Ursula Bertele von Grenadenberg Mautner von Markhof de Allendesalazar, schlichtweg „Ucki“, wie die liebenswürdige, bescheidene, lebens- und reiselustige Dame seit ihrer Kindheit von Familie und Freunden genannt wird, wurde als das sechste von sieben Kindern der Marceline Mautner v. Markhof und des Hans Bertele v. Grenadenberg am 7.12.1941 in Berlin geboren. Aufgrund der Kriegswirren wuchs sie die ersten Jahre bei ihrer Großmutter Emilie „Emy“ Mautner v. Markhof unter der Obhut des Kindermädchens Nana in Gaaden auf, bevor sie im August 1947 mit ihren Eltern nach England emigrierte, wo sie den Rest ihrer Kindheit und Jugend verbrachte. 1960 übersiedelte die Familie zurück nach Wien, wo sie den Familiensitz von Adolf Ignaz am Franziskanerplatz bezog. Nachdem sie im Dezember 1965 ihren spanischen Mann geehelicht hatte, begannen für sie viele Jahrzehnte des Reisens, die sie als Diplomatengattin in verschiedene Länder führten. Immer interessiert an den unterschiedlichsten Themen, verfasste sie über die Jahre hinweg vier Bücher in vier Sprachen. Ucki lebt seit dem Ableben ihres Mannes im Jahr 2008 vorwiegend in Madrid und Sepúlveda/Spanien. In der Folge erzählt Ucki über José Manuel und ihr gemeinsames Leben.
Es bereitet mir Freude, dass man mich gebeten hat über das Leben meines Mannes – und so auch zu einem Teil über das meine – zu berichten. Doch stelle ich fest, dass es keine leichte Aufgabe ist, das genau richtige Maß zwischen Zärtlichkeit und Sachlichkeit zu treffen.
José Manuel stammte von einer alteingesessenen Familie aus Guernica im Baskenland ab. Sein Großvater, Manuel Allendesalazar Muñoz de Salazar (1856 – 1923) war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein bedeutender Politiker und mehrfacher Minister sowie zweimaliger Ministerpräsident konservativer Regierungen gewesen. Sein Vater Andrés Allendesalazar, mit fast fünfzig Jahren bereits verwitwet und mit zwei Kindern gesegnet, heiratete ein weiteres Mal und so erblickte José Manuel noch knapp vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges, am 3.3.1935, das Licht der Welt. Kurz darauf gelangte sein Vater in die Gefangenschaft der Republikaner. José Manuel überlebte, im Garten des etwas entlegenen Familienbesitzes und unter dem zusätzlichen Schutz des Leibes seiner Mutter Carmen Loyzaga die Bombardierung von Guernica, die am 26. April 1937 stattfand. Noch vor Ende des Bürgerkriegs entkam sein Vater der Gefangenschaft und die Familie übersiedelte vorläufig nach Sevilla.
Als sich das Leben im verwüsteten Spanien dann langsam zusehends beruhigt hatte, nahm die Familie wieder ihren gewohnten Lebensrhythmus auf: die Sommer wurden in Guernica verbracht, der Rest des Jahres in Madrid. José Manuel wurde von einem Hauslehrer privat unterrichtet. Ein paar Jahre später übersiedelte man von Madrid nach San Sebastián. Eine von José Manuels schönsten Erinnerungen war es, von der Wohnung, welche direkt an einer Anhöhe oberhalb der herrlichen Bucht von San Sebastián lag, auf den berühmten Strand La Concha zu blicken. Trotz seiner Vorliebe für diese Wohnung, in der er sogar ein ganzes Zimmer, in dem er seine Zinnsoldaten-Sammlung aufstellen konnte, für sich alleine hatte, kam bereits dem elfjährigen Buben das allzu sehr verhätschelte Leben mit den so lieben aber ihm uralt vorkommenden Eltern und dem Hauslehrer zu eingeschränkt vor. Er wollte unbedingt wie alle Gleichaltrigen eine Schule besuchen. Nur mit Mühe konnte er dies durchsetzen. Und so begann für ihn ein neues Leben: im Jesuiten Gymnasium in San Sebastián. Zwar hatte er damit einen großen Sieg errungen, doch zu seinem ebenso großen Leidwesen zog die Familie daraufhin in eine andere Wohnung in der Innenstadt. 1952, nach bestandener Matura übersiedelte die Familie nach Madrid, da sich José Manuel für das fünfjährige Jus Studium entschieden hatte. Die drei Sommermonate wurden wie immer in Guernica verbracht, aber José Manuel zog es bereits damals auch in die Ferne. In Frankreich bereiste er Pau, La Rochelle und Paris um seine Sprachkenntnisse zu verbessern, später aus demselben Grund auch London und Dublin. Da er sich dazu entschlossen nach der Beendigung der Universität Diplomat zu werden, standen ihm eine Reihe sehr heftiger Prüfungen bevor, deren wichtiger Bestandteil auch Fremdsprachen waren.
Den Entschluss Diplomat zu werden hatte er nicht leicht gefasst, denn aufgrund seiner Liebe zu den Zinnsoldaten hätte er am liebsten eine Offizierslaufbahn eingeschlagen. Nur sehr langsam war er von dieser Idee abgekommen. Ab seinem 21. Lebensjahr absolvierte er zwei ganze Sommer hindurch seinen Militärdienst, da der Dienst für Studenten vorzugsweise auf 6 Monate beschränkt war. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Jus Studiums begann das Büffeln für die Staatsprüfung zur Aufnahme in die Diplomatische Akademie. Für die bevorstehende Prüfung des Jahres 1959 fand er sich genügend vorbereitet und trat – als einer von hunderten Anwärtern, die sich für ca. zwanzig Stellen beworben hatten – an. Er bestand nicht. Glücklicherweise für mich, wie sich ein wenig später herausstellen sollte. Doch diese Prüfung des Jahrgangs 1959 hatte auch verhängnisvolle Folgen. Mehrere der zwanzig aufgenommenen Kandidaten waren völlig unzulänglich vorbereitet gewesen und nur als Söhne oder Neffen von dem einen oder anderen Minister oder sonstiger einflussreicher Persönlichkeit durch Protektion durchgekommen. Es gab einen Skandal und als Franco davon erfuhr, geriet er in solche Wut, dass er die diesbezügliche Staatsprüfung einfach auf „unbestimmte“ Zeit einstellen ließ. Auf unbestimmte Zeit? Auf ganze vier Jahre! Die armseligen, hoffnungsvollen Kandidaten bereiteten sich jedes darauffolgende Jahr wiederholt auf diese Prüfung vor, die dann aber doch nicht stattgefunden hatte. José Manuels Eltern wollten ihm in dieser Zeit dazu verhelfen in einer der großen Banken von Bilbao unterzukommen, aber ihm war es aus eigener Kraft gelungen, eine Stellung in der Staatsverwaltung zu erlangen. Trotzdem studierte er immer brav weiter und nahm nun auch selbst Schüler auf. 1963 endlich wurde die so heiß ersehnte Staatsprüfung wieder angekündigt und José Manuel wurde mit dem zweitbesten Notendurchschnitt aufgenommen. Nach diesem Erfolg konnte der Sommer überglücklich mit endlosen Feiern begonnen werden und José Manuel kreiste munter mit seinem kleinen alten Seat 600 (spanischer Fiat), den er sich von seinen Ersparnissen nach neu erworbenem Führerschein gekauft hatte, durch die Gegend. Ende August hatte er zwei von seinen frisch gebackenen Diplomaten-Kollegen auf ein paar Tage nach Guernica eingeladen. Einer von ihnen schlug vor: “Fahren wir doch nach Santander. Dort, bei der dafür bekannten Sommeruniversität für Ausländer ist es recht lustig mit Schwedinnen und sonstigen hübschen jungen Mädchen anzubandeln.” “Setzt mich in Santander ab und versucht ihr zwei nur euer Glück,” meinte dazu einer der beiden Freunde, der ja von dort stammte.
Zu diesem Zeitpunkt war ich, gemeinsam mit einer Wiener Freundin, gerade für zwei Monate bei besagter Universität gelandet und entsprechend eines der hübschen Mädchen zum „Anbandeln“. Wir beide hatten am Dolmetsch Institut der Wiener Philosophischen Fakultät inskribiert und es noch nicht sehr weit gebracht. Bei den für uns verpflichtenden Philosophie Vorlesungen, begegnete ich manchmal auch meinem Onkel „Buwa“ Georg III. MM, der damals gerade seinen dritten Doktor machte. Besagte Freundin besaß einen kleinen roten Volkswagen, in dem wir Ende Juni 1963 munter “ins Blaue“ abfuhren. Doch nicht zu einem immer blauen spanischen Himmel, wie sich herausstellen sollte. Den ganzen Sommer hindurch regnete es fast ununterbrochen. Ich hatte ab August in eine private Unterkunft abseits der Universitätsherberge gewechselt, pflegte aber weiterhin netten Kontakt mit vielen der dortigen Studentinnen und besuchte sie noch öfters in der Herberge auf der kleinen Insel, untergebracht in den früheren königlichen Stallungen des ganz nahe gelegenen Schlosses. Trotz des Regens – hatte mich meine Jugend in England diesbezüglich ja abgehärtet – ging ich dort auch oft schwimmen. So auch am 23. August, als mich eine meiner schwedischen Freundinnen im Hof zur Seite nahm: “Du, würdest du mir einen Gefallen tun? Agneta und ich sind morgen mit zwei jungen Spaniern – angehende Diplomaten – verabredet, aber sie ist jetzt krank und kann nicht mitkommen. Ich will die jungen Männer nicht enttäuschen, wenn sie morgen nur eine Verabredung hier vorfinden.” Ich antwortete, dass es mir leid täte, ich aber bereits anderswertig verplant sei. Doch die Schwedin ließ nicht locker: “Aber es ist nicht am Abend, sondern für den Nachmittag. Sie haben vorgeschlagen hinüber nach Pedreña zum Golfplatz zu fahren und dort im Clubhaus einen Kaffee zu nehmen.” “Du ja, das ginge sich aus. Also bis morgen.” Weder José Manuel noch ich waren bei dieser ersten Begegnung von einander besonders eingenommen. Nach dem Golfclub waren wir vier dann noch im Hafen von Santander gegrillte Sardinen essen. Eine davon fiel mir vom Brot herunter, zuerst auf meine Bluse, dann auf meinen Rock und hinterließ dabei riesige unansehnliche Flecken. Insgesamt kein schöner Anblick. Adiós, adiós…
Aus unserem geplant zweimonatigen Aufenthalt wurden für meine Freundin und mich eineinhalb Jahre. Wir hatten uns in Madrid auf ein Abenteuer eingelassen: Im Zuge der nun rasch wieder aufblühenden spanischen Wirtschaft wurden uns – beide waren wir jeweils dreier bis vier Fremdsprachen kundig – bei der deutschen Handelskammer die Aufträge nur so nachgeworfen.
