dem Sofa im Wohnzimmer und sang Lieder zu Ehren des Propheten. Die Frauen und Mädchen umringten sie auf dem Boden sitzend, für die älteren Frauen gab es Stühle. Als wir ankamen war die Veranstaltung bereits in vollem Gange und dauerte noch etwa eine Dreiviertelstunde lang. Die Sängerin hatte eine tiefe kräftige Stimme. Ein Teil des Gesangs schien mir Ähnlichkeit mit dem Cante jondo zu haben (ein für Andalusien typischer Gesang, in dem tiefe Gefühle zum Ausdruck gebracht werden). Nach diesem feierlichen und rituellen Teil des Abends wurde die Party mit einem Buffet fortgesetzt, zu dem ständig Verwandte und Freunde kamen, um Hallo zu sagen. Natasha hatte an diesem Abend einen kurzen Auftritt. Sie war ganz in Gleb gekleidet, die Farbe, die die Braut traditionell bei den Feierlichkeiten vor der Eheschließung trägt.
Mittwoch, 22. Dezember 2021
An diesem Tag haben wir alle die Altstadt von Lahore besucht. Alles war sehr gut organisiert. Wir wurden in einem Bus mit Reiseleiter gefahren. Er gab uns Kopfhörer, und wir bewegten uns als große Familiengruppe. Zuerst besuchten wir das Shahi Hammam – die königlichen Bäder. Das Hauptbad war mit Blumen und Vögeln geschmückt. In die Kuppel waren sogar Engel gemalt, so dass die Badenden beim Blick nach oben das Gefühl hatten, im Paradies zu sein. Zurzeit, als die Kaiser hierherkamen um zu baden, waren die Bäder auf dem Höhepunkt ihrer Pracht. Nach und nach verfielen sie und wurden nicht mehr genutzt. Zu einem anderen Zeitpunkt dienten sie als Schule. Schließlich und glücklicherweise kam ein norwegisches Unternehmen zu ihrer Rettung und restaurierte dieses außergewöhnliche Gebäude auf großartige Weise. Anschließend machten wir einen Spaziergang durch die Straßen, von denen einige so eng waren, dass man sie nur im Gänsemarsch passieren konnte. Wir hielten an einem der Stände, die auf dem Markt Reis verkauften. Es gab große Zylinder, die viele verschiedene Arten von Basmati-Reis enthielten. Der beste Basmati-Reis der Welt kommt aus dem Punjab. An derselben Stelle, wo die Straße etwas breiter wird, hatte ein Mann einen großen, luftigen Vogelkäfig in Form eines umgedrehten Kegels angebracht. Er war nicht aus Draht, sondern aus Maschendraht gefertigt. Darin befanden sich etwa 20 Spatzen. Ich dachte, gebraten wären sie ein kleiner Snack. Aber nein, ein Irrtum: Die Leute kaufen die Vögel, um ihnen die Freiheit zu schenken. Was für eine schöne Idee und liebevolle Geste! Ich bin mir nicht sicher, ob es Glück bringen soll oder es sich nur um einen symbolischen Akt handelt.
Als wir unseren Weg fortsetzten, kamen wir an eine Straße mit bunten Rikschas, die den Isocarros ähneln, die man früher in Spanien nur für den Transport von Gütern benutzte und die seit kurzem wieder für den Transport von Touristen benutzt werden. Vor allem in Madrid ist es eine bequeme Art, den Buen-Retiro-Park zu erkunden. Wir hielten an und stiegen aus den Rikschas aus, um die wunderschöne Wazir-Khan-Moschee, die nicht prunkvoller sein könnte, zu bewundern. Sie ist mit Mosaiken bedeckt, die auf Ziegeln verlegt sind. Im Hauptinnenhof gibt es ein Becken für die Waschungen. Wir fuhren mit Rikschas zurück und sahen einige der zwölf Stadttore der Altstadt. Dann erreichten wir das berühmte Fort – Shahi Qila -, das gegenüber der Badshahi-Moschee liegt, die lange Zeit die größte Moschee der Welt war. Die Moschee und ihr Innenhof bestehen aus rotem Sandstein, der von weit her herbeigeschafft werden musste, da Lahore in einer Schwemmlandebene liegt. Die Moschee ist mit weißem Marmor verziert. Sie stammt aus dem 17. Jahrhundert. Das aus dem 16. Jahrhundert stammende Fort wurde größtenteils im 17. Jahrhundert umgebaut, als das Mogulreich am mächtigsten war. Die Konstruktion des Tors ermöglichte es dem Kaiser, es auf einem Elefanten sitzend zu passieren. Der Bus wartete dann neben einem historischen Gebäude, das heute ein Restaurant ist und dessen dreistöckige Fassade aus leuchtend blau gestrichenem Holzfachwerk besteht. Ganz in der Nähe befand sich ein Stand zum Braten von Hühnern. Er fiel mir ins Auge, weil die Hühner nicht waagerecht, sondern senkrecht auf den Spieß gesteckt waren. Wenn ich jetzt die Übersetzung meines Berichts ins Englische lese, für die ich Minah zu Dank verpflichtet bin, wundere ich mich erneut über diesen Unterschied, so trivial er auch ist. Die Beschreibung der faszinierenden Altstadt und der wichtigsten historischen Denkmäler von Lahore ist deshalb sehr reduziert, weil ich bereits vor 40 Jahren einen ausführlichen Bericht über die Details geschrieben hatte. Dank Shaji konnte ich damals auch die legendären Shalamar-Gärten besuchen. Auf der Rückfahrt zum Haus meiner Schwester gerieten wir in einen gewaltigen Stau. Myriaden von Motorradfahrern schlängelten sich gekonnt zwischen den Autos hindurch, meist mit mehr als einem Beifahrer; Schutzhelme waren selten. Es war gut, nach einem Tag voller faszinierender Sehenswürdigkeiten und Eindrücke wieder zu Hause zu sein. Dieser Abend stellte eine Ausnahme dar, denn es war keine Veranstaltung oder Feier geplant: So haben wir uns alle gut ausgeruht.
Donnerstag, 23. Dezember 2021
Wie bereits erwähnt, halten die Familien von Braut und Bräutigam vor der Hochzeit ihre Feiern traditionell getrennt ab – speziell für ihre eigene Familie, ihre Verwandten und Freunde. Aber die Zeiten haben sich geändert, und so luden Natashas Eltern auch Haiders Familie zu der Feier ein, die sie an diesem Abend in ihrem Haus gaben. Farvah ging in Vertretung der Familie Naqvi hin und da ich gerne an allen Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Hochzeit teilnehmen wollte, begleitete ich sie. Das Haus von Natashas Eltern – Danish und Ayesha Monnoo – ist im großen Stil sehr modern und hat einen sehr großen zentralen Innenhof. Es wurde hauptsächlich von Ayesha entworfen. Neben dem Haus befindet sich ein weitläufiger Garten mit schönen Palmen, der von einer breiten, gepflasterten Straße flankiert wird, die so angelegt ist, dass sie die Einfahrt und das Parken vieler Autos erleichtert. Wir wurden herzlich willkommen geheißen. Ayesha ist ausnehmend charmant. Natashas Kleidung war an diesem Abend sehr elegant, sie trug eine schwarze Matrosenhose und ein gelbes Oberteil. Meine Nichte Farvah, die seit langem in den USA lebt, kannte weder Familienmitglieder noch Gäste, doch in der fröhlichen Atmosphäre mischten wir uns bald unter die anderen Gäste. Wieder gab es ein exquisites Buffet, was nun schon tägliche Gewohnheit war. Ich muss an dieser Stelle hinzufügen, dass Essensreste dieser üppigen Buffets immer an Bedienstete und Arme verteilt werden. Wir waren nur für kurze Zeit auf der Party, es war ja nur ein Höflichkeitsbesuch als Antwort auf die freundliche Einladung. Ich möchte den Bericht über den heutigen Tag nicht so kurzhalten und denke, es ist angebracht, ein paar Worte über die Familie Monnoo hinzuzufügen. Ich hatte das unerwartete Vergnügen, Natasha Mitte November kennenzulernen, als sie mit ihren Eltern auf einer Reise nach Zürich, Madrid und London war. Später erfuhr ich, dass sie ihre Eltern auf einer Geschäftsreise begleitet hatte. Monnoo ist und war ein sehr bekannter Familienname in Pakistan, vor allem in der Textilbranche. In Pakistan ist Monnoo das, wofür in Frankreich im 20. Jahrhundert Boussac stand: Textilien und prächtige Rennpferde. Ich weiß nicht, ob das auch bei Danish Monnoo der Fall ist. Nachdem Ali Bhutto in den 1970er Jahren in Pakistan an die Macht gekommen war, begann er mit der drastischen Verstaatlichung von Unternehmen, wovon auch die Familie Monnoo stark betroffen war. Wie Natasha mir einmal bei einem Besuch erzählte, hatte man der Familie 24 Stunden Zeit gelassen, um mit nichts weiter als dem Hemd am Leib zu verschwinden. Zuerst verbrachten sie einige Jahre in Irland, dann in England, und als die Herrschaft von Ali Bhutto endete, kehrten sie nach Pakistan zurück. Danish Monnoo ist, ganz im Sinne der Familientradition, ein großer Geschäftsmann. Soweit mir bekannt ist, hat er seine Geschäftsfelder auch auf die Landwirtschaft ausgedehnt – insbesondere auf Mangos, eine Frucht, die im Westen immer beliebter wird.