Und nun wieder zurück zu José Manuel. Er hatte noch zwei Jahre Studium an der Akademie vor sich, bevor er als vollwertiger Diplomat in die Ferne ausrücken konnte. Als zusätzliche Fremdsprache hatte er Russisch gewählt. Bereits 28 Jahre alt, war er bei den Eltern ausgezogen und wohnte in einer Studentenherberge. Wir trafen uns wieder, noch im selben Jahr, ganz zufällig auf einer Party. Und danach immer öfters. Die Weihnachtstage der Jahre 1963 und 1964 verbrachte ich zu Hause bei den Eltern in Wien. Beim zweiten Fest sah meine Mutter liebevoll zu, wie ich eifrig an einem großen dunkelgrünen Pullover strickte. Zu recht hatte sie etwas geahnt. Wie es scheint hat der Pullover gefallen, denn am darauffolgenden 16. Jänner 1965 konnte ich ihr berichten: “Mutti, wir haben uns verlobt!” Die meisten Kollegen José Manuels Jahrgangs wurden schon im Juni, gleich bei Abschluss des Studiums, ins Ausland versetzt. Nur die ersten fünf mit den besten Noten wurden vorläufig im Außenamt behalten. Glücklicherweise unter ihnen auch José Manuel. Unsere Hochzeit am 11. Dezember 1965 am Wiener Franziskanerplatz ist bereits beschrieben. Nach einer kurzen Hochzeitsreise auf die Kanarischen Inseln, zogen wir stolz in unsere kleine nagelneue Madrider Wohnung ein, die ich von den lieben Eltern als Mitgift in die Ehe einbrachte.
Im April 1966 wurde José Manuel mitgeteilt, dass er nach Lima versetzt werde. Wunderschön dachte ich. Furchtbar weit weg, aber ich hatte eine Vorliebe für lateinamerikanische Lieder gewonnen. José Manuel trat seinen neuen Posten als Konsul an und wurde dabei im Rang von einem Sekretär 3. Klasse zu einem 2. Klasse befördert. Wir verbrachten drei sehr schöne, lehrreiche und interessante Jahre in Lima. José Manuel hatte das Glück auf diesem ersten Posten unter zwei hervorragenden Botschaftern zu dienen, etwas, das man nicht hoch genug schätzen kann, denn viel färbt immer von den ersten Kontakten und Eindrücken ab. Immer im Auto unterwegs, machten wir verschiedene große, immer recht abenteuerliche Ausflüge in dem schönen Land. Einmal, noch ziemlich hoch oben in den Anden, kurz vor unserem Ziel Cajamarca, bei pechschwarzer Nacht, hatten wir einen “langsamen” Patschen. Wir hörten wie die Luft – Gott sei Dank nur mühevoll – heraussäuselte. Die Höhe auf der wir uns befanden, die unheimliche Stille und totale Einsamkeit waren mehr als Grund genug in Panik zu verfallen. Der aufrührerische kommunistische “Sendero Luminoso” war damals gerade kurz vor seinem Start. José Manuel hatte sicherheitshalber vorne im Handschuhfach eine Pistole, aber ich glaube nicht, dass er in ihrem Gebrauch sehr geschult war. Die Dunkelheit machte es uns nicht leichter den Reifen zu wechseln und trotz der obligaten Fahrschullehre wussten wir sowieso kaum wie. Dennoch erreichten wir, auf Gott vertrauend und das Beste hoffend, Cajamarca unversehrt.
Im August 1969, kurz nach der Mondlandung, wurde José Manuel nach Washington DC versetzt. In der so optimistischen Zeit für die Amerikaner folgten auch für ihn beruflich äußerst fruchtbare Jahre mit vortrefflichen Botschaftern und Kollegen. DC sollte die größte Botschaft bleiben, der er während seiner Laufbahn diente. Wiederum begann er als Konsul und avancierte während der vier Jahre, die wir in Washington verbrachten, zum Sekretär 1. Klasse. Für mich war es besonders schön mitzuerleben, wie sehr José Manuels Vorgesetzte ihn nicht nur für seine Leistungen, sondern vielmehr auch als Mensch schätzten. Als dann einer der Botschafter, mit dem gemeinsam wir in Lima stationiert gewesen waren, nach Ägypten versetzt wurde, bat er José Manuel mit ihm nach Kairo zu kommen. Obwohl José Manuel auch ihn seinerseits sehr schätzte, lehnte er dankend ab. Das faszinierende Leben und Treiben in Washington war ihm viel zu lieb, als es nach kaum einem Jahr wieder aufzugeben.
Nach Washington wurde er für drei Jahre nach Stockholm berufen. Für alle Mitarbeiter der dortigen Botschaft eine schwierige Position, denn die schwedische Regierung wetterte fortwährend gegen das Franco-Regime und mit dem Außenamt gab es kaum Kontakt. Beinahe jeden Sonntag erschienen Demonstranten vor der Residenz, vor allem chilenische Flüchtige, die nach dem Sturz von Salvador Allende im Jahr 1973 in Schweden aufgenommen worden waren und für den Aufmarsch bezahlt wurden. Nachdem Ministerpräsident Olof Palme, mit Sparbüchse und einem Plakat “Freiheit für Spanien” vor Stockholms größtem Kaufhaus auf und ab gewandert war, zog Spanien den Botschafter aus Schweden ab und José Manuel wurde zum Chargé d’Affaires ernannt. Zu diesem Zeitpunkt jedoch lag er mit einer Rückgratinfektion schwer erkrankt im Spital. Schwedens anerkanntester orthopädischer Chirurg rettete ihm nicht nur das Leben, sondern bewahrte ihn auch vor dem Rollstuhl. Wir beide danken dies Schweden ein Leben lang. Die schwedische Regierung blieb Spanien gegenüber auch über den Tod Francos (20. November 1975) hinaus weiterhin misstrauisch, obwohl José Manuel sein Bestes tat, um das Eis zu brechen. Zum Glück hatte er sich nach dem schweren Eingriff wieder vollkommen erholt, denn es war zwar eine interessante aber doch recht anstrengende Zeit für ihn.
Den Posten des Chargé d’Affaires sollte er bis zu seiner Rückkehr ins Außenamt nach Madrid, Mitte Juni 1976, behalten. Die darauffolgenden neun Jahre blieb José Manuel im Außenamt, in den letzten beiden Jahren leitete er als Generaldirektor die Abteilung für Nordamerika und Pazifik, der er nach seiner Rückkehr zugeteilt worden war. Dazwischen hatte er zwei hektische Jahre in der Presseabteilung verbracht, wo er mitunter auch offizielle Auslandsbesuche von König don Juan Carlos I. und der Königin dona Sofía in situ vorbereitete und an manchen dann auch teilnahm. Dies führte ihn zu einigen Ländern in Süd- und Zentralamerika, nach China und Kanada, nach Belgien und auch zum Staatsbesuch nach Österreich. Zum Opernball, der am Ende des Programms stand, wurde auch ich sehr netterweise eingeladen. Ein wunderschönes Erlebnis, oben in der Mittelloge, mit der Erinnerung an zwei Bälle, die ich in weißem Kleid und mit kleiner Krone unten am Parkett miteröffnet hatte.
Diese neun Jahre in Madrid waren für José Manuel hochinteressant und bildeten einen Höhepunkt seiner Karriere. Sie umfassten die gesamten Jahre, die in Spanien als die Übergangszeit bezeichnet werden und die ersten Jahre der sozialistischen Ministerpräsidentschaft von Felipe González. Als Generaldirektor u. a. für Nordamerika nahm José Manuel einige Male an den Verhandlungen, die González mit der Regierung der Vereinigten Staaten, die damals unter Reagan stand, teil.
1984 wurde er zum außerordentlichen Botschafter ernannt, um Spanien bei der Unabhängigkeitsfeier von Brunei zu repräsentieren. Im selben Jahr wurde er auch zu einem offiziellen Besuch nach Südkorea eingeladen. Mehr als diese paar Details kann ich hier nicht wiedergeben, mehr würde ein ganzes Buch füllen.
Im Jänner 1985 wurde José Manuel zum Botschafter für Schweden ernannt und im darauffolgenden Monat auch zum Botschafter und Leiter der Delegation zur Konferenz für Sicherheit und Abrüstung, die seit Jänner 1984 in Stockholm tagte. So konnte er erst im März seinen neuen Posten antreten, weil darüber hinaus Ende Februar der Staatsbesuch von Naruhito, dem damaligen Kronprinzen von Japan stattfand, dessen Vorbereitung ebenfalls ihm oblag. In Stockholm hatte sich seit seiner letzten Amtszeit die Stimmung gegenüber Spanien verändert. Bald nach José Manuels Ankunft fand der offizielle Besuch von Felipe González statt.
Nach beinahe weiteren fünf Jahren, überfüllt mit vielen denkwürdigen Ereignissen, erwarteten wir täglich die Nachricht seiner Versetzung. Noch Anfang Juni buchten wir einen Charterflug nach Kreta, bei dem man direkt von Stockholm nach Chania flog und dabei über Jugoslawien. Auf dem langen Flug machte jeder von uns beiden, zum Zeitvertreib, eine Liste mit Ländern, in die wir gerne ziehen würden und in welche nicht. Jugoslawien schien dabei nirgends auf, wurde völlig ausgeblendet. Gleich nach unserer Rückkehr von Kreta erfuhren wir von José Manuels Versetzung nach Belgrad und dass er zusätzlich auch als Botschafter für Albanien ernannt worden war.
Jugoslawien. Als José Manuel dort seinen Posten im September 1990 antrat, war das Zerbröckeln des Vielvölkerstaates schon weit vorangeschritten. Eine spanische Ausstellung über die erfolgreiche Übergangszeit des Landes, wurde einige Monate später möglichst weit weg vom belebten Belgrader Zentrum aufgestellt. Sie landete in einem unscheinbaren trostlosen Lokal in Zemun, am anderen Ufer der Save (ehemals Teil von Altösterreich). Neben seinem Antrittsbesuch vor Milošević in Belgrad, war es José Manuel noch gelungen in weiteren drei der insgesamt sechs Teilstaaten einen offiziellen Besuch abzustatten: Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzogowina. Montenegro und Mazedonien waren sich nicht mehr ausgegangen, denn im September 1991 zogen schon die Panzer gegen Kroatien. Am 16. Mai 1992 verließen alle Botschafter der EWG und der Vereinigten Staaten als Protest gegen Milošević Belgrad.
Wir kehrten nach Madrid zurück. José Manuel war weiterhin noch für einige Zeit Botschafter für Albanien, wo er im März des vorangegangenen Jahres seinen Antrittsbesuch gemacht hatte, den man regelrecht als abenteuerlich bezeichnen kann. Insgesamt hatten wir eine Woche in Tirana verbracht. Es war Usus der dortigen Regierung dem jeweiligen Botschafter mitzuteilen, dass Präsident Ramiz Alia ihn ab einem „gewissen Tag“ empfangen würde. Der entsprechende Botschafter fuhr also nach Tirana, wartete vier Tage geduldig auf die Berufung; am fünften Tag ließ er wissen, dass er wegen dringender Geschäfte wieder abreisen müsse. Prompt darauf kam die Antwort, dass man ihn am nächsten Tag empfangen würde… Im Juli 1992 kehrte José Manuel nochmals offiziell nach Albanien zurück, um der Regierung Spaniens Hilfspaket zu übergeben.