Freitag, 24. Dezember 2021
Ein weiterer Großneffe reiste an diesem Tag aus New York an. Ich glaubte mich zu erinnern, dass es Taimur war – der bärtige Bräutigam der zweiten Hochzeit und ältester Sohn von Farvah und Imran. In Wirklichkeit war es jedoch ihr jüngster, Tipu. Dank an Minah für die Richtigstellung. Bei der enormen Anzahl an Großnichten und -neffen passieren solche Verwirrnisse schon mal. Bereits tagelang herrschte reges Treiben im Garten meiner Schwester. Auf dem Rasen wurde ein riesiges Zelt aufgebaut, das sogar den Mangobaum bedeckte. Es war für die Feier am ersten Weihnachtsfeiertag gedacht, an dem die beiden Schwestern Farvah und Munazzah ein großes Fest für ihren Neffen geben wollten. Ich habe einen Großteil des Tages damit verbracht Weihnachtswünsche via E-Mails und WhatsApp auszutauschen. Die ganze Familie, einschließlich Natasha und Anum, Taimurs Verlobte, versammelte sich an diesem Abend im Haus meiner Schwester, um zu feiern. Im Wohnzimmer wurde ein großer künstlicher Weihnachtsbaum aufgestellt, den jemand einmal aus den USA mitgebracht hatte. Der Baum war mit Lichtern und Lametta dicht behangen, die keinen noch so kleinen Raum für eine zusätzliche Verzierung ließen. Die sieben anwesenden Kinder befanden sich in einem beispiellosen Zustand der Aufregung und Vorfreude. Und das aus gutem Grund, denn der Raum hatte sich in ein Meer von Geschenken verwandelt. Geschenke, Geschenke, Geschenke! Für jeden ein Berg an Geschenken. Jeder wurde mit Geschenken überhäuft, auch ich, die „Khala“ (Tante in Urdu). Meistens packte ich wunderschöne Schals aus, eines der wichtigsten Kleidungsstücke der pakistanischen Frauen. Die Großzügigkeit des pakistanischen Volkes ist grundsätzlich beeindruckend, wie ich in den folgenden Tagen noch schätzen lernen sollte. Dieser besondere Weihnachtsabend, den ich weitab der Heimat in einer einzigartigen islamischen Umgebung feierte, machte mir nachdrücklich bewusst, dass Gott allgegenwärtig ist und sich in dem Wunder einer so geeinten und beispielhaften Familie manifestiert. Die große Liebe und Zuneigung, die unter den zahlreichen Mitgliedern und Nachkommen der Familie Naqvi herrschte, brachte mir die Worte des himmlischen Chors in Bethlehem in Erinnerung: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind. Und ich stand da, erfüllt von dem Wunder des Augenblicks und mit dem Jesuskind im Herzen.
Samstag, 25. Dezember 2021 – Weihnachtstag
An diesem Tag erreichten die fieberhaften Vorbereitungen für die Party im Garten ihren Höhepunkt. Das Zelt war für das Tanzen mit einem leicht erhöhten Boden ausgestattet worden. Der verbleibende Raum, der nicht von der Tanzfläche eingenommen wurde, war vom Rasen abgetrennt und mit Teppich ausgelegt. Zahlreiche Stühle und sogar einige Sofas und Sessel wurden dort aufgestellt. Die Band erhielt einen erstklassigen Platz zugewiesen. Das Buffet sollte draußen neben dem Zelt aufgebaut werden. Um den Zugang zu erleichtern, wurde die gesamte, dem Buffet zugewandte Seite des Zelts unbedeckt gelassen. Die Vorbereitungen liefen den ganzen Tag über ununterbrochen. Das Zelt sah prächtig aus und war mit roten Rosen und Ringelblumen üppig geschmückt. Rot und Gold – weit weg von zuhause feierte ich in den Farben der spanischen Flagge! Gegen 19 Uhr trafen die ersten Gäste ein. Es war Samstag, und an diesem speziellen Samstag im Dezember fanden unzählige Hochzeiten oder Vorfeiern für Hochzeiten statt. Hochzeiten werden fast ausschließlich im Winter gefeiert, von Mitte Dezember bis etwa Anfang März. Denn danach wird die Hitze unerträglich. Bei den vielen Partys, die an diesem Abend stattfanden, kamen einige der geladenen Gäste nur kurz vorbei um die Gastgeber zu begrüßen und um dann gleich wieder weitere Veranstaltungen im selben Modus zu besuchen. Der Garten wirkte an diesem Abend, auch dank der besonderen Beleuchtungseffekte, irgendwie magisch. Bald war die Party in vollem Gange. Zu Beginn setzten sich die jungen Mädchen in die Mitte der Tanzfläche und sangen zur Begleitung einer Trommel Lieder. Die älteren Leute blieben stehen oder nahmen auf den Stühlen, Sesseln und Sofas Platz. Alle waren in lebhafte Gespräche vertieft. Was das köstliche Buffet anbelangt, so faszinierte mich vor allem der Tandoori, in dem in rasender Geschwindigkeit Fladenbrote, genannt „Naan“ zubereitet wurden. Dieser Ofen hat die Form eines überdimensionalen Kruges und ist mit einer Metallschale bedeckt. Er wird mit Glut am Boden beheizt – oder, was heutzutage wahrscheinlicher ist, mit Gas oder Strom. Die Hitze ist extrem und im Handumdrehen sind die Brote fertig. Die Zubereitung von Naan ist eine Kunst. Diejenigen, die sie beherrschen, können Naan nur mit bloßen Händen einlegen und herausnehmen! In der Regel wird dazu die Hilfe eines Stocks benötigt. Die Köche und das Personal freuten sich über mein Interesse und ich habe davon ein paar Fotos geschossen, die jedoch die außergewöhnliche Kunstfertigkeit nicht wiedergeben können. Natürlich hätte ich besser ein Video machen sollen, aber das ist purer „esprit d’escalier„.
Wie kann ich die Kleidung beschreiben? Jeden Abend übertrafen sich die Frauen aufs Neue und erschienen in verschiedenartigen prächtigen Outfits. Ich weiß nicht, ob es sich um die neueste Mode handelte, aber mir fielen die Hosen auf, die unten so weit waren, dass sie wie Röcke aussahen. Ich fragte Mubashrah danach, und sie sagte mir, dass ihr Kleidungsstück des Abends aus zehn Meter chinesischem Satin angefertigt worden war!
Sonntag, 26. Dezember 2021
Ich ging gegen 1 Uhr nachts ins Bett und schlief bis etwa 11 Uhr morgens – das, was Jose Manuel als „grasse matinée“ bezeichnete. Ich tat praktisch nichts, als mich auf die Hochzeit – die Nikkah – am Abend im Haus der Braut vorzubereiten. An diesem Abend trugen die Männer der Familie die für das Land typische Kleidung: weiße, locker sitzende Hosen, die von einer Tunika, genannt Kurta, bedeckt waren. Dieses Kleidungsstück wurde speziell für jeden einzelnen in verschiedenen Farben angefertigt. Darüber wurde entweder eine Weste oder Jacke getragen. In der Familie meiner Schwester ist der typisch österreichische Stil sehr beliebt.
Bevor ich Spanien verlassen hatte, hatte ich mit meinen Freunden viel über die bevorstehenden Hochzeiten gesprochen und darüber, ob ich überhaupt in der Lage sein würde wegen der Pandemie dorthin reisen zu können. Um ehrlich zu sein hatte ich wegen der neuen Omikron-Variante bis zum letzten Moment daran gezweifelt. Selbst am Vorabend der Abreise fragte ich im Reisebüro, ob der Flug nicht doch gecancelt worden sei. Hatte ich meinen Freunden geschildert, dass ich ein Erlebnis wie aus Tausendundeiner Nacht vor mir hätte, so hatten die bisherigen Vor-Feierlichkeiten bereits alle meine Erwartungen mehr als erfüllt. Doch die eigentliche Hochzeit übertraf alles. Nur mit einem Einritt des Bräutigams auf einem Elefanten ins Haus der Braut (wie es früher manchmal geschah), wäre alles noch zu toppen gewesen. Jetzt wurde der Elefant durch einen prächtigen weißen Rolls Royce ersetzt. Das Haus und der große Garten von Natashas Eltern waren in ein Meer aus Blumen und Lichtern verwandelt worden. Am Eingang zum Haus standen auf beiden Seiten hohe Palmen, an deren schlanken Stämmen sich Lichterketten emporrankten. Im Inneren des Hauses schufen die Blumen und die Beleuchtung eine märchenhafte Atmosphäre. Der Blickfang war die kunstvolle Rotunde, ein Pavillon aus weißen Blumen, der die Braut noch vor den Blicken der Gäste verbarg. Sie saß im Inneren (wie ich später sehen konnte, auf einer mit weißer Seide bezogenen Bank). Wir, Haiders Familie, wurden zu dem uns zugewiesenen Platz begleitet, um der Beurkundung des Ehevertrags beizuwohnen. Ich betone, dass es sich dabei um einen rein zivilrechtlichen Vertrag handelt, der von den Eltern des Paares separat geschlossen wird. Zu Beginn also die Braut auf der einen Seite des Hauses, in Nataschas Fall unter einem spektakulären Blumenpavillon, und Haider in einem anderen Teil des großen Hauses, umgeben von Eltern und engen Verwandten. Haider, sehr groß und von vornehmer Erscheinung, erstrahlte an diesem Abend in traditioneller Hochzeitskleidung. Sie bestand aus einer schlichten cremefarbenen Jacke, lang und schmal, und der typischen schmalen weißen Hose. Die Schuhe, die eher wie exquisite, goldbestickte Pantoffeln aussahen, waren an den Zehen nach oben gebogen, so, wie man sie aus Ali Baba kennt. Das Exotischste von allem war der Turban, ebenfalls cremefarben, gekrönt von einem Stück gestärktem Stoff in selber Farbe, das wie ein Fächer gefaltet war. Im Nacken, dort, wo der Turban endete, war ein hauchdünnes gerafftes Stoffstück befestigt, das zum Teil über den Rücken hing. Der Bräutigam, der ohnehin schon groß und stattlich ist, sah in diesem Outfit wie ein Märchenprinz aus. Es wimmelte nur so von Fotografen. Alles ging sehr gemächlich vonstatten. Häppchen wurden gereicht. Obwohl es sich um eine standesamtliche Trauung handelte, mussten wir auf den Mullah warten, der uns seinen Segen gab. Schließlich kam dieser, ein alter, kleiner, pummeliger Mann, der mit einem Stock ging. Um die Papiere zu unterschreiben setzte er sich auf dasselbe Sofa wie der Bräutigam und der Vater der Braut. Danach erhob er sich und ging zu der Blumenrotunde, die die Braut umgab. Er kehrte zurück und setzte sich wieder auf das Sofa, wo er zur Lobpreisung Allahs mit leiser Stimme Verse aus dem Koran zu singen begann. Nachdem dies geschehen war, verließ der Mullah den Raum und der große Moment der Begegnung der Frischvermählten war gekommen. Der Tradition nach sollte dies der erste Moment der Begegnung sein. Wir alle begleiteten Haider zum Pavillon, wo der Blumenvorhang zur Seite gezogen worden war und Natascha, anmutend wie eine Schönheit aus einer persischen Miniatur, umgeben von ihrer Familie, wartete. Ihre Mutter war in Tränen aufgelöst. Haider setzte sich an die rechte Seite seiner Frau. Noch immer war das Gesicht der Braut mit einem Schleier verhüllt. Ein langer Spiegel wurde in den Schoß des Brautpaares gelegt. Mit gesenktem Kopf und unter Abnehmen des Schleiers sahen sie sich zum ersten Mal in dem Spiegel. Viele Fotos wurden geschossen. Abgesehen davon, dass ich Natasha in ihrem Hochzeitskleid mit einer persischen Miniatur vergleiche, überlasse ich es den Fotografen die Schönheit und Eleganz der Braut zu dokumentieren. Alle drängten dem Brautpaar zu gratulieren und, umringt von Natashas Eltern und Verwandten, sich auf einem gemeinsamen Foto zu verewigen. Eine immense endlose Fotosession im Rausch von Freude und Glück. Hie und da liefen die Kinder von Haiders älterer Schwester, die in Dallas lebt, umher. Die beiden Jungen, 4 und 5 Jahre alt, waren wie Miniatur-Bräutigame gekleidet, ebenfalls mit Turbanen. Es war ein entzückender Anblick. Mein Handy hatte ich an diesem Abend nicht mit, weil ich auf die Profiaufnahmen des Berufsfotografen vertraute.
Das Abendessen fand in dem geräumigen Innenhof des Hauses statt. In der Mitte der vielen langen Tische aufgereiht, befanden sich wunderschöne Blumenarrangements, die an den schmalen Enden bis auf den Boden reichten. Es war eine atemberaubende und prächtige Dekoration, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Was das Essen betrifft, so konnte man zwischen pakistanischen Gerichten, Sushi und Pekingente wählen. Es gab viele Tische, aber die meisten jungen Leute zogen es vor, beim Essen zu stehen. Man setzte sich einfach hin, wann und wo man wollte. Keine Sitzordnung, kein Protokoll.
Im Haus stand ein exotischer Baum mit großen runden Blättern. Auch er war spektakulär dekoriert worden. An den Enden seiner Äste waren verschiedene Blumensträuße befestigt, die so aussahen, als würden sie tatsächlich aus den Ästen blühen. Der Baum stand ein wenig hinter der Blumenrotunde der Braut.
Bei einer östlichen Hochzeit ist dieser Abschied des Brautpaares ein Moment extremer Emotionen, was bei westlichen Hochzeiten in der Regel nicht der Fall ist. Im Westen konzentriert sich in der Regel alles auf einen Tag: Auf die religiöse/zivile Zeremonie folgt ein Bankett und dann wird bis in die frühen Morgenstunden getanzt. Obwohl die Ehe von Haider und Natasha meines Wissens nach nicht arrangiert war, sondern aus Liebe geschlossen wurde, ist die Braut beim Verlassen ihres Elternhauses immer noch von starken Emotionen durchdrungen. Früher wäre sie in ein völlig neues Leben gegangen, in dem ihr alles und jeder unbekannt war… Nun war er also da, der Höhepunkt, die Abreise des Brautpaares aus dem Haus der Brauteltern. Anders als bei westlichen Hochzeiten bedeutete dies jedoch nicht, dass sie das Haus verließen und auf der Stelle sich selbst überlassen waren. Der große Tag war für diese Frischvermählten noch nicht vorbei. Haider und Natasha stiegen in den großen weißen Rolls und machten sich auf den Weg zu Haiders Elternhaus. Und wir, Haiders engere Familie, waren ganz dicht dran.
Obwohl das Auto des Brautpaares zuerst abfuhr, fuhr der Fahrer langsam, damit die Familie vor dem Paar ankommen, um es im Haus in Empfang nehmen zu können. Und so ging die Feier mit Haiders engsten Familienmitgliedern weiter. Die Frischvermählten trafen genau zum richtigen Zeitpunkt ein. Alle Familienmitglieder waren da und bereit, sie zu begrüßen. Es wurden Tabletts mit köstlichen Süßspeisen aufgestellt. Die Party ging weiter.
Nun fand ein weiteres Ritual statt: Haider und Natascha saßen auf dem Sofa, umringt von den jüngeren Familienmitgliedern und den älteren, die auf Stühlen saßen. Eine kleine Schale mit einer dicken, weißen Mischung, die wie Milchreis oder etwas Ähnliches aussah, wurde gebracht und vor das Brautpaar gestellt. Eine kleine Menge wurde in Natashas Handfläche gegeben. Haider neigte den Kopf und leckte es von ihrer Hand ab. Das Gleiche wird dann später üblicherweise umgekehrt gemacht. Sie folgte diesem Beispiel jedoch nicht. Schließlich verließen die Frischvermählten das Haus, um die Nacht in einem Hotel zu verbringen. Ihre Abreise verlief nicht ohne Überraschung, denn plötzlich ertönten Schüsse. Sie wurden von Haiders Onkel abgefeuert, der in der Nachbarschaft seiner Eltern wohnt. Er hatte beschlossen, dem Paar einen mitreißenden Abschied zu bereiten. Das kam für uns alle völlig unerwartet und sorgte kurzzeitig für Verwirrung und Unruhe. Der Rest der Familie blieb noch ein wenig länger. Schließlich gingen auch wir. Ich war voller unvergesslicher Eindrücke, was mich aber nicht daran hinderte, sofort einzuschlafen.
Montag, 27. Dezember 2021
An diesem Abend fand im Haus von Natashas Eltern ein Ball statt! Ein abruptes Ende der Feierlichkeiten war noch nicht in Sicht. Am Tag nach der Nikah, der eigentlichen Hochzeit, gingen die Feierlichkeiten fröhlich und in vollem Gange weiter. Wie ich es bisher in diesem Bericht getan habe, möchte ich auch hier kurz erwähnen, wie der Tag danach für die Braut begann: Ihre Schwestern kamen ins Haus ihrer Eltern und Schwiegereltern, um ihr das Frühstück zu bringen. In seinem traditionellen Kontext betrachtet, ist dies ein Brauch, den ich als äußerst delikat und rührend empfinde. Abgesehen von der Tradition und angesichts der Tatsache, dass Natasha keine Schwester, sondern nur einen Bruder hat. Ich vermute, dass sie in diesen modernen Zeiten und in einem Hotel auf diesen liebenswerten Brauch verzichtet hätte. Traditionell wird am Abend nach der Nikah, im Haus der Eltern des Bräutigams, die Valima (die Vollendung der Hochzeit) gefeiert. In diesem Fall wurde die Valima drei Tage später abgehalten.
Da tagsüber nichts Besonderes los war, dachte ich, ich könnte mich bei einem Spaziergang durch den nahegelegenen Park ein wenig bewegen. Das Haus, oder besser gesagt, der Garten des Hauses meiner Schwester, grenzt an eine Schnellstraße. Gleich auf der anderen Seite befindet sich ein Gemeindepark. Am Nachmittag überredete ich Ijlal, den jüngsten Sohn meiner Schwester, mich in den Park zu begleiten. Nach einem kurzen Stopp inmitten des vierspurigen Verkehrs machten wir uns auf den Weg zu einem der zahlreichen Eingänge des Parks. Es handelt sich um einen großen, ovalen Park mit einem breiten Gehweg, der sich über eine Länge von etwa 2 km erstreckt. Ich war froh, mir die Zeit in Ijis angenehmer Gesellschaft zu vertreiben. Der Weg war von Bäumen und Büschen gesäumt und auch auf dem Rasen, der den Hauptteil des Parks ausmachte, standen ein paar Bäume. Insgesamt ein schöner Park. Es gab ein paar Jogger, aber meistens schlenderten nur Leute mit ihren Kindern vorbei. An diesem Abend verließen wir das Haus meiner Schwester erst sehr spät, gegen 22.00 Uhr, um zum Ball zu gehen. Alle Kleidungsstücke waren mit prächtigen Stickereien versehen. Es schien, dass sich unsere Frauen für diesen Anlass selbst übertroffen hatten. Mir fiel auf, dass mehrere von ihnen ein kurzes, enges Mieder trugen, das die Taille freiließ. Eine der schönen Großnichten trug etwas, das man als kaum mehr als einen super bestickten und mit Juwelen besetzten BH bezeichnen könnte. Es ist anzumerken, dass die Damen ebenso schnell dabei sind, sich mit dem allgegenwärtigen Kopftuch zu bedecken, wie sich zu enthüllen.