Im folgenden Jahr, im April 1993, erhielt José Manuel den hoch interessanten und sehr begehrten Posten des Generalkonsuls in New York City. Dieser wurde zu seinem Lieblingsposten. Nach New York folgten ab August 1998 vier Jahre als Generalkonsul in Frankreich, in Pau, im Südwesten des Landes. Pau, als Hauptstadt der Provinz Pyrénées-Atlantiques, hatte damals im Zusammenhang mit der zeitweiligen französischen Unterstützung der Terroristengruppe ETA politische Schwierigkeiten mit Spanien. Eine hausgemachte Bombe wurde einmal früh morgens vor dem Eingang zum Konsulat gefunden und konnte noch rechtzeitig deaktiviert werden. Nicht ungefährlich, da Konsulat und Residenz im selben Gebäude untergebracht waren und sich das Schlafzimmer des Konsuls oberhalb des Eingangs zum Konsulat befunden hatte. Ansonsten bestand die dortige Arbeit mehrheitlich aus kulturellen Belangen und dem Bestreben die historische Eisenbahnstrecke Pau-Somport–Pyrenäen wieder in Gang zu setzen. Insgesamt waren es vier schöne Jahre, die José Manuels Auslandskarriere beendeten und die Nähe zu Spanien wirkte sich positiv auf das Instandsetzen des zukünftigen Zinnsoldaten-Museums aus.
All die vielen langen Jahre hindurch war der größte Teil seiner schönen Zinnsoldaten-Sammlung zu einem Dornröschenschlaf verurteilt gewesen. In Schuh- und Zigarrenschachteln, sorgsam in Seidenpapier verpackt, wurden sie zuerst im Elternhaus in Guernica verwahrt und dann im Abstellraum des Kellers, den wir gemeinsam mit dem Kauf einer neuen Wohnung in Madrid erworben hatten. Einige Stücke aber führte José Manuel immer mit sich und kaufte auch während diverser Reisen weitere bei Antiquaren in London, Paris und auch Wien ein. 1994 realisierte sich sein Traum. Wir erwarben in der kleinen historischen Stadt Sepúlveda, unweit von Madrid, ein kleines Haus, das der Sammlung als Museum dienen sollte. Nach einer vollkommenen Renovierung 1998 und bald darauf auch mit Vitrinen ausgestattet, war das Gebäude bereit, seine neuen kleinen Bewohner aus Zinn und Blei aufzunehmen. Im März 2005 trat José Manuel seinen Ruhestand an und konnte auf eine interessante und erfüllte Laufbahn zurückblicken. Am 1. Mai 2003 öffnete das Museum erstmals seine Pforten. Ich habe bisher immer von Zinnsoldaten gesprochen aber José Manuel gab dem Museum ausdrücklich den Namen „Museo de figuras de juguetes antiguas“, kurz FiJAS (“Museum alter Spielfiguren”), da rund 30 % der Sammlung aus Zivilfiguren besteht. Es wurde ein schöner Erfolg und von Groß und Klein genossen. José Manuel erfreute sich an ihm bis zu seinem allzu frühen Tod, fünf Jahre später, am 19.6.2008. Er verstarb im Alter von 73 Jahren in Madrid an einem Herzinfarkt – für den Betroffenen die barmherzigste Art in das ewige Leben hinüber zu gehen.
José Manuel war ein Leben lang immer rege an Geschichte interessiert und hinterließ mehrere Bücher. Das erste schrieb er in Washington, es behandelt den Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898. Es beschreibt den rasch voranschreitenden Imperialismus der Amerikaner und das endgültigen Ende Spaniens als Weltmacht, welches durch den Verlust von Kuba und den Philippinen besiegelt wurde. Das Buch fand einen großen Leserkreis. Auch schrieb er über die politische Lage zu Zeiten seines Großvaters und sein Büchlein über Zinnsoldaten wird jetzt noch von Sammlern und Kennern als die „spanische Bibel” hinsichtlich der Materie beschrieben.
Was José Manuel und mich betrifft: Es gibt den Spruch, man muss im Leben ein Kind in die Welt setzen, einen Baum anpflanzen und ein Buch schreiben. Sowohl er als auch ich haben nicht nur mehrere Bäume angepflanzt und mehrere Bücher geschrieben, der Kindersegen jedoch wurde uns leider verwehrt. Doch kann ich aus ganzem Herzen sagen, dass ich jedem Ehepaar eine solch´ glückliche Ehe wünsche, wie sie uns zuteil wurde.
Ursula de Allendesalazar, Spanien im Herbst 2023
10.000 Stunden Mautner Markhof
/in Allgemein /von Beate HemmerleinEin Projekt dieses Ausmaßes – gemeint ist die vorliegende Website – kann man nicht alleine mit konzeptivem Know how, kreativer Stärke, Arbeitswillen und Durchhaltevermögen bewältigen. Es ist die Seele eines Werkes, die seine Vollkommenheit ausmacht – und ich hatte gute Begleiter, die es mir ermöglicht haben, dieses Werk mit Seele zu vollbringen. Jeder für sich hat mich immer wieder bestärkt und motiviert – jeder auf seine Art und Weise; manche aktiv, manche aus dem Gendenken heraus, manche punktuell, manche stetig. Sie sind es, deren Beitrag ich nicht ungewürdigt lassen möchte:
Für Adolf Ignaz
Dessen Pioniergeist, Fleiß und Wille (wie passend sein Wahlspruch zum Wappen) im Zeitraum eines nur halben Menschenlebens Unglaubliches für Generationen hinweg ermöglichten. Ein Selfmade-Mann mit dem Herz am rechten Fleck, dessen Andenken es gilt weit über soziale Errungenschaften hinaus zu würdigen und dessen Biographie – so wie ich hoffe – all seinen Nachfahren die Motivation gibt, sich nicht nur auf eventuelle ererbte gesellschaftliche Privilegien zu beschränken.
Für Carl Ferdinand
Der mich innerlich rührte. Als Knabe, in jungen Jahren und noch einfachen Verhältnissen bereits für die Familie sorgend, als junger Erwachsener pflichtbewusst den vorbestimmten Weg an der Seite seines Vaters beschreitend, als gereifter Mann sich gezwungen sah, den Freitod zu wählen. Und dies mit der so einfachen berührenden letzten Bitte um Vergebung, ihm dennoch die Sterbesakramente nicht zu verweigern.
Für Victor
Den ich im vorliegenden dynastischen Kontext als erfrischend herausleuchtend empfinde. Nicht auf sozialen Aufstieg durch Heirat bedacht, kinderlos geblieben, den schönen Künsten und individueller Lebensfreude zugetan kann ich nicht umhin, dass dieser historische belegte heitere und angenehme Zeitgenosse, Bruder und Onkel mir immer wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubert.
Für Manfred II.
Im Gedenken an den lieben Herrn Professor, der mir ausnahmslos freundlich und wohlwollend gegenübergetreten ist und sein Büro an der Seilerstätte bei Bedarf immer mit mir geteilt hat. Nie werde ich auch unsere letzte Begegnung im Lift am Stubenring vergessen.
Für Uki
Der Liebevollen und Sorgsamen, deren Herzensbildung und Gesinnung einer Nachfahrin von Adolf Ignaz mehr als würdig genannt werden darf. Selbst Schriftstellerin, hat sie dafür gesorgt, dass viel Wertvolles erhalten bleibt und konnte auch so manche ausführliche Schilderung noch aus vielen eigenen Erinnerungen beisteuern.
Für Viktor
Den besten, korrektesten und zuverlässigsten Partner, den man sich nur wünschen kann und der niemals Zeit und Mühe gescheut hat, um mit seinen detailgenauen Recherchen das Projekt auf den inhaltlich hochwertigen Stand zu bringen, den wir mit dieser Website präsentieren können.
Für Abi & Rike
Die mit so viel Engagement und Hingabe ihr Erbe durchforsten und in vieler Nächte Arbeit unermüdlich recherchieren, scannen und transkribieren. Dank ihnen konnte auch – aber nicht nur – die Linie Reininghaus wieder zum Leben erweckt werden!
Für Theodor Heinrich
Der mich zu Beginn des Jahres 2017 auf diese historische Reise schickte, die mich nicht nur durch einen großen Teil österreichischer Geschichte geführt hat, sondern auch endlich all die Erzählungen verstehen ließ, denen ich während der vergangenen drei Jahrzehnte – mehr zusammenhanglos – gelauscht hatte. Einzig seiner Vision, Tatkraft und Großzügigkeit ist es zu verdanken, dass all das, das einst in Böhmen mit Adolf Ignaz seinen Anfang genommen hat und in den 1990er Jahren von Georg (IV.) J. E. aufgegriffen wurde, seinen Weg aus den Papierarchiven finden konnte und durch den Einsatz zeitgemäßer Medien auch künftigen Generationen weltweit erhalten bleiben kann.
10.000 Stunden Mautner Markhof – möge die spannende Reise noch viele Stunden Mautner Markhof mehr bringen.
Die Weitergabe des Feuers
/in Allgemein /von Theodor Heinrich Mautner MarkhofDie Geschichte des Hauses Mautner Markhof ist eine Geschichte vieler Schicksale. Eine Geschichte von Tradition, von Erfolgen und natürlich auch von Rückschlägen. Herausragend sind die Pioniere, die mit Leidenschaft ihre Visionen verfolgten und so auch die Gesellschaft der jeweiligen Zeit mit beeinflussten, manche davon nachhaltig.
Familie kann man sich nicht aussuchen, wie es so schön heißt, das gilt natürlich auch für jeden von uns, mit allen Vor- und Nachteilen. Das, was das Haus Mautner Markhof jedoch all seinen Mitgliedern und Nachkommen mitzugeben vermag, ist die Gewissheit, dass mit Hingabe, Engagement, Glauben, Willen und Durchhaltevermögen alle Träume, Wünsche und Vorstellungen realisierbar sind.
Adolf Ignaz war mutig, fortschrittlich, kreativ und wegweisend. Er hat erschaffen, hat bewirkt, gestaltet, hervorgebracht und – vor allem anderen – hatte das Herz am rechten Fleck. Seinen Geist zu bewahren, bedeutet also vielmehr nicht nur Nutznießer materieller und gesellschaftlicher Werte zu sein, sondern couragiert neue Wege zu beschreiten, an sich zu glauben und eigene richtungsweisende Ideen und Projekte ins Leben zu rufen.
“Innovate don´t imitate“ – oder um es mit Gustav Mahlers Worten zu sagen „Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche“.
Um nun dies auch zu ermöglichen und allen Familienmitgliedern, wo sie auch sein mögen, ihre Wurzeln zu erhalten, habe ich im Zeitalter der neuen Medien die Gelegenheit ergriffen ihre Möglichkeiten zu nutzen und den Grundstein dazu im Rahmen der Internetseite gelegt. Ich wünsche und hoffe, dass sich in jeder kommenden Generation ein paar Nachkommen finden, die das weiterführen, was mein Bruder Manfred Leo, mein Cousin Viktor und ich initiiert haben und somit das erhalten, was Adolf Ignaz so herausragend begonnen hat.