Der Eingang zum Garten und die Einfahrt zum Haus von Nataschas Eltern erstrahlten in der gleichen magischen Beleuchtung wie am Tag zuvor. An der Tür begrüßte uns Haider. Der Saal war mit einem großen Podest, das sich nur leicht über den eigentlichen Boden erhob, zur Tanzfläche umfunktioniert worden. Dieses schwarze Podest war mit einem auffälligen Muster aus weißen Strahlen, die von der Mitte ausgingen, versehen. Die Decke war mit Blumen bedeckt, und von ihr hingen mindestens ein Dutzend Kristalllüster, die mit einem sanften Licht eine traumhafte Atmosphäre schufen. Im angrenzenden Innenhof, der für das Abendessen vorbereitet worden war, war die Beleuchtung ebenfalls sehr viel gedämpfter als am Vortag. Die langen Tische hatten wunderschöne Blumenarrangements, die in der Mitte und an den Enden angebracht waren. Die Stände, an denen das Buffet serviert wurde, waren mit schwarz-weiß oder blau-weiß gestreiften Markisen überdacht, wie es auf Jahrmärkten üblich ist. Offenbar gab es diese Art von Ständen in Frankreich bereits im 18. Jahrhundert. Zufällig hatte ich bei meiner Rückkehr nach Spanien irgendwo darüber gelesen. Diese Stände gaben dem für das Essen reservierten Bereich eine reizvolle, informelle Note. Für den Ball hatten die Gastgeber eigens einen berühmten DJ aus Karachi eingeladen, der in letzter Minute mit dem Flugzeug angereist war. Es wurde die ganze Nacht getanzt, nonstop. Junge Pakistaner, aber auch nicht mehr ganz so junge, tanzten mit einem Elan und einer Begeisterung, die man gesehen haben muss, um sie zu verstehen. Und sie genießen es, wenn die Musik auf Hochtouren läuft. Das war fast jeden Tag der Fall, vor allem, wenn eine Band auftrat. Aber zum Glück war an diesem Abend die Akustik perfekt und nicht übertrieben laut.
Ich kann hier nicht verabsäumen, die Freundlichkeit und die extreme Rücksichtnahme unserer Gastgeber zu erwähnen: Ein sehr hübsches junges Mädchen in einem schwarzen, mit Perlen bestickten Samtkleid kam auf mich zu und fragte mich, ob ich etwas zu trinken wollte: „Wasser? Eine Erfrischung? Etwas von der Bar?“ „Von der Bar?“ Ja, von der Bar, sagte sie. Diese Party hatte eine Bar, etwas, das von einigen der jüngeren Gäste sehr geschätzt wurde. Natascha hatte mir, als sie nach Madrid kam, gesagt, dass es eine Bar geben würde. Und die Bar trug zweifelsohne zur fröhlichen Atmosphäre des Balls bei, der bis drei Uhr morgens dauern sollte. Ich bedankte mich bei dem jungen Mädchen und sagte, ich wolle nichts mehr. Sie kam noch ein paar Mal zurück, um mir zu sagen, dass die Gastgeber, die wohl ihr Onkel oder ihre Tante waren, sie gebeten hatten, sich die ganze Nacht um mich zu kümmern. Die Wahrheit ist, dass ich von dieser rücksichtsvollen Geste der Gastgeber zutiefst gerührt war. Da meine Schwester nicht an dem Ball teilnahm, war es möglich, dass ich mich als Ausländerin, die alleine und viel älter als alle anderen Menschen um sich herum war, isoliert und fehl am Platz fühlen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Ich fühlte mich in die allgemeine Freude und Fröhlichkeit vollkommen integriert. Und es gab noch eine weitere reizvolle Note: In einem bestimmten Moment bat Mubashrah, Haiders Mutter, die Band, die „Blaue Donau“ zu spielen. Und tatsächlich, nach einer Weile erklang der berühmte Wiener Walzer, der die Donau verherrlicht, in Lahore an den Ufern des Flusses Ravi im Punjab! Akkorde, die jedoch bei der pakistanischen Jugend, die nur auf Rockmusik steht, keine Begeisterung auslösten. Und vor allem tanzt jeder für sich, dreht sich, wiegt sich und reißt die Arme hoch und runter und kreuz und quer. Als Paar zu tanzen, ist in islamischen Ländern natürlich nicht üblich. Ich stand auf, wie es, wie ich glaube, von meiner Nichte erwartet wurde, und ging mit dem großen, gut aussehenden Ijlal, der mich an diesem Nachmittag in den Park begleitet hatte, jedoch nicht die geringste Ahnung vom Wiener Walzer hatte, auf die Tanzfläche. „Führe mich, Tante“, sagte er, der im Moment genauso verwirrt war, wie ich. Die Idee, einen Mann im Walzer zu führen, war für mich neu. Ich führte ihn, so gut ich konnte, und wir machten ein paar Drehungen. Alles in allem war es ein großer Spaß, sich für einen kurzen Moment im Kreis zu drehen und alle Vorsicht in den Wind zu schlagen. Die Tanzfläche hatte sich inzwischen bis auf uns zwei komplett geleert. Der ganze Vorfall ist mir in guter Erinnerung geblieben.
Mit der Rückkehr der Rockmusik war die Tanzfläche in kürzester Zeit wieder so voll wie eh und je, wobei die Frischvermählten zu den Begeistertsten gehörten. Nach einer Weile ging ich los, um etwas zu essen. Am Buffet gab es eine köstliche Auswahl an allem, was man sich vorstellen kann. Ich bin nicht sehr scharf auf Fleisch und bediente mich gerne an Reis, Chapatis und Gemüse. Das Spinatpüree, das die Pakistaner mit Paneer (Käse) servieren, ist eine Delikatesse, die nur in den Wintermonaten zubereitet wird, weil es in den heißen Monaten unmöglich ist, Spinat anzubauen. Danach kehrte ich zurück und setzte mich in die Nähe der Tanzfläche. Es gab eine niedrige Trennwand zwischen dem Saal und dem Innenhof. Dort setzte ich mich hin und hatte einen guten Blick auf alles und in aller Ruhe das Haus und seinen Grundriss studieren. So riesig es auch ist, so hat es doch etwas von dem Stil eines japanischen Hauses. Ohne Fliegengitter oder Schiebetüren, wie sie für japanische Häuser typisch sind, aber ich nehme an, dass man sie auf Wunsch einbauen könnte, um den Innenhof vom Flur zu trennen usw. Natürlich gab es auch Säulen, um das Dach zu stützen. Es machte mir Spaß, all diese architektonischen Überlegungen anzustellen und meine Bewunderung für Ayesha, unsere Gastgeberin, die das Haus entworfen hatte, wurde immer größer. Das junge Mädchen, das sich so liebevoll um mich gekümmert hatte, kam zurück, um mich zu fragen, ob ich etwas wolle. Ich blieb sitzen und beobachtete all die Menschen, jung und alt, beim Tanzen. Die jungen Leute tanzten unermüdlich. Ein paar Mal ging ich, um mich ein wenig zu bewegen, auch auf die Tanzfläche und schunkelte ein wenig hin und her – oder zumindest versuchte ich, den kubanischen Stil nachzuahmen, den subtilen, karibischen Stil, der ohne die fuchtelnden Armbewegungen auskommt, die die jungen Leute jetzt mögen. Auch die Armbewegungen des Flamenco-Tanzes sind unendlich viel subtiler und anmutiger. Aber das Wichtigste hier und jetzt war, dass alle einen riesigen Spaß hatten. Als ich zu meinem angenehmen Beobachtungsposten zurückkehrte, sah ich eine ganze Reihe von sehr gutaussehenden jungen Männern hereinkommen. Alles geeignete Junggesellen, nehme ich an. Sie nahmen ihren Platz direkt neben der Tanzfläche ein, um die jungen Schönheiten zu begaffen, die dort tanzten. Es war bereits nach ein Uhr nachts, als sie ankamen. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich glaube, sie kamen absichtlich so spät, um Aufmerksamkeit zu erregen und ihrer Anwesenheit mehr Wert zu verleihen.
Eine andere Sache hat mich an diesem Abend sehr amüsiert. Ich habe bereits erwähnt, dass die Kinder bei allen Festivitäten anwesend waren und sich an allem erfreuten und beteiligten. Als ich mich irgendwann zu einer Bank begab, von der aus ich die ganze Szenerie überblicken konnte, sah ich zu meinem Erstaunen einen Kinderwagen, der in der Nähe der Tanzfläche abgestellt war. Das Baby schlief selig, während die Eltern sich beim Tanzen vergnügten. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits weit nach zwei Uhr nachts! Der Ball ging fröhlich weiter bis drei Uhr morgens. Ich beschloss, dass es für mich ein guter Zeitpunkt war, um mich zu verabschieden. Haiders Eltern hatten anscheinend den gleichen Gedanken gehabt. Nataschas Eltern begleiteten uns zu den Autos, und ich hatte noch einen Moment Zeit, die herrliche Beleuchtung im Garten zu genießen.
Dienstag, 28. Dezember 2021
Heute begannen in der Familie die Feierlichkeiten zur zweiten Hochzeit. Aleena,
eine der Cousinen von Taimur, dem Bräutigam, hatte die Einladung entworfen. Das Design war hübsch, sehr künstlerisch: Auf blauem Hintergrund waren drei Tauben verteilt, die liefen und drei weitere, die flogen. Darunter, in der linken Ecke, war ein kleiner brauner Hahn zu sehen, hinter ihm ein weißer, mit ausgebreiteten Flügeln. Hatte die Darstellung dieser Vögel etwas Symbolisches? Mir fielen einige Möglichkeiten ein, wie das Motiv gedeutet werden könnte. Während sie übersetzte, erzählte mir Minah, dass Afzel einmal beschlossen hatte auf dem Bauernhof Hühner zu halten, was alle Enkelkinder sehr erfreut hatte.