Verfasst von Theodor Heinrich Mautner Markhof
Familientreffen Reininghaus / Juni 1982
/in Reininghaus/Linie 1 /von Albrecht ReininghausGedenktag für Therese v. Reininghaus
Anlässlich des 150. Geburtstags von Therese v. Reininghaus (4. Mai 1982) fand im Juni 1982 ein Gedenktreffen der Familie in Graz statt. Ihr Urenkel Johann „Hansi“ Urbanski v. Ostrymiecz, Enkel ihrer Tochter Adele v. Hebra, und seine Frau Silvia hatten dazu geladen.
Das umfangreiche Programm führte die Gäste zu den Familiengräbern, den ehemaligen Reininghaus-Wohnsitzen und zum Brauereigelände. Begonnen wurde mit einer Andacht auf dem Evangelischen Friedhof St. Peter, gefolgt vom Besuch des Metahofes in der Babenbergerstraße 14, an dem laut Einladung „die älteren Vettern, die ihn noch in vollem Glanz erlebt haben, von den alten Tagen erzählten“. Danach fuhren die zahlreich erschienenen Verwandten weiter zur Brauerei nach Steinfeld und zum Hardter Schlössl in der Gemeinde Thal, „wo wieder ein Bild der schönen alten Zeit vermittelt werden sollte“. Für den Ausklang auf der Marhof-Wiese in Thal hatte Hansi Urbanski eine kleine Erinnerungsausstellung vorbereitet. Anschließend spielte die Thaler Dorfmusik ein Gedächtnisständchen. Und wer weiß, vielleicht hatte Therese ja ihre schützende Hand über die Familie gehalten, denn den ganzen Tag über war wunderschönster Sonnenschein.
Fotos: Dieter Reininghaus
Trauungsregister / Sterberegister der Familien Mautner Markhof und Reininghaus
/in Familienchronik /von Ulrike ReininghausWas Kirchenbücher offenbaren
Im Rahmen meiner „Dauerrecherche“ für diese Webseite konnte ich die Nachrufe und Parten aus dem Zeitungsarchiv der ÖNB mit Details zu den Einsegnungen endlich für eine gezielte Suche nach Sterbeeinträgen bei Matricula Online nutzen. Als ehemalige Krankenschwester hatte ich außerdem schon immer eine berufsbedingte Neugier was Todesursachen betrifft. Mit der Ortsinformation „Dom- und Metropolkirche zum Heiligen Stefan“ aus dem Nachruf des Wiener Salonblatts für Adolf Ignaz Mautner v. Markhof war es dann nicht mehr weit zu seinem Kirchenbuch-Sterbeeintrag, inklusive der Todesursache „Herzlähmung“. Allerdings musste ich meine Kenntnisse im Entziffern der häufig fast unleserlichen Kurrent und Sütterlin Handschriften erheblich auffrischen. Und so hangelte ich mich weiter durch die digitalisierte Vergangenheit, von seinem Eintrag zu dem seiner Ehefrau, weiter zu deren Kindern sowie zu den Taufen, Trauungen und Sterbeeinträgen vieler weiterer Familienmitglieder. Es fanden sich auch Einträge von Kindern, die leider schon vor dem ersten Lebensjahr verstorben waren, deren Namen bislang aber nicht offiziell dokumentiert wurden.
Interessant sind außerdem die kleinen Infos und später eingefügten Anmerkungen, die viele dieser Matrikelverzeichnisse enthalten – Adressen, Konfessionen, Erläuterungen zu Adelsprädikaten und Namensführungen, Kirchenaustritte, Originalunterschriften von Paten und „Beiständen“, Testamentshinterlegungen, Berufsbezeichnungen, Großjährigkeitserklärungen für minderjährige Bräute, die Auswahl der Babynamen anhand der Paten etc.
Einige Beispiele:
Besonders zwischen den Familien Mautner und Reininghaus gab es für die vielen neugeborenen Kinder einen regen Austausch an Patenonkeln und -tanten, woraus eine Häufigkeit bestimmter Namen resultierte, teilweise als Zweit- oder Drittnennung. Die zuständigen Kirchenpersonen machten bei den Eintragungen jedoch gerne mal kleine Fehler – am häufigsten schrieben sie Karl statt Carl und Viktor statt Victor. Die Adelstitel wurden oft nachträglich ergänzt, inklusive umfassender Erläuterungen zur Verleihung der Adelsprädikate an die jeweiligen Väter oder Großväter.
Soweit als Anmerkungen in den Taufeinträgen verzeichnet, gab es damals schon Austritte aus der katholischen Kirche: Carl Reininghaus, Hans v. Reininghaus und Georg II. Anton Mautner v. Markhof, gefolgt von seinen Söhnen Georg III. und Gustav I. Mautner v. Markhof. Georg III. (Buwa) trat ein halbes Jahr vor seiner zweiten Ehe 1937 wieder ein, während Hans v. Reininghaus 1945 zum dritten Mal standesamtlich heiratete, in Graz.
Das Schicksal früh verstorbener Kinder traf leider viele Eltern, darunter gleich beide Reininghaus-Brüder. Johann Peter und Therese bekamen 1861 zwischen den Zwillingen Emma/Martha und Sohn Hugo noch eine Tochter namens Margaretha, die mit 9 Monaten an Meningitis starb, während Julius und Emilie Reininghaus den Tod ihres nur 5 Monate alten dritten Kindes durch „Atemlähmung“ verkraften mussten. Ein Jahr später kam Sohn Fritz auf die Welt. Man findet die Inschriften „Unser liebes Gretchen“ und „Unsere liebe kleine Gabriele“ im Kapellenbau „Familie Reininghaus“ auf dem Grazer Friedhof St. Peter. Auch Carl Ferdinand Mautner v. Markhof und seine zweite Frau Editha waren betroffen – ihr erstes Kind kam 1875 „totgeboren“ auf die Welt. In der damaligen Zeit für Carl Ferdinand wahrscheinlich umso tragischer, weil es ein Sohn war. Hatte er doch aus seiner ersten Ehe 6 Töchter und bislang mit Victor „nur“ einen männlichen Nachkommen und bekam danach mit Editha 3 weitere Töchter. August Mautner v. Markhofs erster Sohn überlebte übrigens nur 4 Wochen.
So abenteuerlich Todesursachen wie „Hirnschlagfluss“ oder „Zungenentartung“ auch klingen mögen, machen sie einen eher nachdenklich bis traurig, wenn man bedenkt, dass die „Zuckerharnruhr“ von Georg I. Heinrich Mautner v. Markhof nichts anderes war als Diabetes und ihm heute wohl ein bisschen Insulin und ein paar Ernährungstipps geholfen hätten älter als 63 Jahre zu werden. Für andere Vorfahren kamen dagegen Antibiotika, Chemotherapie, Blutdrucksenker und Betablocker zu spät. So kollabierte Helene, die Witwe von Victor Mautner v. Markhof, mit 59 Jahren filmreif im Foyer des Wiener Opernkinos und starb noch vor Ort, was laut Sterbeeintrag durch „Herzfleischentartung/Herzklappenfehler“ verursacht worden sein soll. Leider gab es auch diverse Suizide, darunter den Fenstersturz von August Mautner v. Markhof im Alter von nur 40 Jahren, im Sterbebuch bekanntermaßen als „Hirnlähmung“ getarnt, während man bei seinem Bruder Carl Ferdinand schonungslos „Selbstmord durch Erschießen“ eintrug. Die gleiche Art zu sterben wählte auch der junge Oskar, Ludwig Mautner v. Markhofs zweiter Sohn aus dritter Ehe. Tragischer Weise erschoss dieser sich mit 14 Jahren, ausgerechnet „am öffentlichen Klosett“ am Graben, der laut wien.info „ersten und mit Abstand schönsten im Jugendstil errichteten unterirdischen Bedürfnisanstalt der Stadt“. Sein alter Vater starb ein Jahr später mit 82 Jahren, ganz unspektakulär an „Gefäßverkalkung“.
Fazit:
Bei der beachtlichen Größe der Familie ist ein Ende dieser Recherche nicht abzusehen. Die Digitalisierung der Kirchenbücher läuft weiter und es ist zu hoffen, dass zukünftig auch die Evangelische Kirche und noch viele andere Institutionen im In- und Ausland mit ihren Dokumenten nachziehen, sodass noch mehr Informationen aus den Tiefen der Vergangenheit auftauchen.
Trauungsregister der Familien Mautner Markhof und Reininghaus
Sterberegister der Familien Mautner Markhof und Reininghaus
Übertritt der Familie Mautner zum katholischen Glauben
/in Familienchronik /von Ulrike ReininghausDer Übertritt der Familie Mautner (damals noch ohne das Prädikat „von Markhof“) zum katholischen Glauben erfolgte am 18. April 1846, wie die Taufbuch-Einträge der römisch-katholischen Pfarrkirche Maria Geburt in Wien zeigen. Da diese Kirche damals auch für das ehemalige Waisenhaus im 3. Wiener Gemeindebezirk Landstraße zuständig war, wurde sie „Waisenhauskirche“ genannt. Adolf Ignaz und Julie Marceline hatten zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre in Wien gelebt und waren 44 bzw. 34 Jahre alt. Ihre älteste Tochter Therese stand kurz vor ihrem 14. Geburtstag, Carl Ferdinand war 12, Ludwig 10 und Maria 9 Jahre alt, Emilie feierte einen Tag zuvor ihren 8. Geburtstag, Georg I. Heinrich war fast 6, Eleonora 4, August fast 3 und Coelestine ein Jahr alt. Das zehnte Kind, Johanna, kam erst zwei Jahre später zur Welt. Sie ist die einzige in der Familie, in deren Taufbuch-Eintrag schon bei der Geburt ein Strichlein bei „Religion Katholisch“ gemacht wurde. Nach den Eltern wurden zuerst die Söhne, dann die Töchter eingeschrieben.
Die genannte Wohnadresse der Familie war St. Marx, damals noch Bürgerversorgungshaus der Stadt Wien: „Versorgungsbedürftige Bürger und deren Angehörige wurden ab 1785 aus dem Bürgerspital nach St. Marx überstellt. Das nunmehrige Bürgerversorgungshaus wurde vom Spitalamt geleitet und über den neu geschaffenen Bürgerspitalfonds finanziert. Wie viele damalige Fürsorgeeinrichtungen verfügte auch St. Marx über einen eigenen Wirtschaftsbetrieb (Wälder, Äcker, Wiesen, Gärten, Weingärten, Brauhaus untertänige Häuser usw.). Das Areal samt Brauhaus von St. Marx erwarb 1857 der Bierbrauer Adolf Ignaz Mautner, der das Brauhaus schon früher gepachtet hatte. Ab dieser Zeit erfolgte die Umgestaltung der gesamten Realität, die sich zu einer der größten Bierbrauereien Österreichs entwickelte.“ Quelle: „Wien Geschichte Wiki“ des Wiener Stadt- und Landesarchivs und der Wienbibliothek / St. Marx – vom Siechhaus zur Erfolgsbrauerei
Auch die „Pathen“ und ihre „Character/Condition“, die man in den Taufeinträgen findet, haben größtenteils Bezug zum Bürgerversorgungshaus. Den Söhnen wurden Amtsdirektoren, Verwalter und Ärzte zugeordnet, den Töchtern meistens deren Ehefrauen – allerdings bekam Maria Seraphine als Patin eine Erzieherin der Mautner-Familie. Adolf Ignaz wählte für sich selbst den aus Mähren stammenden k. k. Regierungsrat und damaligen Wiener Bürgermeister Ignaz Czapka Ritter von Winstetten.
Der damalige Prozess des Konvertierens zum Christentum und zum Erhalt der Taufbewilligungen wird hier ausführlich beschrieben: „Wesentlich einfacher und klarer waren die Regelungen bei Erwachsenen. Zunächst einmal war man frei in der Wahl seiner Taufpfarre, man war hier durchaus nicht an die Pfarre gebunden, in deren Pfarrsprengel man wohnte, auch musste man nicht in jener Pfarre getauft werden, in welcher man den vorgeschriebenen Religionsunterricht erhalten hatte. Es war vorgesehen, dass man zunächst einmal bei einem Priester vorsprach. Hatte man diesen von der Lauterkeit seines Vorhabens überzeugt, dann folgte ein – zumeist sechswöchiger – Religionsunterricht. Die Vorbereitungszeit konnte sich erheblich verkürzen, wenn der „Taufwerber“ bereits als Kind in der Schule den katholischen Religionsunterricht besucht hatte, andererseits konnte der vorbereitende Unterricht auch wesentlich länger dauern. Sobald der unterrichtende Priester der Überzeugung war, sein Täufling sei nun hinlänglich für die Taufe vorbereitet, so stellte er ein Taufgesuch, gerichtet an das fürsterzbischöfliche Consistorium bzw. Ordinariat. Bis zum Jahr 1848 hatte noch vor der kirchlichen Taufbewilligung eine staatliche Genehmigung zur Taufe eingeholt zu werden: In einem knappen Ansuchen – in den 1840er Jahren gab es bereits Sammelgesuche auf vorgedruckten Formularen – wurden nun die persönlichen Daten des Täuflings an die Niederösterreichische Regierung übermittelt, welche ihrerseits die Polizei-Oberdirektion beauftragte, diese Angaben zu prüfen. Fiel die Untersuchung zur allgemeinen Zufriedenheit aus, so wurde von der Landesstelle die Genehmigung zur Taufe erteilt. Erst nach dieser staatlichen Genehmigung durfte kirchlicherseits das Taufgesuch des unterrichtenden Priesters bewilligt werden. Dieses doppelte Verfahren kam einem Einbürgerungsverfahren gleich, ein Konvertit galt nicht mehr als Fremder, war als solcher nicht mehr den Polizeigesetzen für Juden unterworfen: Keine Toleranzsteuer (für die Aufenthaltsgenehmigung in Wien) war mehr zu leisten, es gab keine Berufsbeschränkungen mehr, die Kinder hatten freien Hochschulzugang, man war „besitzfähig“ wie alle anderen Bewohner. Konvertiten wurde im Jahr 1826 zudem noch ein berechtigter Anspruch auf Namensänderung eingeräumt, um ihre weitere soziale Integration zu erleichtern. Namensänderungen waren auch zuvor möglich, kamen jedoch in Wien viel seltener vor als allgemein angenommen wird. Nach dem Jahr 1848 brauchte nur mehr im Fall einer mit der Taufe verbundenen Namensänderung eine staatliche Genehmigung eingeholt zu werden.“ Quelle: Jüdische Konvertiten in Wien 1782 – 1914, Anna L. Staudacher, 2006, Ein Projekt an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beim Institut ÖBL, Österreichisches Biographisches Lexikon
Taufbucheinträge der Familie Mautner Markhof
Taufbucheinträge der Familie Reininghaus
„The Brijuni Walks“ / Bildband über Brioni
/in Allgemein /von Theodor Heinrich Mautner MarkhofWunderbarer Bildband über alle Motive, die Brioni zu bieten hat. Fotografiert in einzigartiger Weise, mit dem Auge des Liebhabers, der die wahre Schönheit seiner Seele zu entdecken versteht.
Das über 200 Seiten starke Buch ist mit der ISBN-Nr.: ISBN 978-953-50628-0-6 in Kroatischer und Englischer Sprache im Eigenverlag erschienen. Kontakt
„Wir haben vor kurzem ein halbes Jahrhundert Ehe gefeiert, eine ganz andere Art von Ehe, denn das Leben eines hyperaktiven Englischlehrers und Autors und eines Philosophen passt kaum in den typischen Rahmen eines normalen Familienlebens. Wir haben uns in das Gebiet der Kunst (wir haben einige Jahre lang gemalt und weltberühmte Galerien besucht) und der klassischen Musik und Literatur (wir hatten beide Deutsch studiert) „eingeklinkt“. All diese Bereiche haben wir leidenschaftlich verfolgt und ihnen viel Zeit gewidmet. Was uns jedoch näher zusammenbrachte, war unsere gemeinsame Faszination für die Brijuni-Inseln, die mit jedem Jahr tiefer und reicher wurde. Wir hoffen, dass Ihnen dieser andere Blickwinkel auf Veli Brijun gefällt, den wir, die wir die Insel bewundern, für dieses Buch gewählt haben. Die Insel ist unsere zweite Heimat, auf der wir über drei Jahrzehnte hinweg insgesamt etwa zwei Jahre verbracht haben. Sie hat unser Leben sehr verändert und viel Freude bereitet. Kurz gesagt, sie wurde zu unserem Paradies. Und – wie Sie wahrscheinlich wissen, liegt das Paradies im Auge des Betrachters.“ Višnja & Marijan Anić
Als Višnja & Marijan Anić im Jahr 2002 Manfred II. Mautner Markhof auf der Insel kennen lernten, überreichten sie ihm zwei Exemplare ihres erstes Brijuni Buches. Eines wurde von ihm an den kroatischen Präsidenten Mesić übergeben, das zweite an den damals amtierenden österreichischen, Dr. Thomas Klestil. „Brijuni through the Camera of an Admirer“ war indirekt Paul Kupelwieser – oder vielmehr „den mutigen Visionären, die seine Eigenschaften besitzen“ – gewidmet. Kontakt
Memoiren des Hans Bertele von Grenadenberg
/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinDipl. Ing., Dr. Techn., em. O. Prof. der techn. Universität Wien Hans Bertele von Grenadenberg (*Görz 2.7.1903 / †Stockton-on-Tees 3.7.1984) war Ehemann von Marceline Mautner von Markhof (siehe auch „Hans und Marceline Bertele v. Grenadenberg – der Beginn einer großen Liebe“) sowie Schwiegersohn von Georg II. Anton und Emilie „Emy“ Reininghaus sowie Schwager von Georg III. „Buwa“ Mautner Markhof. Er war renommierter Elektrotechniker sowie leidenschaftlicher Uhrensammler und hatte sich auch als Uhrenhistoriker einen internationalen Namen gemacht.
Curriculum Vitae
Die Niederschrift seiner Lebenserinnerungen wurde von seiner Tochter Ursula Bertele de Allendesalazar zur Verfügung gestellt und ist dahingehend aufbereitet, dass es dem ausschließlich an der Familiengeschichte interessierten Leser mühelos gelingen soll, die entsprechenden Passagen zu finden; sie sind im gesamten Text GELB markiert. Das Manuskript wird in den vom Verfasser selbst gewählten Zeitabschnitten seines Lebens veröffentlicht.
Ursula Bertele v. Grenadenberg und José Manuel
/in Georg II. Anton Mautner von Markhof /von Beate HemmerleinUrsula Bertele von Grenadenberg Mautner von Markhof de Allendesalazar, schlichtweg „Ucki“, wie die liebenswürdige, bescheidene, lebens- und reiselustige Dame seit ihrer Kindheit von Familie und Freunden genannt wird, wurde als das sechste von sieben Kindern der Marceline Mautner v. Markhof und des Hans Bertele v. Grenadenberg am 7.12.1941 in Berlin geboren. Aufgrund der Kriegswirren wuchs sie die ersten Jahre bei ihrer Großmutter Emilie „Emy“ Mautner v. Markhof unter der Obhut des Kindermädchens Nana in Gaaden auf, bevor sie im August 1947 mit ihren Eltern nach England emigrierte, wo sie den Rest ihrer Kindheit und Jugend verbrachte. 1960 übersiedelte die Familie zurück nach Wien, wo sie den Familiensitz von Adolf Ignaz am Franziskanerplatz bezog. Nachdem sie im Dezember 1965 ihren spanischen Mann geehelicht hatte, begannen für sie viele Jahrzehnte des Reisens, die sie als Diplomatengattin in verschiedene Länder führten. Immer interessiert an den unterschiedlichsten Themen, verfasste sie über die Jahre hinweg vier Bücher in vier Sprachen. Ucki lebt seit dem Ableben ihres Mannes im Jahr 2008 vorwiegend in Madrid und Sepúlveda/Spanien. In der Folge erzählt Ucki über José Manuel und ihr gemeinsames Leben.
Es bereitet mir Freude, dass man mich gebeten hat über das Leben meines Mannes – und so auch zu einem Teil über das meine – zu berichten. Doch stelle ich fest, dass es keine leichte Aufgabe ist, das genau richtige Maß zwischen Zärtlichkeit und Sachlichkeit zu treffen.
José Manuel stammte von einer alteingesessenen Familie aus Guernica im Baskenland ab. Sein Großvater, Manuel Allendesalazar Muñoz de Salazar (1856 – 1923) war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein bedeutender Politiker und mehrfacher Minister sowie zweimaliger Ministerpräsident konservativer Regierungen gewesen. Sein Vater Andrés Allendesalazar, mit fast fünfzig Jahren bereits verwitwet und mit zwei Kindern gesegnet, heiratete ein weiteres Mal und so erblickte José Manuel noch knapp vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges, am 3.3.1935, das Licht der Welt. Kurz darauf gelangte sein Vater in die Gefangenschaft der Republikaner. José Manuel überlebte, im Garten des etwas entlegenen Familienbesitzes und unter dem zusätzlichen Schutz des Leibes seiner Mutter Carmen Loyzaga die Bombardierung von Guernica, die am 26. April 1937 stattfand. Noch vor Ende des Bürgerkriegs entkam sein Vater der Gefangenschaft und die Familie übersiedelte vorläufig nach Sevilla.