Den größten Teil des Vormittags verbrachten wir mit dem Vorbereiten und Verpacken der Geschenke, die Farah und Imran zu den Eltern von Anum, Taimurs Verlobter, bringen wollten. Die Geschenke wurden alle schön verpackt und in den Kofferraum des Autos geladen. Wir aßen im Haus meiner Schwester zu Mittag. Danach, gegen drei Uhr nachmittags, brachen wir auf, um ein weiteres Essen mit Taimurs zukünftigen Schwiegereltern einzunehmen. Wir kamen in einem Viertel namens Cantt an. Es hat einen Teil, der sehr angenehm ist, mit vielen Bäumen. Diese Wohngegend wird von hochrangigen Offizieren des Militärs bevorzugt. Mustafa, der Vater von Anum, ist ein General der Infanterie. Der Name seiner Frau klang ähnlich wie Nenúfar (was auf Spanisch Seerose bedeutet). Sie ist eine charmante Dame. Ihr Ehemann, wie es sich für einen Militär gehört, war eher zurückhaltend. Farvah erzählte mir später, dass der Name seiner Frau Nilofar ist, ebenfalls ein schöner und poetischer Name. Und dass sie auch ein hoher Offizier sei. Nichts Geringeres als ein Oberst!
Das Haus war modern gestaltet, elegant, nicht übertrieben, mit einer schönen Wendeltreppe. Als Nilofar sah, dass ich mich für die Treppe interessierte, bot sie mir freundlicherweise an, dass eines der jüngeren Familienmitglieder mich auf einer Tour durch das Haus begleiten würde. Im ersten Stock befand sich auf der großen Terrasse ein runder Springbrunnen. Und von der Dachterrasse aus hatte man einen schönen Blick auf die von Bäumen gesäumten Straßen und die eleganten Häuser und Gärten dieser Gegend.
Die vielen Geschenke wurden aus dem Auto geholt und ins Wohnzimmer gebracht. Ich dachte, sie würden ordnungsgemäß – wie es früher üblich war – vor allen Anwesenden geöffnet werden. Aber das geschah nicht.
Nun ist es angebracht, eine kurze Beschreibung von Taimur und Anum zu geben, dem Brautpaar der zweiten Hochzeit. Taimur ist ein gutaussehender, bärtiger junger Mann, der bald 30 Jahre alt wird. Er hat etwas von einem Mystiker an sich. Er ist, wie ich mir vorstellen würde, ein Sufi. Welch ein Kontrast zwischen ihm und Haider, der eher die Ausstrahlung eines Bonvivant hat. Taimur absolvierte sein gesamtes Studium in den Vereinigten Staaten und schloss in Harvard ab. Er arbeitete zunächst für IBM und verbrachte dann die letzten drei Jahre in Lahore. Ich glaube, er leistete dort eine wohltätige Arbeit. Ich weiß nicht, wo er Anum kennengelernt hat, die, wie ich glaube, ebenfalls an einer der großen Universitäten in den USA promoviert hat. Es ist mir unmöglich zu sagen, welche der beiden Bräute – Natasha oder Anum – schöner und charmanter war. Beide haben markante Gesichtszüge und große dunkle Augen. Ich könnte mit einem Spruch der alten Dichter fortfahren: Lippen wie Korallen, Zähne wie Perlen…
Wir blieben noch eine ganze Weile im Wohnzimmer. Ich habe mit Imrans Schwestern gesprochen, er hat vier, alle reizende und interessante Frauen. Noch während wir dort saßen, wurde uns eine klare Suppe serviert, und danach begaben wir uns in den Speisesaal. Wie die Suppe so war auch das Essen thailändisch. Eine leichte willkommene Kost zu dem ausgezeichneten, aber sättigenden pakistanischen Essen, das wir in den letzten Tagen zu uns genommen hatten. Danach gingen wir zum Fotografieren in den Garten. An der Wand direkt neben dem Eingang zum Garten haben Mustafa und Nilofar einen hübschen und sehr originellen Springbrunnen installiert: Er besteht aus blauen und weißen Mosaikfliesen und hat einen genialen Miniatur-Wasserfall. Ich habe ihn geliebt.
Wir kehrten zum Haus meiner Schwester zurück und bereiteten uns auf das große abendliche Ereignis vor: Ein Abendessen mit anschließendem Qawwali-Konzert im Haus von „T2“, der, wie ich bereits erwähnte, der Adoptivsohn der Familie Naqvi ist. Wegen seines Erfolgs mit seinem Nachrichtensender wird er in der Familie bewundernd als Tycoon bezeichnet. Im Haus von Titu war alles im großen Stil. Für die Veranstaltung an diesem Abend war der größte Teil des Gartens mit einem Sonnensegel und der Boden mit Teppichen bedeckt worden. Die Fläche, die von der Markise bedeckt wurde, war riesig. Ein langes, hohes Podest bildete eine Bühne, auf der die Künstler auftreten sollten. Davor befanden sich etwa 10 Lautsprecherboxen. Vor dem eigentlichen Konzert wurde moderne Musik gespielt, die meiner Schwester und mir zu laut war. An diesem Abend waren die jungen Leute in der Überzahl und die Party dauerte bis weit nach Mitternacht. Für meine Schwester und mich war die Musik nur schwer zu ertragen. Doch wie es die Höflichkeit verlangt, blieben wir noch eine ganze Weile und gingen kurz nach dem Abendessen, bevor das eigentliche Qawwali begann. Später fand ich auf Wikipedia heraus, dass es sich dabei um eine, auf dem indischen Subkontinent traditionelle Art religiöser Musik handelt, die während des Mogulreichs aus einer Verschmelzung von arabischen und Hindustani-Rhythmen entstand. Im Grunde ist sie ein Mittel zur Verbreitung des Sufismus (mystischer Zweig des Islam). Eine neue Freundin in Spanien, Witwe eines Pakistaners, die lange Zeit in diesem Land gelebt hatte, erklärte mir, dass die Klänge oft die Kraft besitzen Menschen in einen Trancezustand zu versetzen. Die Musiker sitzen alle im Schneidersitz auf der Bühne.
Mittwoch, 29. Dezember 2021, die Valima
Am nächsten Morgen sollte im Haus meiner Schwester jeder, der Pakistan verlassen wollte, einen PCR-Test machen. Shaji hatte mich freundlicherweise im Auto begleitet, um zum Labor zu fahren. Entlang der Straße befand sich der Park und, wie es schien, eine ganze Reihe von Gärtnereien, die sich aneinanderreihten. Ich hätte gerne einen Rosenstrauch gekauft, einen von denen mit den roten Rosen, die so intensiv und wunderbar duften und die hier in unglaublicher Fülle für Girlanden, frische Blumenvorhänge, zum Verstreuen auf dem Boden und für viele andere Zwecke verwendet werden. Wir kehrten zu dem Haus zurück, in dem Shaji wohnte, und der Fahrer brachte mich zu der Klosterschule, die von den Nonnen des Ordens von Jesus Maria geleitet wird, einem Lehr- und Missionsorden, dem meine Schwägerin Rosario angehört hatte.
Der Besuch hat mich sehr bewegt. Die Mutter Oberin, Pilar de San Juan, ist seit 24 Jahren in Lahore. An diesem Tag war die Schule geschlossen, die Mädchen waren in die Weihnachtsferien gereist. Die Schule befindet sich in einer angenehmen Nachbarschaft aus der Kolonialzeit. Das Gebäude ist riesig, feierlich, aus rotem Backstein und von einer hohen Mauer umgeben. Im Garten, in der Nähe des Gebäudes, steht eine klassische Statue, die die Gründerin des Ordens, die Französin Claudine Thévénet, darstellt. Ich hatte einige Pakete Nougat aus Madrid für die Familie Naqvi mitgebracht, vor allem aber für Shaji, die diesen typisch harten spanischen Nougat, der so reich an Mandeln ist, liebt. Ich hatte sie kurz nach meiner Ankunft übergeben, aber heute hatte ich eine Schachtel Dona Jimena mit einer Auswahl anderer typischer Weihnachtssüßigkeiten „wiedergefunden“. Ich freute mich sehr, dies Mutter Pilar als kleine Überraschung überreichen zu können. Sie war absolut begeistert. Zu Beginn meines Besuchs war auch eine ältere Nonne schottischer Abstammung, die in Indien geboren wurde, in den kleinen Raum gekommen, der für den Empfang von Besuchern genutzt wurde. Und auch zwei junge Nonnen asiatischer Herkunft. Wir unterhielten uns anfangs auf Englisch, aber als die Zeit verging und die anderen Nonnen gingen, wechselten wir, wie es sich gehört, zum Spanischen über. Der Fahrer nahm einen angenehmeren Weg, um zum Haus meiner Schwester zurückzukehren. Trotzdem machte mich das dichte Verkehrsaufkommen – so viele Autos, all die unzähligen Motorräder und Srickshaws/Isocarros – fassungslos. In all den Tagen, die ich in Lahore verbracht hatte, hatte ich keinen einzigen Unfall gesehen. Das grenzt für mich an ein Wunder.