Als sich das Leben im verwüsteten Spanien dann langsam zusehends beruhigt hatte, nahm die Familie wieder ihren gewohnten Lebensrhythmus auf: die Sommer wurden in Guernica verbracht, der Rest des Jahres in Madrid. José Manuel wurde von einem Hauslehrer privat unterrichtet. Ein paar Jahre später übersiedelte man von Madrid nach San Sebastián. Eine von José Manuels schönsten Erinnerungen war es, von der Wohnung, welche direkt an einer Anhöhe oberhalb der herrlichen Bucht von San Sebastián lag, auf den berühmten Strand La Concha zu blicken. Trotz seiner Vorliebe für diese Wohnung, in der er sogar ein ganzes Zimmer, in dem er seine Zinnsoldaten-Sammlung aufstellen konnte, für sich alleine hatte, kam bereits dem elfjährigen Buben das allzu sehr verhätschelte Leben mit den so lieben aber ihm uralt vorkommenden Eltern und dem Hauslehrer zu eingeschränkt vor. Er wollte unbedingt wie alle Gleichaltrigen eine Schule besuchen. Nur mit Mühe konnte er dies durchsetzen. Und so begann für ihn ein neues Leben: im Jesuiten Gymnasium in San Sebastián. Zwar hatte er damit einen großen Sieg errungen, doch zu seinem ebenso großen Leidwesen zog die Familie daraufhin in eine andere Wohnung in der Innenstadt. 1952, nach bestandener Matura übersiedelte die Familie nach Madrid, da sich José Manuel für das fünfjährige Jus Studium entschieden hatte. Die drei Sommermonate wurden wie immer in Guernica verbracht, aber José Manuel zog es bereits damals auch in die Ferne. In Frankreich bereiste er Pau, La Rochelle und Paris um seine Sprachkenntnisse zu verbessern, später aus demselben Grund auch London und Dublin. Da er sich dazu entschlossen nach der Beendigung der Universität Diplomat zu werden, standen ihm eine Reihe sehr heftiger Prüfungen bevor, deren wichtiger Bestandteil auch Fremdsprachen waren.
Den Entschluss Diplomat zu werden hatte er nicht leicht gefasst, denn aufgrund seiner Liebe zu den Zinnsoldaten hätte er am liebsten eine Offizierslaufbahn eingeschlagen. Nur sehr langsam war er von dieser Idee abgekommen. Ab seinem 21. Lebensjahr absolvierte er zwei ganze Sommer hindurch seinen Militärdienst, da der Dienst für Studenten vorzugsweise auf 6 Monate beschränkt war. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Jus Studiums begann das Büffeln für die Staatsprüfung zur Aufnahme in die Diplomatische Akademie. Für die bevorstehende Prüfung des Jahres 1959 fand er sich genügend vorbereitet und trat – als einer von hunderten Anwärtern, die sich für ca. zwanzig Stellen beworben hatten – an. Er bestand nicht. Glücklicherweise für mich, wie sich ein wenig später herausstellen sollte. Doch diese Prüfung des Jahrgangs 1959 hatte auch verhängnisvolle Folgen. Mehrere der zwanzig aufgenommenen Kandidaten waren völlig unzulänglich vorbereitet gewesen und nur als Söhne oder Neffen von dem einen oder anderen Minister oder sonstiger einflussreicher Persönlichkeit durch Protektion durchgekommen. Es gab einen Skandal und als Franco davon erfuhr, geriet er in solche Wut, dass er die diesbezügliche Staatsprüfung einfach auf „unbestimmte“ Zeit einstellen ließ. Auf unbestimmte Zeit? Auf ganze vier Jahre! Die armseligen, hoffnungsvollen Kandidaten bereiteten sich jedes darauffolgende Jahr wiederholt auf diese Prüfung vor, die dann aber doch nicht stattgefunden hatte. José Manuels Eltern wollten ihm in dieser Zeit dazu verhelfen in einer der großen Banken von Bilbao unterzukommen, aber ihm war es aus eigener Kraft gelungen, eine Stellung in der Staatsverwaltung zu erlangen. Trotzdem studierte er immer brav weiter und nahm nun auch selbst Schüler auf. 1963 endlich wurde die so heiß ersehnte Staatsprüfung wieder angekündigt und José Manuel wurde mit dem zweitbesten Notendurchschnitt aufgenommen. Nach diesem Erfolg konnte der Sommer überglücklich mit endlosen Feiern begonnen werden und José Manuel kreiste munter mit seinem kleinen alten Seat 600 (spanischer Fiat), den er sich von seinen Ersparnissen nach neu erworbenem Führerschein gekauft hatte, durch die Gegend. Ende August hatte er zwei von seinen frisch gebackenen Diplomaten-Kollegen auf ein paar Tage nach Guernica eingeladen. Einer von ihnen schlug vor: “Fahren wir doch nach Santander. Dort, bei der dafür bekannten Sommeruniversität für Ausländer ist es recht lustig mit Schwedinnen und sonstigen hübschen jungen Mädchen anzubandeln.” “Setzt mich in Santander ab und versucht ihr zwei nur euer Glück,” meinte dazu einer der beiden Freunde, der ja von dort stammte.
Zu diesem Zeitpunkt war ich, gemeinsam mit einer Wiener Freundin, gerade für zwei Monate bei besagter Universität gelandet und entsprechend eines der hübschen Mädchen zum „Anbandeln“. Wir beide hatten am Dolmetsch Institut der Wiener Philosophischen Fakultät inskribiert und es noch nicht sehr weit gebracht. Bei den für uns verpflichtenden Philosophie Vorlesungen, begegnete ich manchmal auch meinem Onkel „Buwa“ Georg III. MM, der damals gerade seinen dritten Doktor machte. Besagte Freundin besaß einen kleinen roten Volkswagen, in dem wir Ende Juni 1963 munter “ins Blaue“ abfuhren. Doch nicht zu einem immer blauen spanischen Himmel, wie sich herausstellen sollte. Den ganzen Sommer hindurch regnete es fast ununterbrochen. Ich hatte ab August in eine private Unterkunft abseits der Universitätsherberge gewechselt, pflegte aber weiterhin netten Kontakt mit vielen der dortigen Studentinnen und besuchte sie noch öfters in der Herberge auf der kleinen Insel, untergebracht in den früheren königlichen Stallungen des ganz nahe gelegenen Schlosses. Trotz des Regens – hatte mich meine Jugend in England diesbezüglich ja abgehärtet – ging ich dort auch oft schwimmen. So auch am 23. August, als mich eine meiner schwedischen Freundinnen im Hof zur Seite nahm: “Du, würdest du mir einen Gefallen tun? Agneta und ich sind morgen mit zwei jungen Spaniern – angehende Diplomaten – verabredet, aber sie ist jetzt krank und kann nicht mitkommen. Ich will die jungen Männer nicht enttäuschen, wenn sie morgen nur eine Verabredung hier vorfinden.” Ich antwortete, dass es mir leid täte, ich aber bereits anderswertig verplant sei. Doch die Schwedin ließ nicht locker: “Aber es ist nicht am Abend, sondern für den Nachmittag. Sie haben vorgeschlagen hinüber nach Pedreña zum Golfplatz zu fahren und dort im Clubhaus einen Kaffee zu nehmen.” “Du ja, das ginge sich aus. Also bis morgen.” Weder José Manuel noch ich waren bei dieser ersten Begegnung von einander besonders eingenommen. Nach dem Golfclub waren wir vier dann noch im Hafen von Santander gegrillte Sardinen essen. Eine davon fiel mir vom Brot herunter, zuerst auf meine Bluse, dann auf meinen Rock und hinterließ dabei riesige unansehnliche Flecken. Insgesamt kein schöner Anblick. Adiós, adiós…
Aus unserem geplant zweimonatigen Aufenthalt wurden für meine Freundin und mich eineinhalb Jahre. Wir hatten uns in Madrid auf ein Abenteuer eingelassen: Im Zuge der nun rasch wieder aufblühenden spanischen Wirtschaft wurden uns – beide waren wir jeweils dreier bis vier Fremdsprachen kundig – bei der deutschen Handelskammer die Aufträge nur so nachgeworfen.
Und nun wieder zurück zu José Manuel. Er hatte noch zwei Jahre Studium an der Akademie vor sich, bevor er als vollwertiger Diplomat in die Ferne ausrücken konnte. Als zusätzliche Fremdsprache hatte er Russisch gewählt. Bereits 28 Jahre alt, war er bei den Eltern ausgezogen und wohnte in einer Studentenherberge. Wir trafen uns wieder, noch im selben Jahr, ganz zufällig auf einer Party. Und danach immer öfters. Die Weihnachtstage der Jahre 1963 und 1964 verbrachte ich zu Hause bei den Eltern in Wien. Beim zweiten Fest sah meine Mutter liebevoll zu, wie ich eifrig an einem großen dunkelgrünen Pullover strickte. Zu recht hatte sie etwas geahnt. Wie es scheint hat der Pullover gefallen, denn am darauffolgenden 16. Jänner 1965 konnte ich ihr berichten: “Mutti, wir haben uns verlobt!” Die meisten Kollegen José Manuels Jahrgangs wurden schon im Juni, gleich bei Abschluss des Studiums, ins Ausland versetzt. Nur die ersten fünf mit den besten Noten wurden vorläufig im Außenamt behalten. Glücklicherweise unter ihnen auch José Manuel. Unsere Hochzeit am 11. Dezember 1965 am Wiener Franziskanerplatz ist bereits beschrieben. Nach einer kurzen Hochzeitsreise auf die Kanarischen Inseln, zogen wir stolz in unsere kleine nagelneue Madrider Wohnung ein, die ich von den lieben Eltern als Mitgift in die Ehe einbrachte.
Im April 1966 wurde José Manuel mitgeteilt, dass er nach Lima versetzt werde. Wunderschön dachte ich. Furchtbar weit weg, aber ich hatte eine Vorliebe für lateinamerikanische Lieder gewonnen. José Manuel trat seinen neuen Posten als Konsul an und wurde dabei im Rang von einem Sekretär 3. Klasse zu einem 2. Klasse befördert. Wir verbrachten drei sehr schöne, lehrreiche und interessante Jahre in Lima. José Manuel hatte das Glück auf diesem ersten Posten unter zwei hervorragenden Botschaftern zu dienen, etwas, das man nicht hoch genug schätzen kann, denn viel färbt immer von den ersten Kontakten und Eindrücken ab. Immer im Auto unterwegs, machten wir verschiedene große, immer recht abenteuerliche Ausflüge in dem schönen Land. Einmal, noch ziemlich hoch oben in den Anden, kurz vor unserem Ziel Cajamarca, bei pechschwarzer Nacht, hatten wir einen “langsamen” Patschen. Wir hörten wie die Luft – Gott sei Dank nur mühevoll – heraussäuselte. Die Höhe auf der wir uns befanden, die unheimliche Stille und totale Einsamkeit waren mehr als Grund genug in Panik zu verfallen. Der aufrührerische kommunistische “Sendero Luminoso” war damals gerade kurz vor seinem Start. José Manuel hatte sicherheitshalber vorne im Handschuhfach eine Pistole, aber ich glaube nicht, dass er in ihrem Gebrauch sehr geschult war. Die Dunkelheit machte es uns nicht leichter den Reifen zu wechseln und trotz der obligaten Fahrschullehre wussten wir sowieso kaum wie. Dennoch erreichten wir, auf Gott vertrauend und das Beste hoffend, Cajamarca unversehrt.
Im August 1969, kurz nach der Mondlandung, wurde José Manuel nach Washington DC versetzt. In der so optimistischen Zeit für die Amerikaner folgten auch für ihn beruflich äußerst fruchtbare Jahre mit vortrefflichen Botschaftern und Kollegen. DC sollte die größte Botschaft bleiben, der er während seiner Laufbahn diente. Wiederum begann er als Konsul und avancierte während der vier Jahre, die wir in Washington verbrachten, zum Sekretär 1. Klasse. Für mich war es besonders schön mitzuerleben, wie sehr José Manuels Vorgesetzte ihn nicht nur für seine Leistungen, sondern vielmehr auch als Mensch schätzten. Als dann einer der Botschafter, mit dem gemeinsam wir in Lima stationiert gewesen waren, nach Ägypten versetzt wurde, bat er José Manuel mit ihm nach Kairo zu kommen. Obwohl José Manuel auch ihn seinerseits sehr schätzte, lehnte er dankend ab. Das faszinierende Leben und Treiben in Washington war ihm viel zu lieb, als es nach kaum einem Jahr wieder aufzugeben.
Nach Washington wurde er für drei Jahre nach Stockholm berufen. Für alle Mitarbeiter der dortigen Botschaft eine schwierige Position, denn die schwedische Regierung wetterte fortwährend gegen das Franco-Regime und mit dem Außenamt gab es kaum Kontakt. Beinahe jeden Sonntag erschienen Demonstranten vor der Residenz, vor allem chilenische Flüchtige, die nach dem Sturz von Salvador Allende im Jahr 1973 in Schweden aufgenommen worden waren und für den Aufmarsch bezahlt wurden. Nachdem Ministerpräsident Olof Palme, mit Sparbüchse und einem Plakat “Freiheit für Spanien” vor Stockholms größtem Kaufhaus auf und ab gewandert war, zog Spanien den Botschafter aus Schweden ab und José Manuel wurde zum Chargé d’Affaires ernannt. Zu diesem Zeitpunkt jedoch lag er mit einer Rückgratinfektion schwer erkrankt im Spital. Schwedens anerkanntester orthopädischer Chirurg rettete ihm nicht nur das Leben, sondern bewahrte ihn auch vor dem Rollstuhl. Wir beide danken dies Schweden ein Leben lang. Die schwedische Regierung blieb Spanien gegenüber auch über den Tod Francos (20. November 1975) hinaus weiterhin misstrauisch, obwohl José Manuel sein Bestes tat, um das Eis zu brechen. Zum Glück hatte er sich nach dem schweren Eingriff wieder vollkommen erholt, denn es war zwar eine interessante aber doch recht anstrengende Zeit für ihn.
Den Posten des Chargé d’Affaires sollte er bis zu seiner Rückkehr ins Außenamt nach Madrid, Mitte Juni 1976, behalten. Die darauffolgenden neun Jahre blieb José Manuel im Außenamt, in den letzten beiden Jahren leitete er als Generaldirektor die Abteilung für Nordamerika und Pazifik, der er nach seiner Rückkehr zugeteilt worden war. Dazwischen hatte er zwei hektische Jahre in der Presseabteilung verbracht, wo er mitunter auch offizielle Auslandsbesuche von König don Juan Carlos I. und der Königin dona Sofía in situ vorbereitete und an manchen dann auch teilnahm. Dies führte ihn zu einigen Ländern in Süd- und Zentralamerika, nach China und Kanada, nach Belgien und auch zum Staatsbesuch nach Österreich. Zum Opernball, der am Ende des Programms stand, wurde auch ich sehr netterweise eingeladen. Ein wunderschönes Erlebnis, oben in der Mittelloge, mit der Erinnerung an zwei Bälle, die ich in weißem Kleid und mit kleiner Krone unten am Parkett miteröffnet hatte.
Diese neun Jahre in Madrid waren für José Manuel hochinteressant und bildeten einen Höhepunkt seiner Karriere. Sie umfassten die gesamten Jahre, die in Spanien als die Übergangszeit bezeichnet werden und die ersten Jahre der sozialistischen Ministerpräsidentschaft von Felipe González. Als Generaldirektor u. a. für Nordamerika nahm José Manuel einige Male an den Verhandlungen, die González mit der Regierung der Vereinigten Staaten, die damals unter Reagan stand, teil.
1984 wurde er zum außerordentlichen Botschafter ernannt, um Spanien bei der Unabhängigkeitsfeier von Brunei zu repräsentieren. Im selben Jahr wurde er auch zu einem offiziellen Besuch nach Südkorea eingeladen. Mehr als diese paar Details kann ich hier nicht wiedergeben, mehr würde ein ganzes Buch füllen.
Im Jänner 1985 wurde José Manuel zum Botschafter für Schweden ernannt und im darauffolgenden Monat auch zum Botschafter und Leiter der Delegation zur Konferenz für Sicherheit und Abrüstung, die seit Jänner 1984 in Stockholm tagte. So konnte er erst im März seinen neuen Posten antreten, weil darüber hinaus Ende Februar der Staatsbesuch von Naruhito, dem damaligen Kronprinzen von Japan stattfand, dessen Vorbereitung ebenfalls ihm oblag. In Stockholm hatte sich seit seiner letzten Amtszeit die Stimmung gegenüber Spanien verändert. Bald nach José Manuels Ankunft fand der offizielle Besuch von Felipe González statt.
Nach beinahe weiteren fünf Jahren, überfüllt mit vielen denkwürdigen Ereignissen, erwarteten wir täglich die Nachricht seiner Versetzung. Noch Anfang Juni buchten wir einen Charterflug nach Kreta, bei dem man direkt von Stockholm nach Chania flog und dabei über Jugoslawien. Auf dem langen Flug machte jeder von uns beiden, zum Zeitvertreib, eine Liste mit Ländern, in die wir gerne ziehen würden und in welche nicht. Jugoslawien schien dabei nirgends auf, wurde völlig ausgeblendet. Gleich nach unserer Rückkehr von Kreta erfuhren wir von José Manuels Versetzung nach Belgrad und dass er zusätzlich auch als Botschafter für Albanien ernannt worden war.
Jugoslawien. Als José Manuel dort seinen Posten im September 1990 antrat, war das Zerbröckeln des Vielvölkerstaates schon weit vorangeschritten. Eine spanische Ausstellung über die erfolgreiche Übergangszeit des Landes, wurde einige Monate später möglichst weit weg vom belebten Belgrader Zentrum aufgestellt. Sie landete in einem unscheinbaren trostlosen Lokal in Zemun, am anderen Ufer der Save (ehemals Teil von Altösterreich). Neben seinem Antrittsbesuch vor Milošević in Belgrad, war es José Manuel noch gelungen in weiteren drei der insgesamt sechs Teilstaaten einen offiziellen Besuch abzustatten: Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzogowina. Montenegro und Mazedonien waren sich nicht mehr ausgegangen, denn im September 1991 zogen schon die Panzer gegen Kroatien. Am 16. Mai 1992 verließen alle Botschafter der EWG und der Vereinigten Staaten als Protest gegen Milošević Belgrad.
Wir kehrten nach Madrid zurück. José Manuel war weiterhin noch für einige Zeit Botschafter für Albanien, wo er im März des vorangegangenen Jahres seinen Antrittsbesuch gemacht hatte, den man regelrecht als abenteuerlich bezeichnen kann. Insgesamt hatten wir eine Woche in Tirana verbracht. Es war Usus der dortigen Regierung dem jeweiligen Botschafter mitzuteilen, dass Präsident Ramiz Alia ihn ab einem „gewissen Tag“ empfangen würde. Der entsprechende Botschafter fuhr also nach Tirana, wartete vier Tage geduldig auf die Berufung; am fünften Tag ließ er wissen, dass er wegen dringender Geschäfte wieder abreisen müsse. Prompt darauf kam die Antwort, dass man ihn am nächsten Tag empfangen würde… Im Juli 1992 kehrte José Manuel nochmals offiziell nach Albanien zurück, um der Regierung Spaniens Hilfspaket zu übergeben.
Im folgenden Jahr, im April 1993, erhielt José Manuel den hoch interessanten und sehr begehrten Posten des Generalkonsuls in New York City. Dieser wurde zu seinem Lieblingsposten. Nach New York folgten ab August 1998 vier Jahre als Generalkonsul in Frankreich, in Pau, im Südwesten des Landes. Pau, als Hauptstadt der Provinz Pyrénées-Atlantiques, hatte damals im Zusammenhang mit der zeitweiligen französischen Unterstützung der Terroristengruppe ETA politische Schwierigkeiten mit Spanien. Eine hausgemachte Bombe wurde einmal früh morgens vor dem Eingang zum Konsulat gefunden und konnte noch rechtzeitig deaktiviert werden. Nicht ungefährlich, da Konsulat und Residenz im selben Gebäude untergebracht waren und sich das Schlafzimmer des Konsuls oberhalb des Eingangs zum Konsulat befunden hatte. Ansonsten bestand die dortige Arbeit mehrheitlich aus kulturellen Belangen und dem Bestreben die historische Eisenbahnstrecke Pau-Somport–Pyrenäen wieder in Gang zu setzen. Insgesamt waren es vier schöne Jahre, die José Manuels Auslandskarriere beendeten und die Nähe zu Spanien wirkte sich positiv auf das Instandsetzen des zukünftigen Zinnsoldaten-Museums aus.
All die vielen langen Jahre hindurch war der größte Teil seiner schönen Zinnsoldaten-Sammlung zu einem Dornröschenschlaf verurteilt gewesen. In Schuh- und Zigarrenschachteln, sorgsam in Seidenpapier verpackt, wurden sie zuerst im Elternhaus in Guernica verwahrt und dann im Abstellraum des Kellers, den wir gemeinsam mit dem Kauf einer neuen Wohnung in Madrid erworben hatten. Einige Stücke aber führte José Manuel immer mit sich und kaufte auch während diverser Reisen weitere bei Antiquaren in London, Paris und auch Wien ein. 1994 realisierte sich sein Traum. Wir erwarben in der kleinen historischen Stadt Sepúlveda, unweit von Madrid, ein kleines Haus, das der Sammlung als Museum dienen sollte. Nach einer vollkommenen Renovierung 1998 und bald darauf auch mit Vitrinen ausgestattet, war das Gebäude bereit, seine neuen kleinen Bewohner aus Zinn und Blei aufzunehmen. Im März 2005 trat José Manuel seinen Ruhestand an und konnte auf eine interessante und erfüllte Laufbahn zurückblicken. Am 1. Mai 2003 öffnete das Museum erstmals seine Pforten. Ich habe bisher immer von Zinnsoldaten gesprochen aber José Manuel gab dem Museum ausdrücklich den Namen „Museo de figuras de juguetes antiguas“, kurz FiJAS (“Museum alter Spielfiguren”), da rund 30 % der Sammlung aus Zivilfiguren besteht. Es wurde ein schöner Erfolg und von Groß und Klein genossen. José Manuel erfreute sich an ihm bis zu seinem allzu frühen Tod, fünf Jahre später, am 19.6.2008. Er verstarb im Alter von 73 Jahren in Madrid an einem Herzinfarkt – für den Betroffenen die barmherzigste Art in das ewige Leben hinüber zu gehen.