Meine Notizen sind fast auf dem neuesten Stand! Gegen 18.45 Uhr sagte man mir, es sei Zeit, sich auf das große Fest des Abends vorzubereiten: die Valima. Dabei handelt es sich, wie bereits erwähnt, um die Feier zur Vollziehung der Hochzeit. Wegen der großen Zahl der Gäste fand die Feier in einem Hotel statt und nicht im Haus von Haiders Eltern. Sie fand in einem Viertel von Lahore statt, in dem sich die Engländer niedergelassen hatten. Das Faletti stammt aus dieser Zeit – aus dem Jahr 1880 –, obwohl das Hotel in seiner heutigen Form nicht das Original ist, sondern ein supermoderner Komplex. Die Einladung war für 19 Uhr ausgesprochen. Wir verließen das Haus mit Verspätung, die Frauen und die jungen Familienangehörigen – wie jeden Tag – prächtig gekleidet; die Hälfte der Männer in pakistanischer Kleidung, die andere in westlichen Anzügen. In der großen Hotelhalle waren die Stühle wie in einem Theater in Reihen angeordnet, mit einem Gang in der Mitte und an den Seiten. Vor dieser Sitzordnung befand sich ein großes Podest mit einem Sofa, auf dem das Brautpaar Platz nehmen würde. Auf der rechten Seite des Saals war man damit beschäftigt, das Buffet vorzubereiten.
Der Saal füllte sich, und schließlich trafen auch die Frischvermählten ein. Natasha glänzte in einem blassblauen Seidenchiffonkleid, das über und über mit Strasssteinen bestickt war. Ein überirdischer Anblick! Am Tag der Valima ist alles ein Geschenk der Schwiegereltern – so will es der Brauch. Die Farbe des Kleides für die Valima – normalerweise entweder blau oder grün – wird von der Schwiegermutter ausgewählt. Mubushrah erzählte mir, sie habe die Farbe Blau gewählt, weil es die Augenfarbe ihres Sohnes sei. Das junge Paar wurde sofort von den vielen Gratulanten umringt. Dann machten sie sich auf den Weg zum Sofa auf dem Podium, wo sie weiterhin die guten Wünsche der Anwesenden entgegennahmen. Die Fotografen waren die ganze Zeit wie immer überaus beschäftigt.
Ein Moment großer Freude und eine wunderbare Überraschung war für mich die Ankunft von Misbah, einer alten Freundin meiner Schwester. Sie hatte mich und Blanca, die Nichte und Patentochter von José Manuel, vor vielen Jahren anlässlich der Hochzeit von Mubasrah und Qasim in ihrem Haus aufgenommen. Sie kam auf Krücken, begleitet von ihrem Sohn Mumshad und ihrer Schwiegertochter. Das Essen, das an diesem Tag serviert wurde, war viel einfacher. Es beschränkte sich auf ein Hauptgericht und eine Nachspeise. Dies war von der Regierung (um übermäßigen Luxus und Prunk zu verhindern) für Feiern in Hotels und an öffentlichen Orten vorgeschrieben. Privathaushalte waren von dieser Regelung, wie wir gesehen haben, ausgenommen. Auch die Dauer der Party war auf genau drei Stunden begrenzt. Um 22 Uhr wurde das Licht ausgeschaltet. Viele der Gäste waren schon früher gegangen, kurz nachdem das Abendessen serviert worden war. So endete der letzte Akt der Hochzeit Nummer 1.
Donnerstag, 30. Dezember 2021
Dieser Tag stand ganz im Zeichen von Hochzeit Nummer 2. Obwohl, um ehrlich zu sein gab es noch einen weiteren schönen Empfang, der genau zur Mittagszeit stattfand, um nicht mit den Feierlichkeiten von Hochzeit Nummer 1 zusammenzufallen, die noch in vollem Gange waren. Ich glaube, ich habe hier etwas durcheinandergebracht, denn wir waren nachmittags im Haus von Anums Eltern und nicht „genau mittags“, wie ich hier sage, also muss es einen weiteren Empfang an einem der letzten Tage gegeben haben! Offensichtlich zu viele schöne Ereignisse, als dass ich sie mit meinem Gedächtnis bewältigen könnte.
Diesmal wurde die Hochzeit in der Badshahi-Moschee gefeiert. Wir sind alle früh aufgestanden, um pünktlich da zu sein. Das war das Wichtigste für Farvah, Imran und ihren Sohn Taimur. Eine verspätete Ankunft hätte den Verlust der Reservierung für die Zeremonie bedeutet. Obwohl die Trauung in einer Moschee stattfindet, handelt es sich wie üblich um einen zivilrechtlichen Vertrag. Als wir uns auf den Weg machten, war es ein wenig kühl, aber der Himmel war klar und blau. Wir durften ganz in der Nähe der Moschee parken. Ab einem gewissen Moment mussten wir unsere Schuhe ausziehen. Es war ziemlich kalt, was vor allem an der hohen Luftfeuchtigkeit an diesem Tag lag. Farvah hatte an alles gedacht: Sie hatte drei Taschen mit Socken mitgebracht, damit wir alle unsere Füße warmhalten konnten.
Wir betraten einen Saal ganz rechts in der Moschee, in dem die Hochzeit gefeiert werden sollte. Darin waren Männer und Frauen durch eine Leinwand aus grünem Tuch getrennt. Erst später konnte ich auf Fotos den Bereich sehen, der für die Männer reserviert war. Dort, wo wir saßen, lag ein Teppich auf dem Steinboden. Die jungen Leute und die agileren unter den Älteren, setzten sich darauf. Für den Rest von uns waren ein paar Stühle vorbereitet. Anum war da, sie sah wunderschön aus in Rot, der klassischen Farbe für eine Nikah. Auch sie saß auf dem Boden. Dann kam ihr Vater und setzte sich neben sie. Er bat sie um ihr Einverständnis zur Trauung. Dann unterschrieb er vor den Zeugen, kehrte er zu dem Ort zurück, an dem der Bräutigam und alle Männer versammelt waren, wo die Vertragsunterzeichnung beendet wurde.
Wir verließen das schummrige Halbdunkel der Moschee und traten in den weitläufigen Innenhof in den strahlenden Sonnenschein. Alles war Freude, Glück, Glückwünsche und Umarmungen. Und natürlich – Fotos. Das Wetter war perfekt. Es hätte kein schönerer Morgen sein können. Die Moschee mit ihren prächtigen Intarsien aus weißem Marmor sah noch viel schöner aus als bei unserem letzten Besuch, als der Himmel bedeckt und grau war. Bei strahlendem Sonnenschein konnte man die Majestät des Gebäudes in ihrer ganzen Pracht wahrnehmen. Wir verließen den Innenhof um in die Gärten zu gehen. Auf dem Weg dorthin drehte Anum an Taimurs Seite ein paar Runden, als würde sie tanzen. Es gibt einige wunderbare Fotos, die diesen spontanen Ausdruck von Glück festhalten. In der Nähe befand sich jedoch ein Wachmann, der die Frischvermählten schnell darauf hinwies, dass solche Darbietungen auf dem heiligen Gelände verboten seien. Alle, die an der Hochzeit teilgenommen hatten, sollten nun in die Gärten hinabsteigen, die zwischen der Moschee und dem angrenzenden Hof und dem berühmten Fort liegen. Dort, auf einer der großen rechteckigen Rasenflächen, waren Bänke und ein großer langer Tisch aufgestellt worden. Es war die erste und intimere Feier der Hochzeit, danach würden die Feierlichkeiten im Haus eines Onkels von Anum weitergehen. Farvah und Imran hatten für Erfrischungen und große Tabletts mit köstlichen und farbenfrohen Süßigkeiten gesorgt, die in den Gärten serviert wurden. Außerdem gab es für alle Damen hübsche bunte Tütchen mit Nüssen, Pistazien, Rosinen, Datteln usw., die sie knabbern konnten.
Als wir uns noch vor der Moschee versammelten, bot mir eine Freundin von Munazzah, als sie merkte, dass ich nicht sofort hinuntergehen wollte, um in den Gärten zu sitzen, freundlicherweise an, mir die wunderschöne Galerie zu zeigen, die sich von der linken Seite der Moschee aus über die gesamte Länge des Innenhofs erstreckt. Ein Ort der Stille, genau wie unsere Klöster, der einen sehr zur Meditation anregt. Aber es war natürlich nicht der richtige Zeitpunkt für mich, mich der Meditation hinzugeben. Stattdessen verbrachte ich die Zeit damit, mit dieser charmanten und interessanten Frau zu plaudern, während wir die Galerie entlanggingen.
Nach dieser schönen Begegnung und Erfahrung machte ich mich auf den Weg hinunter in die Mitte der Gärten, wo sich ein wunderschöner kleiner, quadratischer Pavillon aus weißem Marmor befindet. Er ist leicht erhöht und an jeder Seite stehen vier lange, flache, rechteckige ehemalige Wasserbecken, aus denen in regelmäßigen Abständen Wasserstrahlen in die Luft gespritzt worden waren. Jetzt sind die Becken leer und kobaltblau gestrichen, was ein wenig unschön wirkt. In früheren Zeiten wäre es wunderbar gewesen, im Halbdunkel in der Mitte des Pavillons sitzend zuzusehen, wie die in die Luft steigenden Wasserstrahlen in die Becken plätschern. Dieses Vergnügen bleibt den Mogul-Kaisern vorbehalten, denen der exquisite Pavillon vor allem Schutz vor der schrecklichen Sommerhitze geboten hat. Offenbar hatte auch noch ein unter dem erhöhten Pavillon fließender Wasserstrahl für eine willkommene Abkühlung gesorgt.
Vom Pavillon aus wollte ich das Fort noch näher erkunden, aber die große Treppe, die von den Gärten hinauf zur Esplanade vor dem Fort führte, war gesperrt worden. Wahrscheinlich für unsere Hochzeitsgesellschaft. Was für ein Privileg! Schließlich ging ich dorthin, wo unsere Gruppe saß und sich angeregt unterhielt. Anums Eltern, die, wie ich bereits erwähnte, beide einen hohen militärischen Rang innehatten, gingen gerade eine weitere Treppe hinauf, an deren oberen Ende Absperrungen und Wachen aufgestellt worden waren. Ich folgte ihnen, und dank des Generals wurde mir der Durchgang gewährt. Von dort aus war es ein Leichtes für mich, die beeindruckende Festung näher zu betrachten. Während ich das Fort bewunderte, kamen zwei junge Mädchen auf mich zu und fragten, ob sie ein Foto mit mir machen dürften, und wollten wissen, woher ich käme. Sie waren sehr süß, schüchtern und voller Neugierde.