José Manuel war ein Leben lang immer rege an Geschichte interessiert und hinterließ mehrere Bücher. Das erste schrieb er in Washington, es behandelt den Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898. Es beschreibt den rasch voranschreitenden Imperialismus der Amerikaner und das endgültigen Ende Spaniens als Weltmacht, welches durch den Verlust von Kuba und den Philippinen besiegelt wurde. Das Buch fand einen großen Leserkreis. Auch schrieb er über die politische Lage zu Zeiten seines Großvaters und sein Büchlein über Zinnsoldaten wird jetzt noch von Sammlern und Kennern als die „spanische Bibel” hinsichtlich der Materie beschrieben.
Was José Manuel und mich betrifft: Es gibt den Spruch, man muss im Leben ein Kind in die Welt setzen, einen Baum anpflanzen und ein Buch schreiben. Sowohl er als auch ich haben nicht nur mehrere Bäume angepflanzt und mehrere Bücher geschrieben, der Kindersegen jedoch wurde uns leider verwehrt. Doch kann ich aus ganzem Herzen sagen, dass ich jedem Ehepaar eine solch´ glückliche Ehe wünsche, wie sie uns zuteil wurde.
Ursula de Allendesalazar, Spanien im Herbst 2023
Tagebuch des Gustav I. von Reininghaus
/in Reininghaus/Linie 1 /von Ulrike ReininghausTagebuch des Gustav I. v. Reininghaus
Gustav I. von Reininghaus (1851 – 1883) wurde von seinen Eltern, Johann Peter und Therese, mit 18 Jahren an das Polytechnikum in Zürich – heute die Eidgenössische Technische Hochschule – geschickt. Solange er dort noch keine Freunde gefunden hatte, schrieb er seine Erlebnisse und Gedanken in ein Tagebuch, jedoch nur in den ersten Monaten regelmäßig.
Anfangs hatte Gustav großes Heimweh nach Eltern und Geschwistern in Graz. Er fügte sich jedoch den Wünschen seines Vaters und absolvierte diverse naturwissenschaftliche und technische Studiengänge, wobei er jedoch lieber die Mathematik weiter vertieft hätte. Für einen 18-Jährigen erscheinen seine Gedanken außerordentlich erwachsen und er selbst sehr gebildet und pflichtbewusst. Obwohl er geistreiche Dinge schrieb, hatte er aber wohl auch immer die Sorge im Hinterkopf, dass sein Tagebuch einmal jemandem in die Hände fallen könnte. Interessanterweise hatte sein Studienfleiß irgendwann nachgelassen – wie man aus den letzten Zeilen des Buches von Februar 1871 erfahren kann. Die kleine „Abrechnung“ dort mit sich selbst macht ihn umso sympathischer und sein Abgangszeugnis zeigt, dass ihn Fleiß und Wille irgendwann wieder eingeholt haben müssen.
Familienerinnerungen des Gustav Piffl
/in Reininghaus/Linie 1 /von Maximilian SpechtlerIn einer Familie aufzuwachsen, die sich über mehrere Generationen, Stämme, Städte und Länder erstreckt, war für mich nicht einfach. In der nächsten Umgebung der Verwandtschaft kannte ich meinen Platz, doch weiter entfernt war ich mir stets unbewusst, wo und wie ich mich selbst einzuordnen hatte. Das wenige, das ich über weiter entfernten Angehörigen wusste, waren meist nur die Namen, die in Konversationen oder Erzählungen mit Selbstverständlichkeit erwähnt wurden. Bei großen Familienfesten, die in meiner Kindheit noch stattfanden, wurde ich herzlich von Menschen beim Vornamen begrüßt, deren Gesicht ich im besten Fall flüchtig kannte, aber die mir trotzdem fremd waren. Mit der Zeit füllten sich Lücken in meinem imaginären Stammbaum, doch essenzielle Knotenpunkte blieben in meinen Gedanken für lange Zeit nicht verknüpft.
Gegen Ende des vergangenen Jahres 2022 bot sich mir durch eine Pause zwischen zwei Anstellungen die Zeit, meine eigene Familienhistorie für mich selbst aufzuarbeiten. Ich erinnerte mich an einen dicken, schwarzen und abgegriffenen Ordner, der über viele Jahre und Umzüge hinweg mit mir wanderte, dem ich aber nie Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Dieser Ordner, auf dem Rücken betitelt mit „Gustav Piffl – Familienerinnerungen“ gelang als Besitz meines Vaters in meine Hände, womöglich durch falsches Einsortieren bei einem Umzug, oder schon als früherer Versuch, die Familienhistorie zu erkunden.
Bereits nach dem ersten Durchblättern der maschinengeschriebenen Seiten wurde mir bewusst, dass es sich hier um mehr als die Antworten zu meinen lange gestellten Fragen handelte: ein Zeitzeuge in schriftlicher Form, der das damalige Leben in und um die weite Familie herum aus erster Hand wiedergibt. So begann meine Reise durch die Geschichte, die sich schnell von der Selbstfindung zur chronischen Detektivarbeit entwickelte. Doch die losen und teils sehr schwer leserlichen Blätter in dem auseinanderfallenden Ordner waren nicht die adäquate Form, diese Reise fortzusetzen. Immer schon sehr an Geschichte interessiert, war mein nächstes Ziel, die Worte meines Vorfahren zu bewahren, in digitaler Form. Die erste, und bei weitem nicht letzte Anschaffung des Projektes wurde getätigt: ein Scanner mit schnellem Serieneinzug – ein Stapel an Seiten hinein, hochauflösende Scans heraus. Auch wenn der Scanner mir das mühsame Einlegen einzelner Seiten ersparte, verbrachte ich trotzdem einige lange Abende mit dem Füttern des Geräts, anpassen von Scan-Einstellungen, digitalem Verbinden der einzelnen Dateien und einem gesunden Maß an Gefluche, wenn der Scanner erneut mehrere statt einer einzelnen Seite auf einmal einzog. Qualität der digitalen Reproduktion war mir wichtig, wodurch am Ende ein PDF mit über 380 Seiten und 2,5 Gigabyte Größe entstand. Auch wenn an diesem Punkt zumindest die Originalversion bewahrt war, war ich längst nicht zufrieden. Ich wollte in die Geschichte eintauchen, recherchieren und herausfinden, was mein Ururgroßvater seinerzeit erleben konnte.
Mein Ururgroßvater, Gustav Piffl. Seine Tochter Adolphine, von der Familie stets liebevoll „Omina“ genannt, war in meiner Kindheit noch eine präsente Person, die ich sehr schätzte. Noch heute habe ich sie als enorm resiliente Frau in Erinnerung, die in ihrem damaligen hohen Alter von 96, trotz beidseitiger Amputation beider Beine unterhalb der Knie und Schwierigkeiten mit der Sprache durch Schlaganfälle, noch für den einen oder anderen Spaß zu begeistern war. So konnte ich den ersten greifbaren Knoten knüpfen und meinen geistigen Stammbaum erweitern. Warum nicht gleich noch tiefer gehen? Warum nicht meine Erfahrungen mit anderen teilen? Vielleicht befinden sich andere Familienmitglieder in ähnlichen Situationen und wollen mehr über die Vergangenheit erfahren? Verbunden mit der Gelegenheit, als Grafiker ein gesamtes Buch zu gestalten, begann der lange Prozess, Gustavs Erinnerungen Wort für Wort zu transkribieren und in ein gebundenes Werk zu verarbeiten.
Anfangs dachte ich, ein paar Wochen lang gemütlich abends mit Lesen und Tippen beschäftigt zu sein. Wochen wurden zu Monaten und schlussendlich schreibe ich diesen Artikel ein gutes Jahr nach Beginn des Abenteuers. Das Abtippen selbst war an sich recht einfach – bei gutem Tempo konnte ich mehrere Seiten in einer Sitzung niederschreiben. Doch diese „leichten“ Seiten waren eher die Ausnahme. Die maschinengeschriebenen Seiten von Gustav variierten punkto Lesbarkeit drastisch. Abdrucke der noch nicht getrockneten Vorderseite, überschriebene Zeilen, doppelt und dreifach übertippte Worte, bis hin zu komplett unleserlichen Seiten durch Schäden der Zeit. Des Öfteren betrachtete ich einzelne Buchstaben durch einen Fadenzähler und verglich historische Schriftsätze mit den Zeichen vor mir, nur um ein einzelnes Wort zu entziffern. Wenn das nicht gelang, wanderte die gescannte Seite in Photoshop, um dort die einzelnen Helligkeitstöne des Toners unterscheiden zu können und lesbar zu machen. Manche Seiten wurden akribisch über Tage hinweg bis auf die Fasern des Papiers untersucht, keine Methode war hier zu aufwändig.
Auch wenn die niedergeschriebenen Informationen viel mehr vermittelten, als ich mir anfangs erhoffte, blieben manche Details verborgen. Wer war dieser erwähnte Doktor Fürth? Wie sah das beschriebene Haus am Franziskanerplatz 1 aus, oder das Schloss Rabenstein? Mit der inhaltlichen Aufarbeitung entstand so nun ein Recherche-Aspekt, der oft an jahrhunderteübergreifende Detektivarbeit erinnerte und einen substanziellen Teil der Bearbeitung bildete. Maßgeblich hilfreich waren hier die Archive der Österreichischen Nationalbibliothek, die über enorme Tiefen an Ressourcen verfügen. Einiges an geschichtlichem Bildmaterial, das die Worte von Gustav visuell unterstützt, konnte ich ebenfalls durch das Bildarchiv der ÖNB erwerben und so an einigen Stellen des Buches das Erzählte bildlich darstellen.
Natürlich ist auch zu erwähnen, dass die umfangreiche Bildsammlung der dynastiemautnermarkhof-Website einen großen Beitrag zu den bildlichen Anschauungen geleistet hat. Hier fand ich einige sehr wertvolle Bilder, die zusammen mit Scans von eigenen Familienalben, aufwändig über viele Stunden aufbereitet und retuschiert, ihren Platz neben den Erzählungen finden.
Die Arbeit an diesem Buch über das letzte Jahr hinweg hat es mir ermöglicht viel zu lernen – über die weite verzweigte Familie, über die Geschichte der damaligen Zeit, über Gebräuche und das Leben vor so vielen Jahren. Auch wenn heute mein geistiger Stammbaum noch nicht ganz gefüllt ist, liegt das weniger an einem Mangel an Informationen, sondern vielmehr an einem Überschuss derselben, für den ich dankbar bin.
Zum Buch
Alle Familienmitglieder, die Gustav Piffls Lebenserinnerungen auch in gedruckter Form bewahren möchten, können sie gerne bei mir bestellen.