Dann folgte ich meiner Gruppe zur nächsten Etappe der Hochzeit. Haiders Eltern nahmen mich in ihrem Auto mit. Qasim saß am Steuer. Wir fuhren etwa 40 km oder mehr auf einer Art Umgehungsstraße, die teilweise noch nicht fertiggestellt war, und kamen schließlich in einem Wohngebiet in der Nähe des Flughafens an. Das Haus von Anums Onkel war groß und elegant, aber wir durften es nicht betreten. Alles war in dem riesigen Garten untergebracht. Neben dem Eingang war ein überdachter Durchgang angelegt worden, der ausschließlich aus Blumen bestand: rote Rosen, weiße Chrysanthemen und andere weiße Blumen. Jeder Blumenkopf war in der Mitte durchbohrt und auf einen feinen Faden gesteckt worden, was einen einzigartigen Anblick bot. So war es auch bei Nataschas Blumenpavillon gewesen.
Als das Brautpaar eintraf wurde es, während es sich in einen luftigen, ebenfalls mit Blumen geschmückten Pavillon zum Sofa begab, von uns mit Rosenblättern überschüttet. Eine Weile später wurde ein Spiegel gebracht, um der Tradition, dass Braut und Bräutigam sich „zum ersten Mal“ gemeinsam darin sehen, treu zu bleiben. Alles geschah mit viel Eleganz und Anmut. Anum, umwerfend schön. Die Frischvermählten vollzogen auch den Ritus des Ableckens von Milchreis aus der Handfläche des jeweils anderen. Braut Nummer 2, Anum, zögerte nicht. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht, tat sie es. Es war ein schöner und rührender Moment, als ein alter Herr im Rollstuhl, bei dem es sich wohl um Anums Großvater handelte, zum Blumenpavillon gerollt wurde. Alle machten respektvoll für ihn Platz. Er begrüßte das Brautpaar, danach kam ein halbes Dutzend älterer Männer, um ihn zu begrüßen.
Das Mittagsbuffet stand wie üblich in einer langen Reihe von Ständen mit einer großen Auswahl an köstlichen Gerichten bereit. Ich habe Fotos gemacht, als sie mit der Zubereitung der Chapattis begannen: Auf dieser Party wurden sie auf einer grifflosen Wok-Pfanne, die auf den Kopf gestellt war, zubereitet. Am liebsten hätte ich die Zubereitung im Haus meiner Schwester mitverfolgt – dort gibt es die besten Chapatis. Leider hatte ich keine Gelegenheit dazu. Der Koch hat mir jeden Morgen zwei Stück zum Frühstück bereitet. Ich aß sie pur, mit einem Kaffee dazu. Köstlich! Soviel ich weiß, ist das Mehl in Pakistan viel feiner als bei uns in Spanien.
Zurück zur Party. Das Wetter war perfekt, der Himmel strahlend blau, aber während wir aßen, zog eine Wolkendecke heran. Wie üblich begannen die Gäste sich nach dem Essen zu verabschieden, an diesem Tag schon später Nachmittag. Taimur und Anum fuhren im eigenen Auto, das reichlich und wunderschön mit roten Rosen geschmückt war, davon. Er selbst chauffierte den Wagen. Diese zweite Familienhochzeit, die offensichtlich auf ausdrücklichen Wunsch des Paares stattfand, war von eher „schlichtem“ Charakter. Es dauerte lange, bis wir zum Haus meiner Schwester zurückkehrten, wo am Abend die Eltern des Bräutigams die frisch Vermählten empfangen würden. Die Eltern von Taimur leben in den USA und haben kein Haus in Lahore.
Innerhalb weniger Stunden hatte sich das Haus komplett umgestaltet. Am Eingang hing ein Vorhang aus roten Rosen und der Boden war mit Rosenblüten bedeckt. Zu meiner großen Überraschung waren auch zwei glänzende schwarze Ziegen am Tor angebunden. Man gewöhnt sich rasch an die meisten Dinge und hinterfragt sie nicht, selbst wenn es sich um ein Privathaus mit eigenem Milchbüffel handelt. Und dann waren da auch noch die Ziegen. Ein weiteres Paar stand näher am eigentlichen Eingang des Hauses, jeweils in der Obhut eines jungen Mannes. Meine Neugier auf den ungewöhnlichen Anblick erregte Aufmerksamkeit, und man erklärte mir scherzhaft, dass die vier Ziegen an diesem Abend Teil des Grillfestes sein würden. Als Anum ankam, wurde er gebeten, den Kopf einer der Ziegen zu berühren. Vielleicht als Segen. Ich erfuhr dann, dass die vier Tiere an diesem Abend geopfert und für die Armen gespendet werden sollten. Ich betrat das Haus einige Zeit nach der Ankunft und dem Einzug der Frischvermählten. Die Rosenvorhänge verströmten einen intensiven, herrlichen Geruch. Es tat mir leid, auf die Blütenblätter zu treten, die den Boden bedeckten. Zwei Buffets waren aufgebaut worden: eines im Speisesaal und das andere im Innenhof, welcher ebenfalls völlig umgestaltet worden war – mit einer luftigen weißen Markise aus Stoff, die oben in anmutigen Falten gerafft war. Und der Boden des Innenhofs war mit Teppichen ausgelegt. Rosenvorhänge wurden aufgehängt und kleine Tische und Stühle für die Gäste aufgestellt. Die Beleuchtung war perfekt. Die Verwandten und Freunde der Familie trafen ein, bald war eine große Menschenmenge versammelt. Im gesamten Erdgeschoss des Hauses waren weitere der anmutigen goldenen Stühle verteilt.
Taimur und Anum saßen auf einem Sofa, das in dem Raum, in dem der Weihnachtsbaum stand, für sie vorbereitet worden war. Weitere gute Wünsche und Fotos folgten. Für mich war an diesem Abend der schönste Teil der Feier, als mehrere Mitarbeiter kamen, um dem Brautpaar zu gratulieren. Der Koch ebenso wie zwei Fahrer und zwei der Hausmädchen. Zwei von ihnen mit einem Blumenstrauß. Sie wurden alle nacheinander neben das Brautpaar gesetzt und es wurden Fotos geschossen. Als sie aufstanden, konnte man Tränen in ihren Augen sehen. Auch meine Augen wurden ein wenig wässrig. In Windeseile war es an der Zeit meinen Koffer zu schließen. Ich sah mich fast dazu gezwungen, mich auf ihn zu setzen. So viele Geschenke, die jetzt noch zu der ganzen Garderobe, die ich mitgebracht hatte, hineinpassen mussten. In dieser Nacht nahmen wir einen Flug nach Doha. Um drei Uhr morgens! Es waren viele Großnichten/-neffen dabei, darunter Haider und Natasha. Haider sollte Ende Mai seinen Abschluss an der Columbia University machen und dann in New York seinen Job beginnen. Die Atmosphäre der gemeinsamen Freude und des Glücks war ungebrochen. Der Abschied von meiner Schwester und von den Familienmitgliedern, die in Lahore leben oder länger bleiben, war sehr bewegend.
FÜR MEINE SCHWESTER ELIZABETH
Ein Dankeschön, das von Herzen kommt; von einem Herzen, das überquillt vor schönen Eindrücken
und Momenten, die mich für immer begleiten werden.
Beim Besteigen des
Flugzeuges stiegen mir die Tränen in die Augen.
Nur Tränen, die im Stillen vergossen werden, haben die Kraft,
die allertiefsten Gefühle auszudrücken.
Bezirksmuseen ehren die Familie Mautner Markhof
/in Allgemein /von Beate Hemmerlein1921 – 2021: Der Mautner Markhof Senf, eine „österreichische Institution“ feiert seinen 100. Geburtstag und drei Wiener Museen feiern mit, indem auch sie zu einem der wichtigsten Kapitel österreichischer Unternehmergeschichte ihren Senf dazugeben.
Heuer sind es genau 180 Jahre, dass die Familie Mautner Markhof in der Bundeshauptstadt ansässig und tätig ist. Seit 1841 in der Landstraße, seit 1861 in Simmering und seit 1864 in Floridsdorf. Unter dem Motto „Vom Biedermeier ins 21. Jahrhundert“, ehren die entsprechenden Bezirksmuseen nun jene, deren Unternehmen ihre Bezirke über Jahrzehnte, teilweise sogar Jahrhunderte hinweg, geprägt haben. So setzt sich die Wiener Landstraße mit Adolf Ignaz, Carl Ferdinand, Victor, der Brauerei St. Marx und dem Mautner Markhof´schen Kinderspital auseinander, Floridsdorf berichtet über die Brauerei St. Georg und den Familienzweig von Georg I. Heinrich und Simmering informiert über Hefe, Alkohol, Spirituosen, Senf, Essig, Fruchtsirup und die Mautner Markhof Gründe.
1030 Wien / Landstraße
1841 übernimmt Adolf Ignaz Mautner die heruntergekommene Brauerei St. Marx und verhilft dem Bier von Wien aus zu Weltruhm. Die Ausstellung zeigt unter anderem zwei Meisterwerke der Wiener Handwerkskunst des 19. Jahrhunderts: das Gedenkbuch des Kinderspitals von 1875 und den 80 cm hohen Tischaufsatz, der 1881 von einem Silberschmied anlässlich des 50. Hochzeitstages von Adolf Ignaz und Julie Marcelline Mautner von Markhof kunstvoll gefertigt wurde.
Alfred Paleczny eröffnet im Festsaal des Amtshauses die Ausstellung auf der Wiener Landstraße
Marcus Mautner Markhof im Gespräch mit Alfred Paleczny anlässlich der Eröffnung der Ausstellung des Bezirksmuseums auf der Wiener Landstraße
1110 Wien / Simmering
Schwerpunkt der Ausstellung sind die Produkte der Simmeringer Mautner Markhof-Betriebe. Sowohl Handelsmarken als auch Herstellungsprozesse werden anhand zahlreicher historischer Objekte, Fotos, Dokumente und Werbesujets aus allen Epochen dargestellt. Auch die als vorbildlich bekannte Unternehmenskultur, Mitarbeiterführung und -loyalität wird beleuchtet. Die optisch genussvolle Zeitreise schließt ihren Kreis mit einem Überblick über die Entwicklung und Nutzung der „Mautner-Gründe“ über die Jahrhunderte hinweg.
Eröffnung der Mautner Markhof Ausstellung in Wien Simmering durch Johannes Hradecky
Johannes Hradecky und Eigentümervertreter Michael Durach bei der Eröffnung der Mautner Markhof Ausstellung in Wien Simmering
Jürgen Brettschneider, Geschäftsführer der Mautner Markhof Feinkost GmbH, bei der Eröffnung der Ausstellung in Wien Simmering
Marcus Mautner Markhof anlässlich der Eröffnung der Mautner Markhof Ausstellung in Wien Simmering
1210 Wien / Floridsdorf
Die Geschichte der „Floridsdorfer Mautner“ begann 1864, als Georg I. Heinrich in der Prager Straße 20 eine Presshefe- und Spiritusfabrik gründete. 1892 kam die Brauerei St. Georg hinzu, deren Märzenbier sich alsbald größter Beliebtheit erfreute. Doch nicht nur dem Bier, sondern den Familienmitgliedern selbst, die sich über 100 Jahre hinweg als „echte Floridsdorfer“ fühlten und Teil des örtlichen Lebens waren, wird gehuldigt. Nicht zuletzt, indem die Ausstellung im ehemaligen Familiensitz und heutigen Bezirksmuseum, dem „Mautner Schlössl“ stattfindet.
Museumsleiter Ing. Lesmeister eröffnet die Mautner Markhof Ausstellung im Bezirksmuseum Wien Floridsdorf
Museumsleiter Ing. Lesmeister eröffnet die Mautner Markhof Ausstellung im Bezirksmuseum Wien Floridsdorf, dem ehemaligen „Mautner Schlössl“
Marcus Mautner Markhof anlässlich der Eröffnung der Ausstellung im Bezirksmuseum Wien Floridsdorf
Johannes Hradecky bei der Eröffnung der Mautner Markhof Ausstellung in Wien Floridsdorf
Bericht von Johannes Hradecky in Diana Mautner Markhofs „iGlobenews“
Refugio Tinti – eine Hommage an Paul Kupelwieser
/in Familienchronik /von Beate HemmerleinAlexander Tinti, Sohn von Christiana und Enkel von Manfred I. Mautner Markhof und Maria Anna „Pussy“ Kupelwieser wandelt seit 2016 in Costa Rica auf den Spuren seines Ururgroßvaters Paul, der die Inseln Brioni von einem unbewohnbaren Sumpf in ein Naturparadies verwandelte.
24 Hektar ausgelaugtes und zertrampeltes Sumpfland wurden in ein florierendes Ökosystem verwandelt.
Doch es ist nicht nur die Liebe zur Natur, die ihn vorantreibt. Besorgt über die massiv ansteigende Umweltzerstörung studierte er bereits in jungen Jahren Bodenbiologie und Permakultur und ging 1998 nach Asien, wo er an verschiedenen Umweltprojekten beteiligt war. Alexander Tintis Ansatz basiert auf Systemdenken und permakulturellen Designmethoden. So ist das Refugio Tinti nun ein Naturschutzprojekt mit dem übergreifenden Thema der Versöhnung des Menschen mit der Natur. Was in den feuchten Tieflandregenwäldern Costa Ricas einst ein degradiertes, von Agrochemikalien verseuchtes und Rinderherden verdichtetes Sumpfland war, wurde zum wachsenden Lebensraum für zahlreiche, auch einige von dem Aussterben bedrohten Arten.
Ö1-Radiokolleg: Hefe – ein kleiner Pilz mit großer Bedeutung.
/in Bier und Hefe /von Beate HemmerleinSabine Nikolay interviewt in der Ö1-Sendereihe vom 29.3. – 1.4.2021 u. a. Theodor Mautner Markhof über die Hefe (Teil 2 des Radiokollegs).
Den Adel im Herzen
/in Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinDAS GUTE VOLLBRINGEN SOBALD DU´S VERMAGST
DAS BÖSE VERSCHIEBE, BIS DU´S VERTAGST
DANN WIRD DAS LETZTE SICH NIMMER ERFÜLLEN,
DAS ERSTE NICHT BLEIBEN BLOSS BEI DEM WILLEN.
Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof
“Die Geschichte des Hauses Mautner Markhof braucht sich nicht auf die Aufzählung von geschäftlichen Erfolgen zu beschränken. Der Großindustrielle Adolf Ignaz Ritter Mautner von Markhof hat auch nach anderen, edleren Früchten gestrebt. Der goldene Myrtenkranz umschließt ein Leben reich an mühevollem, aber erfolgsgekrönten Schaffen, ausgezeichnet, wie selten eines, durch zahllose Werke edler Menschenliebe. Nach des Tages sorgen- und mühevoller Arbeit suchte Mautner die Hütten der Armen, die Wohnstätten seiner Arbeiter auf, um Rat und Hilfe auszuteilen. Sein vortreffliches Herz machte ihn zum Freunde der Armen, zum Vater seiner Arbeiter. Es kam nicht an die große Glocke, wie viele kleine Wiener Gewerbsleute, die unverschuldet ins Unglück geraten, jenem Mann ihren weiteren Unterhalt, eine Werkstätte und Werkzeuge zu danken hatten, wie er ihnen und ihren Familien die Existenz wiedergegeben. Allerdings aber konnte die Öffentlichkeit häufig Notiz davon nehmen, wie bei allen Sammlungen zu gemeinnützigen und patriotischen Zwecken der Name Mautner stets in erster Reihe fungierte.“ 1
1 Illustrierte Wiener Extrablatt, 1881
Diese Worte mögen – aus heutiger Sicht – vielleicht nach etwas übermäßiger Huldigung klingen. Versteht man sie jedoch im Kontext der Zeit, dann ist an ihrer Aufrichtigkeit nicht zu zweifeln. Denn anders als die meisten seiner Standesgenossen in der Gründerzeit erkennt Adolf Ignaz mit unglaublicher Sensibilität die Not der Menschen und insbesondere das Elend der Arbeiterschaft. Unablässig war er bereit zu helfen; man erinnere sich nur an die monatelange Verköstigung von 80 Brandopfern in seiner Heimatstadt Smirice. Es würde zu weit führen sein nationales und auch internationales Wirken in allen Einzelheiten zu schildern, doch einiges sei an dieser Stelle beispielhaft erwähnt:
Adolf Ignaz gehört zu den wenigen Menschen in der österreichisch-ungarischen Monarchie, die den Adelstitel unter anderem für ihr soziales Engagement erhalten haben. Seit 14. Mai 1972 besaß er den „doppelten Ritter“ (Orden der Eisernen Krone, Franz-Josephs-Orden) und reihte sich somit in den Kreis der Ordensritter, denen der Kaiser den erblichen Adel verlieh ein, was ihn wiederum zum Stifter eines Adelsgeschlechts machte. Dieser Auszeichnung ebenbürtig – vielfach wird in der heutigen Zeit sogar die Meinung vertreten, dies sei in der damaligen Zeit noch höher einzuschätzen gewesen – war die Verleihung des Ehrenbürgerrechtes der Stadt Wien am 24. Juni 1881.
I WEAR MY CROWN IN MY HEART, NOT ON MY HEAD
„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt“. Jeder Mensch hat die Gelegenheit, im Rahmen seines Potentials, einen Beitrag im Sinne von Mahatma Gandhis Zitat zu leisten. Adolf Ignaz Mautner Markhof hat die ihm während seiner Lebensspanne zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dazu genützt. Dafür möge ihm auch noch im 21. und den folgenden Jahrhunderten Wertschätzung und Anerkennung zuteilwerden.
*
Maximilian Mautner Markhof – ein Ritter und seine Burgen
/in Familienchronik /von Beate HemmerleinDie Anwesen Rohrbach und Seisenegg befinden sich seit 1995 und 2005 im Eigentum von Maximilian Mautner Markhof (*1965), der sich selbst weniger als Besitzer, sondern vielmehr als Hüter der Kulturgüter sieht. Den Grundstein dafür legte bereits sein Vater: Johanna Freiin Riesz von Risenfels (Tochter vom Schlossherrn Philipp von Risenfels) heiratete im Jahre 1942 Baron Armin von Szylvinyi, dessen Mutter Gertrude als Tochter von Carl Ferdinand bereits eine gebürtige Mautner von Markhof war. Die Ehe blieb kinderlos und so ging Rohrbach 1952 auf Marius über, der es wiederum anlässlich seiner Eheschließung an Sohn Maximilian übergab. Liebevoll und aufwendig restauriert, werden beide Kulturgüter nicht nur bewirtschaftet, kulturell belebt und bewohnt, sondern auch sorgsam für die Nachwelt erhalten.
Rohrbach (Weistrach / NÖ)
Seisenegg (Viehdorf / NÖ)